Blockseigerungen Lösungsglühen

Azkaenion

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Mein Sohnemann hat eine Aufgabe über die Ferien bekommen und benötigt da nochmal eure Hilfe. . .


Guten Tag,

mein Name ist Steffen und ich bin 13 Jahre alt.
Wir sollen zum Thema Materialeigenschaften von verschiedenen Legierungen einen Aufsatz schreiben.
Wenn ich darf, würde ich ihnen gerne ein paar kurze Fragen stellen.

Ich habe mich dabei für die austenitischen Edelstähle entschieden die als Schmiedeblöcke gefertigt werden, um danach Bauteile daraus zu fräsen.

Dabei bin ich auf das Thema Mikroseigerungen und Blockseigerungen gestoßen.

Wenn man nun so einen Block ausgefräst hat, dann hat man ja zwangsläufig Teile des Werkstükcs die im Innersten (also der Mitte) des Schmiedeblocks liegen.
Dort also, wo die Legierungszusammenstzung am schlechtesten ist.

Sehr oft wird dann nochmals Lösungsgeglüht und dann erst fertig gefräst um die Eigenschaften des Werkstücks zu verbessern.

Jetzt habe ich aber gelesen das man zwar Mikroseigerungen durch Lösungsglühen auflösen kann, aber keine Makroseigerungen.

Wie kann man dann sicher stellen das die Teile des fertig gefrästen Teils die in der Mitte lagen, genauos gute mechanische und optische Eigenschaften haben (Polierfähigkeit) und das auch die Korrosionsbeständigkeit die Gleiche ist?

Meine vermutung wäre das durch das Lösungsglühen sich lokal (vielleicht mehrere cm tief) die Legierungselemente und die Verunreinigungen ausgleichen und somit diese Blockseigerung weiter ins Innere wandert.
Wenn man dann schnell abkühlt, hat man so zusagen ein paar cm an perfekter Aussenhaut und somit erfüllt das gesamte Bauteil die benötigten Eigenschaften.

Hilfe von ihnen wäre echt toll.

Meine Eltern haben mir erlaubt hier zu schreiben.

Viele Grüsse
Steffen
 
Es ist leider wirklich so, dass man Blockseigerungen so gut wie nicht beeinflussen kann. Die Mikroseigerungen lassen sich durch langsames Abkühlen oder Diffusionsglühen (wegen der langen Zeiten und hohen Temperaturen wirtschaftlich heikel) "heilen". Bei der Erstarrung von außen nach innen gehen die Begleitelemente C, P, S immer in die noch vorhandene Restschmelze und reichern sich dort an.
Es hängt also unter Anderem davon ab, wie dick der Block ist und wie er erstarrt. Abschrecken aus der Glühhitze ist manchmal empfehlenswert, damit erneute Ausscheidung verhindert wird.
Es ist halt auch eine Frage der Werkstückgeometrie.

Ich hoffe, das hilft, wenn auch nicht quantitativ, sondern nur qualitativ.
Gruß
Herbert
 
Ich habe gelesen das es ein ESU Verfahren gibt, sogar unter Schutzgas, wo der Stahl nochmals über eine Stabkokille aufgeschmolzen wird.
dadurch werden die Oxide entfernt und die Ausscheidungen werden kleiner und damit auch feiner verteilt, wodurch das Polieren dann unproblematischer wird.
Bei einem 1.4539 ist die maximale Dicke in ESU Ausführung auf 50 cm begrenzt und auf 80 cm in der Breite. Länge um die 3 m, da sonst die Gefügeausbildung nicht mitspielt.
je nach Legierungszusammensetzung kann man da auch Güten bis zu 80 to herstellen, aber der 1.4539 ist, weil so extrem hoch und speziell legiert, wohl eine ziemliche Diva. . .

Ich habe mir das mal so vorgestellt (ich muss visualisieren)
Wenn ich aus so einem Block eine Statue eines gerade stehenden Menschen fräsen lassen würde, dann wären die Hände zwar mittig, aber ziemlich am Rand des Blocks, also wären Blockseigerungen kein Problem.
Der Körper, Kopf un die Beine auch nicht, da sie ziemlich dick sind, bzw. die Beine leicht schräg stehen, also wieder eher am Rand des Blockes sind und der erstarrt ja nicht nur von links nach rechts, sondern auch von unten nach oben.
Der Kopf ist oben am rand von dem Block alos auch alles gut, das Problem ist der Genitalbereich, weil der genau in der Mitte des Blockes ist.
natürlich soll der aber auch genauso korrosionsbeständig sein und genauso gut polierbar und natürlich auch die gleichen mechanischen und optischen Eigenschaften haben.
Das Beispiel mit der Statue trifft so auch auf ganz viele Bauteile zu, die aus einem vollen Block gefräst werden.
Soweit ich gelesen habe, fräst man wohl Endkonturnah und macht dann ein Lösungsglühen.
Somit gibt es den Konzentrationsausgleich zum Rand hin.
In dem Fall der visualisierte Genitalbereich.
Die ESU Güte ist da wohl sowieso schon sehr homogen, auch bei großen Block Durchmessern.
Wenn man dann Lösungsgeglüht hat, schreckt man möglichst schnel ab.

Es bildet sich im Inneren erneut die Blockseigerung aus (die war ja auch nicht ganz weg), aber durch das schnelle abkühlen hat man jetzt rings um die Statue herum, einen bereich von ein paar Zentimetern die Chemisch perfekt zusammen gesetzt sind.
So meine Theorie. . .
 
Wenn man sehr rasch und durchgreifend abkühlen kann, unterbindet man Ausscheidungen. Das ist natürlich abhängig vom Volumen. Restschmelze und langsames Abkühlen sind das Problem. Geschwindigkeit killt Diffusion.
Bei ESU benutzt man eine reaktive Schlacke, und man verbessert die Stahlqualität erheblich durch Entfernung der Einschlussbildner.
Gelöste Stoffe bleiben gelöst, und beim langsamen Abkühlen gibt es wieder Ausscheidungen, vermutlich weniger Blockseigerung. Die Mikroseigerung beseitigt man durch Lösungsglühen nach der Fertigung am kleineren Volumen.
Weg gehen sie nicht.
Ist das eine Prinzipfrage? Wieviel „Eigenschaftsgradient“ wäre tolerierbar?
 
Schon. . .
Ja. . .
ist schon eine Prinzipienfrage die mich interessiert.

Hab dazu auch mal ein paar Metallurgen angeschrieben (möchte hier ja auch etwas zurück geben).
Mal schauen was an Antworten kommen wird.
 
mal ein paar links zum Thema:
Giessereilexikon ► HIER FINDEN SIE WAS SIE SUCHEN! ◄ (https://www.giessereilexikon.com/giesserei-lexikon/Encyclopedia/show/blockseigerung-74/?cHash=42d9290844543bd77dd477873a6d60d8)
Beruhigter und unberuhigter Stahl - Fertigungslehre (https://www.ingenieurkurse.de/fertigungslehre/urformen/verfahren-zur-gewinnung-von-metallen/stahlerzeugung/beruhigter-und-unberuhigter-stahl.html)
Lösungsglühen Wissenswertes - Glüherei GmbH Magdeburg (https://www.glueherei.de/index.php?main=wissenswertes&sub=loesungsgluehen)
und zu Gefügeaufnahmen bei Metallograf:
Metallografie und Werkstoffprüfung bei Stahl - für Metallograf und Werkstoffprüfer (https://metallograf.de/)
hier im speziellen dann z.B.:
Metallografie und Werkstoffprüfung bei Stahl - für Metallograf und Werkstoffprüfer (https://metallograf.de/start.htm?/werkstoffkartei/4310/4310.htm) (starke Seigerung an/ auf den Korngrenzen)
und hier lösungsgeglüht (aber andere Legierung):
Metallografie und Werkstoffprüfung bei Stahl - für Metallograf und Werkstoffprüfer (https://metallograf.de/start.htm?/werkstoffkartei/4303/4303.htm)

Also sind Sorgfalt/ Aufwand beim Gießen sowie Lösungsglühen nach Grobzerspanung die Mittel der Wahl, um Seigerungen in den Griff zu bekommen. Nicht vollständig, aber unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte gut genug, um nachher den Anforderungen zu entsprechen. Ganz verschwinden wird diese Inhomogenität allerdings nicht. Im Link zu Blockseigerungen wird ja schon angegeben, dass die Anreicherung im Kern für S um 300%, für P um 200% usw. höher sein kann. Dass sich das nicht mehr durch Lösungsglühen kompensieren lässt, liegt offensichtlich auf der Hand.

Auf Deinen Ausgangsbeitrag nochmal einzugehen, Steffen: Ziel des Lösungsglühens ist in ertser Linie nicht die Homogenisierung durch Diffusionsvorgänge, sondern das in Lösungbringen der Sulfide, Phosphide, Carbide, Nitride und Oxyde - damit die Elemente in atomarer Form im Kristallgitter eingebunden sind und nicht als nichtmetallische Einschlüsse die Gebrauchseigenschaften negativ beeinflussen. Im Nachbarthema Legierungselemente war die Frage nach der Zwangslösung bzw. temperaturabhängigen Löslichkeit gestellt worden. Das ist genau der Mechanismus hinter dieser Wärmebehandlung: ich gehe in den Temperaturbereich der höchsten Löslichkeit und kühle dann so schnell runter, dass eine Ausscheidung als unerwünschtes Phosphid, Sulfid, etc. soweit verlangsamt wird, dass dies praktisch keine Bedeutung mehr hat - sprich: nicht stattfindet, bevor das Werkstück aus anderen Gründen versagt.
Das Ganze entspricht in der Regel einer Zwangslösung, da energetisch eigentlich die Lösung der Elemente bei Raum- bzw. Betriebstemperatur nicht gegeben ist. Und wirft die Frage nach Alterungserscheinungen/ Entmischungs-/ Ausscheidungsvorgängen im Laufe der Zeit auf. Da ich im Bereich der austenitischen Stähle bisher wenig Interesse hatte, kann ich da wenig zu sagen. Man könnte natürlich auf die pauschalen Aussagen gehen, die im Netz zu finden sind, dass P und S als Substititionselemente eine geringe Beweglichkeit/ Diffussionsgeschwindigkeit besitzen und die Alterung daher vor dem Hintergrund des Verschleisses während des Gebrauchs irrelevant sind - aber das würde ich eher vermutend argumentieren, sofern es da keine Quellen mit quantitativen Aussagen zu gibt.

Nochmal zurück zu den Möglichkeiten einer Homogenisierung: neben beruhigt Gießen und Lösungsglühen kann man auch eine thermomechanische Umformung (Walzen, Schmieden) in Betracht ziehen. Das ist sicher nicht das erste Mittel der Wahl und wird eher bei anderen Werkstoffen effektiver angewendet. Dennoch ist das quasi wie Teig ausrollen: die Randbereiche bleiben schwach und die Konzentration in der Mitte ist groß, aber es findet eine Ausbreitung statt. Von der Effektivität begrenzt und nachrangig zu den anderen beiden Einflussmöglichkeiten - aber man könnte das als optionalen Ansatz noch mit einbringen in der Darstellung zur Optimierung.

Viele Grüße,
Torsten
 
Vielen, vielen lieben Dank!

Das bedeutet also, dass man zwar in der Mitte (Genitalbereich) eine etwas andere Legierungszusammenstzung hat, diese aber immer noch die Mindestanforderungen vom Kunden erfüllt.
Wie bereits geschrieben, wäre es ja extrem blöd, wenn genau an dieser Stelle das Bauteil mechanisch versagt, oder korrodiert, nur weil es in der Mitte des Schmiedblocks lag.

Zur Alterung konnte ich tatsächlich nur die negativen Effekte von Kohlenstoff und Stickstoff finden.
Also in der regel erzeugen diese die Alterung, zusammen mit den entsprechend negativen Effekten.
Wenn deren Konzentrationen im rostfreien Edelstahl (Austenit) nicht überschritten sind, dann ist dieser Edelstahl tatsächlich alterungsbeständig.
Auch über tatsächlich mehrere hundert Jahre, da bei Raumtemperatur die Diffusionsgeschwindigkeit einfach nicht exsistent ist.
Die Dauerbetriebstemperatur (- 60 - + 400 Grad) von der 1.4539 Edelstahl Legierung scheint dies absolut zu bestätigen.
Den es gibt mit Sicherheit chemische Anlagen die genau diesen Edelstahl benötigen und über Monate und Jahre bei dieser Temperatur betrieben werden.
Mein Papa arbeitet in der Chemie und die Stellen in der Regel ihre Anlage nur ein oder maximal zweimal im Jahr für Wartungsarbeiten ab, bevor wieder angefahren wird und die Anlagen in seinem Betrieb sind schon über 15 Jahre alt.

Was du zu den Blockseigerungen geschriebn hast ergibt natürlich absolut Sinn.
Deswegen gibt es dann für z.b. die Raumfahrt auch die ESU Güten, denn von diesen Bauteilen hängen unter anderem vor allem Menschenleben ab.

Und da es auch auf eine einwandfreie Passivierung ankommt, dürfen in der Oberfläche natürlich auch keine Carbide oder Einschlüße / Verunreinigungen sein.

Diese würden die Passivität negativ beeinflussen.

Sprich, bei einer ESU Güte bekommt man auch bei besagter Statue die Problemstelle Genitalbereich optisch völlig einwandfrei poliert, ohne Einschlüße oder Carbide in der Oberfläche die später heraus brechen.
 
Also ich wollte nur mal Rückmeldung geben.
Ich habe mich mittlerweile ziemlich in das Thema eingelesen und es ist tatsächlich so, dass die Substitutionselemente unter 400 Grad nicht diffundieren können und somit auch keine Ausscheidungsbildungen oder Alterungen statt fiden können.
Diese Stähle wie der 1.4539 sind auf unbestimmte Zeit völlig alterungsbeständig.

Dazu muss aber C und N gelöst und nicht zwangsgelöst sein.
 
Zum Gießen / Seigerungen kann ich wenig beitragen, aber aus der Schweißtechnik sind mir folgende Zusammenhänge bekannt:
Diese Stähle wie der 1.4539 sind auf unbestimmte Zeit völlig alterungsbeständig.
...
Dazu muss aber C und N gelöst und nicht zwangsgelöst sein.
C ist in dem 1.4539 nicht in problematischen Mengen enthalten und würde bei einem "Superaustenit" auch eher den Korrosionsschutz betreffen.
Der C verbindet sich gerne aus der Schmelze mit dem Cr zu Chromkarbiden. Diese sind sehr hart und der Chrom steht in der Matrix nicht mehrt dem Korrosionsschutz zu Verfügung. Dies verhindert man dadurch das so gut wie kein C in der Schmelze (<0,02 %) vorhanden ist (beim 1.4539 gegeben). Ein alternativer Weg (z.B. 1.4571) ist das man Ti zugibt. Ti bildet dann zuerst mit dem C Titankarbide (die auch hart sind und beim polieren zu Titanschlieren führen) aber der Cr steht dann komplette dem Korrosionsschutz zu Verfügung.

Probleme mit N kenne ich jetzt hauptsächlich in Bezug auf unlegierten Baustahl. Hier kann es zu "Alterung" durch N kommen, wenn der Stahl umgeformt wird. (Reckalterung). Eine Temperaturbelastung (Künstliche Alterung) beschleunigt den Vorgang drastisch. Dies kann man durch die ausreichende Zugaben von Al, Ti, und anderen N abbindenden Elementen in die Schmelze vermieden werden.
 
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