Der räudige „Bad Guy“ von Mike S., für Geofreaks und FR-Jünger

güNef

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Servus,

wer nur konventionelle Kochmesser mag und geometrische Kniffe an einer Klingenflanke hässlich findet, ist hier mal absolut falsch und braucht nicht weiterzulesen. ;)

Für alle anderen kann ich endlich mal wieder über ein Messer ausgefreakt schreiben, weil es für Kochmesserfreaks gemacht wurde, ohne Rücksicht auf optische Konventionen der Klinge. Ein lustvolles Experiment eines messermachenden Geofreaks, der Wege begeht, die andere nicht mal kennen. Das Messer war kein Auftrag sondern ein Spielerei um nicht zu sagen eine Fingerübung mit Griffmaterialien ( Kaffeesack ) und einer besonderen Klingengeometrie wie ich sie nie zuvor in der Hand hatte. Da wurde gedremelt und geschliffen, ohne auf das Finish der Flanken zu achten, geschweige den eines zu vollenden. Die Oberflächen der Flanken sind roh und räudig und bei diesem Messer völlig nebensächlich. Als das Messer zum ersten mal gezeigt wurde, habe ich Mike sofort angeschrieben und deponiert das ich das Ding haben muss, das ist meine Welt, eine abgedrehte Klingengeometrie, ein Griff aus Kaffeesack, eine coole Linie und eine Klinge in Mad-Max Optik als Programm, wer braucht da schon ein cleanes Flankenfinish, wenn das Teil einen „anderen“ Schnitt prophezeit, als ich bisher gewohnt war. ;)

Dann der Schock, ein anderer war schneller, das Messer war weg und wird so nie wieder reproduzierbar sein. Mann, was ein Jammer für mich. Ein paar Monate später schreibt mich der damalige Käufer an, erklärt mir, er hätte bei Mike angefragt, ob es ausser ihm selbst damals noch andere Interessenten gab und voila, Mike gab den entscheidenden Tipp und ich wurde mir sofort mir dem Besitzer einig und jetzt ist das Messer dort wo es immer schon hätte sein sollen, nämlich bei mir. :D

Ja, und jetzt braucht ich mich nix pfeifen und auch nicht sachlich an die Sache rangehen, weil es das Ding so nicht zu kaufen gibt und daher kann ich mich jetzt austoben und schreiben wie ich das Ding wahrnehme ohne auf Übertreibungen zu achten, weil das Messer eigentlich ein einzige geometrische Übertreibung ist. :haemisch: Bevor ich beginne meine Eindrücke zu schildern, ein paar Geo-Bilder, ganz gegen meine übliche Gepflogenheit zuerst das ganze Messer zu präsentieren.

Kehlshot:

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Flanken links:

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Flanke rechts:

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Die Bilder sind eigentlich selbsterklärend, die HK ist an der tiefsten Stelle nur 0,65mm Dick. Die Pfeilspitze ist an der dicksten Stelle 1,15mm. Die HK beginnt ca 6mm über der Schneide, also ideal effektiv, von der Schneide ( an der Wate 0,11mm ) nach 6mm keilt das ballig geschliffen auf 1,15mm hoch um dann praktisch zu enden. Der FR-Effekt ist dem entsprechend enorm, erreicht für mich eine neue Bestmarke und der gefühlte Schnitt ist „anders“ als alles was ich bisher hatte. Die Kürze der Keilwirkung ist abgefahren, weil nach dem überwinden der Pfeilspitze das Messer praktisch „leer“ läuft. Keine Haftung an der Flanken, keine Reibung, kein gleiten an den Flanken, kein saugen, kein kleben. Und das über die gesamte Flanke und die ballige Spitze ist überhaupt das ungewöhnlichste was man sich vorstellen kann, da knapp vor der Spitze praktisch alle Messer flach geschliffen sind um sie möglichst dünn und leicht einschneidend zu gestalten. Es geht aber auch anders. Das provoziert ein neues, mir davor unbekanntes Schneidgefühl, das mir unglaublichen Spaß macht. Schmackes ist angesagt um über den Punkt zu kommen, mit gleitendem Leichtschnitt wie „der Grieche“ von Uwe Mattern ihn demonstriert, hat das nichts zu tun. Dennoch braucht man erstaunlich wenig Druck, zumindest weniger als man erwartet, wenn man die Pfeilspitze anschaut, Wenn man dann damit schneidet begleitet ein „lautes Raaatsch“ bei Möhren jeden Schnitt. Zwiebel schneidet die ballige Spitze unerwartet locker leicht ein und selbst klein geschnittener Zwiebel klebt nicht wie gewohnt vollflächig an der rechten Flanke, auch hier merkt man einen Unterschied in der anhaftenden Menge. Es klebt deutlich weniger als an konventionellen Flanken

Jetzt das Messer:

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Der Griff hat eine unglaubliche optische Tiefe:

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Taper:

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Mein "konventionelles" Gyuto von Mike, auch mit Coffeebaghandle zum Vergleich:

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Jetzt mal zu den technischen Specs:

Gesamtlänge sind 397mm, davon entfallen 253x49,5mm auf die Klinge, davon wiederum scharf sind ca. 230mm. Der Rücken ist schön massiv. Am Griff stehen die 5mm Ausgangsmaterial fast komplett an, gerundet, versteht sich von selbst. Danach beginnt der Taper und geht zur Mitte der Länge runter auf 3,3mm, dann kommt ein etwas größerer Sprung und es geht weiter allmählich dünner werdend. Ganz vorne stehen dann knapp unter 0,50mm am Display vom Messschieber

Das Messer ist jetzt keinesfalls ein Laser, hat durch die prägnante Geometrie eher etwas Reserven, so dass man sich keine Sorgen machen muss, das die Spitze flöten geht oder irgend etwas ausbricht. Insgesamt schneidet das aber schon ordentlich und macht extrem Spaß. Die Hohlkehlen sind nicht auf ein optimal sauberes Finish getrimmt, schaut mehr nach einem Versuch aus, aber dafür sind die Ausformungen extrem ausgeprägt und hauen einen Foodrelease raus, das einem der Mund offen steht. Gewicht ist 206g. Stahl ist 1.2519.Die Härte liegt bei 63 HRC.

Zum Abschluss noch ein paar vergleichende Bilder mir anderen HK-Konzepten, bzw. S-Grind Flanken:

Mike:

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Scheepersbuild:

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Dalman:

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Kehlshots:

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Fast in die Flanke integriert ist das Konzept von Robin Dalman, daher ist die Wirkung, verglichen mit den beiden anderen Konzepten mehr homöopathischer Natur, als wirklich wirksam. Mein bis dato bestes FR-Messer kommt von Luke Scheepers. Die Kombination von klar definierter HK und gefrästen Stegen innerhalb der HK wirkt um ein vielfaches besser, als das Konzept von Dalman. Noch einmal gesteigert ist die Auswirkung auf eine Schnittgutfreisetzung durch das Konzept von Mike. Die Kontakt/Gleitflächen der Klinge sind auf zwei schmale Streifen entlang der Flanken reduziert, es gibt keine großflächigen Kontakte mehr, wie von üblichen Flanken gewohnt. Es ist die prägnanteste aller Hohlkehlen, die ich bis jetzt hatte und das über fast die ganze Länge der Klinge und die ballige Ausformung der Pfeilspitze, verglichen mit dem flachen V von Scheepers und der überhaupt nicht wahrnehmbaren von Dalman ist charakteristisch für diese Geometrie.

Und das zeigt Wirkung. Sowohl im gefühlten Schneiden, wie auch in der Freisetzung von Schnittgut. Erklären kann man das Verhalten der Klinge schwer, das muss man vergleichend erlebt haben um zu erfassen was ich zu beschreiben versuche.

Noch ein paar Gedanken dazu:

Ich würde dieses Konzept noch insofern steigern wollen, indem ich „Feather_Fräsungen“ auf dem oberen „Kontaktstreifen“ einsetzen würde. Das würde den Gesamtkontakt/Reibung zu den Flanken nochmal reduzieren. Die Pfeilspitzenform lässt sich auch individuell bearbeiten, macht man sie weniger brachial, schneidet das Messer leichter, man verringert damit aber wieder die Tiefe der HK und die Wirkung der Verdrängung. Letzte Feinheiten kann man je nach Vorliebe noch justieren, wenn man es kann. :hehe: Wenn das idealste Verhältnis/der beste Kompromiss gefunden wurde, dann kann man sich an ein reproduzieren in gefälligerer Optik wagen, sowas wird wohl nur mit CNC-Konzept umsetzbar sein.

Nur wenn interessiert das, ausser ein paar Geo-Freaks wie mich? 🤔

Ich erfreue mich jetzt erstmal an dem Messer und lerne weiter, wie sich verschiedenen HK-Konzepte positiv auf das Schneiden von Lebensmittel auswirken.

Gruß, güNef
 
Prima Sonntagnachmittag Lektüre - während ein Finger in Wasserstoffperoxid badet. :irre:

Schön, dass man gelegentlich an solchen experimentellen Übungen teilhaben kann, besten Dank hierfür.

grüsse, pebe
 
Yeah, man :haemisch::super: Extrem.Gut. - Glückwunsch zu diesem GEO-Statement für die Küche! Vor allem nach der Geschichte, wie es seinen Weg zu dir fand ...

Super finde ich auch den Griff, bzw. beide Kaffee-Sack-Griffe :love:

Besten Dank für die Vorstellung, güNef!

Greetz

Virgil

PS: @pebe : du blondierst deine Fingernägel? :irre:

PPS: Gute Besserung! 😉
 
Regelrecht erschrocken bin ich, als ich das Foto des Kehls gesehen habe. Wirklich extrem, aber solange die Klinge insgesamt hält, kann man eigentlich nur zu dem Mut gratulieren. Die dickeren Teile stabilisieren die Klinge als ganzes. Sehr schön finde ich auch die Verjüngung zur Spitze.

Da ich vor ein paar Tagen auch mal wieder ne Hohlkehle geschliffen habe, und ebenfalls das von Günef erwähnte "raatsch" beim Möhrenschneiden wahrgenommen habe, kann ich vielleicht kurz meine Erfahrungen dazu schildern. Beim Sheepersbulid hatte ich ja auch schon meine Überlegungen geäußert. Grundlage meiner Schleifexperimente war ein Kochmesser, das statt dem bei Ali bestellten bei mir angekommen ist. Diesmal nicht geschenkt, sondern für 5€ Selbstbeteiligung sozusagen. Äußerlich schön poliert, guter Griff - aber kurzer Anschliff, fette Wate. Ich hab gar nicht erst ausprobiert, wie es schneidet, weil mir klar war, dass es schlecht schneidet. Über dem kurzen Anschliff eine Art gleichmäßiger Hammerschlag. Erst den polierten Hammerschlag abgeklebt, dann den Anschliff flach auf den Stein gelegt und geschliffen bist die Wate weg war. Dadurch wurde der Anschliff schon etwas breiter. Da mein grober, großer Stein mittlerweile nicht mehr plan ist, wurde der Anschliff schon leicht ballig. Mit dem Bandschleifer hab ich die Balligkeit noch etwas verstärkt und den Anschliff breiter gemacht. Dann habe ich auf der rechten Seite eine Hohlkehle geschliffen, die weder von der Breite (15mm) noch von der Tiefe an die oben gezeigte herankommt. Die Position ist etwa 6mm oberhalb der Schneide. Die Schnittgutfreisetzung bei Karotten ist wirklich gut. Bei Zwiebeln nicht ganz so gut, aber vorhanden.

Warum erzähle ich das? Weil m.E. die Balligkeit über der Schneide sehr wichtig ist in Bezug auf die Schnittgutfreisetzung. Ich würde sie so wichtig einschätzen wie die Hohlkehle selbst. Eine so extrem breite und tiefe Hohlkehle ist vielleicht gar nicht notwendig. Scheepersbuild verschenkt hier viel einer möglichen Wirkung. Dafür ist die Hohlkehle schon ziemlich perfekt. Nach wie vor denke ich, dass die Hohlkehle nur einseitig sein muss. Eine beidseitige Kehle verringert zwar die Reibung links. Aber Laser sind solche Messer ohnehin nicht. Der Anschliff muss beidseitig ballig sein, symmetrisch, damit das Messer nicht in eine Richtung zieht. Dann eine breite Hohlkehle, vielleicht gefräst wie beim Sheepersbuild und darüber dann eine strukturierte Fläche z.B. Hammerschlag oder eine Frässtruktur.
Wenn das idealste Verhältnis/der beste Kompromiss gefunden wurde, dann kann man sich an ein reproduzieren in gefälligerer Optik wagen, sowas wird wohl nur mit CNC-Konzept umsetzbar sein.
Genau. Als custom sowas wieder und wieder zu fertigen ist erstens nicht leicht und zweitens eine Riesenarbeit. Wenn da mal ein annäherndes Optimum erreicht ist, hätte die maschinell/industrielle Fertigung als Serienmesser Vorteile. Das ist ja die Stärke der Industrie, dass sich die ganze Entwicklungsarbeit auf große Stückzahlen verteilen lässt und reproduzierbare Qualität ermöglicht wird.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was für ein Glück, dass wir so mutige Hobbyisten haben, die weder Zeit noch Aufwand scheuen, solche extremen Nischen-Konzepte mit obsessiver Akribie einfach in die Tat umzusetzen.

Der Kehlshot sieht absolut surreal aus. Als hätte Salvador Dali sich an Küchenmessergeometrien versucht. Absolut geil.

Mike hat hier offensichtlich die vorhandenen "FR-Stellschrauben" bis auf Anschlag gedreht. Der extrem ballige Anschliff, gepaart mit der früh einsetzenden und extrem tiefen HK. Dabei beidseitig, um die Schneidperformance innerhalb des Konzeptes zu optimieren.
Individuell "justiert" wird das Ganze dann über die Dicke der "Abscherkante" entweder in Richtung "leichter(er) Schnitt" oder eben "Schnittgutfreisetzung".

Wiedereinmal danke @güNef (und natürlich Mike, falls er mitliest)!

PS: Video bitte?
 
Zuletzt bearbeitet:
@güNef Ich freue mich für dich, dass es mit diesem Messer doch noch geklappt hat. Vorzeitige Weihnachten für dich. Und auch ein kleines Geschenk für uns, danke für diesen tollen Bericht. Es war mir eine grosse Freude ihn zu lesen und so an deiner Freude, deinem "Fanatismus" für HK und FR teilhaben zu können. Hat mir wirklich Spass gemacht.
 
Vielen Dank für den Bericht!

Wirklich spannend wäre es, zu erfahren wie es ist wenn die Hohlkehlen noch weiter runtergezogen werden.
Also so ca. 3mm über der Schneide dann, die aber ihre robuste Balligkeit wie hier (alleine auch um überhaupt noch genügend Fleisch für Nachschliffe zu haben) durchaus behalten kann.
So etwas wäre sicherlich radikal, aber - glaube ich - komplett neu.

Viele Grüße,
Christian
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi,
interessant.
Solche Schliffvarianten schneiden am leichtesten.
Ich bevorzuge jedoch Hohl schliff bis zum Klingen rücken. Und das Klingenteil am Heft würde ich nicht unnötig schwächen.
Leichte Balligkeit im Schneidenbereich macht Sinn.
Das Messer kennst Du:

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Klasse Messer mit interessantem Konzept. Zwei Dinge verstehe ich nicht ganz: Was bring ein balliger Anschliff der Pfeilspitze? Das erzeugt nach meinem Verständnis nur einen erhöhten Widerstand beim Schneiden. Wenn man einfach keilig anschleift, hätte man bei gleicher Dicke am oberen Ende der Pfeilspitze einen flacheren Schneidenwinkel, was den Eindringwiderstand reduzieren dürfte, ohne den Releaseffekt der Hohlkehle zu reduzieren. Und wo liegt der Vorteil der dickeren, balligen Spitze? An der schmalen Spitze bleibt doch eh nichts kleben, auch bei feiner, schneidfreudiger Geometrie.
 
Balligkeit ist kaum ausgeprägte (unbedeutend für Widerstands). Die Balligkeit bringt auch Stabilität im Schneidenbereich mit sich. Und es bilden sich Lufttaschen zwischen Klingenflanken und Schneidgut.
 
Endlich mal ein Messer, bei dem man auch Angst haben kann, dass die Hohlkehle bricht. :irre:

Nein, Spaß bei Seite. Irres Teil.
 
Servus,

Zwei Dinge verstehe ich nicht ganz: Was bring ein balliger Anschliff der Pfeilspitze? Das erzeugt nach meinem Verständnis nur einen erhöhten Widerstand beim Schneiden. Wenn man einfach keilig anschleift, hätte man bei gleicher Dicke am oberen Ende der Pfeilspitze einen flacheren Schneidenwinkel, was den Eindringwiderstand reduzieren dürfte, ohne den Releaseffekt der Hohlkehle zu reduzieren. Und wo liegt der Vorteil der dickeren, balligen Spitze? An der schmalen Spitze bleibt doch eh nichts kleben, auch bei feiner, schneidfreudiger Geometrie.

nun, das muss man ausprobiert haben, um dahinter zu kommen was wie wirkt.

Es gibt Macher, die schleifen die Pfeilspitze hohl, bei einem Hook mit harter Abrisskante z.b. Mit dem Erfolg das sich die Spitze bis zum Hook regelrecht verkeilt und viel schwerer schneidet als nötig. Luke Scheepers schleift ein leicht unsymmetrisches V als Pfeilspitze. Das funktioniert an sich gut und bringt beidseitige eine hart definierte Kante nach der Pfeilspitze, dort wo die HK beginnt. Hier greift das Konzept "Hartfräsen", weil man von Hand und konventionell nur sehr umständlich eine solche scharfe "Abrisskante setzen kann. Der "Fehler" bei Scheepers: Der blanke Streifen, ergo die die Pfeilspitzenhöhe ist zu hoch gesetzt. Der Streifen hat um die 12mm Höhe, die ballige Pfeilspitze von Mike ist mit 6mm nur halb so hoch, die Wirkung auf den Schnitt ist eine andere. Würde Scheepers seine Pfeilspitze balliger ansetzen, verliert er die gewünschte Definition der Abscherkante und das wird er nicht wollen.

Eine ballige Pfeilspitze bietet selbst auf einer Höhe von 6mm weniger Gleit-und Haftungsfläche als eine V-geschliffene von gleicher Höhe. Die ballige Pfeilspitze beginnt bereits nach dem einschneiden das Schnittgut ( den Abschnitt ) von der Flanke wegzudrängen, was zwar gefühlt mehr Kraft braucht, als eine V-geschliffene Pfeilspitze, aber vom Foodrelease besser wirkt als die flache Pfeilspitze. Dazu kommt die unglaublich plastische Tiefe der Hohlkehle, die ein anpappen recht effektiv vermeidet. Natürlich immer Schnittgutabhängig, aber bei allem was ich in Routine immer so schneide, bildet das Konzept von Mike aktuell den besten mit bekannten FR unter meinen Messern und jenen die ich testen konnte, ab. Das kann bei anderen anders sein, das muss klar sein.

Der Vorteil der balligen Spitze hat sich mit zu Beginn theoretisch auch nicht erschlossen, macht ja niemand, folge dessen Neuland für mich. Ich dachte mir sofort, das schneidet Zwiebel schwerer ein, als eine gleich dicke, aber flache Spitze. Da hab ich mich geirrt. Eine Zwiebel geht im Vergleich ohne Abstriche genau so locker, wie mit einer flachen Spitze, aber wenn man mit der Spitze z.B. kleine Möhrenscheiben schneidet, dann kleben diese nicht an und schieben sich nicht weiter oder hoch, sondern biegen sich locker von der Klinge weg.

Was die Leichtigkeit des Schneidens betrifft, bei dieser Thematik muss man immer einen Tod sterben.

Mike hat hier offensichtlich die vorhandenen "FR-Stellschrauben" bis auf Anschlag gedreht. Der extrem ballige Anschliff, gepaart mit der früh einsetzenden und extrem tiefen HK. Dabei beidseitig, um die Schneidperformance innerhalb des Konzeptes zu optimieren.
Individuell "justiert" wird das Ganze dann über die Dicke der "Abscherkante" entweder in Richtung "leichter(er) Schnitt" oder eben "Schnittgutfreisetzung".

So schaut das aus. Die Pfeilspitze entscheidet primär einmal über die Leichtigkeit des Schneidens und so wie sie bei diesem Messer geformt wurde ist, war der absolut leichte Schnitt sekundär und der FR dieser Klinge primär. Jetzt kann man das nur individuell bewerten. Für den einen ist das Gefühl und die Funktion so wie es jetzt ist super, der nächste möchte leichter schneiden, weil ihm die FR-Wirkung weniger wichtig ist.

Wirklich spannend wäre es, zu erfahren wie es ist wenn die Hohlkehlen noch weiter runtergezogen werden.
Also so ca. 3mm über der Schneide dann, die aber ihre robuste Balligkeit wie hier (alleine auch um überhaupt noch genügend Fleisch für Nachschliffe zu haben) durchaus behalten kann.

Bei solchen schmalen Streifen über der Schneide, muss man schon mutig sein. Wenn es "massiv" ballig ist, dann ist die Angst vor Ausbrüchen zwar zumindest geometrisch reduziert, nur hier greift dann die Stahlwahl und WB mehr als sonst. Spröde Stähle gehen nicht, obwohl auch massive plastische Verformungen, durch fehlerhaften Umgang bei zähen Stählen nicht immer ohne wegschleifen entfernt werden können, was die Lebensdauer einer solchen Klinge doch drastisch einschränkt. Sind 6mm schon wenig im Fall des Falles und verlangen nach einer sehr materialschonenden Schleif und Schärfmethode. Der Effekt an sich, müsste sich aber bei geringeren Höhe nochmal verbessern, das meine ich auch.
Als custom sowas wieder und wieder zu fertigen ist erstens nicht leicht und zweitens eine Riesenarbeit. Wenn da mal ein annäherndes Optimum erreicht ist, hätte die maschinell/industrielle Fertigung als Serienmesser Vorteile. Das ist ja die Stärke der Industrie, dass sich die ganze Entwicklungsarbeit auf große Stückzahlen verteilen lässt und reproduzierbare Qualität ermöglicht wird.

Genau das ist der Haken, die Reproduzierbarkeit diese Schliffes von Hand. Daran glaube ich auch bei den besten "Händchen" für sowas nicht mehr. Ohne Lehren und maschinelle Unterstützung wird das mal so mal so, mal sehr ähnlich, mal nicht.
Das Messer kennst Du:

Wenn es das Owl-Knife aus dem russischen Video ist, wo die Klinge auf Druck gegen den Handballen ein gutes 1/3 der Höhe der Klinge plastisch verformt, dann kenne ich das Messer. ;)


Schieße ich noch nach, aber bitte etwas Geduld. ;)

Gruß, güNef
 
Ja, das Ding ist von OwlKnife.
Der Schliff haben die von Prokopenkoff übernommen, der solche Klingen seit langem machte.
Der Stahl M390, relativ "weich", so um 63 HRc um ordentlich plastisch noch bleiben (gut für Keramikstäbe) aber auch schneidhaltig.
 
Gratulation!
Der Griff ist der Hammer, auch wenn mich die Form nicht anspringt (bin da eher der Besenstiel-Fan).
Das Messer selbst ist zum Niederknien :ninja:

LG, neko
 
Haha, güNef,

ich komm jetzt erst dazu, mir das mal bewusst anzuschauen und durchzulesen. Was soll ich sagen... Das muss ich ausprobieren :) Die Fotos schauen schon sehr extrem aus, dass die Hohlkehle weiter unten ansetzt, erachte ich als großen Mehrwert, ich meine, dass das ohnehin ein viel zu wenig beachteter Faktor ist.
Na jedenfalls herzlichen Glückwunsch zum Messer, ich selbst hab noch gar keines von Mike, hat sich irgendwie nie ergeben. Aber alle, die ich bisher von ihm getestet habe, waren grandios.

Greez,
Wischi
 
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