Black-Budget-Line von Kamon Knives

güNef

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Servus,

ab und an schreib ich hier noch über Messer die mich besonders und nachhaltig beeindruckt haben. Sei es das Messer selbst oder das dahinterstehende Konzept.

Dieses Bericht handelt von einem besonderen Gyuto das es aus meiner Sicht mehr als verdient hat, einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt zu werden, weil es optisch mit einem ungewöhnlich rauen und harten industriellen Look daherkommt und als funktionelles Feature einen doppelt eingeschliffener S-Grind mit Pfeilspitze hat, der das Messer mit einer geometrischen Qualität ausstattet, dass ein konventionelles Serienmesser nicht bieten kann.

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Bei diesem Messer geht es um die max. Reduktion auf Funktion und Gebrauchstüchtigkeit. Radikal reduzierter Aufwand in der Herstellung zugunsten eines wirklich attraktiven Einstiegspreises in das Kamonsche Portfolio. Da gibt's kein High-End-Finish und keine edle Anmutung. Da gibt's kein Schmieden und keine getaperte Klinge, keine exotischen Griffmaterialien und keine Monturen.

Hier einige Customs von Kamon:

SANTOKU CLEAVER

Ein großes Gyuto als Einzelanfertigung mit gebläuten Titanmonturen und Ebenholzgriff:

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Was dieses Konzept aber so besonders reizvoll macht ist eben genau diese harte Kalkulation. Es gibt diese Kleinserie zu einem Preis von unter 300,- Euro. Wer ein bissl Ahnung von guten Kochmessern hat, weiß das dieser Preis für ein 250er Gyuto aus 1.2067 mit Doppel-S-Grind eine preisliche Schallmauer knackt. Ort der Herstellung ist eine gewerbliche Schmiede im malerischen Weinviertel/Österreich und nicht Fernost.
Da Kamon-Knives sein täglich Brot mit Kochmesserherstellung verdient und seine Messer daher nicht verschenken kann, hat sich der Ein-Mann-Betrieb eine ausgeklügelte Prozessoptimierung ausgedacht, dass Projekt mehrfach durchgerechnet und kann jetzt ein Kochmesser der absoluten Spitzenklasse bezogen auf rein funktionelle Attribute anbieten.

Der Doppel-S-Grind wird Stockremoval mit eigens angefertigten Klammern reproduzierbar eingeschliffen, der Griff ist aus unverwüstlicher P.O.M. Stangenware und wird abgelängt und überschliffen. Schmieden, Monturen und exotische Griffmaterialien, wie bei seinen bereits international bekannten Einzelanfertigungen ist bei diesem Preis nicht drinnen, dass bleibt seinen Custom’s vorbehalten. Alle Arbeitsschritte sind straff optimiert.

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Für eine Einzelperson ohne industriellen Standard so eine hohe Reproduktionsrate zu erreichen ist schon sensationell. Die Serienstreuung liegt pro Messer sicher bei unter 10% Unterscheidung. Die "optische" Gleichheit der schwarzen HK lässt sich mit seinen Mitteln nicht steuern und der aufgepfropfte Erl, der im Griff verklebt wird, hat leichte Toleranzen, was den kreisrunden Spalt betrifft, ist aber vergossen und somit funktionell über jeden Zweifel erhaben. Die Geometrie befriedigt selbst einen Dünnschlifffanatiker wie mich zu 100%. Das schneidet leicht und wiegt mit 230gr deutlich mehr als ein Japanlaser und deutlich weniger wie ein wuchtiges WH-Gyuto.

Die Schneide ist nagelgängig, ohne Millimeterhoch zu buckeln. Die Spitze ist wunderbar fein und der Taper beginnt erst kurz davor. Das Profil hat einen kurzen Flatspot und zieht zum Griff hoch, da knallt nix aufs Brett. Ich würde sagen ein großer Wurf ist da gelungen und wenn einem der harte, industrielle Look gefällt und vor allem die aggressive Formgebung, an dem Messer ist ja kein Gramm zu viel Fett dran, das ist ein professionell austrainierter Zehnkämpfer, dann führt um diesen Preis kaum ein Weg daran vorbei.

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Ansonsten eine steife Klinge ohne Verzug, leicht flext nur die dünne Spitze, der Griff liegt durch das Rundmaterial und dem konischen Anschliff wohl in jeder Handgröße gleich gut, wie ein Besenstiel eben, dass greift sich wie selbstverständlich unauffällig. Der Rücken ist gerundet, bis zu der Stelle wo der Rücken dann zur Spitze hin abfällt, dann wird sie kantig was sie zum Abschaben tauglich macht.

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Ich hatte das Vergnügen ihn in seiner Werkstatt besuchen zu dürfen um mir vor Ort ein Bild zu machen. Die aufgeräumte Schmiede und die Detaillösungen überraschen. Das hat nichts mehr mir dunklen verrußten Räumlichkeiten zu tun, sondern so baut man heute überragende Kochmesser. Hell, sauber, sicher, geräumig und prozessoptimiert.

Ben Kamon ist da sehr penibel und bemüht sich um einen hohen Standard. Alleine die Holzleiste mit der Griffaufnahme die er sich extra angefertigt hat, damit die Messer nicht lose am Tisch liegen und so nicht beschädigt werden, zeigt schon, mit wieviel Genauigkeit, Sauberkeit und Hirn dort gearbeitet wird.

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Bei einem solchen Preis für das Gebotene darf man kein perfektes Finish erwarten, keine getaperte Klinge, die bei sperrigem Schnittgut im Schubschnitt nicht verklemmt und keine optischen Höhepunkte. Wer perfekt homogen getaperte Geometrien oder extrem dünne Laser gewohnt ist, wird den erhöhten Widerstand beim Schneiden ( z.B. ein großer knackiger Apfel ) bei Schnittgut das die Klingenhöhe erreicht oder übersteigt merken. Jemand dem dieser Vergleich fehlt, bekommt eine wuchtige Schnittgutfreisetzung, wenn er mit Schmackes und Schub arbeitet.

Der Käufer bekommt ein in mattschwarz gehaltenes Messer, mit allroundtauglichem Profil und Klingenlänge mit absolut reduziertem Finish und voll auf Funktion ausgelegt. Kehl und Rücken sind gerundet und ergonomisch über jeden Zweifel erhaben. Foot Release und gute Schneidfähigkeit ist Programm und Konzept zugleich.

Fazit:

Wer noch kein gutes Kochmesser hat, oder mal in die funktionelle Oberklasse einsteigen will und der mit der harten, fast räudigen Industrieoptik leben kann, oder dem das so wie mir voll taugt, findet hier ein herausragende Alternative und ein ungewöhnliches Konzept zu japanischen oder deutschen Serienmesser der Klasse ab 300,- Euro.

Die erste Charge von 27 Stück war in 6 Stunden ausverkauft, die Nächste ist in Planung und wenn sie fertig gestellt ist, gibt’s wie immer Info auf seinen bevorzugten Plattformen.

Gruß, güNef
 
Hi,
ein gut schneidendes Messer und richtig mit viel Mühe gemachte Messervorstellung von Dir. :super:

Customs hab ich auch angeschaut- die Messer sind eher für Liebhaber- ich hab die "nicht verstanden". :hmpf:
 
Die äußerliche Optik finde ich eigentlich ganz ansprechend und würde sie eigentlich nicht als "harte, fast räudige Industrieoptik" bezeichnen.
Ich finde aber, dass die Ästhetik formal noch nicht zu Ende gedacht ist. Ich kann verstehen, dass das sehr Spitze Dreieck zwischen Hohlkehle und Rücken sich im Griff fortsetzen soll, deshalb ist der Griff an dieser Stelle abgeflacht. Das sieht man und das ist optisch verständlich. Das Foto des Griffes sieht aus als würde er sich nach hinten verjüngen. Aber ich glaube das täuscht.

Was ich nicht schön finde ist, dass die Hohlkehle in der Spitze rechteckig endet. Da beißt sich sie Hohlkehlenform mit der Messerform. Das empfinde ich als ästhetisch ungelöst. Ein Widerspruch, eine optische Dissonanz. Bei dem zweiten gezeigten Custom Gyuto ist das um Klassen besser gelöst. Muss denn die Hohlkehle vor Klingenende aufhören? Kann sie nicht durchlaufen bis zum Ende, also bis zur Spitze? Ich weiß die Spitze ist dünner. Das heißt die Pfeilspitze (von der Schneide bis zur Hohlkehle) würde vorne ein wenig breiter werden.
 
Die Klingenspitze müsste ja nicht ganz so dünn sein und die Hohlkehle könnte vorne schmaler werden, dagegen könnte der Teil von der Schneide bis zur Hohlkehle an der Spitze breiter werden. So ist es jedenfalls aus meiner Sicht ästhetisch ungelöst.
 
Servus,

meines Wissens ist die Form der HK und deren abruptes Ende dem Konzept geschuldet. Zum Einen musste das Schleifen von vielen gleichen Klingen prozessoptimiert und reproduzierbar gemacht werden, um zum Zweiten den Preis zu realisieren. Die HK werden vor dem Härten mit eigens gefertigten Klammern/Lehren die die Tiefe, den Abstand und die Form vorgeben eingeschliffen, die finale Geometrie folgt dann in gehärtetem Zustand.

Die Frage der Ästhetik ist bei dieser Serie zu Gunsten des Preises sekundär, es zählt einzig die Funktion. Wenn der optische Auftritt dennoch bis auf die abrupt endende HK als nicht so brachial wahrgenommen wird, wie das auf mich persönlich wirkt, dann ist das eine feine Sache. ;)

Das ein solcher optischer Auftritt Zustimmung und Ablehnung hervorruft liegt auf der Hand, wenn man ein Herder 1922 oder ein Sabatier Klassik als die europäische Kochmesserform schlechthin zum Vergleich heranzieht. Wie schon gesagt, die erste Charge war sofort weg und bis Jahresende wird es noch eine geben.

Gruß, güNef
 
Hi, güNef,
das vorgestellte Messer passt zu Dir perfekt-es ist sehr dünn ausgeschliffen und scharf.

Die Custom’s sind schon gewöhnungsbedürftig- ich sehe die als Kunst, die ich nicht ganz verstehe. Diese Messer erwecken meine Interesse - die sind wohl schon was Besonderes für Menschen, die solche Stilrichtung mögen.
 
Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass die Ästhetik sekundär ist. Dafür wurde beim Griff und am Übergang Griff/Klinge ein zu großer Aufwand getrieben. Auch das "Black design" spricht nicht dafür, dass die Gestalt zweitrangig sein soll. Ich glaube auch nicht dass der Aufwand unbedingt steigen würde. Man kann ja in Gedanken das Gyuto einfach an der Spitze ein STück kürzen und ihm eine schräge Bunkaspitze verpassen. Schon läuft die Hohlkehle durch. Es ist dann natürlich ein anderes Messer. Ich gebe aber zu, dass sich Widersprüche zischen Gestalt und Funktion nicht immer auflösen lassen und halte es in so einem Fall für richtig der Funktion den Vorrang zu geben.
 
Servus,

Dafür wurde beim Griff und am Übergang Griff/Klinge ein zu großer Aufwand getrieben

wenn es so wirkt, dann ist es ein super Nebeneffekt, was jetzt nicht heißen soll, dass das nicht ordentlich gemacht wurde, aber ich kenne bestimmt einen ästhetisch schöner eingebrachten Erl. ;) Auch hier liegt der Schwerpunkt in der Funktion und im einsparen von Arbeitsschritten/Prozessoptimierung und der aufgebohrte Griff wird mit dem aufgepfropften Erl weitgehend spaltfrei vergossen, aber eben nicht völlig zu 100%. Es gibt da schon Schwankungen, was die kreisrunden Spaltmaße betrifft, aber auch hier ist das irrelevant, weil hygienisch abgedichtet und auch gegen Rost dadurch abgesichert.

Es geht ja um den Punkt zu wissen was man bekommt und die Erwartungen dahingegen auszurichten und nicht mit einem ästhetisch und handwerklich perfektem Finish zu werben, dass nicht ganz dem völlig makellosen Bild seiner Custom's entspricht. Wie auch, wenn der Preis weniger als die Hälfte beträgt und der Macher immer noch verdienen muss.

Du hast sicher schon einen Haufen Messer gesehen und bist gewiß nicht unkritisch und wenn du das bis auf die abrupt abgerissene HK sehr ansehnlich findest, dann ist das eine erfreuliche Sache. ;)

Für mich war der Kaufgrund erstmal die geometrische Besonderheit einer Doppelhohlkehle mit einem Pfeilspitzenkehl und dann der Matteschwarze aufs wesentliche reduzierte martialische Look. Ein bissl Neugierde ist halt auch immer dabei. :D Und der aufgerufene Preis natürlich!

Gruß, güNef
 
" aber ich kenne bestimmt einen ästhetisch schöner eingebrachten Erl."
Die saubere Einbringung des Erls ist Handwerk, bzw. die Ästhetik des Handwerks. Ich meine auch etwas ganz anderes: Nämlich, dass der Griff oben teilweise abgeflacht wurde, um am Übergang von Griff und Klinge keinen optischen Bruch entstehen zu lassen und die Klinge fast in einer Linie durchgehen zu lassen. Das ist gemessen an der Funktion unnötiger Aufwand. Bei tausenden von japanischen Griffen ist der Griff deutlich abgesetzt und nicht abgeflacht. Der Einheitlichkeit in der Linie, entspricht auch die Einheitlichkeit der Farbe. Das Messer soll insgesamt als Einheit wirken. Das sind alles rein ästhetische Überlegungen, die keinen funktionellen Gewinn bringen und einen Aufwand darstellen. Bitte nicht als Kritik missverstehen, eher im Gegenteil. Ich will nur sagen, das Messer hat sehr wohl einen ästhetischen Anspruch und ist nicht nur Funktion.

Was mich viel eher interessieren würde ist das Schneidverhalten. Die Spitze ist ja mal wieder nur ein Windhauch. Ich krieg schon beim Anschaun des Fotos Angst, dass man irgendwo hängen bleibt und die Spitze abbricht. Funktioniert die Hohlkehle wie sie soll? Gibt es Unterschiede im Verlauf der Schneide zwischen Spitze und Kehl?
 
Zuletzt bearbeitet:
Servus,

jetzt verstehe ich was du meinst. Ein gerades, nur mal abgelängter Stück P.O.M., wie so mancher Wa-Griff ohne konischen Verlauf, wäre wohl auch aus der Sicht des Machers brutal. :D Ich denke die abgeschliffenen Flächen dienen auch der Haptik, dass liegt einfach natürlicher in der Hand ( wenn man vorgreift ) als nur ein gerade abgeschnittenes Stück Kunststoff und fällt somit in die Kategorie "Funktion". Dazu kommt, dass man von Kamon schon etwas mehr erwartet als einen solch harschen Übergang ohne harmonischen Zulauf zum Griff. Irgendwo hat er den Kompromiss zwischen Aufwand und Nutzen gesucht und gefunden. Ich bin nicht sicher, aber wäre der Griff ohne diese Facetten, dann hätte ich wohl nicht gekauft. Insofern hast du recht, es sind zumindest Grundzüge von Ästhetik notwendig um ein Messer schmackhaft zu machen.

Was die Schneidfähigkeit anbelangt, Laser ist das keiner. Am Beginn der HK stehen 1,5mm Wandstärke an, ab 12mm Klingenhöhe und das bleibt bis zum HK-Ende. Dann kommen abrupt 3,6mm weil ohne Taper geschliffen, was bei sperrigem Schnittgut das diese Höhe übersteigt zu einem erhöhten Kraftaufwand führt, weil kein homogen ansteigender Keil das Schnittgut von der Flanke abdrängt, wie bei einer gut getapert-balligen WH-Geometrie. Da muss der Mann hinter dem Messer diese fehlende Eigenschaft mir Schubkraft kompensieren. ;)

Bei Kleingemüse aller Art merkt man davon wenig bis nicht's, bei weichen und nachgiebigen Lebensmittel eigentlich gar nichts. Wer keine perfekt homogen getaperten Klingen kennt, wird nichts vermissen. Der Gourmet hingegen schon, aber es ist ja bekannt das der Taper fehlt und deshalb soll man auch keinen erwarten.

Der Vorteil ist die Steifheit die diese Klinge mitbringt, dass ist ein Brett, bis zum vorderen Ende der HK und beginnt erst an der Spitze leicht flexibel zu werden. Was die fein geschliffene Spitze betrifft, da werden einige im Ausguss verschwinden. :D

Die HK selber ist natürlich spürbar in ihrer reduzierten Flankenhaftung, wenn man das mir einer konventionellen Klinge vergleicht. Man darf einfach sorgloser mir diesem Messer umgehen, es ist nicht so empfindlich wie ein wirklich massiv ausgedünntes Gyuto. Durch die buckelnde Schneide ist der Einschnitt in hartes Schnittgut schon mal ganz anders als wie mit einem Burgvogel oder Güde, das über 0,50mm an der Wate misst.

Deshalb ist der Mix aus recht dünner Wate und HK, bei gleichzeitig sehr steifer Klinge eine Kombination die ein Schneidverhalten zeigt, dass sich von allen meinen Messer abhebt. Wobei es klar ist, dass viele meiner Messer sehr ähnlich schneiden, weil ich immer den Focus auf einem leichten Schnitt bei noch akzeptablem FR habe und hier alle Extreme zugunsten einer gewissen Tauglichkeit für Jedermann zurückgenommen wurde. Viele wollen und können ja auch nicht mit einem filigranen Messer hantieren, sondern wollen einfach Lebensmittel zerkleinern. Das macht aus meiner Sicht mit diesem Messer einfach mehr Spaß, setzt besser Schnittgut frei und schneidet eben leichter als das Gros handelsüblicher Messer. Die Schneidenlänge ist mit 250mm mehr als stattlich, das Gewicht mit 230gr noch im ermüdungsfreien Bereich, ohne zu leicht oder zu schwer zu wirken.

Der Schwerpunkt liegt viel weiter in der Klinge als bei europäischen Messern üblich, es ist einfach ein reizvolles Kochmesser zu einem reizvollen Preis. Irgendwo hab ich schon geschrieben, wenn man mir das vor Jahren in die Hand gedrückt hätte und ein fundierte Erklärung dazu, was ein gutes Kochmesser ausmacht, dann hätte ich mir einiges an Geld gespart. Meine Erfahrungen wären dann zwar nicht so ausgeprägt, aber heute sage ich sei's drum. ;)

Gruß, güNef
 
Ok. Danke für die ausführliche Antwort. Jetzt verstehe ich den fehlenden Taper auch besser. Ich hatte angenommen du meinst die Verjüngung zu Spitze hin. Jetzt stellt sich das für mich so dar als meinst du die Verjüngung vom Rücken zu Spitze im Querschnitt. Der Kehlshot schaut allerdings so aus als würde der ursprüngliche Flachschliff vor dem anbringen der Hk zwar nicht ganz bis zum Rücken hinaufreichen, aber immerhin bis zum Ende der Hk. Wäre es anders (also erst Hohlkehle schleifen, dann quasi das fehlenden Stück von der Schneide bis zur Hohlkehle anschleifen), dann wäre das Messer am Beginn der Hk (von der Schneide aus gesehen) noch dicker.

Am Ende der Hk dürfte sich das Messer ähnlich verhalten wie ein Hohlschliff. (vom Foodrelease abgesehen). D.h. die dünne Schneide wird mit einer größeren Dicke weiter oben erkauft. In der Regel ist das ja auch sinnvoll, da so dicke, feste Lebensmittel den kleineren Anteil der Schneidarbeit ausmachen. Solche Kleinserien sind für mich immer sehr interessante Projekte, da hier sich herauskristallisiert, was von der individuell für einen speziellen Kunden angefertigten Messerkunst für ein Serienmesser mit hohem Anspruch verallgemeinerbar ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, von güNef kann man schon viel erfahren, was Zusammenhänge zwischen Klingengeometrien und Schneiden angeht... :joyous:
 
Servus,

Zuallererst einmal ein herzliches Danke an @güNef für den tollen Bericht :)!

Jetzt dachte ich mir, dass ich mich hier, als Schaffer dieser Serie, kurz klärend einbringen und etwas Licht ins dunkel bringen muss.

Zur generellen formgebung des Messers ist grundsätzlich zu sagen, dass der Anspruch tatsächlich in allererster Linie, maximale leistungsorientierung im Verhältnis zum Preis, war. So erklärt sich eigentlich so gut wie alles an dem Messer.

Die materialwahl ist einfach zu erklären: POM für den griff weil es günstig und in seinen Eigenschaften, selbst durch teurere Materialien, kaum zu überbieten ist. Meterware und rund sind da ein riesen Vorteil. Schwarz? Ja... Geht halt immer und lässt sich toll kombinieren. Ich hätte auch POM Natur nehmen können aber wenn ich schwarz zur Auswahl habe, dann entscheide ich mich natürlich dafür.

Die klinge hat zwei schwarztöne. Einmal ist das der zunder. Ergibt sich durch die wärmebehandlung und bleibt drauf weil er meiner Ansicht nach mehr positive als Negative Eigenschaften mitsich bringt. Und zum anderen der schwarz geätzte klingenspiegel. Meine Zielgruppe für das Messer sind in erster Linie Köche. Da darf es ruhig etwas unempfindlicher sein was die Korrosion angeht, deshalb vorpatiniet. Stahlwahl 1.2067... Ja was soll ich dazu sagen. Sehr solider und guter Stahl, außerdem gut verfügbar.

Was die formgebung betrifft gibt's auch da hauptsächlich technische Gründe für das Design.
Die hohlkehle geht nicht bis zur Spitze weil ich sie vor dem Härten in das Messer einschleife. Ich härte mittels warmbad und kühle bei martensit start in einer extra für die Serie engefertigten klammer ab. Verzug gibt es da nicht, allerdings brauch ich bei der Spitze genug Material weil sich das Messer sonst dort schon verziehen könnte. Übrigens bleibt zu dem Zeitpunkt auch an der schneide noch die komplette Stärke des Ausgangsmaterials stehen denn die klammer spannt parallel. Hoffe es ist klar was ich meine?

Der Griff und wieso er facettiert ist wie er es ist, hat auch technische Gründe. Zum größten Teil besteht der Griff aus einer zylindrischen Form. Damit er sich allerdis besser greift und der pinch grip angenehmer ist, tapert er nach vorne. Natürlich wäre das auch in rund geschliffene, oder jedweder anderer Form möglich, ich erzielte aber so wie er jetzt ist die Qualitativ beste reproduzierbarkeit in einer angebrachten Zeit.

Die Ästhetik des Messers gesamt spricht mich persönlich natürlich an und ich hoffe auch meine Kunden. Allerdings ergibt sie sich tatsächlich fast ausschließlich durch das Motiv Form follows function. Wenn man aber wie ich tickt, dann spricht einen genau sowas an. Nicht weil es schön hin designed wurde, sondern weil es Sinn macht.

Hoffe ich konnte helfen.

Lg

Benjamin
 
Ja danke. Jetzt verstehe ich das Messer und sein Aussehen tatsächlich viel besser. 1. War mir nicht klar, dass der Griff unbearbeitet einen konstanten Durchmesser hat ohne Verjüngung. Wenn man das weiß, sind die Abflachungen vorne wirklich die einfachste Art den Griff vorn dünner zu machen. 2.
Die hohlkehle geht nicht bis zur Spitze weil ich sie vor dem Härten in das Messer einschleife. Ich härte mittels Warmbad und kühle bei martensit start in einer extra für die Serie angefertigten klammer ab. Verzug gibt es da nicht, allerdings brauch ich bei der Spitze genug Material weil sich das Messer sonst dort schon verziehen könnte. Übrigens bleibt zu dem Zeitpunkt auch an der schneide noch die komplette Stärke des Ausgangsmaterials stehen denn die klammer spannt parallel. Hoffe es ist klar was ich meine?
Aha. Also wird aus dem Blech in Messerform zuerst nur die Hohlkehle ausgeschliffen und überhaupt kein Flachschliff angebracht. Die Klammer besteht vermutlich aus zwei ebenen Metallplatten, die auf dem Messerblech plan aufliegen mit Ausnahme der Hohlkehle. Die Klammer hält das Messer am Rücken und an der Schneide. Das wird auf ca. 800 Grad gebracht und dann im Salzbad bei etwa 200° (bei ca. 1% C) abgekühlt. Dank Mangananteil im Stahl braucht man nicht so hohe Abkühlgeschwindigkeiten. Salzbad und Klammer verhindern/minimieren den Verzug. Würde die Hohlkehle durchgehen, würde bei der Gyutoform, das Messer am Rücken nicht mehr von der Klammer gehalten und es würde sich verziehen. Um die Hohlkehle durchgehen zu lassen, dürfte man vor dem Härten keine Spitze formen. Das Messer müsste vorne so breit sein, dass es wie am Kehl an der Schneide und am Rücken von der Klammer gehalten wird. Nach dem Härten müsste man dann die Spitze formen, was im gehärteten Zustand ein erheblicher Aufwand sein würde. Schon jetzt dürfte das runterschleifen des Streifens von der Schneide bis zur Hk im gehärteten Zustand nicht ganz einfach sein. Ich hoffe ich habe das ungefähr verstanden.
 
Ja bis auf ein paar Kleinigkeiten richtig. Abgeschreckt wird bei mir im ~200°C heißen Öl (kannst du nicht wissen) und bei dem 1.2067 ist auch der chromgehalt sehr wichtig für die bessere durchhärtbarkeit. Mangan hat der ja nur so viel wie Feilenstahl (1.2002). Feilenstahl braucht aber höhere abschreckgeschwindigkeiten als der 1.2067 um kein mischgefüge entstehen zu lassen.

Was das schleifen angeht hält es sich in Grenzen. Man darf die weit kleineren Flächen nicht vergessen. Durch die hohlkehle ist schon sehr viel an Material weg. Auch hilft mir mein nassbandschleifer bei dem ich halt bei höchster Drehzahl ununterbrochen drauf halten kann ohne das Material durch Hitze zu beschädigen. Ich denke ohne das Gerät täte man sich um ein eck schwerer.

Insgesamt hast du das Prinzip aber gut durchschaut :).

Lg

Benjamin
 
Servus,

freut mich, dass wir hier jetzt Info's zu der Messer-Serie aus erster Hand bekommen und nicht spekulieren müssen. :super:

Wenn ich das alles richtig verstanden habe, dann ist die Fläche die es nach dem Hk-Schliff gehärtet zu schleifen gilt, der schmale Streifen von der HK-Unterkante bis zur Schneidenspitze. Das wird der eigentliche, geometriebeeinflussende Primärschliff und dieser bestimmt die reale Schneidfähigkeit, zumindest bis zur HK-Oberkante, weil dort ja die max. Materialstärke erreicht ist und ohne Taper dort physikalisch die Schneidfähigkeit an sperrigem, großen Schnittgut an seine Grenzen kommt.

Als Gedankenspiel gedacht, wenn du den Primärschleifwinkel spitzer gestalten würdest, dann wäre der Messerwert von 1.5mm an der HK-Unterkante unterboten und würde die Schneidfähigkeit massgeblich beeinflussen. Allerdings auch die Gesamtstabilität und je nach Winkel auch die Schneidkantenstabilität.

Es ließe sich also die Schneidfähigkeit quasi innerhalb des zu bearbeitenden "Streifens" unter der HK je nach gewolltem Einsatzzweck anpassen?

Gruß, güNef
 
Irgendwie hab ich automatisch angenommen das Warmbad sei ein Salzbad. Aber das wird, nehme ich an viel aufwendiger sein als Öl.
Dass die Durchhärtbarkeit bei einer dünnen Klinge eine Rolle spielt wundert mich etwas. Ich nehme mal an, das die Durchhärtbarkeit wichtig wird, weil die Abkühlgewindigkeit im Warmbad nicht so hoch ist.

Man darf die weit kleineren Flächen nicht vergessen.
Ja richtig, das ist ein Unterschied. Dass es ein rostender Stahl ist, dürfte sich auch positiv bemerkbar machen.

Es ließe sich also die Schneidfähigkeit quasi innerhalb des zu bearbeitenden "Streifens" unter der HK je nach gewolltem Einsatzzweck anpassen?
Sehe ich auch so. Allerdings ist die Frage, wie sich weniger als 1,5mm auf das Foodrelease auswirken würden, denn die Abrisskante wird dann immer schwächer. Es wird sozusagen in das Tal der Hohlkehle geschliffen.
 
Servus,

Sehe ich auch so. Allerdings ist die Frage, wie sich weniger als 1,5mm auf das Foodrelease auswirken würden, denn die Abrisskante wird dann immer schwächer. Es wird sozusagen in das Tal der Hohlkehle geschliffen.

so schaut das aus. Und schon steht man vor dem altbekannten Dilemma, dass das Eine das Andere aufhebt und man Prioritäten setzen muss. Den Kompromiss muss der Macher eingehen. Bei dieser Serie ist klar, dass von der Schneidfähigkeit noch was ginge, aber nicht auf die Vorliebe des Einzelnen ( mich :D ) eingegangen werden kann, wobei ich bei diesem Messer einen direkten Vergleich bräuchte um klar entscheiden zu können, ob mir der kleine Gewinn an Schneidfähigkeit den Verlust an FR wert wäre, weil es ja irgendwann sinnfrei wird, eine HK soweit in ihrer Funktion zu schwächen, das sie nur noch marginale Vorteile gegenüber einer konventionellen Klinge leisten kann.

Gruß, güNef
 
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