Breakdown & Revival - Rehabilitation eines Titanen

Rock'n'Roll

MF Ehrenmitglied
Beiträge
5.874
Boas tardes,

gestern hatten wir im Rahmen eines anderen threads (http://www.messerforum.net/showthread.php?114360-Roadhouse-„Cutlery“-Von-Hölzchen-auf-Stöckchen) bereits über den „Zusammenbruch“ unseres geliebten Spyderco Techno berichtet. Nach 30 Minuten Schnitzen an einem mittelharten Hölzchen hatten sich deutlich sicht- und spürbare Ausbrüche („Serrations“) an der Klinge eingestellt. Wir waren geschockt und stinksauer :teuflisch:teuflisch! 252,- Euro für ein Messer ausgeben, das wegen seiner hochedlen Materialien - auch bezogen auf die Klinge - in den Himmel gelobt wird - und es kann nicht mal ein Stöckchen schnitzen.

Nach einigen längeren und intensiven Standard-Sharpmakereien ohne endgültigen Erfolg haben wir unseren Frust hier im Forum im oben angeführten thread mitgeteilt und einige Ratschläge erhalten. Die Ratschläge von gestern bezüglich „Schleifsystemen“ ignorierend, haben wir - eine kurzfristige Lösung anstrebend - einen Zwei-Euro-Metallstab alter Schule aus dem Supermarkt genommen ,ihn in die Führung des Spyderco Sharpmakers gesteckt und „ordentlich“ zugelangt. Anschließend kam die „Banksteinversion“ des Sharpmakers zum Einsatz - hierzu werden zwei (in diesem Fall die grauen) der Keramiksteine nebeneinander in die beiden Vertiefungen in der Bodenplatte des Sharpmakers eingesetzt.

Mit reichlich „Power“ kann nun weiter abgetragen werden. Das haben wir sorgfältig frei Hand solange durchgeführt, bis keine „Einschläge“ mehr in der Schneide des Techno spür- und sichtbar waren. Danach kam die normale Feinarbeit. Auf Anraten von cheez haben wir mit Schärfwinkel 40° mit den grauen und weißen Keramikstäben auf das Techno eingewirkt und ihm abschließend ein paar Züge übers Leder gegönnt. Dazu kurz folgende kleine Story off topic:

Vor 3 Monaten wollten wir für den Tisch im Roadhouse neue „Sets“ besorgen. Filz gefiel uns, war uns aber zunächst zu teuer und wir waren nicht sicher, was die Hygiene auf Dauer anbetrifft. Wir haben dann irgendwie an Leder gedacht, haben einen Ledergroßhandel für Schuhmacherbedarf aufgesucht und fanden dort ein Stück dunkelbraunes Vollrindleder, welches nun auf dem Tisch als Ledertischdecke dient. Sehr angenehm, hitzebeständig, weich als Schutz für Kameras etc., leicht zu säubern … Und an der Tischecke läßt sich schnell mal ein Messer „übers Leder ziehen“!!

Das Ergebnis der eingangs wohl ungewohnt „brachialen“ Aktion hat uns überrascht: Das Techno sieht aus wie neu. Keine Einschläge, sauscharf, es rasiert, ist schärfer als zuvor. Keinerlei Spuren der „Zerstörung“ mehr erkennbar. Aber was ist mit Stöckchen schnitzen?? Heute Morgen haben wir ein selbiges Hölzchen genommen, das Urheber allen Übels geworden war. Wir haben das Techno nach allen Regeln der Kunst in 1,5 Stunden auf das Holz einwirken lassen. Geschnitten, abgespalten und geschält hat es. Und erst dann haben wir nachgeschaut: Jungfräulich wie vor der Aktion strahlt die Klinge vor sich hin. Scharf nach wie vor. NO Serrations!!

Was lehrt uns das? Erstens werden diese Hightechstähle wohl, wie gestern im anderen thread schon angedeutet wurde, offenbar zu hart rangenommen mit 62 Härtegraden. Die ab Werk eingestellte Schneidengeometrie ist damit wohl schnell überfordert oder es wurde zu heiß geschliffen, sodaß (wie ich in einem Fachartikel gelesen habe) möglicherweise die Anlaßtemperatur erreicht wurde und dabei die Schneide beim Einsatz „umkippt“. Zweitens muß man nicht gleich in Diamanten investieren, wenn ein Problem auftritt. Konventionelle Mittel vorsichtig eingesetzt und die Banksteinvariante des Sharpmakers schaffen enormen Abrieb, wenn es sein muß. Drittens ist zu viel Respekt vor edlen Messern unangebracht, weil man sonst keinen Spaß mit ihnen hat, außer sie anzustaunen, und selbst nach „Zusammenbrüchen“ eine nicht allzu komplexe Rehabilitation möglich ist.

Puristen mögen sich ob dieser Einstellung schütteln. Aber, wenn wir im Roadhouse (Johnny und ich) viel Geld für ein Messer ausgeben, dann wollen wir auch viel Spaß, sofort!! - und den hatten wir. Was wir noch für Schlüsse daraus gezogen haben - auch das wurde gestern bereits von porcupine herausgestellt: Wenn Hightechstahl nicht zu sehr gehärtet wird - sagen wir mal so mit 58 HRC, wie das Small Sebenza, dann geht auch „nix in die Hose“, denn das Small Sebenza hat die gleiche Schnitzaktion mit mehreren Hölzern ohne jegliches Problem heile überstanden. Bei den „ganz Harten“ muß man dann eben nochmal selbst ran, wenn man sie wirklich benutzen will. Wir probieren auch noch andere aus. Dann sehen wir ja, ob diese Theorie aufgeht.

Als abschließende Anmerkung wollen wir nicht unerwähnt lassen, daß wir aufgrund dieser letzten Erkenntnis vom allerallerletzten Restgeld 2012 noch gestern Abend Chris Reeve‘s Professional Soldier geordert haben - falls wir mal ohne Sorge ein größeres Stöckchen schnitzen wollen :haemisch::haemisch:!

Alle Fotos entstanden NACH der Schärfaktion - beginnend heute Morgen vor dem Frühstück - und dokumentieren die Schnitzereien. Anhand der Vielzahl der Bilder kann sich jeder von der einwandfreien Beschaffenheit der Schneide überzeugen, die trotz schleifender und schärfender „Gewalteinwirkung“ - und auch noch nach der "Arbeit" in blendender Verfassung ist. Das Spyderco Techno ist im übrigen hiermit für uns (zunächst) rehabilitiert.


DSC08579.JPG DSC08580.JPG DSC08581.JPG DSC08584.JPG DSC08589.JPG DSC08593.JPG DSC08601.JPG DSC08604.JPG DSC08606.JPG DSC08610.JPG DSC08612.JPG DSC08614.JPG DSC08615.JPG DSC08616.jpg DSC08617.JPG DSC08618.JPG DSC08619.JPG DSC08621.JPG DSC08622.JPG DSC08625.JPG DSC08627.JPG DSC08628.JPG DSC08630.JPG DSC08632.JPG DSC08637.JPG DSC08640.JPG DSC08644.JPG DSC08649.JPG DSC08658.JPG DSC08659.JPG DSC08661.JPG DSC08662.JPG DSC08666.JPG DSC08667.JPG DSC08668.JPG DSC08671.JPG DSC08672.JPG DSC08675.JPG


Wolf Biermann singt „Ermutigung“.

Auszug erste Strophe:
„Du, laß dich nicht verhärten
In dieser harten Zeit
Die allzu hart sind, brechen
Die allzu spitz sind, stechen
Und brechen ab sogleich“

Das war 1968er

Rock’n‘Roll
 
Lieber rock'n'roll,

als Besitzer und Benutzer eines small Sebenzas (weißt du ja) habe ich mich natürlich ein bisschen gefreut, dass MEIN Messer etwas durchsteht, wobei ein ANDERES aber durchaus vergleichbares Messer sich schwer tut. Bis jetzt bin ich von dem kleinen Messerchen absolut angetan, sogar begeistert.
Meine Spydies haben fast alle VG10-Klingen, mit denen ich gut zurecht komme. Die S30V_Klingen kann ich daher nicht beurteilen. Der H1-Stahl wäre ja für dein maritimes Umfeld auch nicht schlecht, scheint mir aber relativ weich zu sein, weswegen ich damit von den beschriebenen Schnitzorgien absehen würde. Das Ergebnis würde ich trotz allem gerne sehen:D.
Es ist jedenfalls interessant, dass du nach der Benutzung und Wiederinstandsetzung eines teuren Messers eine sehr gute und hoffentlich auch beständigere Schneide erzeugt hast, als das im Neuzustand der Fall gewesen ist. Daher gibt es erstmal ein Sonderlob für deine Schleifkünste mit dem Sharpmaker.:super:
Dass die emotionale Berg- und Talfahrt beim Erwerb, der Benutzung und der Wiederinstandsetzung nicht nur mich zur bittersüßen Verzweiflung treibt, beruhigt mich über alle Maßen. Im Nachhinein kannst du jetzt bei eines Espresso über alles schmunzeln. Meiner Meinung nach hast du das bekommen, was ein Hobby seinem Betreiber geben sollte: Emotionen. Mach weiter so und schreib es in deinem einmaligen Stil auf, damit Leute wie ich partizipieren können.
 
brucelee7,

heute Morgen noch habe ich in aller Ruhe das Small Sebenza mit "Arbeit" versorgt. Eineinhalb Stunden "Problemhölzchen" haben auch keine Spuren hinterlassen. Ich finde das echt sehr erfreulich. Anfangs habe ich das gute Stück eher geschont - weil ich schon Sorge hatte, ein sauteures "Schmuckstück" zu verpfuschen. Aber nichts dergleichen muß einer befürchten, der sich gern mit diesem fabelhaften Messer austoben will. Ich erwarte in näherer Zukunft noch Messer mit "rostendem" Stahl, von denen ich ebenfalls aus Erfahrung eine Menge halte. Wir werden sehen, was diese "Toolsteel"-Eisen für einen Eindruck hinterlassen - und sehr gern wie gehabt darüber berichten. Aber auch das schöne Spyderco Techno wird nochmal "Leistung" zeigen müssen. Ich bin optimistisch. Was Spyderco angeht, mag ich auch mein Para-Military 2 sehr. Und das ist ohne Frage leistungsfähig! Emotionen halten Körper und Geist wach. In diesem Sinne beste Grüße von Johnny und

Rock'n'Roll
 
WICHTIGE DURCHSAGE

Gerade komme ich vom Nachmittags-Hunde-Strand-Ausflug zurück. Das Techno war mit. Ich wollte es wissen. Mehr als 1 Stunde habe ich vier von den Schilfrohren bis Wandstärke 3 mm bearbeitet. Alle Hölzer hart und trocken. Geschnitzt, gekürzt, diverse Scheiben abgeschnitten - mit anderen Worten: Butter bei die Fische. Ihr werdet es nicht glauben. Ich kann es auch kaum fassen. KEINE Spur davon an der Schneide des Techno - KEINE. Es rasiert noch. Wie kann sowas sein (die gesamte Geschichte im Zusammenhang meine ich!!). Dieser "Film" war für mich ausgesprochen lehrreich (learning by doing) und nimmt mir die "Angst" vor der Arbeit mit egal welchem Messer. Irgendwie geht es immer weiter. Und das nicht von schlechten Eltern. Freue mir 'nen Ast über mein Spyderco Techno. CHAPEAU :super::super::super:!!

Rock'n'Roll
 
Wie kann sowas sein (die gesamte Geschichte im Zusammenhang meine ich!!).
Ist ja ganz verständlich, dass du dich nun freust. Die Antwort hat dir doch schon mal jemand geschrieben (ich such das jetzt nicht extra raus): Wahrscheinlich waren gröbere mineralische Einschlüsse im Schnittgut; da kommt selbst ein guter Stahl an seine Grenzen.
 
Peter1960,

danke für die Antwort. Ich weiß, daß ich die Antwort schon erhalten habe. Meine Frage war eher rethorisch - als Ausruf von Erstaunen und Freude im Nachhinein - zu verstehen. Nix für ungut. Alle meine Spydercos sind prima! Aber wenn jemand diese Zusammenhänge gar nicht kennt und beispielsweise ein Techno geschenkt bekommt, kann sich leicht Frust entwickeln.

Rock'n'Roll
 
Bitte vergesst nicht, dass spyderco seine messer mit ca. 30 grad schneidwinkel ab werk ausliefert. Sal glesser sagte, das sei so gewollt, damit die leute die messer einfach mit dem sharpmaker 40 grad nachschaerfen koennen. Finde ich sehr gut. Also die neuen spydies einfach kurz mit 40 grad abziehen und fertig ;)

Und die aussage, hightechstaehle bräuchten einen schneidwinkel von mind. 40 grad, um nicht auszubrechen, stimmt vollkommen ;)

Lg oli
 
_centurio_,

ich liebe klare Ansagen. Jetzt weiß ich, woran ich bin - und manch Anderer auch. Wenn er das nicht schon vorher präsent hatte. Thanks a lot

Rock'n'Roll
 
Hier noch ein kleiner Nachtrag, an welchem Material sich das Techno heute Nachmittag beispielsweise abzuarbeiten und zu bewähren hatte. Das Zeug ist sehr hart und wird in Portugal noch heute zum Decken von Häusern im "klassischen" Stil verwandt (Balken, darauf das Schilfrohr, dann weitere wasserdichte Materialien). In mehr als hundert Jahe alten Bauernhäusern kann man das intakte Schilfrohr noch heute unversehrt an der Zimmerdecke bestaunen.

DSC08796.JPG DSC08797.JPG DSC08798.JPG DSC08801.JPG DSC08806.JPG
 
JFTR, ich hatte mir ja schon im anderen Thread geäussert -

[...] Die Antwort hat dir doch schon mal jemand geschrieben (ich such das jetzt nicht extra raus): Wahrscheinlich waren gröbere mineralische Einschlüsse im Schnittgut; da kommt selbst ein guter Stahl an seine Grenzen.

Die Antwort halte ich weiterhin für falsch. "Mineralische Einschlüsse" können sicherlich auf Dauer eine Klinge stumpf machen; aber Scharten sollte davon selbst S30V nicht kriegen ;)

Bitte vergesst nicht, dass spyderco seine messer mit ca. 30 grad schneidwinkel ab werk ausliefert. Sal glesser sagte, das sei so gewollt, damit die leute die messer einfach mit dem sharpmaker 40 grad nachschaerfen koennen. Finde ich sehr gut. Also die neuen spydies einfach kurz mit 40 grad abziehen und fertig ;)
[...]

Jein. Der S30V überlebt auch 30° sicherlich, zur Not mit Microbevel von 40° und/oder Lederabzug (was mMn. durchaus einen Unterschied zu "Nachgeschärft mit 40°" macht).
Es ist nunmal nichts neues, dass beim Fabrikschärfen die Schneide manchmal überhitzt wird; und sich die Ausbrüche nach dem ersten Schärfen auf "einfachen" Schärfmitteln (als keine Bandschleifer ;)) geben. Dazu gibt's gerade beim S30V (der da besonders anfällig zu sein scheint) dutzende Threads in diveresen Foren.

Gruss, Keno
 
Morning cheez,

Du hattest mir genau den richtigen Rat gegeben und der Erfolg gibt Dir ja definitiv Recht :super::super:. Danke dafür, sonst hätte ich das Techno vemutlich erstmal verflucht und in die Ecke gepfeffert. Gleich darf es wieder mit zu Augusto. Schönen Tag wünschen Beachfighter

Johnny & Rock'n'Roll
 
Mal zur Richtigstellung,
das Techno hat eine Klinge aus Carpenter CTS-HXP und nicht aus CPM S30V.


Grüße, Alex
 
Weia, wie bin ich denn da auf S30V gekommen? Vermutlich wegen der bröckelnden Schneide, und weil die das ja fast alle haben... :irre:

Egal, an meiner Argumentation halte ich trotzdem fest. :p

Gruss, Keno
 
Cheez,

da magst Du sicherlich recht haben, dass Schneiden die zu schnell mit dem Bandschleifer geschliffen werden, ihre Härte verlieren können. Jedoch sind hier vor allem niedrig legierte C-Stähle betroffen, bei den hochlegierten rostträgen (egal ob PM oder konventionell) dürfte da so schnell nichts passieren.

ich habe ja auch geschrieben mit dem SM auf 40° abziehen, nicht den ganzen Winkel auf 40°. Genau so mache ich das bei allen meinen Messern so, 30° Fasenwinkel und 40° Mikrobevel.

Vertragen tut ein S30V und seine PM-Konsorten (so auch der XHP) einen Schneidwinkel von 30°, aber das Potential solcher Stähle wird dadurch enorm verringert, da kann ich gleich einen C-Stahl nehmen. Die PM Stähle sind aufgrund der Verkleinerung der Karbide zwar nicht so anfällig wie die konventionell erschmolzenen Äquivalenten, aber eben doch recht empfindlich.

Ich habe vor kurzem einen Schnitthaltigkeitstest in einem amerik. Forum durchgelesen, der Typ hat sich echt gut Mühe gegeben. Ich war jedoch überrascht, dass die hochlegierten PM-Stähle nicht allzu gut abschnitten. Diese Verwunderung hob sich gleich danach auf, als ich gelesen hatte, dass alle Messer mit 30° Schneidwinkel ausgestattet waren. Und gerade bei hartem und/oder abrasiven Testmedien wie Karton, Hartholz und Seilen sind 30° für hochlegierte Schneiden einfach zu wenig.

lG :teuflisch :teuflisch
 
Zurück