boogerbrain
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.. weiter geht's ... (falls noch nicht gesehen - hier geht's zu Teil I und zu Teil II)
Wie man sich bei aufmerksamer Ansicht des Thread-Titels denken kann, geht es um mehr als nur ein Messer ... und der Titel bot sich an, weil die beiden Schätzchen zusammen fast 450 Gramm auf die Waage bringen, was einem Pound (Maßeinheit "lb") entspricht. Somit ist klar, daß auch das andere Messer in die Kategorie "Kracher" gehört. Beide Messer sind sich sehr ähnlich: Beides Tuttlinger Bauernmesser, beide als Auftragsfertigungen gebaut, mit nahezu identischer Ausstattung, und beide stammen zeitlich in etwa aus derselben Periode.
Bei dem zweiten Stück handelt es sich um ein Messer mit der Angabe "Gebr. Müller Stuttgart":
Wie man unschwer sehen kann, links im Bild
Es ist insgesamt "zierlicher" - allerdings in etwa so, wie man bei zwei Sumo-Ringern sagen kann, daß der eine zierlicher sei ...
Es ist kürzer; insgesamt um gut einen Zentimeter - wie man allerdings auch sehen kann, ist der Ricasso deutlich weiter "versenkt", so daß die Länge der Schneide nahezu identisch ist. Auch dieses Messer ist mit großer und kleiner Klinge, Ahle, Hufmesser und Säge ausgestattet, zusätzlich besitzt es noch einen Korkenzieher - somit also sechsteilig, gegenüber der fünfteiligen Ausstattung des Bacher. Die Anordnung der Werkzeuge ist etwas anders, aber das ist eigentlich relativ unerheblich. Was jedeoch deutlich unterschiedlich ist, ist der Aufbau an sich: Wie man hier ...
... und hier gut sehen kann ...
... ist das "Müller"-Messer (doof: Oben ist's links, unten rechts. Sorry, nicht aufgepaßt) deutlich schmaler; auch besitzt es nur je einen Abstandhalter oben und unten, und dieser ist aus Aluminium - was ich so bisher noch bei keinem Bauernmesser gesehen habe. Es ist auch vom ganzen Aufbau her nicht so massiv, dafür aber dichter, was die Werkzeuge angeht: Diese sind deutlich enger aneinander angeordnet. Komprimiert, sozusagen.
Das sieht man auch beim Betrachten der Federn:
Beide haben drei Federn, beim Müller ist aber nur eine XXL - die ist dafür aber noch etwas stärker dimensioniert als beim Bacher.
Ich denke, daß es damals schon wichtig war, sein Können beim Messerbau durch eine möglichst "schlanke" Ausprägung zu zeigen, und daß Pius Lang hier einer eher kleineren Manufaktur vermutlich überlegen war. Das soll natürlich nicht heißen, daß das Bacher/Matthis-Messer von minderwertiger Qualität ist - eher so, wie eine Audemars-Piguet einer Breitling voraus ist: Können auf hohem Niveau ... nicht umsonst haben die alten Pius Lang-Messer in Bezug auf Qualität einen ähnlichen, wenn nicht sogar besseren Ruf als die alten Puma-Teile. Was einem lieber ist, muß jeder selber entscheiden ... ich hab' nur ein Puma (945 von 1989), aber fünf oder sechs PL ...
Das Müller habe ich schon ein wenig länger als das Bacher, und als ich das letzte Mal in Stuttgart war (BluesNight bei den JazzOpen im Juli - Beth Hart, Steve Winwood, und Buddy Guy, es war phantastisch!), bin ich natürlich zu Messer Müller gegangen - das Geschäft der "Gebr. Müller" gibt es nach wie vor, und es ist eine Stuttgarter Institution. Leider verkaufen sie - was Taschenmesser angeht - nichts interessantes, und unter eigenem Namen auch nicht mehr ...
Nunja. Leider hat es dann bei zwei Anläufen (danach hatte ich wegen des Konzerts keine Zeit mehr) nicht geklappt, den Chef zu treffen, der wahrscheinlich mehr Info gehabt hätte, aber es gab eine Mitarbeiterin, die sich noch erinnern konnte, daß a) dieses Messermodell von Pius Lang gefertigt wurde, b) das Modell die Spitze der Fahnenstange darstellte, c) ca. in den 1970er Jahren entstand und d) damals um die 200 DM kostete. Restbestände hätte es noch bis etwa Ende der 1980er Jahre gegeben (in meinen Augen kein Wunder, bei dem Preis!) - daher auch meine Vermutung, daß das Bacher (siehe Teil II)) wohl ebenfalls nur in Restbeständen noch länger verkauft wurde; meine Zuordnung der 1970er als Herstellungszeitraum auch für dieses Messer wurde mir (wenn ich das richtig verstanden habe) auch von einem echten Fachmann auf diesem Gebiet (nochmals vielen Dank an Thomas) bestätigt. Auch für das Bacher habe ich übrigens eine preisliche Einordnung oberhalb der 150 DM bekommen.
Ein weiterer Unterschied wird bei der Betrachtung der Sägen deutlich:
Wo beim Bacher eine eher "normale" Zahnung zu sehen ist, ist sie beim Müller/Lang deutlich aufwändiger. Aussagen über Vor- und Nachteile oder den Grund der unterschiedlichen Anfertigung kann ich nicht treffen - keine Ahnung. Ich vermute aber eher produktions- als funktionstechnische Aspekte.
So, das war's - wenngleich das Ganze doch eine mehr oder weniger nüchterne Vorstellung geworden ist (ich habe anscheinend nicht so die Gabe, eine Messervorstellung emotional aufzuladen ... ), hoffe ich doch, daß es Spaß gemacht hat, die beiden Schwergewichte anzusehen. Ich bin echt froh, diese schönen Teile zu haben, und stelle bei solchen handwerklich gefertigten Stücken immer wieder fest, daß die ganzen CNC-High-Tech-Schneidwerkzeuge nix für mich sind ... nix für ungut.
Danke für's Lesen!
Nachtrag: Ich habe total vergessen, materialtechnische Angaben zu den Werkzeugen zu machen ... das Bacher ist komplett nicht rostfrei, beim Müller sind nur die Ahle und die Säge rostend. Beide Teile waren schwarz, als ich das Messer bekam, und der Rest war auch mit deutlichen Benutzungsspuren gesegnet ... das Bacher wiederum hatte nur geringe Nutzungsspuren; ich nehme an, daß der Vorbesitzer es kurz zuvor überarbeitet hat, wofür auch die scheckige Oberfläche der einen Seite der großen Klinge spricht. Beide Messer haben superstramme Federn und (bis auf die Ahle beim Bacher) null Spiel. Beim Bacher ist die Feder der Säge so stramm, daß ich diese nur mit Hilfsmitteln öffnen kann (ich hasse es, wenn's mir den Daumennagel umklappt ...); die der Huf- und der Federklinge ist sehr stramm, aber es geht so gerade noch. Beim Müller läßt sich alles "eigenhändig" öffnen, allerdings ist auch hier die Säge am strammsten.
Wie man sich bei aufmerksamer Ansicht des Thread-Titels denken kann, geht es um mehr als nur ein Messer ... und der Titel bot sich an, weil die beiden Schätzchen zusammen fast 450 Gramm auf die Waage bringen, was einem Pound (Maßeinheit "lb") entspricht. Somit ist klar, daß auch das andere Messer in die Kategorie "Kracher" gehört. Beide Messer sind sich sehr ähnlich: Beides Tuttlinger Bauernmesser, beide als Auftragsfertigungen gebaut, mit nahezu identischer Ausstattung, und beide stammen zeitlich in etwa aus derselben Periode.
Bei dem zweiten Stück handelt es sich um ein Messer mit der Angabe "Gebr. Müller Stuttgart":
Wie man unschwer sehen kann, links im Bild
Es ist insgesamt "zierlicher" - allerdings in etwa so, wie man bei zwei Sumo-Ringern sagen kann, daß der eine zierlicher sei ...
Es ist kürzer; insgesamt um gut einen Zentimeter - wie man allerdings auch sehen kann, ist der Ricasso deutlich weiter "versenkt", so daß die Länge der Schneide nahezu identisch ist. Auch dieses Messer ist mit großer und kleiner Klinge, Ahle, Hufmesser und Säge ausgestattet, zusätzlich besitzt es noch einen Korkenzieher - somit also sechsteilig, gegenüber der fünfteiligen Ausstattung des Bacher. Die Anordnung der Werkzeuge ist etwas anders, aber das ist eigentlich relativ unerheblich. Was jedeoch deutlich unterschiedlich ist, ist der Aufbau an sich: Wie man hier ...
... und hier gut sehen kann ...
... ist das "Müller"-Messer (doof: Oben ist's links, unten rechts. Sorry, nicht aufgepaßt) deutlich schmaler; auch besitzt es nur je einen Abstandhalter oben und unten, und dieser ist aus Aluminium - was ich so bisher noch bei keinem Bauernmesser gesehen habe. Es ist auch vom ganzen Aufbau her nicht so massiv, dafür aber dichter, was die Werkzeuge angeht: Diese sind deutlich enger aneinander angeordnet. Komprimiert, sozusagen.
Das sieht man auch beim Betrachten der Federn:
Beide haben drei Federn, beim Müller ist aber nur eine XXL - die ist dafür aber noch etwas stärker dimensioniert als beim Bacher.
Ich denke, daß es damals schon wichtig war, sein Können beim Messerbau durch eine möglichst "schlanke" Ausprägung zu zeigen, und daß Pius Lang hier einer eher kleineren Manufaktur vermutlich überlegen war. Das soll natürlich nicht heißen, daß das Bacher/Matthis-Messer von minderwertiger Qualität ist - eher so, wie eine Audemars-Piguet einer Breitling voraus ist: Können auf hohem Niveau ... nicht umsonst haben die alten Pius Lang-Messer in Bezug auf Qualität einen ähnlichen, wenn nicht sogar besseren Ruf als die alten Puma-Teile. Was einem lieber ist, muß jeder selber entscheiden ... ich hab' nur ein Puma (945 von 1989), aber fünf oder sechs PL ...
Das Müller habe ich schon ein wenig länger als das Bacher, und als ich das letzte Mal in Stuttgart war (BluesNight bei den JazzOpen im Juli - Beth Hart, Steve Winwood, und Buddy Guy, es war phantastisch!), bin ich natürlich zu Messer Müller gegangen - das Geschäft der "Gebr. Müller" gibt es nach wie vor, und es ist eine Stuttgarter Institution. Leider verkaufen sie - was Taschenmesser angeht - nichts interessantes, und unter eigenem Namen auch nicht mehr ...
Nunja. Leider hat es dann bei zwei Anläufen (danach hatte ich wegen des Konzerts keine Zeit mehr) nicht geklappt, den Chef zu treffen, der wahrscheinlich mehr Info gehabt hätte, aber es gab eine Mitarbeiterin, die sich noch erinnern konnte, daß a) dieses Messermodell von Pius Lang gefertigt wurde, b) das Modell die Spitze der Fahnenstange darstellte, c) ca. in den 1970er Jahren entstand und d) damals um die 200 DM kostete. Restbestände hätte es noch bis etwa Ende der 1980er Jahre gegeben (in meinen Augen kein Wunder, bei dem Preis!) - daher auch meine Vermutung, daß das Bacher (siehe Teil II)) wohl ebenfalls nur in Restbeständen noch länger verkauft wurde; meine Zuordnung der 1970er als Herstellungszeitraum auch für dieses Messer wurde mir (wenn ich das richtig verstanden habe) auch von einem echten Fachmann auf diesem Gebiet (nochmals vielen Dank an Thomas) bestätigt. Auch für das Bacher habe ich übrigens eine preisliche Einordnung oberhalb der 150 DM bekommen.
Ein weiterer Unterschied wird bei der Betrachtung der Sägen deutlich:
Wo beim Bacher eine eher "normale" Zahnung zu sehen ist, ist sie beim Müller/Lang deutlich aufwändiger. Aussagen über Vor- und Nachteile oder den Grund der unterschiedlichen Anfertigung kann ich nicht treffen - keine Ahnung. Ich vermute aber eher produktions- als funktionstechnische Aspekte.
So, das war's - wenngleich das Ganze doch eine mehr oder weniger nüchterne Vorstellung geworden ist (ich habe anscheinend nicht so die Gabe, eine Messervorstellung emotional aufzuladen ... ), hoffe ich doch, daß es Spaß gemacht hat, die beiden Schwergewichte anzusehen. Ich bin echt froh, diese schönen Teile zu haben, und stelle bei solchen handwerklich gefertigten Stücken immer wieder fest, daß die ganzen CNC-High-Tech-Schneidwerkzeuge nix für mich sind ... nix für ungut.
Danke für's Lesen!
Nachtrag: Ich habe total vergessen, materialtechnische Angaben zu den Werkzeugen zu machen ... das Bacher ist komplett nicht rostfrei, beim Müller sind nur die Ahle und die Säge rostend. Beide Teile waren schwarz, als ich das Messer bekam, und der Rest war auch mit deutlichen Benutzungsspuren gesegnet ... das Bacher wiederum hatte nur geringe Nutzungsspuren; ich nehme an, daß der Vorbesitzer es kurz zuvor überarbeitet hat, wofür auch die scheckige Oberfläche der einen Seite der großen Klinge spricht. Beide Messer haben superstramme Federn und (bis auf die Ahle beim Bacher) null Spiel. Beim Bacher ist die Feder der Säge so stramm, daß ich diese nur mit Hilfsmitteln öffnen kann (ich hasse es, wenn's mir den Daumennagel umklappt ...); die der Huf- und der Federklinge ist sehr stramm, aber es geht so gerade noch. Beim Müller läßt sich alles "eigenhändig" öffnen, allerdings ist auch hier die Säge am strammsten.
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