Aufkohlung mit Bariumcarbonat

Timm

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Moin,
Bezug nehmend auf diesen Beitrag
http://www.messerforum.net/showthread.php?44745-dumme-gute-Frage-einsatzstahl-!&highlight=bariumcarbonat
eröffne ich (so wie es mir die Forensoftware antrug) hier ein neues Thema, falls es doch an das alte Thema angehängt werden soll, bitte ich um entsprechende Verschiebung seitens der Mods.
Ich zitiere hier mal den Beitrag von U. Gerfin um den es mir im Speziellen geht:
Klaus hat auf den Kern des Problems hingewiesen: Warum soll man bei den fast unzähligen Möglichkeiten geeigneter Werkzeugstähle, bei denen man zwischen "fast unzerstörbar" bis "rasiermessergeeignet" wählen kann, noch aufkohlen, um ein Messer zu machen?
Technisch schwierig ist der Vorgang allerdings nicht. Er kostet nur etwas Zeit. Die klassische Technik, mit der man das Ausgangsmaterial für den gerade für Schneidwerkzeuge besonders geeigneten Raffinierstahl hergestellt hat, war das Aufkohlen in großen Kisten in Holzkohle. Dabei wurden große Mengen aufgekohlt und der Vorgang dauerte mit Hochheizen und Abkühlen bis zu drei Wochen.
Das Verfahren läßt sich beschleunigen, wenn der Holzkohle Stoffe beigemischt werden, die gewisse katalisatorische Wirkungen haben. Verkohltes Leder, verkohltes Horn u. ä. führen nicht nur Kohlenstoff, sondern in gewissem Maß auch Stickstoff zu und beschleunigen die C-Aufnahme.
Der berühmte Naturforscher Reaumur hat umfangreiche Versuche mit allen möglichen Mischungen der Aufkohlungsmittel gemacht. Das ist in dem Buch "Die Kunst des Messerschmieds" nachzulesen.
Heute sind bewährte Aufkohlungsmittel im Handel, bei denen sich die Aufkohlungstiefe und die Höhe des C-Gehalts recht gut einstellen läßt.
Zum Spielen braucht man aber gar nicht viel: Das klassische Einsatzpulver besteht aus Holzkohlengrus als C-Träger und Bariumcarbonat als Katalysator und wird im Verhältnis 90 zu 10 bis 60 zu 40 eingesetzt. Bei ca 950 Grad erreicht man eine Aufkohlungstiefe von etwa 1mm und ca 0,8-0,9 % C in 4 Stunden. Bei höheren Temperaturen wird die C-Aufnahme beschleunigt und der C-Gehalt kann in den Randzonen bis 1,8 % und mehr ansteigen.
Da beim Aufkohlen kaum sonstige Oberflächenreaktionen stattfinden, kann man eine Klinge aus Einsatzstahl fertig schleifen und dann aufkohlen. Begeisternd wird die Leistung aber dann auch noch nicht sein, weil durch die lange Erhitzung ohne Verformung sowohl das Matrix- wie auch das Karbidkorn grob ausfällt und die Karbide sich zusätzlich auf den Korngrenzen abgesetzt haben, also den für die mechanischen Eigenschaften ungünstigen Korngrenzenzementit gebildet haben. Das kann man wieder durch scharfes Normalisieren oder doppelt/dreifach Härten beseitigen und bekommt dann in der Tat eine schneidhaltige und äußerst bruchfeste Klinge- etwa so, als hätte man gleich C75 genommen.

Ich habe eine Frage bezüglich der Mengenverhältnisse Bariumcarbonat/Kohle. Sie geben ein Verhältnis von 10-40% an, wie wirkt sich das auf die Aufkohlungsgeschwindigkeit und die Eindringtiefe sowie den späteren C-Gehalt aus? Viel Bariumcarbonat = hohe Geschwindigkeit und starke Aufkohlung?
Ich möchte eine Dolchklinge aus einem Raffinierstahl von 1753 (exakt datierter Maueranker, also sicher Raffinierstahl) aufkohlen, die eine Breite von 26mm bei einem langgestrecktem rautenförmigen Querschnitt mit kurzer Rückenschneide hat. Ich will dazu eine Mischung aus Holz- und Lederkohlenpulver (ca. 1:1) verwenden und mit einem abgeflachten Rohr arbeiten. Da ich im Kohlenfeuer arbeiten muss, möchte ich die Haltezeit möglichst kurz halten, aber trozdem eine hohe Eindringtiefe erreichen. Zudem sollte der C-Gehalt möglichst kurz unter dem Eutektikum liegen. Welches Mengenverhältnis bei welcher Haltetemperatur und -zeit ist in diesem Fall sinnvoll?
Über Tips von ihnen, Herr Gerfin, sowie von anderen fachkundigen Forumiten würde ich mich sehr freuen.

Gruß,
Timm
 
Hier soll eine Gleichung mit vielen Unbekannten und keiner bekannten Größe gelöst werden. Das geht begreiflicherweise nicht.

Man müßte wenigstens ein paar Angaben haben:

1. Wie hoch ist der C-Gehalt jetzt ?-Handelt es sich um Raffinier s t a h l und nicht um raffiniertes Eisen ?.
Ist es Raffinierstahl, so ist der C-Gehalt wahrscheinlich richtig eingestellt und eine vielleicht nicht befriedigende Härte resultiert aus einer schlechten Härtung oder es hat jemand mit der Klinge im Feuer gespielt-merkwürdigerweise eine beliebte Unsitte.
Also sollte man vorab den ungefähren C-Gehalt ermitteln-Schleifprobe genügt gerade bei klassischen Stählen in der Regel.

2. Wie tief soll die Aufkohlung sein ?-Eine Dolchklinge soll ja hoffentlich für den einzigen Zweck, zu dem sie wirklich taugt- nämlich tiefe Stichverletzungen zufügen- nicht eingesetzt werden. Zum Vorzeigen: "Kuck mal, wie hart die Klinge geworden ist", würde eine dünne Schicht hoher Härte genügen, mechanisch belastbarer wäre eine tiefe, flach verlaufende Aufkohlungskurve.

3. Welche Möglichkeiten der Temperaturkontrolle bestehen ? - Im Schmiedefeuer geht der Wärmeübergang sehr schnell und ein Rohr ist recht schnell auf der Feuerseite durchgebrannt.
Bei sehr sacht geführtem Feuer mit wenig Luftzufuhr könnte man die Temperatur in angemessenem Rahmen halten, müßte dann allerdings mit langen Behandlungszeiten rechnen.

Man kann ein paar Szenarien durchspielen, um sich einer möglichen Lösung anzunähern.

a) Die Schleifprobe ergibt genügend C-Gehalt-dann kann man neu härten oder es einfach so lassen wie es ist- Ein Dolch braucht keine hohe Härte.
b) Der C-Gehalt liegt laut Funkenprobe bei ca 0,3-0,5 C- auch damit könnte man sich begnügen.
Wenn man einen solchen Stahl aufkohlen wollte, würde es Sinn machen, mit milden Mitteln und längerer Aufkohlungszeit zu arbeiten, damit der Rand nicht überkohlt und durch die Diffusion eine ausreichende Tiefe der Einwirkung erzielt würde.
c) Der C-Gehalt liegt bei ca 0,2 % oder niedriger- dann macht Aufkohlen Sinn, denn mit so wenig C kann man keine brauchbare Härte erwarten.

d) Mittel zum Aufkohlen wirken ganz unterschiedlich schnell und kräftig.
Reine Holzkohle braucht hohe Temperaturen und lange Behandlungszeiten. Beim klassischen Aufkohlen in Holzkohle ging man von Temperaturen zwischen 1100 und 1150 Grad C aus, heizte 1 Woche lang hoch, hielt eine Woche auf Temperatur und ließ dann eine Woche abkühlen.
Das kommt hier offensichtlich nicht ernsthaft in Betracht.

Ein Gemisch aus Holzkohle und Lederkohle wirkt schneller und stärker, aber immer noch viel langsamer als die Gemische aus einem C-Träger und einem Katalysatoren.

Ein Gemisch aus Holzkohle und Bariumkarbonat im Verhältnis 60 : 40 führt bei ca. 950 Grad C zu der geschilderten Aufkohlung. Weniger Katalysator bedeutet langsamere Einwirkung.

Moderne feste Einsatzpulver sind so zusammengesetzt, daß sie in den üblichen Behandlungszeiten und Temperaturen (also etwa 4 Stunden bei 950 Grad C) zur Einstellung eines eutektoidischen Zustands führen- also ca 0,8 % C nicht überstiegen werden.

Soweit die Theorie-
Hier wird ausdrücklich nach der Behandlung mit Holzkohle und Lederkohle gefragt.
Angaben über die Aufkohlungstiefe bei einer bestimmten Temperatur unter Verwendung eines solchen Gemischs sind mir nicht bekannt und vermutlich auch nicht mehr zu ermitteln. Das Verfahren ist vielleicht bis vor 300 Jahren in Nürnberg beim Aufkohlen der Feilenzähne verwendet worden. Darüber wird es auch noch Berichte geben. In denen stehen aber sicher keine verläßlichen Angaben über den C-Gehalt und die Aufkohlungstiefe, sondern allgemeine Aussagen-etwa daß man so eine vorzügliche Härtung erhalten habe.

Das klingt leider nicht sehr ermutigend.
Da ich selbst Freude am Experimentieren habe und das auch bei andern schätze, soll ein Beipiel aus meiner "Spielkiste" vielleicht einen brauchbaren Weg aufzeigen: Vor vielen Jahren hatte ich im Garten eine Art Kamin aus Beton mit Drahteinlagen, der auf einem Rost aus fingerdicken Eisenstangen stand. Unter diesem Rost war ein Hohlraum, um Luftzug von unten zu bewirken.
Der "Kamin" hatte ca 60 cm Höhe und einen Innendurchmesser von ca 30 cm.
In diesem Schlot habe ich die Holzabfälle aus unserem großen Obstgarten verbrannt. Wenn ich etwas aufkohlen wollte, habe ich den Gegenstand in ein passendes Rohr mit dem Gemisch aus Holzkohle und Bariumkarbonat gesteckt, das Rohr mit einem Dreckbatzen verschlossen und auf einen feuerfesten Stein auf dem Rost gelegt.
Die Konstruktion hatte den Vorteil, daß ich überflüssiges Kleinholz verbrennen konnte, durch die Menge des anfallenden Gartenholzes über einen langen Zeitraum die gewünschte Hitze erzeugen konnte und durch den natürlichen Zug des Feuers eine ausreichende, aber auch nicht übertriebene Hitze entstand. Gut 1000 Grad werden es aber schon gewesen sein.
Für meine drei Söhne habe ich damals aus 30 mm Baustahlstangen drei kleine Beilchen geschmiedet und wie beschrieben aufgekohlt-Sie existieren nach gut 25 Jahren noch immer und sind voll einsatzfähig.
Ich habe damals mehrere Stunden erhitzt. Bei dem wesentlich weniger wirksamen Gemisch aus Holzkohle und Lederkohle wird es noch länger dauern.

Bei einer derart langen Erwärmung muß man selbstverständlich mit Grobkorn und Korngrenzenzementit rechnen. Es muß daher nach dem Aufkohlen normalisiert werden.

Lohnt der Aufwand ?-Wenn man Freude am Experimentieren hat, ja, sonst sicher nicht.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Moin,
vielen Dank für die ausführliche Antwort!
Bei dem Dolch handelt es sich um einen Nachbau eines Dolches aus dem 15.Jh, der sich im Ingolstädter Armeemuseeum befindet. Er wird im Rahmen lebendiger Geschichtsvermittlung genutzt werden.
Qualitativ und optisch soll er schon dem Original möglichst nahe kommen.
Beim Material handelt es sich nach der von ihnen genutzten Definition um RaffinierEISEN, härtbar ist er (noch) nicht. Mit meiner Bezeichnung als Raffinierstahl hatte ich mich an der modernen Eisen-/Stahldefinition orientiert.
Ich bin zunächst davon ausgegangen, dass das Material härtbar ist, da eine Funkenprobe am Maueranker auf einen C-Gehalt von ca. 0,5-0,6% hinwies. Offensichtlich hat es sich aber nur um eine Randschichtaufkohlung gehandelt, beim Grobschliff war das Bild sehr uneinheitlich und im größten Teil recht C-arm (<0,2%).
Ich habe gestern Lederkohle gemacht und peile nun ein Mischungsverhältnis von jeweils 33% Holzkohle, Lederkohle und Bariumcarbonat an. Mein Hinweis im letzten Beitrag war etwas mißverständlich formuliert, ich möchte wegen der beschleunigten C-Aufnahme schon Bariumcarbonat nutzen und nicht nur ein Holz-/Lederkohlegemisch.
Den Hinweis mit dem Holzofen finde ich sehr gut, ich werde also den Prozess einfach in unseren gusseisernen Terassenkamin verlagern und das ganze mit ordentlich Restholz betreiben.
Über die Problematik des möglichen Durchbrennens im Koksfeuer hatte ich mir auch schon Sorgen gemacht. Ich denke, ich kann den Prozess auf diese Art gut 6 Stunden laufen lassen.
Ich erhoffe mir dadurch eine moderate aber doch möglichst tiefgehende Aufkohlung.
Dem Grobkorn werde ich durch zweimaliges scharfes Einformen begegnen, bevor ich endgültig (in Rapsöl) härte. Für das Anlassen habe ich zwei mal 45 Minuten bei 190°C geplant.
Über weitere Anregungen freue ich mich!

Gruß,
Timm
 
Wenn es traditionell sein soll, hast Du auch an Hirschgeweih (bzw. das Mehl daraus) oder Knochen gedacht ? Die alten Vorväter hatten ja noch nicht die modernen Chemikalien wie wir heute. In Knochen und Geweihen sind ja auch noch andere Bestandteile enthalten, die einen solchen Prozess beeinflussen; und "es leuchtet nicht unbedingt im Dunklen", ist also nicht unbedingt so gefährlich, wie solche Hammerchemikalien :cool:


Zum Bunthärten beispielsweise werden auch Mischungen aus Holz-, Lederkohle, Knochen und (Geweih-) Hornmehl verwendet. Beim Bunthärten (speziell für Schusswaffen) wird allerdings zu einem anderen Zweck aufgekohlt und die Leute, die das heutzutage machen, haben ihre eigenen Rezepte. Wird aber wohl kaum anders sein, als zu früheren Zeiten.

Gruß Andreas
 
Ich will den Spieltrieb ja nicht bremsen, aber warum nicht "einfach" bei den nächstgelegenen Härtereien mal durchrufen und fragen, ob sie nicht demnächst wieder eine Charge Zahnräder oder sonstige Gestellware einsatzhärten (Einsatzhärtehiefe 0,5+0,3 oder 0,5+0,5).
Die Wärmebehandler, die ich beruflich getroffen habe bekommen leuchtende Augen, wenn mal was durch die Tür kommt, was nicht gedreht, gefräst oder gegossen ist ;)
 
Moin Kaba,
aus dem gleichen Grund aus dem ich keine Messer kaufe und aus dem ich Eisenerz zu Renneisen verhütte... :hehe:

Gruß,
Timm
 
Weil dann die Ergebnisse vorhersagbar werden? :p :D

Spaß bei Seite.. wenn's fertig ist, kommt das gute Stück aber vor die Kamera, oder?

Ich würde mich bei Aufkohlen und Normalisierten von der Härtetemperatur eher ans Minimum von ~150° legen und nach dem ersten Anlassen schauen, wie hoch die Härte noch ist. Hier läuft der mühsam eingebrachte Kohlenstoff gerne Richtung Kern weg, oder wird im Feuer "abgebrannt"
 
Habe ich das richtig verstanden, daß die Klinge aus einem alten Maueranker nachgeschmiedet werden soll ?.
Das würde die Vorgehensweise schon etwas eingrenzen.

Du schilderst die Struktur als grob und inhomogen.
Das hat den Vorteil, daß nach feinem Schleifen und Anätzen des fertigen Stücks ein deutliches und manchmal durchaus attraktives Muster zu sehen ist.
Der Nachteil ist die möglicherweise problematische Stabilität des Stücks.

Wenn du mit Schmieden und Schweißen fit bist, empfiehlt es sich, das Ankerstück mehrfach zu falten und zu schweißen, um die Struktur zu homogenisieren und zu verfeinern. Schwierig ist das sicher nicht, denn es gibt eigentlich keine Stahlsorte, die so einfach schweißt wie alte Renneisen- und Puddelstähle.

Da Du Dein Einsatzpulver doch mit Bariumcarbonat anreichern willst, kannst Du die Behandlungszeit deutlich verkürzen.
Wenn eine weitgehend fertig geschliffene Klinge aufgekohlt wird, so dringt der Kohlenstoff nicht nur an einer Fläche ein, sondern an der gesamten Oberfläche, an der Schneide also von vorn und den beiden Seiten. Eine Einsatztiefe von 0,2 mm würde also ausreichen, um 0,4 mm völlig durchzukohlen.

Beim Gartenkamin wirst Du schon für einen regelmäßigen Sauerstoffstrom sorgen müssen, um dauerhaft die erforderlichen Temperaturen zu erreichen. Bei meiner Vorrichtung hat aber der natürliche Kaminzug völlig ausgereicht, um Temperaturen um 1000 Grad zu gewährleisten.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Moin,
die Klinge ist bereits fertig geschmiedet und geschliffen.
Ich habe einige wenige Schlackelinien, die die Stabiliät aber nicht wesentlich beeinträchtigen dürften und die ich in der Art durchaus von mittelalterlichen Originalen kenne.
Der vorliegende Anker hat eine recht gute und auch verhältnismäßig homogene Substanz, so dass ich auf ein weiteres Raffinieren verzichtet habe, ich habe ihn lediglich einmal übergeschweißt (und später normalisiert und nochmal scharf eingeformt).
Der Terassenofen ist ein richtiger massiver gusseiserner Franklinkamin mit Feuerrost, den ich ggf. noch mit einem kleinen Gebläse (mit einem Kupferrohr mit Löchern, beides habe ich immer für improvisierte Langessen genutzt) unterstützen werde.
Ich werde berichten, wie es funktioniert hat.
Danke für die Anregungen!
Gruß,
Timm
 
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