Betrachtungen zu Springmesserfederraten und deren Wirkung

beagleboy

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Man liest ja häufig in Zusammmenhang mit Automatikmessern davon, daß dieses oder jenes Modell deutlich Schmackes beim Öffnen hat, und erstaunlicherweise findet man hier auch häufig gegensätzliche Aussagen zum gleichen Modell.

Irgendwie habe ich bisher zu diesem Thema noch nie eine differenziertere Betrachtungsweise beobachten können, daher habe ich mir mal so meine Gedanken gemacht.

Einerseits hat für das subjektive Empfinden des "Rückschlags" natürlich die Relation von Klingengewicht zu Griffgewicht eine große Bedeutung.

Je leichter der Griff im Verhältnis zur Klinge, desto stärker wird der Rückschlag wahrgenommen.
Daß dies nur bedingt mit der eigentlichen Federkraft zu tun hat, ist klar ersichtlich.
Dennoch findet schon dieser Zusammenhang kaum irgendwo Beachtung.

Zudem können prinzipiell ungeachtet des konstruktiven Aufbaus (Blattfeder, Spiralfeder etc.) zwei Arten der Auslegung der Federkraft bei Springmessern beobachtet werden:

Einerseits gibt es eine Feder, die auf den ersten paar Grad Öffnungswinkel der Klinge ihre Maximalkraft entfaltet, die Klinge aus der Ruheposition sehr stark beschleunigt und bei der die Klinge auf dem letzten (und oft auch größten) Teil ihres Öffnungsweges ausschließlich durch Schwung in ihre Endposition bewegt wird.

Durch die Dynamik des Öffnungsvorganges wird dies oft als sehr kraftvoll empfunden.

Andererseits gibt es Federn, die mehr oder weniger auf dem ganzen Öffnungsweg auf die Klinge wirken.
Hier ist die Anfangsbeschleunigung meist nicht so groß, aber dafür wirkt an jedem Punkt des Öffnungsweges Federkraft (und nicht Schwung) auf die Klinge.

Durch die geringere Beschleunigung könnte man versucht sein, dies als eher schlapp zu empfinden, aber IMHO ist das nicht gerechtfertigt.

Während die meisten Springmesser sich eher der ersten Methode verschrieben haben, verbucht nach meiner Ansicht die zweite Methode eindeutig die größeren Vorteile für sich.

Zum einen ist die Materialbeanspruchung hier geringer, weil die Anschlagspunkte mit weniger Wucht traktiert werden.

Zum anderen (und meines Erachtens noch viel entscheidenderen Punkt) ist aber die Bediensicherheit viel höher, da ein unvollständiges Öffnen hier quasi nicht vorkommen kann.

Während bei vielen Automatiks der ersten Art ein Hindernis beim Öffnen die Klinge so stark abbremst, daß der Schwung eben nicht mehr ausreicht, um die Klinge vollständig auszuklappen, kommt dies bei der zweiten Art durch den konstanten Federdruck nicht vor.

So ist es z.B. bei meinem Benchmade 5000A nicht möglich, die Klinge nur halb zu öffnen.
Selbst wenn ich die Klinge beim Öffnen mit der Hand abfange, bewegt sie sich allein durch die Federkraft immer zuverlässig bis in die Endposition, egal, an welchem Punkt ich die Klinge per Hand freigebe.

Dies stellt IMHO einen deutlichen Vorteil im Hinblick auf die Zuverlässigkeit dar, der nach meinem Eindruck im großen und ganzen sträflich mißachtet wird.

Was meinst Ihr dazu?

Ich weiß, das ganze klingt sehr theoretisch, aber ich wollte das mal auf den Punkt bringen, und ich wollte jetzt nicht mit einem Unterschied zwischen "Tschack" und "Tschackawack" anfangen. :steirer:
 
Gute Anmerkungen und auch sehr wahr, was Du da berichtest!Ich lese da vom Unterschied zwischen irgendwelchen Springern aus dem fernen Osten oder Italien und um nur ein bescheidenes Beispiel zu nennen einem Böker Speedlock, wo die verfügbare Kraft auf der ganzen Öffnungsdistanz wirkt.Die Erfahrungen mit der Ausgewogenheit beim Gewicht des Griffs und dem Gesamtgewicht des Messers im Bezug auf die Kräfte bei der Öffnung der Klinge sind da schon gewaltig unterschiedlich und bestimmen so den Komfort bei der Handhabung.Wenn einem das Messer vor lauter Kraft bei der Öffnung aus der Hand springt, ist es meiner Meinung nach nicht tauglich für schnelle und sichere Einsätze wo auch immer.Die verschiedenen Öffnungsmechanismen sind denn auch sehr wichtig bei der Auswahl und genau da fängt es ja auch an, so richtig intressant zu werden.Mit Benchmade hats Du mit Sicherheit ein gutes Auto ergattert, nur gibts da Restriktionen vom Gesetz her.Als aktives Mitglied bei der Army oder Behörden hat man es wohl einiges leichter, an schönes Gerät zu kommen..
Bist Du Sammler oder Anwender oder beides?
Gruss
Chickenshit
 
Ich hab das gleiche mit einem Böker Kalashnikov 74, einem MT UDT und eben dem BM 5000A probiert und komme zu dem selben Ergebnis.

Läßt man die Klinge unmittelbar nach Auslösen am Bein anschlagen (MIT DEM KLINGENRÜCKEN, GELL?), hängen UDT und Kala schlapp herunter, während das BM sich weiter öffnet, wenn man das Messer vom Bein wegzieht.

Man kann auch das BM zum Scheitern bringen, aber das ist ein anderes Thema.

Manchmal, glaube ich, repetieren sich in der Frage der Schnelligkeit nur altdurchgekaute Vorurteile.

Ein BM wird immer langsamer als ein MT sein. Ob das nun stimmt oder nicht; ob das eine Rolle spielt oder nicht, ist völlig egal.
 
beagleboy schrieb:
.......

Zudem können prinzipiell ungeachtet des konstruktiven Aufbaus (Blattfeder, Spiralfeder etc.) zwei Arten der Auslegung der Federkraft bei Springmessern beobachtet werden:


.......

Aber ist es nicht gerade die unterschiedliche Konstruktion die alleine den Unterschied ausmacht?
Blattfeder im Griffrücken beschleunigt die Klinge kurz,
Spiralfeder an der Klingenachse dreht die Klinge auf dem gesamten Öffnungsweg.
 
Die Blattfeder ist das, was bei den billigen Stilettos drin ist, nicht wahr?

Wenn das so ist, dann liegt der Unterschied woanders.
 
@ chickenshit:
Ich bin Sammler und Anwender, und das BM 5000A ist eines meiner EDC. Es handelt sich hier um eine Sonderauflage mit seitens Benchmade für D gekürzter S30V-Klinge.

@ exilant:
Mein 5000 läßt sich definitiv nicht halb öffnen, das Ding geht immer ganz auf.
Blattfeder ist richtig.

@ Bigbore:
Tendenziell ist die Annahme zur Blattfeder sicher richtig; ob es hier auch Ausnahmen gibt, weiß ich nicht.
Aber definitiv ist die Spiralfeder sehr häufig auch in der erstgenannten Konfiguration anzutreffen. (Diverse MT, Böker, Benchmade etc.)

Insofern macht die Konstruktion alleine den Unterschied sicher nicht.
 
Stotterbremsen, dann kann es sein, dass es die letzten 2, 3 mm vorm Einrasten nicht mehr schafft.

Aber bezogen auf Deinen Thread ist das völlig bedeutungslos.
 
beagleboy schrieb:
Während bei vielen Automatiks der ersten Art ein Hindernis beim Öffnen die Klinge so stark abbremst, daß der Schwung eben nicht mehr ausreicht, um die Klinge vollständig auszuklappen, kommt dies bei der zweiten Art durch den konstanten Federdruck nicht vor.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Federdruck (besser die Federkraft) nicht über den gesamten Weg gleich bleibt. Vielmehr handelt es sich um eine lineare Abhängigkeit aus Kraft und Weg (Hooke'sches Gesetz).

Einfach ausgedrückt, wird die Federkraft um so schächer, je weiter die Klinge ausfährt. So ist es auch zu erklären, warum beim gebremsten Öffnen die letzten Winkelgrade sehr stark von der Reibung beeinflusst werden. Die Reibkraft bleibt gleich, während sich die Federkraft mit dem Öffnungswinkel verringert.

Grüße
Heiko
 
Da hast Du natürlich recht, das habe ich unsauber formuliert.

Daß die Feder mit zunehmender Entspannung an Kraft verliert, ist ja klar.
 
Kommt noch ein sehr wichtiger Faktor hinzu:
Bei Springern ala Speedlock oder Mk I drückt der Öffnungsknopf seitlich gegen die Klinge. Je stärker dessen Feder, desto mehr Federenergie wird in Reibungsenergie umgewandelt, wenn man den Knopf während des Öffnungsvorganges loslässt. D. h., dass die Wurffeder der Klinge wie von einem Bremsbacken beschleunigt wird. Negativ beschleunigt.
 
Ich glaube nicht, daß dieser Faktor von Bedeutung ist. Dauert doch der Öffnungsvorgang, also vom Zeitpunkt der Entriegelung bis zur vollständigen Verriegelung der Klinge in der "Offen"-Position nur eine oder max. zwei zehntel Sekunden. So schnell kann zumindest ich den Entriegelungsknopf nicht loslassen.
 
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