Allgemein anerkannter Zweck

bigbore

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Meiner Meinung nach ist das Verbringen eines soeben erworbenen Eigentums vom Einzelhändler zu meiner Wohnung ein allgemein anerkannter Zweck.
Somit wäre auf diesem Weg laut §42a sogar "führen" dieses Gegenstands erlaubt.
Oder?
 
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Ja klar, aber nur in einem verschlossenen Behältnis.
(Ich bin desillusioniert!)
 
Dünnes Eis - ich denke, das könnte bei 'scharfer' Auslegung durchaus kritisch werden.
Drauf verlassen würde ich mich keinesfalls. Vor dem Hintergrund, dass in Einzelfällen Slipjoints schon Probleme bereitet haben.....

Ehrlich gesagt fallen mir nicht viele Beispiele für 'allgemein anerkannter Zweck' ein.
Neben Beruf, Sport und Brauchtum - vlt. Jagdklappmesser noch, aber sonst im Bereich Freizeit (Beruf ist ja schon erledigt)? Pilzmesser?

Nach Hause bekommt man ein Messer auch in der Verpackung und verstaut - was jetzt nicht wirklich verschlossenes Behältnis bedeutet, aber auch nicht gänzlich klar im Bereich Führen liegt.

Wie so oft Auslegungssache;)
 
Die Diskussion ist so alt wie der §42a.

Letztlich sind sich eigentlich alle einig, daß der allgemein anerkannte Zweck für das Führen eines Taschenmessers der ist, es dabeizuhaben, falls man es braucht. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn wenn man das ernstnimmt, hat man den 42a schon ad absurdum geführt.

Ich weise immer wieder gerne darauf hin, daß es im Gesetz eben "allgemein anerkannter Zweck" heißt, und nicht "behördlich anerkannter Zweck". Insofern wäre man (man beachte den Konjunktiv!) auch wieder beim gesunden Menschenverstand bzw. dem Verständnis der Allgemeinheit, aber da landen wir ganz schnell wieder am obigen Ausgangspunkt.

Dem Graubereich wird man ohne eine Gesetzesänderung kaum beikommen, aber eine solche steht wohl nicht zur Debatte, und schon gar nicht eine im Sinne der Messerträger und -nutzer.
 
Wie Beagleboy schon sagte, ist das alles ein Graubereich.

Wenn man den Begriff "allgemein anerkannter Zweck" etwas genauer zerpflückt landen wir bei der Nutzung des Messers. Und eben den verschiedenen Nutzungsarten. Vom harmlosen "Paket öffnen" bis zum anderen Extrem "vorsätzliches Verletzten einer anderen Person".

Der Zweck des Messers ist dabei immer die Verwendung. Nicht das bloße mit sich Führen und auch nicht die Art und Eignung des Messers für die Aufgabe.

Der Transport des Messers ist kaum unter "Zweck eines Messers" einzusortieren. Dementsprechend wäre der Transport des Messers überhaupt nicht dessen Zweck. Es macht somit keinen Unterschied ob es allgemein Anerkannt ist.

Auszug aus §42a WaffG
(2) Absatz 1 gilt nicht
1. für die Verwendung bei Foto-, Film- oder Fernsehaufnahmen oder Theateraufführungen,
2. für den Transport in einem verschlossenen Behältnis,
3. für das Führen der Gegenstände nach Absatz 1 Nr. 2 und 3, sofern ein berechtigtes Interesse vorliegt.

Weitergehende Regelungen bleiben unberührt.
(3) Ein berechtigtes Interesse nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 liegt insbesondere vor, wenn das Führen der Gegenstände im Zusammenhang mit der Berufsausübung erfolgt, der Brauchtumspflege, dem Sport oder einem allgemein anerkannten Zweck dient.

Allerdings ließe sich der Transport des Messers unter berechtigtem Interesse erklären. Das hört sich jetzt erstmal komisch an, weil das berechtigte Interesse ja im Absatz 3 erklärt wird und dort auch der allgemein anerkannte Zweck genannt wird. Die Besonderheit ist jedoch, dass die Aufzählung im Absatz 3 nicht abschließend ist.

Der Satz beginnt mit den Worten: ...liegt insbesondere vor,... Es gibt somit noch weitere, nicht genannte, berechtigte Interessen. Welche diese sind, überlässt der Gesetzgeber dann wieder dem Interpretationsspielraum von Richtern/Staatsanwälten/Polizei. Darunter würde möglicherweise der Transport nach dem Kauf fallen. Es kann schlecht vorausgesetzt werden, dass der Verkäufer ein passendes Behältnis zur Miete/Kauf vorrätig hält oder ich mir das Messer per Post schicken lasse. Schließlich habe ich als Käufer das berechtigte Interesse, mein neu erworbenes Eigentum mit nach Hause zu nehmen.

Vor Gericht und auf Hoher See ist man in Gottes Hand.....

schöne Grüße, Jan
 
Ich weise immer wieder gerne darauf hin, daß es im Gesetz eben "allgemein anerkannter Zweck" heißt, und nicht "behördlich anerkannter Zweck".

für die gängige Praxis ist wohl Deine zweite Hervorhebung die treffendere Formulierung - auch wenn Dein Einwand, dass der Text das so nicht hergibt, völlig richtig ist. Bittere Ironie, leider.
 
Meiner Meinung nach ist das Verbringen eines soeben erworbenen Eigentums vom Einzelhändler zu meiner Wohnung ein allgemein anerkannter Zweck.
Somit wäre auf diesem Weg laut §42a sogar "führen" dieses Gegenstands erlaubt.

Ist zwar schon 10 Jahre her und hatten wir das nicht schonmal? Egal:

OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.06.2011 - 4 Ss 137/11 (openJur)

"Das Führen eines Einhandmessers in einem Pkw durch eine Privatperson, um damit in einem eventuellen Notfall den Sicherheitsgurt durchschneiden zu können, dient keinem allgemein anerkannten Zweck i. S. d. § 42 a Abs. 3 WaffG"

Dass der Jung zwei Einhandfmesser dabei hatte, mag für den konkreten Fall eine Rolle spielen. Für den generellen Tenor der Gesetzesauslegeung eher nicht:

"Anderenfalls würde letztlich das vom Gesetzgeber gewünschte generelle Verdrängen derartiger Messer angesichts von Ausnahmen in einer unüberschaubar großen Zahl von Sachverhaltsvarianten faktisch leerlaufen (Gade a.a.O. S.50)."

Man muss die Urteilsbegründung komplett lesen, dann wird die Richtung schon klar.
Und in der Richtung würde ich den Transport als "allgemein anerkannten Zweck" als "nicht anerkannt" abhaken.

Pitter
 
Es gibt sicher alles an möglichen und unmöglichen Urteilen, da Einzelfall und Richterrecht. Aber ein 10 Jahre altes Urteil, das hat anscheinend seine Wirkung nicht verfehlt. Und danach, nichts bzw. wenig? Wäre mir persönlich (!) als Argument zu wenig, um mich gedankenlos abschrecken zu lassen.
Was ist mit all den tausenden Messern in diesen Jahren, die in Jagd-, Haushaltswaren- bis WMF-Shops in bester Citylage und hoher Personenfrequenz verkauft und verbracht wurden incl. jener Schlüsseldienste etcpp mit ihren flippenden und floppenden Einhandmessern? Im Gegensatz von einem „eingebrannten“ Urteil liest man nichts davon, dass besagte Käufe anstandslos abtransportiert wurden. Und statistisch betrachtet sollten recht sicher auch solche Käufe gelegentlich unter eine Kontrolle gefallen sein. Und wenn nicht, umso besser, denn dann gibt es anscheinend kein besonderes Interesse, so etwas aufzugreifen. Wäre doch ein Leichtes, sich in die Nähe solcher Shops zu postieren und den getätigten Kauf gleich einzuziehen.
Heißt: Ich gebe den gesunden Menschenverstand nicht schon prophylaktisch auf.

Abu
 
Grundsätzlich stimme ich da zu und bin auch kein Freund des uneingeschränkten, vorauseilenden Gehorsams.
Weiter habe ich Kontrollen persönlich bisher ebenfalls als maßvoll erlebt.

Jetzt kommt das Aber: die Frage, ob der Transport nach Hause durch Führen ein allgemein anerkannter Zweck ist, kann man einfach nicht bejahen.

Das kann man dann darauf ankommen lassen und meist wird es sowieso gut gehen - jedoch würde ich z.B. vor dem Hintergrund einer waffenrechtlichen Zuverlässigkeit möglicherweise etwas bedachter an die Sache rangehen und im Hinterkopf haben, dass das auch doof laufen kann;)
 
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Danke für eure Gedanken.
Meine Absicht war sicher nicht jedes neue Messer provokant am Gürtel nach Hause zu führen sondern die buchstabengetreue Auslotung des Gesetzestextes. Und der geschriebene Text gibt es m.M.n. her dass das Verbringen eines erworbenen Messers nicht unter 42a fällt.
 
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Bei allen Urteilen muß man unbedingt immer beachten, um was es insgesamt ging und noch mehr wie die Verteidigung im Verfahren agiert hat. Wenn für den Tatkomplex insgesamt die waffenrechtlichen Aspekte von geringer Bedeutung und für das Strafmaß ggf. durch Konsumtion und sonstige Faktoren der Strafzumessung egal sind, wird kein taktisch kompetenter Verteidiger hier das Gericht zum Schaden seines Mandanten belästigen, indem er hier Tatvorwürfe bestreitet, selbst wenn diese absurd erscheinen. Lieber 6 Monate für eine gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit einer Owi als 8 Monate ggf. ohne Owi weil das Gericht sauer wurde.

Die für solche Fragen stets besonders wichtige teleologische Auslegung des Gesetzes stößt hier ob der unklaren Begründung des Gesetzgebers an die Grenze, die von Pitter in #7 zitierte Fundstelle ist eine Auslegung, die möglich ist, aber sich nicht zwingend aus dem Gesetz und der Gesetzesbegründung ergeben dürfte.
 
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