Wolfram- und chromlegierte Stähle im Vergleich

Stahlfriseur

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Hallo an alle Stahlschlüssel-Experten und Legierungs-Kenner.

Es gibt im Forum viele Beiträge zum Thema Klingen- Rasiermesser- und
wolfram- oder chromlegiertem Stahl. Doch wenn ihr die Wahl hättet zwischen 1.2516 - dem ursprünglichen wolframlegierten Silberstahl und dem neueren, für die Industrie günstigeren 1.2210. Welchen würdet ihr für alltägliche Gebrauchsmesser im Dreilagen-Laminataufbau und mittelgroßen bis kleinen Schneidwinkeln bevorzugen. Wie wirken sich Wolfram und Chrom im Vergleich auf Zähigkeit(Schneidkantenstabilität), Schärfe und Schnitthaltigkeit aus ?
 
Zuletzt bearbeitet:
in Berglands Buch steht dass:Chrom erhöht die Härte, Festigkeit und Zähigkeit. Bei einem Chromgehalt von über 12% wird der Stahl oxidation-rostbeständig. Legierungsgrad bis zu ca.25.0%

Wolfram erhöht die Härtbarkeit und härtetemperatur. Macht den Stahl feinkörniger.Stark Karbidbildend. Die Schweißbarkeit wird schlechter.
 
1.2216
Wolframkarbide sind extrem hart,was sich auf die Schneidhaltigkeit positiv auswirkt, auf die Schärfbarkeit aber negativ.
Wolframstähle sind, was die Temperatur beim Schmieden und bei der Wärmebehandlung angeht empfindlicher als ohne.

1.2210
Auch Chrom bildet Karbide, was ebenfalls die Schneidhaltigkeit erhöht, nur sind eben Wolframkarbide einen Tick verschleißfester.

Ich habe aus diesem Stahl schon mehrere Messer gemacht, hauptsächlich für die Küche und ich kann mich über keines beklagen.

Alles in allem wird der normale Benutzer kaum einen Unterschied feststellen, immer eine möglichst perfekte Wärmebehandlung und Geometrie vorrausgesetzt.

Das diese Stähle nur für feine Schnitte zu gebrauchen sind und Missbrauch übel nehemen, sollte klar sein.
 
Hallo Stahlfriseur,

der 1.2210 ist ein übereutektoider Kohlenstoffstahl mit 0,5-0,8% Cr. Die 0,07-0,12% V kann man unterschlagen.
Der Chrom wird sich daher nicht gross auswirken da fast keine Karbide gebildet werden können.
Feine, gut schärfbere Klingen sind hier sicher gut herstellbar.

Der 1.2516 hat deutlich wenigeren für Cr (0,15-0,25%) aber dafür 0,9-1,1% W.

Mein Fazit daher :
beide bilden nicht wirklich viele Karbide und eine wirklich grosse Beeinflussung auf Schneidwinkel und Schneidhaltigkeit ist nicht zu erwarten.
Einen wirklichen Unterschied würdest du feststellen wenn du einen 1.2379 nehmen würdest mit 11-13%Cr bei 1,45-1,60% C.

Wenn's dich genauer interessiert dann schau mal in das Buch von Roman Landes "Messerklingen und Stahl" rein. Damit kann man recht gute Abschätzungen bezüglich dieser Elemente und deren Anteilen machen, da es einige Beispiele mit "Leistungsdiagramm" beinhaltet.

Gruss,
Lupolino
 
Ich rätsele mal wieder: Ist die Frage so gemeint, wie sie gestellt wurde, oder geht es nur um eine Abschätzung zwischen 1.2516 und 1.2210?.
Geht man der Sache bis in die letzten Verästelungen nach, wird man bei einer Habilitationsschrift enden. Die Frage nach den beiden speziellen Stahlsorten ist dagegen relativ kurz zu beantworten.
Ich versuche mal eine Kompromisslösung:
Als ich noch ein Kind war, stellte ich meinem sehr lieben, belesenen und klugen Großvater viele Fragen. Etwa:"Opa, wer ist stärker, ein Tiger oder ein Löwe ?" Mit großer Geduld versuchte er, mir die Frage so zu beantworten, daß ich auch das "Warum" verstand. "Ein starker Löwe packt zwei schwache Tiger und ein starker Tiger packt zwei schwache Löwen". Daraus konnte ich mir dann ableiten, daß es bei zwei starken Löwen und Tigern mehr oder minder auf Glück und Zufall ankäme.
So etwa ist es auch bei den beiden genannten Stählen. Wenn einer eine gute thermomechanische Behandlung und Wärmebehandlung erfährt und der andere nicht richtig behandelt wird, ist der gut behandelte besser als der andere. Auf die Legierung kommt es dabei nicht an.
Bei optimaler Behandlung wird der 1.2516 für feine Schneiden eine Spur besser sein. Er ist nach dem Härten etwas karbidreicher und die Karbide sind etwas härter. Als Damastkomponente hat er den Vorteil besserer Schweißbarkeit. Beide Stähle sind deutlich übereutektoidisch, enthalten also nach dem Härten noch Karbide- das sollte man auch nicht unterschätzen-durch die zusätzlichen Elemente ist die Löslichkeit für den Kohlenstoff herabgesetzt, sodaß mehr Karbide übrig bleiben, als bei einem reinen C-Stahl. Nach dem Eisen- Kohlenstoffdiagramm hat ein reiner C-Stahl mit 1,0 % C etwa 15% Zementitanteil im weichgeglühten Zustand und nach dem Härten immer noch ca 3 %. Das erhöht sich durch den höheren C-Gehalt beider Stähle und durch die Legierungswirkung deutlich, sodaß die harten Karbide für die Schneidleistung eine bedeutende Rolle spielen. Da beide Stähle aber noch nicht ledeburitisch sind, können die Karbide durch entsprechende Glüh- und Schmiedebehandlungen klein gehalten werden.
Wegen der besseren Schweißbarkeit war und ist der kleinere Bruder des 1.2516, Stahl 1.2515, der Spitzenstahl für Verbundstahlmesser, wie sie in der Papier-, Tabak-oder Lederindustrie eingesetzt werden.
Wenn man aber das Grundsätzliche ansprechen will, kann man die Frage nicht in aller Kürze beantworten.
Grundsätzlich kann man sagen, daß erhöhter Wolframgehalt die Härte und Verschleißfestigkeit stärker begünstigt, insbesondere auch die Warmfestigkeit. Bei hohen Wolframgehalten kommt man daher in den Bereich der Schnellarbeitsstähle. Hoher Chromgehalt ab 12-13 % in der Matrix führt zu guter Korrosionsbeständigkeit. In kleinen Mengen hilft Chrom-insbesondere im Zusammenwirken mit Vanadium das Matrixkorn fein zu halten. Stahl 1.2206 war vor der Tendenz zu korrosionsbeständigen Stählen als Spitzenstahl für Rasiermesser angesehen.
Zur Vertiefung seien die Kapitel über die Chrom- und Wolframstähle und ganz besonders das Kapitel über die Karbide beim Altmeister Rapatz empfohlen.
MfG U. Gerfin
 
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