Rock'n'Roll
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.....huuuu, duenn.....jetzt hat sie 0,14mm und nimmt den Bambus.....
Moin,
im Sommer 2018 - nach meiner OP - war ich auf der Suche nach einem Freudenspender. Und geriet an ein Bild eines Boll-Klappers mit einem Griffmaterial, das mich spontan ansprach: Ahorn. Das helle Holz stellte einen schönen Kontrast dar zu dem dunklen Padouk, Ceylon-Eisenholz oder Wüsteneisenholz meiner bisherigen Messer von Daniel. Ich habe Kontakt aufgenommen und meinen Wunsch mit dem an einen bestimmten Stahl verknüpft: Niedrig legierten Wolframstahl 1.2552.
Neben 1.2516 gehört er mittlerweile zu meinen ausgesprochenen Favoriten. Beide lassen sich auf das Allerfeinste ausschleifen, der 1.2552 ist der zähere von beiden. Das Drama - Daniel hatte derzeit keinen zur Verfügung. Und bemühte sich um eine Alternative, die er nach einiger Zeit in Gestalt einer Saarstahl-Sonderlegierung bei einem Kollegen auftreiben konnte. Es stellte sich jedoch heraus, daß es sich um einen Damast handelte. Und ich wollte Monostahl.
Die Zeit verging und ich stieß derweil beim Mäandern durch die Foren auf einen anderen Boll-Klapper mit Eisenbacken und Griffschalen aus Knochen. Und war ihm spontan verfallen! Also alles auf Anfang und wieder von vorn. Aber was nun mit dem Stahl. Ich will es mal nicht in die Länge ziehen - Daniel gelang es schließlich, ein Stück 1.2552 aufzutreiben. Manche Dinge brauchen halt ihre Zeit. Und einen Messerbauer mit Goodwill und guten Nerven …
First Impressions …
Die habe ich - was Customs angeht - mittlerweile auch entwickelt. Und ergehe mich in Vorfreude. Gut anderthalb Jahre hatte ich dafür Zeit und war natürlich sehr gespannt, was ich nach dem Auspacken in der Hand halten würde.
Als erstes fiel mir das Gewicht von 132 Gramm des mit 105 mm im geschlossenen Zustand nicht allzu großen Messerchens auf. Lediglich mein gleich großes Copperhead von Gerd Haslauer mit der Kupferplatine ist mit 145 Gramm etwas schwerer, Daniels ebenfalls gleich großer Fischhautklapper mit Wüsteneisenholzgriff schlägt mit lediglich 86 Gramm zu Buche.
Die stahlgrauen Eisenbacken nebst Klemmer fordern halt ihren Tribut. Was dem Messer ein solides Gefühl in der Hand verleiht und mir in Verbund mit der deutlichen Hecklastigkeit gut gefällt, da es der Führigkeit der Klinge förderlich ist. Die eigentlichen Griffschalen bestehen aus haptisch sehr angenehmem Wasserbüffelknochen, dessen dezent graue Strukturen perfekt mit Backen und Klemmer harmonieren. Die hitzeanodisierten Titanliner setzen der Schlichtheit einen kleinen farblichen Akzent entgegen.
Nahezu gleichzeitig springen einem die Kurven ins Gesicht. Spannungsbögen bester Bollscher Provenienz. Geschlossen aufrecht stehend erinnert der weit ausladende Hintern an den Bug eines alten Wikingerschiffs oder einer chinesischen Dschunke. Stellt man das geöffnete Messer mit der Schneide nach unten auf den Tisch, gleicht es einer venezianischen Brücke. Die Hand findet wie automatisch zu einer äußerst bequemen Vierfinger-Haltung mit Daumencouch. Mir kommt der Gedanke an den Griff einer alten Duellpistole. Das Messer paßt wie angegossen!
Die 80 mm lange Klinge ist in Ricassonähe mit Gun Blue von Birchwood and Casey brüniert und sitzt präzise mittig, der Klingengang ist wunderbar smooth. Detent und Klingenheber sind hinsichtlich der Funktionalität so aufeinander abgestimmt, daß Spielfreude aufkommt.
Die Freude hält an, wenn man das Messerchen auseinander nimmt. Mit Torx T10 und T6 ist das fix und problemlos erledigt. Und es wird deutlich, daß es unter der Oberfläche genauso aufgeräumt weitergeht.
Die Backen sitzen nicht nur einfach so mit einer Schraube befestigt auf den Linern, sondern sind mit jeweils einer Konterschraube von innen gegen Verdrehen gesichert. Bei 3 mm Backenstärke wohl kein leichtes Unterfangen, was die erforderlichen Gewindegänge anbetrifft.
Der Backenknochen hat ein glutrotes Herz - der in der Feder sitzende Detent besteht aus synthetischem Korund (Aluminiumoxid) aka Sinter-Rubin. Ein harter Hund! Es gibt hier im Forum eine Diskussion zum Thema Härte eines Detents. Irgendetwas nutzt halt zuerst ab - je nach Härte von Detent und Klinge, möglicherweise beides gleichmäßig. Ich mache mir da keine Sorgen, einen derartigen Dauerbetrieb, daß es - egal in welche Richtung - zu einem Problem werden könnte, erfährt bei mir kein Messer. Die Auswahl ist einfach zu groß …
Die Griffschale auf der Klemmerseite hat eine zusätzliche Bohrung für eine einzelne Schraube, damit sich das Messer auch ohne Klemmer tragen läßt. Der Zusammenbau erfolgt ebenso problemlos wie die Demontage. Alle Schrauben fest anziehen und alles arbeitet wieder geschmeidig wie zuvor. Alle Ecken und Kanten - soweit überhaupt vorhanden - sind abgerundet und /oder leicht gefast. Eine Suche nach Hotspots bleibt erfolglos.
Die Klinge
Die Klinge besteht aus dem niedriglegierten - und schön zähen - Wolframstahl 1.2552, der sich bei mir mittlerweile an Daniels Tommi Puukko und zwei Froberg-Messerchen (Practical Dagger & Strict Machine) bestens bewährt hat. Er nimmt auf konventionelle Weise eine fabelhafte Schärfe an und hält die sehr feinen Schneiden beeindruckend gut.
Zusammen mit dem ebenfalls exzellenten 1.2516 hat er sich zu meinem rostfähigen Favoriten gemausert. Der Zähigkeit wegen, der ich bei meiner Vorliebe für schlanke Klingen mit kleinem Schneidenwinkel gegenüber der Schnitthaltigkeit den Vorzug gebe. Potentielle plastische Verformung bei Überbeanspruchung ist Mikroausbrüchen - die dennoch vorkommen können - vorzuziehen, da sie sich problemloser beheben läßt und die Klinge nicht grundlegend beschädigt.
Wenn wir uns die folgenden niedrig legierten Wolframstähle und ihre Bestandteile ansehen, steht dem mehr auf Verschleißfestigkeit ausgelegten 1.2562 auf der einen Seite auf der anderen der schön zähe 1.2552 gegenüber (noch ein gutes Stück zäher ist der 1.2550). 1.2519, 1.2516 und 1.2442 liegen in der Mitte.
1.2562 - C: 1,40-1,43 Cr: 0,30-0,35 Mn: 0,30 Si: 0,20-0,23 V: 0,25 W: 3,00-3,05
1.2519 - C: 1,10 Si: 0,15 Mn: 0,30 Cr: 1,20 V: 0,20 W: 1,30
1.2442 - C: 1,15 Cr: 0,2 Mn: 0,35 Si: 0,25 W: 1,8-2,1
1.2516 - C: 1,20 Cr: 0,20 Mn: 0,30 Si: 0,20 V: 0,10 W: 1,00 (Silberstahl)
1.2552 - C: 0,75-0,85 Cr: 1,00-1,20 Mn: 0,30-0,50 Si: 0,40-0,60 V: 0,25-0,35 W: 1,80-2,10
Sehen wir uns die Zähigkeitswerte genauer an:
2,8 ft-lbs: 1.2562 (65,5 HRC)
08 ft-lbs: 1.2442 (63,6 HRC), Niolox (60 HRC)
10 ft-lbs: O1 (58,5 HRC)
15 ft-lbs: A2 (60 HRC), 10 bei 62 HRC
1.2442 zeigt bei einer Härte von 63,6 HRC 8 ft-lbs. Daniel härtet ihn auf 62 HRC. Was heißt, daß seine Klingen zäher sind. Sagen wir mal, um 4 ft-lbs., wenn wir uns an A2 orientieren, der bei 60 HRC 15 ft-lbs zeigt und bei 62 HRC 10. Wir sind dann bezüglich 1.2442 bei 12 ft-lbs.
Wir wissen, daß sinkender C-Anteil und kleineres Korn die Zähigkeit positiv beeinflussen. Daraus läßt sich auf 1.2552 wie folgt schließen. Bei im wesentlichen gleichen Bestandteilen wie 1.2442 enthält der 1.2552 etwas Vanadium, was der Kornverfeinerung dient. Zudem ist der Kohlenstoffanteil bei identischem Wolframgehalt deutlich geringer. Bei gleicher Härte von 62 HRC können wir folglich den 12 ft-lbs von 1.2442 weitere hinzurechnen. Und erreichen damit für 1.2552 sicher den Zähigkeitswert von 15 ft-lbs (A2 bei 60 HRC) oder mehr. Damit läßt sich arbeiten!
Nicht zu unterschätzen ist der unterschiedliche Aufwand beim Schärfen. Den 1.2552 zum Strahlen zu bringen ist keine Herausforderung. Mit wenigen Zügen über Schleifleinen läßt er sich nach getaner Arbeit wieder auf Vordermann bringen. Wobei er überhaupt auf diese einfache Weise eine absolut fabelhafte Schärfe annimmt. Wer auf Curling Hair steht, wird bestens bedient …
Im Verlauf der Fertigstellung des Backenknochens (kurz Backe) erhielt ich von Daniel eine Mail mit folgendem Inhalt:
.....huuuu, duenn.....jetzt hat sie 0,14mm und nimmt den Bambus.....
Verbunden mit der Frage, ob er das so lassen solle. Er sollte!
Die 80-mm-Klinge ist insgesamt leicht ballig ausgeschliffen und mit einer winzigen Mikrofase auf Null abgezogen. Direkt hinter der Wate sehen wir 0,14 mm, der Gesamtschneidenwinkel beträgt +/-20 Grad (sie schneidet in eine liegende Plastikflasche ein, wenn man sie um +/-10 Grad anhebt).
Die maximale Klingenstärke am Ricasso beträgt 2,65 mm (2,5 mm in der Klingenmitte), auf 1 cm Höhe ist sie 1,3 mm stark. Ein Opinel No.08 hat vergleichsweise 0,3 mm hinter Wate und ist bei einer Gesamtstärke von maximal 1,75 mm auf 1 cm 1,45 mm stark.
Bedingt durch das ausgeprägte „Brückendesign“ des Messerchens ist die Klinge im Verhältnis zum Griff deutlich nach unten geneigt, was beim Schnitzen / Schneiden zu einer besseren Kraftentfaltung bei gleichzeitig entspannterer Handhaltung führt.
Der Spaß kann beginnen …
Die Klinge tanzt durch Papier, erlaubt feinste parallele Schnitte und hebt kleinste Löckchen von einem Holz. Und - Curling Hair out of the box (Bild 10). Ein Zustand, der sich auch nach Gebrauch und darauf folgendem Abzug auf Schleifleinen (Stroppen) problemlos wieder herstellen läßt.
Mit der scharfen Spitze versinkt die Klinge ohne Druck in einer Plastikflasche. Das ist Daniel grundsätzlich wichtig. Die Spitze einer Klinge muß in der Lage sein, gegebenenfalls unterwegs einen Stachel oder Holzsplitter aus dem Finger zu entfernen.
Nach dem Vorgeplänkel habe ich mich auf den Weg gemacht.
Belastungstest:
Durch frisches Schilfrohr geht die schlanke Klinge wie erwartet smooth und straight geradeaus. Bei einer alten - bereits verholzten - Stange hatte ich leichte Bedenken. Anschließend habe ich noch Eukalyptus geschält (ein perfekter und superschneller Patinabildner) und an einem Olivenholz geschnitzt, einige harte Verästelungen entfernt.
Es war am Ende keine Beeinträchtigung auf dem Daumennagel spürbar, aber winzige Spuren an der Schneide unter dem Mikro nach insgesamt etwa 2 Stunden sichtbar, was ich gewohnt bin und erwartet hatte bei einer nagelneuen Klinge und dieser Belastung. Kurze und problemlose Revision auf Micro Cloth.
Am nächsten Tag wieder an die Arbeit - Eukalyptusknüppel und Olive. An dem abgelegenen Ort, an den ich mich für die kleine Holz-Meditation begeben hatte, fand ich zufällig in einem alten verfallenen Bauernhaus einen betagten Wirbelknochen. Und - obwohl ich es normalerweise nicht mit Knochen habe - mußte das Messerchen dran glauben (Bild 15) ...
Es war mir klar, daß das nicht gut gehen konnte, war aber erstaunt, daß sich unter dem Mikro anschließend nur relativ moderate Spuren fanden.
Nach der kurzen Revision habe ich ein drittes Mal den Knochen zur Hand genommen. Mit erneut etwas besserem Ergebnis als zuvor. Ich habe ihn danach aber Knochen sein lassen, weil das weder grundsätzlich meine Sache, noch die eines solch filigranen Messerchens ist. Und die Schneide ein wenig zurückgesetzt. Sie hat nun 0,18 mm hinter der Wate.
Die Klinge bewältigt jetzt anstandslos konzentriertes Bearbeiten auch gut abgehangener Hölzer, die keine sichtbaren Spuren mehr an der Schneide hinterlassen, wie das unbestechliche Lichtmikroskop zeigt. Das Messer ist auch nach 2 Stunden Eukalyptus-Meditation noch rasurscharf, produziert beliebig Kurven oder feinste parallele Schnitte in Papier und poppt Häärchen vom Handrücken.
In diversen Aktionen hat sich das Bild mittlerweile auf das Erfreulichste bestätigt. Abschlagen kleiner Verästelungen eines frisch vom Baum geschnittenen 2 Meter langen 2-cm-Asts, Entrinden und weiteres Ablängen lassen die Klinge genauso unbeeindruckt wie das Anspitzen von der Sonne getrockneter Knüppel. A real Bad Bone!
Das Letzte …
Nach dem Entfernen des „schlechten“ Fleischs, das ich von allen neuen Messern mit ähnlich filigraner Geometrie kenne, habe ich mit dem Backenknochen einen weiteren hochexzellenten Klapper von Daniel zur Hand, der - nicht nur im Feinschnitt - reinste Schneidfreude bereitet.
Der Hammer einer solchen Geometrie ist das Grinsen, das sie auf das Gesicht zu projizieren vermag. Bzw. die Ernüchterung, wenn man parallel Holz mit z.B. einem Hinderer XM-18 zu bearbeiten versucht. Da klappt einem glatt die Kinnlade runter, was für ein vergleichsweise unbrauchbarer Hobel so ein 40-Grad-Werkzeug mit 0,9 mm hinter der Wate ist.
Mit einem Messerchen wie dem Backenknochen kann man nicht sorglos und unbedarft rumwursteln. Man muß es sorgfältig einschneiden, sich an das Machbare heranarbeiten und mit Bedacht zu Werke gehen. Dann allerdings kommt maximale Schneidfreude auf.
Auch die Handlage hat - nach mittlerweile stundenlanger Erfahrung damit - ihre Exzellenz nachdrücklich unter Beweis gestellt. Und 1.2552 wird nach jedem Stroppen einfach immer nur schärfer …
Boll Bad Bone
1.2552 - C: 0,75-0,85 Cr: 1,00-1,20 Mn: 0,30-0,50 Si: 0,40-0,60 V: 0,25-0,35 W: 1,80-2,10
Länge geöffnet: 185 mm
Länge geschlossen: 105 mm
Klinge: 1.2552, angelassen auf 62 HRC +/-1 (Finish: dezent längssatiniert, brüniert in Griffnähe mit Gun Blue von Birchwood and Casey), Klingenheber aus Ck101/1.1274, Bussard auf dem Ricasso
Klingenlänge: 80 mm (80 mm scharf - die Schneidfase entlang gemessen)
Klingenhöhe: 23,4 mm maximal am Ricasso
Klingenstärke: 2,65 mm an der Wurzel, Klingenmitte 2,55 mm, 1 cm vor der Spitze 1,85 mm Klingenschliff: dezent ballig mit Mikrofase, Gesamtschneidenwinkel +/-20 Grad (0,18 mm hinter der Wate)
Die Schrauben sind aus gehärtetem, nicht rostfreiem C-Stahl (ähnlich C45) und industriell brüniert
Klemmfeder (Clip), Verschlussfeder und die mechanischen Teile aus Ck 101/1.1274
Die Titanplatinen aus federhartem 6Al4V ruhen auf 1 Stand-Off (Abstandhalter) hinten oben, dem Stoppin und der Achsschraube
Arretierung: Auswechselbare Verschlußfeder mit integriertem (ebenfalls wechselbarem) Detent aus Sinter-Rubin
Griffschalen aus Wasserbüffelknochen, Backen aus ungehärtetem C70
Griffstärke: 13,5 mm über die gesamte Länge (19 mm max. inkl. Clip)
Griffhöhe: 24 mm an der Achsschraube, ansteigend auf 33,4 mm am Griffende
Gewicht: 132 Gramm
Kein Lanyardhole
Dem geschwungenen Griffverlauf folgender Clip mit Bussard
Director’s Cut ...
Die Jukebox mit John Hiatt - Paper Thin
Aus sunny Monte Gordo
R’n‘R
Moin,
im Sommer 2018 - nach meiner OP - war ich auf der Suche nach einem Freudenspender. Und geriet an ein Bild eines Boll-Klappers mit einem Griffmaterial, das mich spontan ansprach: Ahorn. Das helle Holz stellte einen schönen Kontrast dar zu dem dunklen Padouk, Ceylon-Eisenholz oder Wüsteneisenholz meiner bisherigen Messer von Daniel. Ich habe Kontakt aufgenommen und meinen Wunsch mit dem an einen bestimmten Stahl verknüpft: Niedrig legierten Wolframstahl 1.2552.
Neben 1.2516 gehört er mittlerweile zu meinen ausgesprochenen Favoriten. Beide lassen sich auf das Allerfeinste ausschleifen, der 1.2552 ist der zähere von beiden. Das Drama - Daniel hatte derzeit keinen zur Verfügung. Und bemühte sich um eine Alternative, die er nach einiger Zeit in Gestalt einer Saarstahl-Sonderlegierung bei einem Kollegen auftreiben konnte. Es stellte sich jedoch heraus, daß es sich um einen Damast handelte. Und ich wollte Monostahl.
Die Zeit verging und ich stieß derweil beim Mäandern durch die Foren auf einen anderen Boll-Klapper mit Eisenbacken und Griffschalen aus Knochen. Und war ihm spontan verfallen! Also alles auf Anfang und wieder von vorn. Aber was nun mit dem Stahl. Ich will es mal nicht in die Länge ziehen - Daniel gelang es schließlich, ein Stück 1.2552 aufzutreiben. Manche Dinge brauchen halt ihre Zeit. Und einen Messerbauer mit Goodwill und guten Nerven …
First Impressions …
Die habe ich - was Customs angeht - mittlerweile auch entwickelt. Und ergehe mich in Vorfreude. Gut anderthalb Jahre hatte ich dafür Zeit und war natürlich sehr gespannt, was ich nach dem Auspacken in der Hand halten würde.
Als erstes fiel mir das Gewicht von 132 Gramm des mit 105 mm im geschlossenen Zustand nicht allzu großen Messerchens auf. Lediglich mein gleich großes Copperhead von Gerd Haslauer mit der Kupferplatine ist mit 145 Gramm etwas schwerer, Daniels ebenfalls gleich großer Fischhautklapper mit Wüsteneisenholzgriff schlägt mit lediglich 86 Gramm zu Buche.
Die stahlgrauen Eisenbacken nebst Klemmer fordern halt ihren Tribut. Was dem Messer ein solides Gefühl in der Hand verleiht und mir in Verbund mit der deutlichen Hecklastigkeit gut gefällt, da es der Führigkeit der Klinge förderlich ist. Die eigentlichen Griffschalen bestehen aus haptisch sehr angenehmem Wasserbüffelknochen, dessen dezent graue Strukturen perfekt mit Backen und Klemmer harmonieren. Die hitzeanodisierten Titanliner setzen der Schlichtheit einen kleinen farblichen Akzent entgegen.
Nahezu gleichzeitig springen einem die Kurven ins Gesicht. Spannungsbögen bester Bollscher Provenienz. Geschlossen aufrecht stehend erinnert der weit ausladende Hintern an den Bug eines alten Wikingerschiffs oder einer chinesischen Dschunke. Stellt man das geöffnete Messer mit der Schneide nach unten auf den Tisch, gleicht es einer venezianischen Brücke. Die Hand findet wie automatisch zu einer äußerst bequemen Vierfinger-Haltung mit Daumencouch. Mir kommt der Gedanke an den Griff einer alten Duellpistole. Das Messer paßt wie angegossen!
Die 80 mm lange Klinge ist in Ricassonähe mit Gun Blue von Birchwood and Casey brüniert und sitzt präzise mittig, der Klingengang ist wunderbar smooth. Detent und Klingenheber sind hinsichtlich der Funktionalität so aufeinander abgestimmt, daß Spielfreude aufkommt.
Die Freude hält an, wenn man das Messerchen auseinander nimmt. Mit Torx T10 und T6 ist das fix und problemlos erledigt. Und es wird deutlich, daß es unter der Oberfläche genauso aufgeräumt weitergeht.
Die Backen sitzen nicht nur einfach so mit einer Schraube befestigt auf den Linern, sondern sind mit jeweils einer Konterschraube von innen gegen Verdrehen gesichert. Bei 3 mm Backenstärke wohl kein leichtes Unterfangen, was die erforderlichen Gewindegänge anbetrifft.
Der Backenknochen hat ein glutrotes Herz - der in der Feder sitzende Detent besteht aus synthetischem Korund (Aluminiumoxid) aka Sinter-Rubin. Ein harter Hund! Es gibt hier im Forum eine Diskussion zum Thema Härte eines Detents. Irgendetwas nutzt halt zuerst ab - je nach Härte von Detent und Klinge, möglicherweise beides gleichmäßig. Ich mache mir da keine Sorgen, einen derartigen Dauerbetrieb, daß es - egal in welche Richtung - zu einem Problem werden könnte, erfährt bei mir kein Messer. Die Auswahl ist einfach zu groß …
Die Griffschale auf der Klemmerseite hat eine zusätzliche Bohrung für eine einzelne Schraube, damit sich das Messer auch ohne Klemmer tragen läßt. Der Zusammenbau erfolgt ebenso problemlos wie die Demontage. Alle Schrauben fest anziehen und alles arbeitet wieder geschmeidig wie zuvor. Alle Ecken und Kanten - soweit überhaupt vorhanden - sind abgerundet und /oder leicht gefast. Eine Suche nach Hotspots bleibt erfolglos.
Die Klinge
Die Klinge besteht aus dem niedriglegierten - und schön zähen - Wolframstahl 1.2552, der sich bei mir mittlerweile an Daniels Tommi Puukko und zwei Froberg-Messerchen (Practical Dagger & Strict Machine) bestens bewährt hat. Er nimmt auf konventionelle Weise eine fabelhafte Schärfe an und hält die sehr feinen Schneiden beeindruckend gut.
Zusammen mit dem ebenfalls exzellenten 1.2516 hat er sich zu meinem rostfähigen Favoriten gemausert. Der Zähigkeit wegen, der ich bei meiner Vorliebe für schlanke Klingen mit kleinem Schneidenwinkel gegenüber der Schnitthaltigkeit den Vorzug gebe. Potentielle plastische Verformung bei Überbeanspruchung ist Mikroausbrüchen - die dennoch vorkommen können - vorzuziehen, da sie sich problemloser beheben läßt und die Klinge nicht grundlegend beschädigt.
Wenn wir uns die folgenden niedrig legierten Wolframstähle und ihre Bestandteile ansehen, steht dem mehr auf Verschleißfestigkeit ausgelegten 1.2562 auf der einen Seite auf der anderen der schön zähe 1.2552 gegenüber (noch ein gutes Stück zäher ist der 1.2550). 1.2519, 1.2516 und 1.2442 liegen in der Mitte.
1.2562 - C: 1,40-1,43 Cr: 0,30-0,35 Mn: 0,30 Si: 0,20-0,23 V: 0,25 W: 3,00-3,05
1.2519 - C: 1,10 Si: 0,15 Mn: 0,30 Cr: 1,20 V: 0,20 W: 1,30
1.2442 - C: 1,15 Cr: 0,2 Mn: 0,35 Si: 0,25 W: 1,8-2,1
1.2516 - C: 1,20 Cr: 0,20 Mn: 0,30 Si: 0,20 V: 0,10 W: 1,00 (Silberstahl)
1.2552 - C: 0,75-0,85 Cr: 1,00-1,20 Mn: 0,30-0,50 Si: 0,40-0,60 V: 0,25-0,35 W: 1,80-2,10
Sehen wir uns die Zähigkeitswerte genauer an:
2,8 ft-lbs: 1.2562 (65,5 HRC)
08 ft-lbs: 1.2442 (63,6 HRC), Niolox (60 HRC)
10 ft-lbs: O1 (58,5 HRC)
15 ft-lbs: A2 (60 HRC), 10 bei 62 HRC
1.2442 zeigt bei einer Härte von 63,6 HRC 8 ft-lbs. Daniel härtet ihn auf 62 HRC. Was heißt, daß seine Klingen zäher sind. Sagen wir mal, um 4 ft-lbs., wenn wir uns an A2 orientieren, der bei 60 HRC 15 ft-lbs zeigt und bei 62 HRC 10. Wir sind dann bezüglich 1.2442 bei 12 ft-lbs.
Wir wissen, daß sinkender C-Anteil und kleineres Korn die Zähigkeit positiv beeinflussen. Daraus läßt sich auf 1.2552 wie folgt schließen. Bei im wesentlichen gleichen Bestandteilen wie 1.2442 enthält der 1.2552 etwas Vanadium, was der Kornverfeinerung dient. Zudem ist der Kohlenstoffanteil bei identischem Wolframgehalt deutlich geringer. Bei gleicher Härte von 62 HRC können wir folglich den 12 ft-lbs von 1.2442 weitere hinzurechnen. Und erreichen damit für 1.2552 sicher den Zähigkeitswert von 15 ft-lbs (A2 bei 60 HRC) oder mehr. Damit läßt sich arbeiten!
Nicht zu unterschätzen ist der unterschiedliche Aufwand beim Schärfen. Den 1.2552 zum Strahlen zu bringen ist keine Herausforderung. Mit wenigen Zügen über Schleifleinen läßt er sich nach getaner Arbeit wieder auf Vordermann bringen. Wobei er überhaupt auf diese einfache Weise eine absolut fabelhafte Schärfe annimmt. Wer auf Curling Hair steht, wird bestens bedient …
Im Verlauf der Fertigstellung des Backenknochens (kurz Backe) erhielt ich von Daniel eine Mail mit folgendem Inhalt:
.....huuuu, duenn.....jetzt hat sie 0,14mm und nimmt den Bambus.....
Verbunden mit der Frage, ob er das so lassen solle. Er sollte!
Die 80-mm-Klinge ist insgesamt leicht ballig ausgeschliffen und mit einer winzigen Mikrofase auf Null abgezogen. Direkt hinter der Wate sehen wir 0,14 mm, der Gesamtschneidenwinkel beträgt +/-20 Grad (sie schneidet in eine liegende Plastikflasche ein, wenn man sie um +/-10 Grad anhebt).
Die maximale Klingenstärke am Ricasso beträgt 2,65 mm (2,5 mm in der Klingenmitte), auf 1 cm Höhe ist sie 1,3 mm stark. Ein Opinel No.08 hat vergleichsweise 0,3 mm hinter Wate und ist bei einer Gesamtstärke von maximal 1,75 mm auf 1 cm 1,45 mm stark.
Bedingt durch das ausgeprägte „Brückendesign“ des Messerchens ist die Klinge im Verhältnis zum Griff deutlich nach unten geneigt, was beim Schnitzen / Schneiden zu einer besseren Kraftentfaltung bei gleichzeitig entspannterer Handhaltung führt.
Der Spaß kann beginnen …
Die Klinge tanzt durch Papier, erlaubt feinste parallele Schnitte und hebt kleinste Löckchen von einem Holz. Und - Curling Hair out of the box (Bild 10). Ein Zustand, der sich auch nach Gebrauch und darauf folgendem Abzug auf Schleifleinen (Stroppen) problemlos wieder herstellen läßt.
Mit der scharfen Spitze versinkt die Klinge ohne Druck in einer Plastikflasche. Das ist Daniel grundsätzlich wichtig. Die Spitze einer Klinge muß in der Lage sein, gegebenenfalls unterwegs einen Stachel oder Holzsplitter aus dem Finger zu entfernen.
Nach dem Vorgeplänkel habe ich mich auf den Weg gemacht.
Belastungstest:
Durch frisches Schilfrohr geht die schlanke Klinge wie erwartet smooth und straight geradeaus. Bei einer alten - bereits verholzten - Stange hatte ich leichte Bedenken. Anschließend habe ich noch Eukalyptus geschält (ein perfekter und superschneller Patinabildner) und an einem Olivenholz geschnitzt, einige harte Verästelungen entfernt.
Es war am Ende keine Beeinträchtigung auf dem Daumennagel spürbar, aber winzige Spuren an der Schneide unter dem Mikro nach insgesamt etwa 2 Stunden sichtbar, was ich gewohnt bin und erwartet hatte bei einer nagelneuen Klinge und dieser Belastung. Kurze und problemlose Revision auf Micro Cloth.
Am nächsten Tag wieder an die Arbeit - Eukalyptusknüppel und Olive. An dem abgelegenen Ort, an den ich mich für die kleine Holz-Meditation begeben hatte, fand ich zufällig in einem alten verfallenen Bauernhaus einen betagten Wirbelknochen. Und - obwohl ich es normalerweise nicht mit Knochen habe - mußte das Messerchen dran glauben (Bild 15) ...
Es war mir klar, daß das nicht gut gehen konnte, war aber erstaunt, daß sich unter dem Mikro anschließend nur relativ moderate Spuren fanden.
Nach der kurzen Revision habe ich ein drittes Mal den Knochen zur Hand genommen. Mit erneut etwas besserem Ergebnis als zuvor. Ich habe ihn danach aber Knochen sein lassen, weil das weder grundsätzlich meine Sache, noch die eines solch filigranen Messerchens ist. Und die Schneide ein wenig zurückgesetzt. Sie hat nun 0,18 mm hinter der Wate.
Die Klinge bewältigt jetzt anstandslos konzentriertes Bearbeiten auch gut abgehangener Hölzer, die keine sichtbaren Spuren mehr an der Schneide hinterlassen, wie das unbestechliche Lichtmikroskop zeigt. Das Messer ist auch nach 2 Stunden Eukalyptus-Meditation noch rasurscharf, produziert beliebig Kurven oder feinste parallele Schnitte in Papier und poppt Häärchen vom Handrücken.
In diversen Aktionen hat sich das Bild mittlerweile auf das Erfreulichste bestätigt. Abschlagen kleiner Verästelungen eines frisch vom Baum geschnittenen 2 Meter langen 2-cm-Asts, Entrinden und weiteres Ablängen lassen die Klinge genauso unbeeindruckt wie das Anspitzen von der Sonne getrockneter Knüppel. A real Bad Bone!
Das Letzte …
Nach dem Entfernen des „schlechten“ Fleischs, das ich von allen neuen Messern mit ähnlich filigraner Geometrie kenne, habe ich mit dem Backenknochen einen weiteren hochexzellenten Klapper von Daniel zur Hand, der - nicht nur im Feinschnitt - reinste Schneidfreude bereitet.
Der Hammer einer solchen Geometrie ist das Grinsen, das sie auf das Gesicht zu projizieren vermag. Bzw. die Ernüchterung, wenn man parallel Holz mit z.B. einem Hinderer XM-18 zu bearbeiten versucht. Da klappt einem glatt die Kinnlade runter, was für ein vergleichsweise unbrauchbarer Hobel so ein 40-Grad-Werkzeug mit 0,9 mm hinter der Wate ist.
Mit einem Messerchen wie dem Backenknochen kann man nicht sorglos und unbedarft rumwursteln. Man muß es sorgfältig einschneiden, sich an das Machbare heranarbeiten und mit Bedacht zu Werke gehen. Dann allerdings kommt maximale Schneidfreude auf.
Auch die Handlage hat - nach mittlerweile stundenlanger Erfahrung damit - ihre Exzellenz nachdrücklich unter Beweis gestellt. Und 1.2552 wird nach jedem Stroppen einfach immer nur schärfer …
Boll Bad Bone
1.2552 - C: 0,75-0,85 Cr: 1,00-1,20 Mn: 0,30-0,50 Si: 0,40-0,60 V: 0,25-0,35 W: 1,80-2,10
Länge geöffnet: 185 mm
Länge geschlossen: 105 mm
Klinge: 1.2552, angelassen auf 62 HRC +/-1 (Finish: dezent längssatiniert, brüniert in Griffnähe mit Gun Blue von Birchwood and Casey), Klingenheber aus Ck101/1.1274, Bussard auf dem Ricasso
Klingenlänge: 80 mm (80 mm scharf - die Schneidfase entlang gemessen)
Klingenhöhe: 23,4 mm maximal am Ricasso
Klingenstärke: 2,65 mm an der Wurzel, Klingenmitte 2,55 mm, 1 cm vor der Spitze 1,85 mm Klingenschliff: dezent ballig mit Mikrofase, Gesamtschneidenwinkel +/-20 Grad (0,18 mm hinter der Wate)
Die Schrauben sind aus gehärtetem, nicht rostfreiem C-Stahl (ähnlich C45) und industriell brüniert
Klemmfeder (Clip), Verschlussfeder und die mechanischen Teile aus Ck 101/1.1274
Die Titanplatinen aus federhartem 6Al4V ruhen auf 1 Stand-Off (Abstandhalter) hinten oben, dem Stoppin und der Achsschraube
Arretierung: Auswechselbare Verschlußfeder mit integriertem (ebenfalls wechselbarem) Detent aus Sinter-Rubin
Griffschalen aus Wasserbüffelknochen, Backen aus ungehärtetem C70
Griffstärke: 13,5 mm über die gesamte Länge (19 mm max. inkl. Clip)
Griffhöhe: 24 mm an der Achsschraube, ansteigend auf 33,4 mm am Griffende
Gewicht: 132 Gramm
Kein Lanyardhole
Dem geschwungenen Griffverlauf folgender Clip mit Bussard
Director’s Cut ...
Die Jukebox mit John Hiatt - Paper Thin
Aus sunny Monte Gordo
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