AK1 Daily Customs/Böker/Alex Kremer Design versus Jarbrothers

güNef

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Servus,

das ich kleine Fixed besonders mag, ist ja jetzt nix neues, von daher habe ich natürlich wie viele andere die der gleichen Obsession frönen ein Auge auf das AK 1 von Daily Custom/Böker/Alex Kremer geworfen. Ich finde das Baukastensystem wirklich cool gelöst, da ist für jeden was dabei. Klingenformen, Stähle, Oberflächenbeschaffenheit, Regrind von Alex Kremer himself, dazu viele Varianten von Wechselschalen und Scheiden machen diesen Baukasten zu einem Spielplatz für ältere Kinder. ;)👍

Ich habe den Shop durchstöbert und mir eine Kombination aus folgenden Materialien bestellt:

°) Klingenstahl: RWL34™
°) Form: Reverse Tanto
°) Oberfläche: stonewashed

Die Klinge kostet 150,-,die Natural-Canvas-Griff-Schalen 60,- + Porto nach AT 10,99,- Gesamt 220,99,-

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Als Extra habe ich noch eine Kydexscheide erwogen, dazu aber später.

Zu einem anderen Zeitpunkt bin ich hier im Forum auf Jeabrother gestoßen, einen chinesischen Hersteller der auf Amazon seine Messer anbietet. Nach einer kurzen Suche findet sich ein recht frecher Designklau der unverkennbar vom AK1 abgekupfert ist. Dieser Hersteller bietet ebenso alle Klingenformen feil, die Daily Custom auch im Portfolio hat und verlangt 29,24,- für ein „fast“ identes Design, also Klinge, Griffschalen und Scheide. Stahl ist angeblich 14c28N, zumindest ist das auf die Klinge gelasert, überprüfen lässt sich der Wahrheitsgehalt zumindest von mir nicht. Ich habe mir also aus reiner Neugierde ( „Geiz ist Geil“ Mentalität kann man mir ja schlecht unterstellen, weil ich oftmals auch im vierstelligen Preisbereich kaufe, siehe Boll, Kamon, Mattern und andere…) zwei dieser Designkopien gekauft. Betrug oder Fake ist es ja keiner, da unter eigenem Label angeboten und da sind Jarbrothers beileibe nicht die einzigen chinesischen Hersteller.

Bestellt habe ich 1 x Reverse Tanto mit Ultem-Schalen und einmal Droppoint mit Ultem-Schalen. Mit dabei waren je eine gut gebackene, orange Kydex + kleinem Tek-Lok. Das ganze Paket ist Portofrei nach ca.10 Tagen mit präziser Sendungsverfolgung bei mir angekommen.

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Nochmal um die Preisdifferenz auszumachen:

Zwei Messer + 4 x Schalen + 2x Kydex + 2x Tek-Lok kosteten mich 84,- Euro. Welche Qualität ist da zu erwarten?

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Zunächst weiß niemand ob der Stahl wirklich 14c28N ist, ich weiß auch nicht ob die gelben transluzenten Schalen auf Schadstoffe geprüft sind oder nicht und ob es sich tatsächlich um Ultem™ handelt. Die Schalen sind passgenau, aber wenn man sie am Messer montiert gegen das Licht hält wirken sie trüb. Das hat sich nach Demontage der Schalen geklärt, es war ein dünner Ölfilm an Schalen und Erl aufgebracht. Gereinigt machen die Schalen dann einen ganz guten Eindruck. Das Finish der Klingen wirkt auf mich ein wenig zu glänzend-blank, ich mag lieber mattierte Klingen. Auf dem Bandfinish zeigten sich sofort feine Kratzer beim Ziehen aus der Kydex. Das Droppoint war rundum sauber im Finish, da gibt es nichts auszusetzen, das Reverse Tanto hatte gleich aus der Box feine Kratzer und zwei Sicht-und spürbare Scharten am Klingenrücken. Die Fase ist schön dünn, der Ausschliff durchaus schneidfähig. Die Kydex ist passgenau und völlig in Ordnung. Die Schärfe aus der Schachtel ok. Auf mich wirken Finish und Schliff dennoch hochgradig Industriell, es ist einfach Massenware vom Fliessband.

Das AK1 hat rund 0,45mm über der Schneidfase, das Jarbrother detto. Von der Schneidfähigkeit nehmen sich beide nichts.

Was soll man in Summe um den Preis denn noch verlangen? Man bekommt ein kleines Fixed mit allem drum und dran. 🤔

Ich hatte ja eigentlich, gehofft das zumindest die Schalen, die Hardware oder die Kydex für mein Original AK1 verwendbar wären, da das blanke Finish so gar nicht mein Ding ist. Da sieht man jeden Kratzer, jeden Fettfleck, schlieren und jeden Fingerabdruck. Manchen mag das nicht stören, mich schon.

Zeitgleich habe ich mir eine gedruckte K4 Quick Draw-Scheide für ein Daily Knives AK1 - Reverse Tanto um rund 19,90,- Euro bei Reini Rossmann bestellt. Rossmann bietet diese gedruckten Scheiden für Reverse + American-Tanto an. Das Material wirkt zwar wie billiges Plastik mit schmuckloser Oberfläche, hält das Messer aber gut, trägt genau Null auf und bietet einen Clou: Der Haken verfängt sich im Hosensaum und du kannst das Messer blitzschnell ziehen. Versorgen ist weniger cool, du musst die Scheide dann aus der Hose pfriemeln, und mit beiden Händen versorgen, einhändig stocherst du nur blind im Hosensack herum und verletzt dich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Trotzdem ist die Scheide eine feine Sache. Ob im Rucksack oder in der Hosentasche, sie ist klein geschnitten, leicht, schwarz und macht ihren Job.

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Beide Messer von beiden Herstellern passen genau in die gedruckte Schneide. Ebenso in die Kydex. Das hat mich doch gefreut. Weniger gefreut hat mich das Wechseln der Schalen. Bei der chinesischen Kopie ist die Hardware etwas anders. Es gibt eine 2x Hülse mit Schraubenkopf und Innengewinde und die dazu passenden Schrauben. Beim Original gibt es 2x eine Hülse mit Innengewinde und dazu 4 x passende Schrauben. Ferner sind die Abstände der Bohrungen bei der Kopie enger gesetzt, man kann also nicht die Schalen unter den beiden Herstellern hin und her tauschen. Wenn, dann müsste man das Original weiter aufbohren und das kommt keinesfalls in Frage.

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So wurde das Design und das Prinzip von Jarbrother abgekupfert, aber nicht bis ins letzte Detail. Jetzt liegen beide Messer preislich um Welten auseinander. Ich möchte jetzt einen eventuell ( individuell wahrgenommenen ) vorhandenen Mehrwert in Bezug auf Preis/Leistung vom Original nicht der Kopie gegenüberstellen, oder auch umgekehrt, weil auch beide Herstellungsländer um Welten in vielen Bereichen nicht zu vergleichen sind.

Fazit:

Das Original ist und war mir den Preis Wert, es ist aus meiner Sicht in einigen Punkten besser und sorgfältiger bearbeitet als die chinesische Kopie, das Finish ist frei wählbar und absolut top, die Schalen und die Hardware perfekt passend, der Schliff ist sauber gesetzt, die Schärfe etwas besser, das Ricasso ist fachlich sinnvoller rückgesetzt und beim Schärfen nicht hinderlich. Vor allem kann man den Angaben zum Stahl trauen. Ob diese Punkte für Sparfüchse ausreichen um das Original zu kaufen, kann ich nicht sagen, Sparfüchse mag es hier geben, aber sie sind bestimmt nicht in der Überzahl. 😅

Die beiden Chinesen sind aber mit sicher gut genug für alltägliches, die Flanken werden aber mit Sicherheit schnell verkratzen, ob der Stahl wirklich 14c28N ist und dessen von vielen geschätzten Eigenschaften wie Standzeit, Rostbeständigkeit und Zähigkeit bei richtiger WB mitbringt müsste im Dauereinsatz geprüft werden, ich hab das nicht vor.

Meine Neugierde habe ich befriedigt und meine Erfahrung teile ich mit euch. Als Benefit sehe ich die guten Kydexscheiden die ich auch verwenden werde und der Tek-Lok nehme ich gerne als Beifang.

Gruß, güNef
 
Servus,

nachdem ich das Standard AK1 und die beiden chinesischen Nachbauten schon verglichen habe, bin ich jetzt bei der Königsklasse AK1 gelandet, einem Reverse Tanto Regrind mit Two-Ton-Micarta-Scales und passender Cliplederscheide. Diese Ausführung kostet All in 410,- Euro, also das 10fache des chinesischen Nachbaues.

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Im Prinzip geht’s nur um den Primärschliff. Der geht vom Rücken bis zur Schneide mit klassischem Belt-Finish flach runter. Zur Spitze wird das deutlich fragiler als das Standard-Model, von einem wirklichen Taper möchte ich da nicht sprechen, da der Rücken erst im letzten vorderen 1/3 dünner wird. An der Wate sind das Original und der Kremer-Regrind praktisch gleich dick, es geht also nur um den feiner ausgeschliffenen Bereich an der Spitze des Messers.

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Die Fase selbst, war jetzt nicht berauschend und mit Sicherheit maschinell gesetzt und geschärft. Die Schärfe war in Ordnung, das Finish aber zu grob. Ich habe die Schneide mit einem Rika 5k geschlossen. RWL34 schleift sich wie Butter, nach ein paar Zügen war der Stein schwarz vom Abrieb.

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Der leichte „Absatz“ der Schneide vor dem Griff ist als eine Art „Schleifkerbe“ dienlich, ohne das stringente Design zu stören, finde ich gut gelöst und umgesetzt.

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Ich habe das Messer zu einem sehr fairen Preis aus dem Sekundärmarkt gefischt, Gebrauchsspuren sind vorhanden, der Schliff war aber noch Original.

Ist das Regrind jetzt „besser“ als das Standard-Model? Ich sag mal so, der feinere Grind macht das Messer zu einem feineren Werkzeug, das eigentlich ausschließlich für feine Arbeiten genutzt werden sollte. Food-Prep ( Neusprech…. 🤔), Kartonagen, Schnitzen und ähnliches geht super, für gröberes ist das Messer weniger geeignet. Mit der Spitze hebe ich höchsten die Lasche einer Cola-Dose, aber trepaniere sicher keine Konserve. Also kein Messer für Leute die unerschütterliche Stabilität fordern, sondern für Zeitgenossen, die gerne ein EDC am Mann haben, das feststehen, leicht, flach und kompakt zu tragen ist und sich damit Genussvoll einen Apfel schälen und in mundgerechte Stücke schneiden, ohne das es knackt oder spritzt.

Die Scheide ist sauber gearbeitet und universell. Sie nimmt auch andere flache Messer mit passender Größe auf, da nicht nassgeformt.

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Gruß, güNef
 
Moin güNef,

danke für die Vorstellung. Mich irritiert etwas, dass der Regrind über der Fase nicht dünner ist als beim original Schliff. Zumindest bei Auftragsarbeiten macht Alex Kremer das nämlich üblicherweise durchaus und insbesondere natürlich auf konkreten Kundenwunsch.

Beispielsweise mein DLC AK1 ist nicht nur an der Spitze sondern auch über der Fase spürbar dünner. In diesem Zusammenhang noch deutlicher wird der Regrind-Eingriff bei den Benchmades und Hindis.
 
Schönes Messer, der Preis ist mir aber zu heftig der ist IMHO zu knapp unter der Custom Messer Region bei einem Messer der Art und Größe.
 
Servus,

Mich irritiert etwas, dass der Regrind über der Fase nicht dünner ist als beim original Schliff. Zumindest bei Auftragsarbeiten macht Alex Kremer das nämlich üblicherweise durchaus und insbesondere natürlich auf konkreten Kundenwunsch.

da ich das Messer vom Sekundärmarkt habe, weiß ich nicht ob der Schliff mit Alex Kremer besprochen wurde und ob das so gewollt war. Man kann ja die Regrind-Variante im Shop auswählen, ob da ein Geometriewunsch extra bestellbar ist, entzieht sich leider auch meiner Kenntnis, aber vielleicht kann ja jemand mit Erfahrungen hier was beitragen. Ich hab das am Arbeitsplatz vermessen, ich bitte den Hintergrund zu verzeihen, aber ich bin aktuell ziemlich ausgelastet, möchte aber dennoch zeitnah antworten.

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Gemessen jeweils exakt über der Fase. Wie man sieht ist die Spitze schlauerweise stabiler belassen, ist ja kein Kochmesser und ansonsten mit 0,35mm jetzt ein guter brauchbarer Wert, aber z.B. kein Boll mit 0,2mm und knapp nagelgängig. Das Standard A1 ist mit 0,4mm über die Schneidenlänge nicht wirklich spürbar dicker. Hier mag Serienstreuung eine Rolle spielen.

Gruß, güNef
 
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