Ich rätsele mal wieder: Ist die Frage so gemeint, wie sie gestellt wurde, oder geht es nur um eine Abschätzung zwischen 1.2516 und 1.2210?.
Geht man der Sache bis in die letzten Verästelungen nach, wird man bei einer Habilitationsschrift enden. Die Frage nach den beiden speziellen Stahlsorten ist dagegen relativ kurz zu beantworten.
Ich versuche mal eine Kompromisslösung:
Als ich noch ein Kind war, stellte ich meinem sehr lieben, belesenen und klugen Großvater viele Fragen. Etwa:"Opa, wer ist stärker, ein Tiger oder ein Löwe ?" Mit großer Geduld versuchte er, mir die Frage so zu beantworten, daß ich auch das "Warum" verstand. "Ein starker Löwe packt zwei schwache Tiger und ein starker Tiger packt zwei schwache Löwen". Daraus konnte ich mir dann ableiten, daß es bei zwei starken Löwen und Tigern mehr oder minder auf Glück und Zufall ankäme.
So etwa ist es auch bei den beiden genannten Stählen. Wenn einer eine gute thermomechanische Behandlung und Wärmebehandlung erfährt und der andere nicht richtig behandelt wird, ist der gut behandelte besser als der andere. Auf die Legierung kommt es dabei nicht an.
Bei optimaler Behandlung wird der 1.2516 für feine Schneiden eine Spur besser sein. Er ist nach dem Härten etwas karbidreicher und die Karbide sind etwas härter. Als Damastkomponente hat er den Vorteil besserer Schweißbarkeit. Beide Stähle sind deutlich übereutektoidisch, enthalten also nach dem Härten noch Karbide- das sollte man auch nicht unterschätzen-durch die zusätzlichen Elemente ist die Löslichkeit für den Kohlenstoff herabgesetzt, sodaß mehr Karbide übrig bleiben, als bei einem reinen C-Stahl. Nach dem Eisen- Kohlenstoffdiagramm hat ein reiner C-Stahl mit 1,0 % C etwa 15% Zementitanteil im weichgeglühten Zustand und nach dem Härten immer noch ca 3 %. Das erhöht sich durch den höheren C-Gehalt beider Stähle und durch die Legierungswirkung deutlich, sodaß die harten Karbide für die Schneidleistung eine bedeutende Rolle spielen. Da beide Stähle aber noch nicht ledeburitisch sind, können die Karbide durch entsprechende Glüh- und Schmiedebehandlungen klein gehalten werden.
Wegen der besseren Schweißbarkeit war und ist der kleinere Bruder des 1.2516, Stahl 1.2515, der Spitzenstahl für Verbundstahlmesser, wie sie in der Papier-, Tabak-oder Lederindustrie eingesetzt werden.
Wenn man aber das Grundsätzliche ansprechen will, kann man die Frage nicht in aller Kürze beantworten.
Grundsätzlich kann man sagen, daß erhöhter Wolframgehalt die Härte und Verschleißfestigkeit stärker begünstigt, insbesondere auch die Warmfestigkeit. Bei hohen Wolframgehalten kommt man daher in den Bereich der Schnellarbeitsstähle. Hoher Chromgehalt ab 12-13 % in der Matrix führt zu guter Korrosionsbeständigkeit. In kleinen Mengen hilft Chrom-insbesondere im Zusammenwirken mit Vanadium das Matrixkorn fein zu halten. Stahl 1.2206 war vor der Tendenz zu korrosionsbeständigen Stählen als Spitzenstahl für Rasiermesser angesehen.
Zur Vertiefung seien die Kapitel über die Chrom- und Wolframstähle und ganz besonders das Kapitel über die Karbide beim Altmeister Rapatz empfohlen.
MfG U. Gerfin