Abu
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Was hat uns Böhmen nicht alles beschert?
Den Prager Fenstersturz und Schinken, darauf ein Pilsener, das „Aus Böhmen kommt die Musik..“ ebenfalls bekömmlicher macht, kredenzt in böhmischem Glas; und wem mein Geschreibsel unverständlich bleibt, für den bleiben es wohl „böhmische Dörfer“! Wobei ich jedem die Reise ins einstige Böhmen sehr empfehle! Smetana im Ohr, findet er in Südböhmen mit Cesky Krumlov eine der hübschesten europ. Kleinstädte (mit dem „versautesten“ Jugendstil-Maler Schiele) und in Holasovice ganz sicher DAS malerischste böhmische Dorf der Welt. Im Norden wandert man durch die Böhmische Schweiz und kommt dann in die Gegend, die einen Freund von Messern und Geschichte anmacht. Die Saat wurde bei mir auf Reisen gelegt, brauchte aber erst einige Kannen „Karlsbader Kaffees“, bis sie aufging.
IGNAZ RÖSLER
Als IR 1794/1802 seine Manufaktur für Schneidwaren in Nixdorf gründete, gehörte der Landstrich noch zur riesigen Habsburger Donaumonarchie (von Napoleons Gnaden); als ca. 150 Jahre später die volkseigenen MIKOV-Werke mit den Resten der böhmischen Schneidwaren dort einzogen, hatten die Menschen europ. Geschichte der härtesten Gangart hinter sich: bis 1918 Österreich, bis 1939 Tschecheslowakei, bis 1945 Sudeten-Deutschland, dann wieder CSSR.
Rösler kam aus Nixdorf, damals bereits ein Zentrum der Schleiferei. Er selbst betrieb u.a. einen Handel für Stahlwaren. Grundknow-how war also vorhanden. Die industrielle Fertigung, die Rekrutierung ausländ. Experten, ja, die nun folgende Entwicklung einer ganzen Region, war sein Verdienst als Initiator.
Er soll Messer auf dem Niveau Sheffields produziert haben - zum halben Preis. Der Handel riss sich darum, kassierte ordentliche Margen und machte IR bekannt.
Wo Erfolg, da Neid. Neider aus den traditionellen Zentren Wien und Steyer versuchten seinen Ruf zu diskreditieren, Plagiateur war einer davon. IR kämpfte, die Gerichte sprachen ihm Recht zu; und als seine kaiserliche Hoheit ihn zum „Edler von Ehrenstahl“ adelte, war er sozusagen sakrosankt. Wäre ja noch schöner, wenn Neidhammel dem Kaiser diese Erfolgsgeschichte zerstört hätten. Die Briten hatten ihr Sheffield, die Preußen Solingen und die Habsburger nun ihr Pendant in Nixdorf!
Überhaupt: Wer scherte sich damals um Plagiate, vor allem wenn‘s das Ausland betraf? War aber wohl was dran. Oder wie soll ich die Ätzung auf meinem Jagddolch deuten? „Silber Steel“ steht da! Damalige Sprachgewohnheit, schlechte Übersetzung oder erstes „Denglish“?
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GL / KL 24,5 / 13 cm
Silberstahl
Rehfußgriff, Elemente Neusilber
Geschätzt Mitte 19.Jhdt.
Scheide fehlt
Noch älter könnte dieses Messer-Schätzchen sein, und das hätte weitergehende Bedeutung. Die große Klinge arretiert, zu lösen über die Federklinge, also ein früher FEDERKLINGENDRÜCKER. Bekannte Technik aus Solingen, bisher las ich seit ca. 1880. Nun Nixdorf, evtl. sogar älter?
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Geschlossen 10 cm
Große / Kleine Klinge 8 / 4,5 cm
Griff Horn, Stahl, Silber/Neusilber?
Das Schmiedezeichen ist nur noch fragmentarisch, aber als kürzlich ein MF-Kollege mit dieser deutlicheren Abbildung nach dem Zeichen fragte, war es für mich schlüssig IR.
Mein Rückschluss liegt im Messertyp, der eindeutig aus Nixdorf ist. Er findet sich noch in späteren Jahren im Musterbuch von Franz Frenzel, Nixdorf.
Irgendwie „nähern“ sich die erfolgreichen Modelle der Manufakturen doch immer an, muss ja nicht gleich Plagiat sein. 1889 firmierte man in „IR Nachfolger“ um, nachdem bereits 1865 die „IR Söhne“ gegründet wurde, tätig bis 1945.
Nachbemerkung:
Man muss sich an die Geschichte der Region und Manufakturen herantasten, nur wenig ist beschrieben, noch weniger zugänglich dokumentiert. Manches unterliegt dem Vorbehalt neuerer Erkenntnisse. Wer sie hat, herzlich Willkommen!
Es gibt in Tschechien Vereine und Sammler, die sich dieser Geschichte annehmen und Material zusammentragen. Hier zwei Websites........
https://www.noze-cz.cz/
http://www.nixdorf2.estranky.cz/
Meinen Dank an Pavel Formanek von noze.cz. Ich habe die Erlaubnis zur Nutzung der Dokumente.
Fortsetzung folgt mit Franz Frenzel.
Gruß
Abu
Den Prager Fenstersturz und Schinken, darauf ein Pilsener, das „Aus Böhmen kommt die Musik..“ ebenfalls bekömmlicher macht, kredenzt in böhmischem Glas; und wem mein Geschreibsel unverständlich bleibt, für den bleiben es wohl „böhmische Dörfer“! Wobei ich jedem die Reise ins einstige Böhmen sehr empfehle! Smetana im Ohr, findet er in Südböhmen mit Cesky Krumlov eine der hübschesten europ. Kleinstädte (mit dem „versautesten“ Jugendstil-Maler Schiele) und in Holasovice ganz sicher DAS malerischste böhmische Dorf der Welt. Im Norden wandert man durch die Böhmische Schweiz und kommt dann in die Gegend, die einen Freund von Messern und Geschichte anmacht. Die Saat wurde bei mir auf Reisen gelegt, brauchte aber erst einige Kannen „Karlsbader Kaffees“, bis sie aufging.
IGNAZ RÖSLER
Als IR 1794/1802 seine Manufaktur für Schneidwaren in Nixdorf gründete, gehörte der Landstrich noch zur riesigen Habsburger Donaumonarchie (von Napoleons Gnaden); als ca. 150 Jahre später die volkseigenen MIKOV-Werke mit den Resten der böhmischen Schneidwaren dort einzogen, hatten die Menschen europ. Geschichte der härtesten Gangart hinter sich: bis 1918 Österreich, bis 1939 Tschecheslowakei, bis 1945 Sudeten-Deutschland, dann wieder CSSR.
Rösler kam aus Nixdorf, damals bereits ein Zentrum der Schleiferei. Er selbst betrieb u.a. einen Handel für Stahlwaren. Grundknow-how war also vorhanden. Die industrielle Fertigung, die Rekrutierung ausländ. Experten, ja, die nun folgende Entwicklung einer ganzen Region, war sein Verdienst als Initiator.
Er soll Messer auf dem Niveau Sheffields produziert haben - zum halben Preis. Der Handel riss sich darum, kassierte ordentliche Margen und machte IR bekannt.

Wo Erfolg, da Neid. Neider aus den traditionellen Zentren Wien und Steyer versuchten seinen Ruf zu diskreditieren, Plagiateur war einer davon. IR kämpfte, die Gerichte sprachen ihm Recht zu; und als seine kaiserliche Hoheit ihn zum „Edler von Ehrenstahl“ adelte, war er sozusagen sakrosankt. Wäre ja noch schöner, wenn Neidhammel dem Kaiser diese Erfolgsgeschichte zerstört hätten. Die Briten hatten ihr Sheffield, die Preußen Solingen und die Habsburger nun ihr Pendant in Nixdorf!
Überhaupt: Wer scherte sich damals um Plagiate, vor allem wenn‘s das Ausland betraf? War aber wohl was dran. Oder wie soll ich die Ätzung auf meinem Jagddolch deuten? „Silber Steel“ steht da! Damalige Sprachgewohnheit, schlechte Übersetzung oder erstes „Denglish“?





GL / KL 24,5 / 13 cm
Silberstahl
Rehfußgriff, Elemente Neusilber
Geschätzt Mitte 19.Jhdt.
Scheide fehlt
Noch älter könnte dieses Messer-Schätzchen sein, und das hätte weitergehende Bedeutung. Die große Klinge arretiert, zu lösen über die Federklinge, also ein früher FEDERKLINGENDRÜCKER. Bekannte Technik aus Solingen, bisher las ich seit ca. 1880. Nun Nixdorf, evtl. sogar älter?




Geschlossen 10 cm
Große / Kleine Klinge 8 / 4,5 cm
Griff Horn, Stahl, Silber/Neusilber?
Das Schmiedezeichen ist nur noch fragmentarisch, aber als kürzlich ein MF-Kollege mit dieser deutlicheren Abbildung nach dem Zeichen fragte, war es für mich schlüssig IR.

Mein Rückschluss liegt im Messertyp, der eindeutig aus Nixdorf ist. Er findet sich noch in späteren Jahren im Musterbuch von Franz Frenzel, Nixdorf.

Irgendwie „nähern“ sich die erfolgreichen Modelle der Manufakturen doch immer an, muss ja nicht gleich Plagiat sein. 1889 firmierte man in „IR Nachfolger“ um, nachdem bereits 1865 die „IR Söhne“ gegründet wurde, tätig bis 1945.
Nachbemerkung:
Man muss sich an die Geschichte der Region und Manufakturen herantasten, nur wenig ist beschrieben, noch weniger zugänglich dokumentiert. Manches unterliegt dem Vorbehalt neuerer Erkenntnisse. Wer sie hat, herzlich Willkommen!
Es gibt in Tschechien Vereine und Sammler, die sich dieser Geschichte annehmen und Material zusammentragen. Hier zwei Websites........
https://www.noze-cz.cz/
http://www.nixdorf2.estranky.cz/
Meinen Dank an Pavel Formanek von noze.cz. Ich habe die Erlaubnis zur Nutzung der Dokumente.
Fortsetzung folgt mit Franz Frenzel.
Gruß
Abu