Der Durchblick

tobsucht_

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Zugegeben: Die Idee, Klappmesser mit hohler Achse zu bauen, ist nicht ganz neu. Ich hab das bereits vor einigen Jahren mal auf einem Foto gesehen. Izwischen verfüge ich über das Können und die Maschinen, mich auch an sowas zu wagen. Und damit es interessant wird, hab ich einen neuen Verschluss ausprobiert. :D

Dieses Spielzeug ist dabei rausgekommen: (mehr Bilder gibts HIER)

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Zu den harten Fakten:

Gesamtlänge: 200mm, 145g
Klinge aus 4mm D2, Länge ab Griff: 80mm
Platinen aus 5mm Al-7075. Momentan nur kurz gestonewashed, dann ist meine Pfusch-Trommel eingegangen :/ Sobald das behoben ist, wird das Finish noch verbessert.
Achse und Mutter aus unbekanntem Titan, Lagerdurchmesser 28mm, innerer "Durchblick" 26mm. Am Ende mit einem M28x0.5 Gewinde versehen.
0.15mm Bronzewasher

Der Verschluss arbeitet mit einem federbelasteten, gehärteten 2.5mm Bolzen, der Längs in der Klinge liegt. Dieser hat am Ende zwei Kegelflächen: Die hintere verriegelt mit 14° Kegelwinkel selbsthemmend gegen die äußere Kante der Bohrung in der Achse. Die vordere Fläche (90° Kegel) dient der Betätigung und sorgt dafür, dass der Bolzen, einmal hineingedrückt, weiterrutschen kann und entriegelt.

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Anfangs war das (wie befürchtet) eine einzige ergonomische Katastrophe: Der Bolzen hakelte, war unmöglich zu betätigen und alles sperrte. Ich hab dann einen neuen Stift mit den obigen Winkeln geschliffen, alle Flächen poliert und eine Zeil lang damit herumgespielt. Seit sich die Kante in der Achse ein wenig eingedrückt hat, funktioniert der Verschluss nun sehr gut: Bedienung einfach, Verriegelung sehr stabil.
Inzwischen weiß ich auch wie die Betätigung am besten läuft: Mit dem Daumennagel von unten über den Stift fahren, den Rest besorgt der vordere Kegel und zieht den Bolzen raus.

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In der geschlossenen Position sorgt eine kleine Bohrung für einen Rasteffekt.

Vielleicht noch einige Details zur Fertigung:
  • Die Bohrungen in Klinge und Platinen wurden auf der Drehbank (Nur eine kleine Emco Compact 8) ausgedreht.
  • Bei der Klinge hab ich jedoch 1mm Bearbeitungszugabe gelassen um kein Opfer der Martensitausdehnung zu werden. Vor dem Härten: 27mm, nach dem Härten: 27.21mm und 0.02mm oval. War also eine gute Entscheidung. Anschließend hab ich die Bohrung an der Drehbank mit der Oberfräse+Schleifstift ausgeschliffen. Das hat super funktioniert. Nur eine geschliffene Passung ist eine Passung :D Nur die Drehbank muss man nachher sofort reinigen und neu abschmieren. Stahlstaub in den Führungen macht sich nicht so gut!

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    61ihGYa.jpg

  • Das Wabenmuster in den Platinen wurde mit einem selbstgeschliffenen 1-Schneiden-Fräser auf der Fräse gemacht. Da ich keine CNC hab, einfach konventionell mit Koordinaten ausrechnen. Sieht trotzdem recht sauber aus, wie ich finde.
  • Da die Achse ja die Verschlusskräfte aufnimmt, muss sie verdrehgesichert sein, das geschieht mit den 6 1.5mm Stiften, die Achse und Platine mit Presssitzen verbinden.
  • Für die Washer wurde das Bronzeblech stirnseitig mit Superkleber auf eine Stahlwelle geklebt, die Scheibe auf der Drehbank rausgestochen und anschließend durch vorsichtiges Erwärmen wieder abgelöst.

So, ich freu mich über eure Kommentare/Fragen/Kritik!

LG, Oliver
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist ein mehr als cooles Messer. Wie es der Zufall will, habe ich vorgestern auf der Suche nach etwas völlig Anderem eine Biligversion von einem solchen Teil entdeckt, das Petzl Spatha: http://www.bergfuchs.at/petzl-spatha-messer.html. Wird von Bergsteigern wohl gern genommen, um es am Seil, Karabiner etc. zu tragen. Das Öffnen mit dem Rad dürfte dann mit Handschuhen und/oder kalten Fingern gut funktionieren. Deine Version ist aber ein echter Knüller :super::super:. Haben .....

Gruß R'n'R
 
Absolut oberklasse, meinen tiefsten Repekt dafür. Völlig sinnfrei und unpraktisch, sowas liebe ich!

Einziger Kritikpunkt: wenn man sich soooooooooooviel Mühe macht, dann sollte man bei den Materialien nicht Roulett spielen! ( unbekanntes Titan:staun:)

Aber sonst: Toll gemacht!!!

Nils
 
Zugegeben: Die Idee, Klappmesser mit hohler Achse zu bauen, ist nicht ganz neu. Ich hab das bereits vor einigen Jahren mal auf einem Foto gesehen.

Vermutlich das Remix von Gerber. Gibts AFAIK immer noch, das letzte das ich in der Hand hatte, war geblistert und genauso hochwertig gemacht, wie man das erwartet ;) Verschluss ist aber ein komplett anderer.

So, ich freu mich über eure Kommentare/Fragen/Kritik!

Ich find die Idee cool, Bilder von Gebastel find ich eh immer cool, und überhaupt :super:

Ok, Kommentar. Sehe ich das richtig, dass da permanent ein unter Federdruck stehender "spitzer" Bolzen aus gehärtetem Stahl auf der Titanachse läuft? Würde mich nervös machen. Die Bedienung genauso ;)

Aus dem Hohlen Bauch: Bolzen über Thumbstuds bedienen. Dann brauchts den Kegel nicht mehr. Also ne Führung in die Klinge, ein Bauteil - vorne Thumbstuds, hinten Bolzen - und ne Feder. Zum Entriegel schiebt man die Thumbstuds nach vorne.

Pitter
 
Einziger Kritikpunkt: wenn man sich soooooooooooviel Mühe macht, dann sollte man bei den Materialien nicht Roulett spielen! ( unbekanntes Titan:staun:)
Naja um die ganze Wahrheit zu erzählen: Zufällig hatte ein Freund eine Getriebewelle aus Titan, mit *exakt* dem Außendurchmesser, den ich benötigte. Da hab ich dann nicht mehr nachgedacht. Auch wenn ich die Legierung nicht genau kenne, denk ich mal, dass das Material für so eine Anwendung schon nicht komplett ungeeignet ist.

Ok, Kommentar. Sehe ich das richtig, dass da permanent ein unter Federdruck stehender "spitzer" Bolzen aus gehärtetem Stahl auf der Titanachse läuft? Würde mich nervös machen. Die Bedienung genauso ;)

Aus dem Hohlen Bauch: Bolzen über Thumbstuds bedienen. Dann brauchts den Kegel nicht mehr. Also ne Führung in die Klinge, ein Bauteil - vorne Thumbstuds, hinten Bolzen - und ne Feder. Zum Entriegel schiebt man die Thumbstuds nach vorne.

Pitter
Das siehst du richtig ja. Allerdings ist die Spitze aus diesem Grund leicht gerundet, das schont Mensch und Achse. Außerdem reicht hier eine extrem schwache Feder, bisher kann ich außer einer kleinen Spur an der Achse nix erkennen.

Sowas ähnliches hab ich mir auch schon überlegt, auch wenn ich eher an eine Wippe gedacht habe. Mal sehen ob ich das auch mal ausprobieren werde.

LG, Oliver
 
tobsucht,

DAS IST SEHR, SEHR GEIL :super::super::super:

Und schon wieder muss ich sagen, dass dieses Messer eigentlich in meine Verschlusssammlung gehört.

Und ich muss painless potter widersprechen. Das ist nicht sinnfrei und unpraktisch, sondern einfach nur cool.

Bei der von fria verlinkten Vorstellung der anderen beiden Messer war ich ja noch ein wenig nörgelig. Jetzt will ich einfach nicht mehr nörgeln.

yaammoo
 
Sehr beeindruckend!
Das Verschlusssystem finde ich persönlich noch nicht ganz ausgereift, die Umsetzung jedoch umso gelungener.


gruß
 
Hallo Oliver,
Ich gratuliere Dir auch zu dieser Neuentwicklung und Umsetzung. :super:
Trotz entsprechender Technik scheint noch sehr viel Arbeit und Fingerspitzengefühl nötig gewesen zu sein.
An der Konstruktion stört mich dabei etwas die relativ dünne, 1mm starke Achsbuchse (28mm/26mm), auf der ein relativ spitzer Kegel beim Öffnen und Schliessen eine "Dosenöffnerfunktion" ausüben könnte.
Frage:
Wie hast Du die Bohrung für den Verschlussbolzen in die Messerklinge technisch hin bekommen ?
Gruss
Felix
 
Hallo Oliver,

boooaaaahhh: "wattn Teil un wattn Aufwand" fällt *mir* da spontan ein.

Klasse Bilder der Details (Nachschubwunsch s. u.) von Messer und der Fertigung ("Gebastel" - pffffhhh!) :super:

Respekt vor der Verriegelung: neue Lösung mit ordentlich Gehirnschmalz zum Laufen gebracht - auch wenn es aus verschiedensten Gründen wahrscheinlich nicht Germany's Next Top Messerverschluss wird :D

Bisher noch nicht erwähnt und dennoch wert dies zu sein: der blaue Konkav-Spacer - sehr schön! In Ermangelung einer CNC-Fräse handgefeilt, nehme ich an?

Ebenso gefallen mir die Spacer-Schrauben - könntest du da mal näher dran, fototechnisch meine ich, zur besseren Würdigung?

Attention: bei der Materialkombination Alu/Bronze kann es zu Kontaktkorrosion kommen, fällt mir da gerade noch auf - Teflonscheiben als Alternative?


Vielen Dank für diesen weiteren schneidenden Kreativitätsbeweis aus deiner Werkstatt!

Du weisst schon, dass jetzt die Erwartungshaltung steigt, beim nächsten Messer wieder eine exotische Klingenverriegelung zu sehen, gelle?


Bonne nuit

Virgil

PS: .... und zum Einstellen des Achspiels kommt dann der berühmte 6-fach-Stirnlochschlüssel XL zum Einsatz :D (bei spontan einsetzender Schnappatmung am besten den Asana "kleiner Beagle" einnehmen, Marc)
 
Hallo,

freue mich, dass es hier so viel Resonanz gibt.

Alles der Reihe nach :D

Felix: Die Bohrung hab ich natürlich vom Klingenrücken reingemacht, anders besteht hier keine Möglichkeit. Bis zum Stoppin ist es eine 3mm Bohrung, ab dann 2.5mm. Hergestellt auf der Fräse mit schräger Einspannung im Schraubstock. Im Stoppin ist noch eine kurze 2.5mm Sacklochbohrung, die der Feder Platz macht.

Virgil: Germanys (Austrias) Next Top Verschluss wirds schon deshalb nicht, weil der hier natürlich nur mit hohlen Achsen funktioniert. Nur da ist ausreichend Durchmesser vorhanden, um seriös zu verriegeln und die Kräfte klein zu halten. Ich wollte aber unbedingt dem Design einen Verschluss "auf den Leib schneidern" :D

Die Spacer Schrauben sind auch aus Titan gedreht. Waren die ersten Gewinde, die ich auf der Emco gschnitten habe.

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Der Spacer ist handgefeilt. Wenn sowas zu machen ist, denk ich immer zuerst eine Stunde darüber nach, wie man das maschinell und geführt machen kann, hier ist mir nix eingefallen. War ja garnicht so schwer! :p
Auf die Korrosion werd ich achten, danke für den Hinweis. Hab aber bereits einige andere Messer mit dierer Kombination wo auch nix passiert.
Dass die Erwartungshaltung steigt, ist auch auf meiner Seite so :D. Aber keine Angst, ich hab eh schon was in Planung ;)

Un da ihr ja alle so ausgehungert nach Fertigungsbildern seid, hier noch ein paar aus unterschiedlichen Baustadien (Virgil, hier ist auch der 6-fach-Stirnlochschlüssel XL zu sehen)

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Das letzte Bild zeigt den Einschneider-Fräser, mit dem ich das Wabenmuster gefräst habe.

Am Abend gibts noch ein Video von der Bedieung. Auf die schnelle kann ichs grad nicht reinstellen.

LG, Oliver
 
Moin,

brillante Frühstückslektüre. Gefällt mir ständig besser, das Messer :lechz:! Und die Fotos sind erstklassig. Danke für's zusehen lassen :) ...

R'n'R
 
Also das ist doch wirklich mal was anderes. Ich mag dieses eigenständige Design ,noch ein blau anodisierter gelochter Clip und du kannst in Serie gehen! Lässt sich das Messer auch schnell öffnen,oder macht der Verschluss das nicht mit?

Sehr schöne Arbeit!:super:
 
Also das ist doch wirklich mal was anderes. Ich mag dieses eigenständige Design ,noch ein blau anodisierter gelochter Clip und du kannst in Serie gehen! Lässt sich das Messer auch schnell öffnen,oder macht der Verschluss das nicht mit?

Sehr schöne Arbeit!:super:

Der Verschluss macht es sicher mit, allerdings ist die Reibung durch die großen Washer da schon zu groß. Aufschleudern geht schon auch, allerdings habi ch da andere Messer bei denen das lustiger ist ;)
Wenn ich es nochmal bauen würde, käme vielleicht eine axiale Wälzlagerung zum Einsatz. Dafür wäre sogar noch ausreichend Platz. Der Verschluss selbst bremst die Bewegung eigentlich kaum, da die Feder so schwach ist und der Bolzen poliert ist.

LG, Oliver
 
Ich wollte aber unbedingt dem Design einen Verschluss "auf den Leib schneidern"

... nicht nur das, wie man sieht, sondern auch die dazu notwendigen Werkzeuge sind "taylor made" - sehr beeindruckend :staun:

Vielen Dank für die ganzen Antworten und Fertigungsbilder - damit ist der ganze Aufwand, der in diesem Teil steckt, nochmal besser zu erkennen und zu schätzen.

Cooles Maintenance Tool: Strinlochschlüsselschraubendreherkombi :super:

Sauber gefräst, übrigens, dein Lochwabenmuster ....

Dank dem Video ist jetzt auch klar, dass der "Durchblick" nicht nur ein Designelement ist, sondern auch eine Sicherheitsfunktion erfüllt - zumindest der Daumen ist beim Zuklappen geschützt. Jetzt muss dir nur noch was für die anderen Finger einfallen :D

Félicitations, encore!

Virgil
 
Virgil: Eine Möglichkeit des Fingerschutzes wäre, die Klinge zu entfernen (scharf und Böse) und noch "Durchblicke" für die anderen Finger zu Bohren. Das könnte man dann allerdings auch Schlagring nennen^^

Spaß beiseite: Danke für eure netten Worte. Würde mich freuen, hier öfters "Verrücktheiten" abseits der Norm zu sehen. Ich bleib dran ;)

LG, Oliver
 
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