Gabriel
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Wastls Gyuto in 1.2562– oder wie schmiedet man ein ausdauerndes Arbeitstier
Wir haben hier im Forum ja oft die Diskussion darum, was ein Messer zu einem richtigen Arbeitstier - einem Workhorse - macht und wie es dabei noch gleichzeitig ein schneidfreudiges, führiges und allroundtaugliches Messer bleibt. gast, seines Zeichens Profikoch und Hobbyschmied, hat sich daran gemacht es rauszufinden. Ob das gelungen ist werden wir sehen…
Die Zutaten
Da es sich um ein Einzelstück handelt, welches auch nicht käuflich erworben werden kann, spare ich mir die ganzen Messwerte. Das Gyuto weist eine relativ schmale grob 25cm-lange Klinge aus, so weit so gut. Der erste Eindruck ist massiv. Mit den Worten meiner Freundin: „Was ist das denn für ein Schwert?“ Dabei ist sie eigentlich nicht gerade zierliche Klingen in meiner Küche gewöhnt. Der Eindruck entsteht dabei besonders durch einen extrem groß dimensionierten Griff aus stabilisiertem Maserholz sowie das insgesamt hohe Gewicht des Gyutos. Der Balance schadet dies nicht… im Pinchgrip gehalten liegt der Schwerpunkt IMHO ideal kurz vor der Hand.
Eine besonders relevante Zutat ist natürlich der verwendete Stahl. Hier kommt 1.2562 zum Einsatz. Ein Stahl, der laut Wastls Beschreibungen nicht nur in der Standzeit zäh ist sondern wohl auch insbesondere in der Bearbeitung… klingt aber dennoch nach der passenden Wahl, darauf werde ich dann aber noch später eingehen.
Die zweite Zutat ist die Geometrie. Wastl hat hier versucht eine sozusagen variabel ballige Geometrie zu erzeugen, die stabil und robust ist aber dennoch schneidfreudig, die der Klinge genug Masse gibt um einen Flow bei der Arbeit zu erzeugen ohne dabei zur Spaltaxt zu werden und natürlich einen anständigen Food Release erzeugt. Auffällig ist die breite Schneidfase, die auf den ersten Blick auf eine grausame Geometrie mit einer an der Wate sehr hohen Klingenstärke an der Wate, glücklicherweise täuscht der Eindruck aufgrund sehr flachen Schleifwinkels und der starken Balligkeit über der Schneide. Wie der Kehlshot andeutet, ist die Klinge nicht unbedingt nagelgängig, ausgesprochen dick aber auch nicht (vielleicht kann hier der nachfolgende Tester nochmal einen Messwert nachliefern, ist mir leider zu spät eingefallen…).
Kehlshot Wastl 1.2562 Gyuto
Kehlshot Kato Workhorse Gyuto 240mm
Verarbeitung & Finish
Zwar wurde hier klar definiert, dass das Finish eindeutig nicht der Fokus ist, letztendlich kann ich es mir aber nicht verkneifen ein paar Worte dazu zu verlieren.
Im Prinzip kann man nicht meckern. Der Griff ist zwar sehr groß (mir zu groß) aber recht sauber geschliffen, ebenso die Klinge soweit man es unter der quasi durchgängigen Patina, mit der es mich erreicht hat, beurteilen kann. Die Konstruktion ist einfach und zweckmäßig, aber bis auf ein paar Schmiedespuren sauber gemacht.
In Benutzung
Letztlich ist es natürlich das einzig entscheidende, ob das Messer seinem hoch gesteckten Anspruch gerecht wird…die Antwort: in der einen Hinsicht ja, in der anderen Hinsicht nicht ganz...
Das Messer erreichte mich gut scharf und so habe ich es nur kurz einmal abgezogen. Was ich auf jeden Fall berichten kann, ist, dass ich als Hobbykoch es in ca. 2 Wochen moderater Benutzung es nicht im Geringsten geschafft habe, daran was zu ändern. Die Schnitthaltigkeit erwies sich als wirklich extrem gut, ebenso die Schneidkantenstabilität. Obwohl ich mit dem Messer nicht zimperlich umgegangen bin (wie auch beabsichtigt, inkl. Ausbeinen mit leichtem Knochenkontakt, verschiedenem gro0em hartem Gemüse usw.) und das Schneiden und Choppen mit so einem schweren Messer natürlich eine ungleich größere Belastung für die Schneide ist als bei einem Laser, konnte ich nicht die geringsten Anzeichen für Ausbrüche feststellen.
Vergleich Wastl 1.2562 Gyuto und Kato Workhorse Gyuto 240 mm
Letztlich habe ich das Messer nur kleingekriegt – meint in diesem Fall: „es war zumindest eine Abnahme an Schärfe spürbar und es rasierte danach kaum noch Unterarmhaare“ – weil ich Rumpsteaks für 30 Leute bei unser diesjährigen Firmenweihnachtsfeier auf härteren Kunststoffbrettern mit dem Workhorse zu putzen und schneiden hatte.
Die Reaktivität des Stahls würde ich als durchschnittlich bis gering bezeichnen, ist aber natürlich schwer einzuschätzen, da das Messer schon mit einer Patina bei mir ankam und nur die Schneide blank war. Reaktionen an den Lebensmitteln gab es keine. Leichte Veränderungen in der Patina gab es im Laufe der Zeit, aber das ist ja natürlich.
Im Gebrauch zeigt sich das Messer trotz der Massigkeit überraschend führig. Natürlich ist es kein Wunder an Schneidfreude, zeigt jedoch über die ganze Klinge hinweg eine ausreichend ausgeschliffene Geometrie, so dass in der Benutzung durchaus der beabsichtigte „Flow“ entstehen kann. Möhren schneidet das Messer größtenteils Knackfrei, solange man bei kleinen bis mittelgroßen Möhren bleibt, bei dicken harten Möhren kann man dann aber wieder ein Knacken vernehmen (im reinen Druckschnitt). Für ein Workhorse geht das aber in Ordnung IMHO.
Dennoch… 100g weniger und ein etwas zierlicherer Griff würde dem Messer gut tun. Insbesondere im Bereich nahe der Spitze könnte die Klinge etwas dünner ausgeschliffen sein und vom Profil her spitzer. Natürlich bringt das für einige Schneidtechniken durchaus Vorteile und die Spitze ist robuster, bevorzugen tue ich aber dennoch filigrane feine Spitzenbereiche an meinen Gyutos, besonders beim Zwiebeln würfeln fällt dies auf.
Nachdem die Schärfe etwas nachgelassen hatte, habe ich das Messer kurz auf dem Chosera 5k geschärft und anschließend auf dem blanken Leder abgezogen. Ich war überrascht, wie schnell wieder eine hohe Schärfe hergestellt war, im direkten Vergleich nicht aufwändiger als bei einem Messer aus Aogami Super. Der 1.2562 scheint also wirklich ein besonders gutes Verhältnis aus Standzeit, Stabilität und Schärfbarkeit zu bieten
Vergleich Wastl 1.2562 Gyuto und Kato Workhorse Gyuto 240 mm
Fazit
Konzept und Material sind meiner Meinung nach hier sehr stimmig, mit der handwerklichen Umsetzung war ich ebenfalls sehr zufrieden. Das Messer ist wirklich ein wahres Workhorse und in dieser Rolle schlägt es sich auch gut. Die (IMHO hervorragende) Stahlwahl unterstützt natürlich diese Eigenschaft. Es ist definitiv kein Messer für den leichten Genussschnitt, muss es auch gar nicht sein. Für meinen Geschmack könnte es wiegesagt, insbesondere im Bereich der Spitze, noch deutlich feiner ausgeschliffen, das Profil etwas spitzer, das gesamte Messer etwas leichter und der Griff etwas kompakter sein. Dennoch hat mir das Messer Spaß gemacht und einen positiven Eindruck hinterlassen
PS: Ein großes Workhorse Gyuto in 1.2562 steht ganz oben in meiner Planung
Gruß, Gabriel
Wir haben hier im Forum ja oft die Diskussion darum, was ein Messer zu einem richtigen Arbeitstier - einem Workhorse - macht und wie es dabei noch gleichzeitig ein schneidfreudiges, führiges und allroundtaugliches Messer bleibt. gast, seines Zeichens Profikoch und Hobbyschmied, hat sich daran gemacht es rauszufinden. Ob das gelungen ist werden wir sehen…
Die Zutaten
Da es sich um ein Einzelstück handelt, welches auch nicht käuflich erworben werden kann, spare ich mir die ganzen Messwerte. Das Gyuto weist eine relativ schmale grob 25cm-lange Klinge aus, so weit so gut. Der erste Eindruck ist massiv. Mit den Worten meiner Freundin: „Was ist das denn für ein Schwert?“ Dabei ist sie eigentlich nicht gerade zierliche Klingen in meiner Küche gewöhnt. Der Eindruck entsteht dabei besonders durch einen extrem groß dimensionierten Griff aus stabilisiertem Maserholz sowie das insgesamt hohe Gewicht des Gyutos. Der Balance schadet dies nicht… im Pinchgrip gehalten liegt der Schwerpunkt IMHO ideal kurz vor der Hand.
Eine besonders relevante Zutat ist natürlich der verwendete Stahl. Hier kommt 1.2562 zum Einsatz. Ein Stahl, der laut Wastls Beschreibungen nicht nur in der Standzeit zäh ist sondern wohl auch insbesondere in der Bearbeitung… klingt aber dennoch nach der passenden Wahl, darauf werde ich dann aber noch später eingehen.
Die zweite Zutat ist die Geometrie. Wastl hat hier versucht eine sozusagen variabel ballige Geometrie zu erzeugen, die stabil und robust ist aber dennoch schneidfreudig, die der Klinge genug Masse gibt um einen Flow bei der Arbeit zu erzeugen ohne dabei zur Spaltaxt zu werden und natürlich einen anständigen Food Release erzeugt. Auffällig ist die breite Schneidfase, die auf den ersten Blick auf eine grausame Geometrie mit einer an der Wate sehr hohen Klingenstärke an der Wate, glücklicherweise täuscht der Eindruck aufgrund sehr flachen Schleifwinkels und der starken Balligkeit über der Schneide. Wie der Kehlshot andeutet, ist die Klinge nicht unbedingt nagelgängig, ausgesprochen dick aber auch nicht (vielleicht kann hier der nachfolgende Tester nochmal einen Messwert nachliefern, ist mir leider zu spät eingefallen…).
Kehlshot Wastl 1.2562 Gyuto
Kehlshot Kato Workhorse Gyuto 240mm
Verarbeitung & Finish
Zwar wurde hier klar definiert, dass das Finish eindeutig nicht der Fokus ist, letztendlich kann ich es mir aber nicht verkneifen ein paar Worte dazu zu verlieren.
Im Prinzip kann man nicht meckern. Der Griff ist zwar sehr groß (mir zu groß) aber recht sauber geschliffen, ebenso die Klinge soweit man es unter der quasi durchgängigen Patina, mit der es mich erreicht hat, beurteilen kann. Die Konstruktion ist einfach und zweckmäßig, aber bis auf ein paar Schmiedespuren sauber gemacht.
In Benutzung
Letztlich ist es natürlich das einzig entscheidende, ob das Messer seinem hoch gesteckten Anspruch gerecht wird…die Antwort: in der einen Hinsicht ja, in der anderen Hinsicht nicht ganz...
Das Messer erreichte mich gut scharf und so habe ich es nur kurz einmal abgezogen. Was ich auf jeden Fall berichten kann, ist, dass ich als Hobbykoch es in ca. 2 Wochen moderater Benutzung es nicht im Geringsten geschafft habe, daran was zu ändern. Die Schnitthaltigkeit erwies sich als wirklich extrem gut, ebenso die Schneidkantenstabilität. Obwohl ich mit dem Messer nicht zimperlich umgegangen bin (wie auch beabsichtigt, inkl. Ausbeinen mit leichtem Knochenkontakt, verschiedenem gro0em hartem Gemüse usw.) und das Schneiden und Choppen mit so einem schweren Messer natürlich eine ungleich größere Belastung für die Schneide ist als bei einem Laser, konnte ich nicht die geringsten Anzeichen für Ausbrüche feststellen.
Vergleich Wastl 1.2562 Gyuto und Kato Workhorse Gyuto 240 mm
Letztlich habe ich das Messer nur kleingekriegt – meint in diesem Fall: „es war zumindest eine Abnahme an Schärfe spürbar und es rasierte danach kaum noch Unterarmhaare“ – weil ich Rumpsteaks für 30 Leute bei unser diesjährigen Firmenweihnachtsfeier auf härteren Kunststoffbrettern mit dem Workhorse zu putzen und schneiden hatte.
Die Reaktivität des Stahls würde ich als durchschnittlich bis gering bezeichnen, ist aber natürlich schwer einzuschätzen, da das Messer schon mit einer Patina bei mir ankam und nur die Schneide blank war. Reaktionen an den Lebensmitteln gab es keine. Leichte Veränderungen in der Patina gab es im Laufe der Zeit, aber das ist ja natürlich.
Im Gebrauch zeigt sich das Messer trotz der Massigkeit überraschend führig. Natürlich ist es kein Wunder an Schneidfreude, zeigt jedoch über die ganze Klinge hinweg eine ausreichend ausgeschliffene Geometrie, so dass in der Benutzung durchaus der beabsichtigte „Flow“ entstehen kann. Möhren schneidet das Messer größtenteils Knackfrei, solange man bei kleinen bis mittelgroßen Möhren bleibt, bei dicken harten Möhren kann man dann aber wieder ein Knacken vernehmen (im reinen Druckschnitt). Für ein Workhorse geht das aber in Ordnung IMHO.
Dennoch… 100g weniger und ein etwas zierlicherer Griff würde dem Messer gut tun. Insbesondere im Bereich nahe der Spitze könnte die Klinge etwas dünner ausgeschliffen sein und vom Profil her spitzer. Natürlich bringt das für einige Schneidtechniken durchaus Vorteile und die Spitze ist robuster, bevorzugen tue ich aber dennoch filigrane feine Spitzenbereiche an meinen Gyutos, besonders beim Zwiebeln würfeln fällt dies auf.
Nachdem die Schärfe etwas nachgelassen hatte, habe ich das Messer kurz auf dem Chosera 5k geschärft und anschließend auf dem blanken Leder abgezogen. Ich war überrascht, wie schnell wieder eine hohe Schärfe hergestellt war, im direkten Vergleich nicht aufwändiger als bei einem Messer aus Aogami Super. Der 1.2562 scheint also wirklich ein besonders gutes Verhältnis aus Standzeit, Stabilität und Schärfbarkeit zu bieten
Vergleich Wastl 1.2562 Gyuto und Kato Workhorse Gyuto 240 mm
Fazit
Konzept und Material sind meiner Meinung nach hier sehr stimmig, mit der handwerklichen Umsetzung war ich ebenfalls sehr zufrieden. Das Messer ist wirklich ein wahres Workhorse und in dieser Rolle schlägt es sich auch gut. Die (IMHO hervorragende) Stahlwahl unterstützt natürlich diese Eigenschaft. Es ist definitiv kein Messer für den leichten Genussschnitt, muss es auch gar nicht sein. Für meinen Geschmack könnte es wiegesagt, insbesondere im Bereich der Spitze, noch deutlich feiner ausgeschliffen, das Profil etwas spitzer, das gesamte Messer etwas leichter und der Griff etwas kompakter sein. Dennoch hat mir das Messer Spaß gemacht und einen positiven Eindruck hinterlassen
PS: Ein großes Workhorse Gyuto in 1.2562 steht ganz oben in meiner Planung
Gruß, Gabriel