Defektschicht - es gibt sie nachweislich

herbert

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In dem Thread "Äpfel mit Birnen vergleichen" Äpfel mit Birnen vergleichen (https://messerforum.net/threads/aepfel-mit-birnen-vergleichen.147815/page-4#post-1164724) wurde sie wieder angeführt.
Vor etwa 16 Jahren habe ich mal eine Untersuchung an Mikrotommessern machen lassen und dabei Härteverläufe vom Klingenrücken bis zur Schneide machen lassen.
Ermittelt wurden die Härten HV 0,3. Die Klingen sind ja recht dünn und entziehen sich der HRC-Messung. Ich habe zur Veranschaulichung die Werte in HRC gem. DIN 50150 umgewertet.
Beide Klingenhersteller verwendeten Stahl SEHR NAHE am 1.4034. Die Klingen heißen Blau und Rot, und man darf raten, welche die höhere Standzeit hatte.
Bei Rot konnte man bei 0,15 mm Entfernung von der Schneide nicht mehr messen, da zu weich.
Beide waren jungfräulich im Auslieferungszustand.
1706468316231.png
 
Defektschicht ist eine Mischung aus Schaden, die durch Temperatur und mechanische Wirkungen entstanden ist.
Soweit ich mich erinnere, kann Die auch gleich hart oder auch härter?? (bei HSS) sein.

Ein logisches Vorgehen wäre z.B. beim Testen: -Schärfen solange Defektschicht weg ist. -Winkel dabei sicher bestimmen und halten (nicht erhöhen).- Erst nach dem Schärfen dicke über der Schneide prüfen (wobei Defektschicht über der Schneide zu entfernen könnte auch sinnvoll sein).
 
Zuletzt bearbeitet:
Woher weiss man denn wann die weg ist?
z.B. mit Hilfe eines Mikroskops - anbei meine Aufnahmen.

Ich habe einmal ein japanisches Messer ohne Schliff bekommen.
Nach den ersten Schleifzügen hat hat es unter dem Mikroskop richtig wild ausgesehen - die ersten beiden Bilder.
Hat etwas gedauert bis die Defektschicht weg war, dann sah alles so aus wie es sein sollte - die beiden letzten Bilder.

Viele Grüße
Rainer
 
Ich habe mit diesem Begriff schon immer gewisse Verständnisprobleme. Gibt es eine Definition, was gemeint ist?
Wenn es nur die Riefen sind, dann ist ja die Defektschicht immer nur eine Frage der Vergrößerung. Sie bleibt immer da, wird nur dünner.
Wenn sie eine Wärmeeinflusszone der gröberen Schleifvorgänge ist, dann wäre es natürlich sinnvoll, diese schonend wegzunehmen.
 
Nein, da geht es nicht um die Riefen, sondern um Material, dass durch thermischen und/oder mechanischen Einfluss nicht mehr die gleichen mechanischen Eigenschaften wie das unbelastete Material hat.

Zum Veranschaulichen kannst du mal eine Büroklammern nehmen und aufbiegen. Geht wunderbar, das Metall ist duktil. Bieg sie ein paar mal an der gleichen Stelle hin- und her, dann bricht sie, weil das Metall an der Stelle spröde geworden ist.

Das durch die Bearbeitung veränderte Material an der Schneide ist ähnlich geschwächt. Aus demselben Grund ist es für die Schneidhaltigkeit wichtig, dass man auch Restgrate entfernt, selbst wenn das Messer ohne sauberes Entgraten erstmal gut genug schneidet.

In Vadim Kraichuks "Messer entgraten" ist das auch anhand von Grafiken dargestellt. Ist zwar kein besonders guter Schreibstil, die deutsche Übersetzung ist nicht gut und der Autor ist seeeehr von sich überzeugt, aber inhaltlich ist das Buch gut und es kostet digital sechs Euro oder so. Es gibt auch eine gekürzte kostenlose Version, weiß aber nicht ob die entsprechenden Passagen da drin sind.
 
Das heißt aber auch, dass man in der Praxis mit keiner Methode zuverlässig feststellen kann, ob noch Defektschicht da ist, oder nicht.
Wenn man beim Grundschliff frühzeitig mit sehr wenig Druck arbeitet, dürfte sich eine Defektschicht dann gar nicht erst bilden....
 
Druckreduziert arbeiten ist ein Teil der Lösung, aber auch wichtig sind die Eigenschaften von Stahl und Schleifmittel, insbesondere die Härtedifferenz. Größer ist besser, da mehr Abtrag als plastische Verformung erfolgt. Und nicht gegen die Schneide entgraten, da entsteht dann gleich eine neue Defektschicht. Das kann man natürlich in Kauf nehmen, weil es andere Vorteile hat, insbesondere geht es schneller und man riskiert keinen Foliengrat.
 
Wenn man beim Grundschliff frühzeitig mit sehr wenig Druck arbeitet, dürfte sich eine Defektschicht dann gar nicht erst bilden....
Mein Verständnis war bislang:
Gaaaanz wenig Druck bei den ersten Bewegungen beim Grundschliff, dann ist die Defektschicht schnell weg.
Aber vorhanden ist die Schicht.

Viele Grüße
Rainer
 
Als ich den Titel sah, dachte ich tatsächlich "Oha, Herbert hat ein Montagsmesser aus der speziellen Schicht der Härterei mit Defekt bekommen"... :ROFLMAO:

Vielleicht ist der Name "Defektschicht" hier noch nie oder nur beiläufig erwähnt worden. Ich meine, dass Roman vor Jahren häufiger von einer "Weichschicht" (kann auch ein ähnlicher Begriff gewesen sein) geschrieben hatte. Ob er dasselbe meinte, weis ich nicht mehr, ist zu lang her. Mit den Erläuterungen jetzt sollte dann auch verständlich werden, warum man grundsätzlich ein Härteaufmaß einplant. Nicht nur um Wellen an der zu dünnen Schneide zu vermeiden.
Auch, um am Klingenkörper von der Schneide etwas entfernt, durch Verzunderung oder Entkohlung geschwächte Bereiche an der Oberfläche entfernen zu können, um das korrekt gehärtete Material tatsächlich an der Nutzungsfläche "ganz oben" zu haben. Irgendwann ist diese Schicht durch wiederholtes Nachschärfen/Polieren so oder so weg - sollte zumindest, aber es soll ja von Beginn an schon einwandfrei sein.
 
Defektschicht ist meistens Folge von:
-T, gelegentlich sehr höhen Temperatur und
-mechanische Wirkung (Druck, (Schleif)korn. Ist vom Kraftaufwand und Kornstruktur abhängig. So können z.B. Spuren von Diamanten sehr dünn sein und, dabei, sehr tief. Die Schleifspuren haben auch unterschiedliche Form, was noch zusätzlich zur Beständigkeit einer Oberfläche oder einer Schneide beiträgt.
Korn oder eine (Schleif)oberfläche trägt nicht immer Stahl ab, die kann oberfläche Glätten, Schleifspuren beseitigen oder ohne zu beseitigen unsichtbar machen.

Wie man erkennt, ob Defektschicht weg ist?
Wenn z.B. Vanadis 10 leicht bei HRc 65 abgetragen wird, da stimmt da was nicht. Da muss man Gefühl entwickeln.

Wenn ich solche Klingen schärfe, dann kommt Moment, wann Abtrag z.B. mit Naniwa Diamond 1000 kaum mehr möglich ist, das geht aber mit Naniwa Diamond 400. Es kommt so ein Gefühl als ob die Schneide "gleitet" Diamantenplatte entlang.

Es hilft auch als Test Knochen schnitzen . Das bedeutet nicht, dass jemand Knochen schnitzen muss, sondern: eine Schneide ohne Defektschicht mit einer ordentlichen WB und Schneidwinkel um 36 Grad kanns einfach ohne Schaden davon zu tragen.

Außerdem die Klingen mit einer guten WB generell lassen sich einfacher sehr scharf bekommen (auch wenns um 90v und co. geht). Sehr scharf heißt- Haare spalten ist ohne Probleme möglich.

Ohne Defektschicht zu entfernen kann man schneiden wobei im besten Fall nach ca. 3 mal schärfen die maximale Schneidhaltigkeit kommt.

Man kann jedoch (wenn Defektschicht nicht entfernt ist) mehr oder weniger relevante Klingenschaden verursachen (Risse, Dellen, Ausbrüche).

Eine Defektschicht kann auch z.B. Lochfraß begünstigen.
 
Servus,
Das heißt aber auch, dass man in der Praxis mit keiner Methode zuverlässig feststellen kann, ob noch Defektschicht da ist, oder nicht.
ich meine eigentlich nur in der Praxis. Wenn ich ein maschinell mit Bandschleifer geschärftes Messer bekomme und die Schneide unter dem Mikroskop anschaue und tiefe Riefen bis in die Schneidenspitze sehen kann und ich belasse das, dann wird aus der Schneide in Kürze eine Säge, sie bekommt Mikroausbrüche, wenn ich Pech habe entstehen Risse. Dann entferne ich diese Ausbrüche. Der nächste Durchgang hält dann schon länger, die Schneide bleibt länger scharf, die feinen Ausbrüche kommen später. Dann folgt der nächste Schliff. Danach wird das immer besser und besser, die Standzeit und Stabilität ist ganz deutlich über dem Auslieferungszustand, so gut wie keinerlei Schäden mehr. Ab diesem Zeitpunkt ist das Schärfen nur noch schärfen, die Schneide stumpft dann schadlos zur Parabel ab und wird eben immer wieder neu geschärft, bzw. mit Wetzstahl scharf gehalten.

Natürlich könnte man beim ersten Mal schleifen gleich alles an Defektschicht entfernen, das hieße aber auch, die Schneide rücksetzen und zwar um eine Größenordnung die vielleicht gar nicht nötig wäre. Deshalb ist es aus meiner Sicht empfehlenswerter sich langsam heranzutasten, bis die Schneide das Niveau erreicht hat, das man anstrebt. Wenn so eine Handhabung keinen Erfolg bringt und die Schneide dann trotz sorgfältiger Herangehensweise immer wieder bröselt ( trotz passendem Schneidenwinkel für die passende Aufgabe ) oder plastisch verformt, dann stimmt die WB nicht.

Jeder der ein Messer mal mit und mal ohne Defektschicht verwendet hat, jetzt speziell bezogen auf Kochmesser, spürt den praktischen Wert einer entfernten Defektschicht.
um das korrekt gehärtete Material tatsächlich an der Nutzungsfläche "ganz oben" zu haben

Das ist das Ziel und am besten ohne selbst wieder Sollbruchstellen anzuschleifen.

Gruß, güNef
 
Moin

"Defektschicht " ist auch ein merkwürdiger Begriff. Besseren hätte ich jetzt aber auch nicht.
Dazu 2 Anmerkungen von mir.

1. Ich schleife jetzt seit über 40 Jahren Messer , aber woran ich erkennen kann / soll , das die WB nicht 100 % ist , das konnte mir noch keiner erklären.
Ich meine wir reden ja jetzt nicht über blaues anlaufen auf einem Bandschleifer und entsprechende Messgeräte hat ja nun auch kaum einer.


2. Erst als die " ganz dünnen " bei mir Einzug gehalten haben , insbesondere die Ultraflachen Winkel wie bei Takamura , ist mir der schlechte Werksschliff
aufgefallen. Und so richtig sauber , hab ich das erst mit einem System wegbekommen.
Wenn also die tiefen Riefen vom Vorschliff als Defektschicht bezeichnen möchte , dann stimme ich dem zu.

@Dimm und @güNef haben es ja schon Prima beschrieben , wie man das angehen sollte,
Zumindest eine Lupe ist aber Pflicht


Spannendes Thema @herbert ...mehr davon

Gruss

Micha
 
Der Begriff "Defektschicht" tauchte hier im Forum ja des öfteren auf, und die exakte Definition steht noch auch. Ich habe den Begriff mal übernommen, für ungewollte Eigenschaftsänderungen bei Werksanschliff. Ich denke mal, hier fallen einige Dinge hinein, wie auch in den Beiträgen ersichtlich ist. Der Sammelbegriff Defektschicht ist da ja ganz gut.
In dem von mir beschriebenen Fall handelt es sich um industriell hergestellte Klingen, die natürlich auch industriell angeschliffen worden sind. In diesem Falle ist es wohl auf thermische Überlastung in der Spitze zurückzuführen, eine Entkohlung haben wir damals nicht feststellen können.
die von Stüdemann in seiner Doktorarbeit erforschten thermischen Effekte kennen wir ja: er hat Thermoelemente nahe der Klingenschärfe eingebracht und ermittelt, dass die thermische Belastung dort überraschend hoch ist und durchaus Erweichung hervorrufen kann.

Klar ist, dass in der Tat das eigene Schärfen die Lösung der Probleme mit sich bringt. Ich folge da ganz klar @güNef .

Gruß
Herbert
 
Ich möchte nur eine Anmerkung zu der Härtemessung machen:

Wir machen hier im Unternehmen fast täglich Mikrohärtemessungen an fertigen Bauteilen, mein Job ist unter anderem diese zu bewerten auch wenn ich sie fast nie selber mache.
Eins habe ich dabei gelernt, besonders wenn die Werte abweichen wie hier: Man muss immer die Messmethodik hinterfragen. Messung an fertigen Bauteilen bietet viel mehr Fehlerquellen als an vorbereiteten Probenstücken.
Selbst bei HV0,3 ist das absolut stabile Abstützen des Bauteils nach unten extrem wichtig, selbst wenn man denkt, dass der 15 kg Exzenterbolzen doch genügend Masse mitbringt. Ist das Bauteil nicht perfekt abgestützt, fallen die Messungen zu weich aus.

Ich weiß natürlich nicht, wie die Messer genau aussahen und wie gemessen wurde, aber bei diesen Messwerten würde ich auch mal checken wollen, ob die Schneide so dünn war, dass sie minimal gefedert hat oder die Abstützung nicht perfekt war.

Ich möchte die Arbeit hier nicht kritisieren, aber ich erlebe solche Fehlerquellen sehr häufig und wollte nur darauf aufmerksam machen, dass diese vorkommen können (ohne es hier beurteilen zu können oder eine Aussage über die Messung treffen zu können). Gerade Prüfer, die üblicherweise nur mit perfekt vorbereiteten Proben arbeiten, neigen dazu diese Unsicherheiten bei fertigen Bauteilen zu übersehen.
 
Defektschicht hatte ich bislang überwiegend als thermische Reaktion auf einen Schleifvorgang verstanden, dessen Überhitze mechanisch von einem zu schnell laufenden groben Band/ Stein erzeugt wird.

Ein riefiger Schliff allein wäre für mich zunächst nur ein grober schlechter Schliff, wie er auch leicht händisch mit einer Atoma 400 ohne Überhitzung passieren kann.

Theoretisch kann aber diese Defektschicht auch bei einem zu schnell drehenden sehr feinem Band oder Stein entstehen, wobei das Schliffbild dann deutlich weniger riefig wäre?

Naheliegend bzw. wahrscheinlicher wird es natürlich beim Schliffbild mit groben Riefen - zumindest in den Fällen, bei denen man von einem maschinellen Schliff ausgehen kann.

Die Möglichkeiten als Privatperson Stahlqualitäten, Härteverfahren und Defekte zu überprüfen sind verschwindend gering - einer der Gründe, weshalb ich beim Kauf überwiegend auf bekannte Hersteller meines Vertrauens zurückgreife.

Bei nagelgängigen Klingen würde ich wie @güNef verfahren, bei Solinger Standard und stabilen Klappern durchschleifen, bis das Schliffbild stimmt.

grüsse, pebe
 
@recurveman Recht hast Du. Die Untersuchungen wurden in einem professionellen Labor, das auf solche Fälle spezialisiert ist, gemacht. Werkstoffprüfung, Bauteilprüfung, Schadensanalyse.
Die Klinge wurde quer getrennt und eingebettet. Genau aus den von Dir genannten Gründen. Die Messungen erfolgten über dem Querschnitt.
Die Klingen sind ja nicht sehr groß und somit leicht handhabbar.


Gruß
Herbert
 
...
Das ist das Ziel und am besten ohne selbst wieder Sollbruchstellen anzuschleifen.
Mir ist das aus eigener Praxis klar, nur den Begriff in dieser Form habe ich hier noch nie gelesen. Ich meine, das Roman es als "Weichschicht" oder "Weichkruste" bezeichnet hat - ich komme nicht mehr drauf, irgendwas in dieser Richtung war es. Solche Begriffe sind in der Technik nicht unbedingt immer in Stein gemeisselt, werden dann und wann mal erneuert oder konkretisiert. "Härteaufmaß" ist mir und vielen Anderen dagegen schon ein Begriff, nur wird er WB- und messerbautechnisch eher mit einem einfacher herzustellenden Finish und Endmaß eines Bauteils in Verbindung gebracht, wogegen Schleifriefen auf Messerklingen wiederum ebenso lang als "Sollbruchstelle" mit Ansage bekannt sind.

So ein Messer habe ich kürzlich als "Beweis" sichergestellt, ist beim Brotschmieren ohne Kraftaufwand senkrecht zur Klingenlängsachse "weggeploppt". Weil der viel zu tiefe "Solingen"-Stempel im viel zu groben Gefüge eine Risswurzel vom Rücken zur Schneide erzeugt hatte. Sicht-, Nutzungs- bzw. Kontaktflächen alle nach Auge einwandfrei, sogar der Klang während der Benutzung war in Ordnung [sic!]
Schade drum, das war eigentlich vom Handling und Gefühl ein sehr angenehmes Schmiermesser, hatte Potential (m)ein Favorit zu werden. Die anderen aus dem Set sind ausser Sicht geschafft worden, bevor sich damit jemand verletzt. Ich war erschrocken, ernsthaft enttäuscht und muss Stielaugen gehabt haben, als die Klinge in zwei Hälften vor mir lag...
@herbert falls Du Interesse haben solltest... :geek:
 
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