Diffusion von Legierungselementen

Azkaenion

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Hallo Leute!

Mein Sohn hatte heute in Chemie eine wie ich finde blöde Hausaufgabe für einen 12 jährigen.
Er soll erklären können, warum sich bei Raumtemperatur in einem rostfreien, austenitischen Edelstahl bei dem der Kohlenstoff und der Stickstoff komplett im Gitter gelöst sind bei Raumtemperatur, keine Chromkarbide und keine Chromnitride bilden können.
Wir sind da ziemlich hilflos.
Den alles was ich um ihm zu helfen dabei finden konnte war, dass selbst wenn der Stahl ein Low Carb Stahl ist, sich ab einer bestimmten Temperatur trotzdem Chrom Karbide bilden werden.
Deswegen sind die Betriebstemperaturen für den Dauerbetreib auch begrenzt.
Ein Freund von mir ist Chemiker, aber anderes Fachgebiet und dieser meinte, dass sich auch nach einer Million Jahren BEI RAUMTEMPERATUR keine Chromkarbide und keine Chromnitride bilden könnten, da Chrom bei Raumtemperatur nicht diffundiern kann.
Aber wie soll das gehen?
Alle Elemente diffundieren doch...
Könnt ihr uns bitte helfen?

DANKE!!!
 
Den alles was ich um ihm zu helfen dabei finden konnte war, dass selbst wenn der Stahl ein Low Carb Stahl ist, sich ab einer bestimmten Temperatur trotzdem Chrom Karbide bilden werden.
Deswegen sind die Betriebstemperaturen für den Dauerbetreib auch begrenzt.
Ab welcher Temperatur wäre das denn? Vermutlich deutlich oberhalb der Raumtemperatur. Temperatur bedeutet Zittern/Bewegung der Atome. Im Kristallgitter können sie sich nicht bewegen um Reaktionspartner zu finden. Dazu kommt vielleicht noch der Atomradius der Reaktionspartner und die Weite der Gittermaschen.
Rein statistisch wird es vielleicht vorkommen, aber das ist der Grenzwert, nicht das Normale.
 
In diesem Fall wäre das ab 450 Grad der Fall.
Bei anderen, nicht Low Carb Stählen beginnt das noch früher.
Bei Raumtemperatur gibt es glaube ich nur das Springen über Leerstellen im Gitter.
Das heißt das Chrom Atom kann nur von einer Leerstelle zur nächsten springen.
 
O.k., kurz dann doch schon vorab:
Wenn ein Stahl bei Raumtemperatur austenitisch ist, dann hat er ein kubisch-flächenzentriertes Gefüge - logisch: C ist gelöst, sprich im Gefüge eingebaut in der Mitte jeder gedachten Wüefelfläche. Und viel C kann es nicht sein, sonst hätte man in Verbindung mit den zu erwartenden hohen Gehalten an Cr und Ni (sonst bekommt man kein Austenit hin bei Raumtemperatur) bereits Primärkarbide, die direkt aus der Schmelze ausgeschieden worden wären.

Karbidbildung (oder besser Karbidausscheidung) würde erst stattfinden müssen, wenn das Gefüge in ein Kubisch-raumzentriertes umklappt. Dann wäre C 'frei' für eine Verbindung mit Cr. Da er aber wunderbar gelöst seinen Platz in der Mitte jeder 'Würfelfläche' hat, passiert: nichts;)

Ob das für N genauso gilt, da habe ich zu wenig Plan.

Diffusion als Faktor spielt da dich nicht die große Rolle, oder?
 
Ich denke, dass für Mittelstufen-Chemie der Hinweis auf Kristallgitter reicht, wo im Gegensatz zu Flüssigkeit und Gas nicht viel Bewegung stattfinden kann. Dazu kommt, dass die C-Atome durch die Eisenatome abgeschirmt sind. Und wenn zwei Stoffe sich nicht finden können, können sie auch nicht miteinander reagieren.
 
Hast wahrscheinlich Recht mit den Erwartungen des Lehrers: wenn Diffusionsvorgänge Thema und Hintergrund der Frage sind, dann wird die geringe bis praktisch nicht vorhandene Beweglichkeit bei Raumtemperatur als Antwort wahrscheinlich richtig sein.

Wobei es energetisch ja kein Bestreben für Ausscheidungsvorgänge gibt und ich das für erheblicher halte - oder habe ich da jetzt einen Knoten in Kopf?
 
....irgendwie kommt mir die Frage auch komisch vor (vor allem für an 12-jährige gestellt).
Nehmen wir einmal einen klassischen 'Edelstahl': 1.4301. Da sind eh nur 0,08%C drin - also nix, wo erheblich Karbid gebildet werden würde. So fürchterlich spezielle Stähle sollten/ können da doch nicht gemeint sein eigentlich.

Ist das irgendwie eine Fangfrage, ob wer aufgepasst hat oder so? Muss doch irgendwas geben dazu in den Arbeitsblättern oder im Buch, was dazu passt.
 
Danke für eure Hinweise. habe selbts versucht auch ein wenig zu recherchieren, aber nicht wirklich etwas gefunden.
Ich habe einen Artikel gefunden in dem es heißt, dass bei 0,05 % Kohlenstoff alles locker im Gitter gelöst ist, dass aber trotzdem ab einer bestimmten Temperatur sich allmählich dann die Chromkarbide bilden.
Das klingt für mich nach einem reinen Geschwindigkeitsproblem.
Wobei z.b. bei dem 1.4539 die Dauerbetriebstemperatur - 60 - + 400 Grad ist.
Sprich den kann man endlos lange so betrieben und trotzdem gibt es keine Chromkarbide.
Ich denke das Gleiche gilt für die Chromnitride auch.

PS. Der Lehrer stellt öfter solche Fragen.
Hab mir alles auch nochmal genau durch gelesen.
 
Nunja, letztlich läuft das alles auf Statistik hinaus bei solchen chemischen Reaktionen. Wenn es nur zwei passende Moleküle im Weltall gibt, könnten die zwar reagieren, tun es aber mit astronomisch hoher Wahrscheinlichkeit nie. Das ist allerdings nicht Hintergrund der Frage.
Mir war zu Schulzeiten nicht so eindeutig klar, dass es oft nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit ist, ob sich Reaktanden überhaupt treffen. Bei größeren Molekülen, also vor allem in der Biologie, aber auch hier im Metallgitter, kommt dann oft auch noch hinzu, ob die räumlich zusammenpassen.
 
Also ich habe nochmal nachgelesen und es geht nicht rein um Diffusionsvorgänge.
tatsächlich soll man die Erklärung finden, warum sich auch nach theoretisch unendlich langer zeit bei Raumtemperatur keine Chromkarbide und keine Chromnitride bilden.

Soweit ich jetzt rechercheirt habe, funktioniert das bei raumtemperatur nur dann, wenn das Chrom und der Stickstoff im Gitter übersättigt wären.
 
Übersättigt hieße wohl, dass sie an dann zusätzlich zufällig verteilt wären, also auch in unmittelbarer Nachbarschaft sein könnten und dann auch reagieren. Die Aufgabenstellung besagt, dass "Kohlenstoff und der Stickstoff komplett im Gitter gelöst" sind, was unmittelbare Nachbarschaft ausschließt. Wobei ich jetzt nicht weiß, wie Stickstoff und Chrom ins Kristallgitter eingebunden sind. Immerhin habe ich hier aber gelernt, wie der Kohlenstoff eingebunden ist.
Ich finde die Aufgabe gar nicht schlecht, weil man sie wie wir gerade auch noch auf ziemlich kleinlicher Ebene diskutieren kann. Meinen Kindern sage ich immer wieder, dass man bei Hausaufgaben auch Fehler machen darf. Es kommt darauf an, es ernsthaft versucht zu haben und anschließend aus den Fehlern zu lernen, damit man die nicht später bei den Klassenarbeiten wiederholt.
 
Meine Meinung nach ist das eine Fangfrage! Die Formulierung der Frage selbst liefert die Antwort.

Frage: "Warum sich bei Raumtemperatur in einem rostfreien, austenitischen Edelstahl bei dem der Kohlenstoff und der Stickstoff komplett im Gitter gelöst sind bei Raumtemperatur, keine Chromkarbide und keine Chromnitride bilden können."

Antwort: Weil Kohlenstoff und Stickstoff komplett im Gitter gelöst sind, daher für die Karbidbildung nicht zur Verfügung stehen.

Alle anderen Antworten wären deutlich zu anspruchsvoll für einen 12 jährigen Schüler.

Viele Grüße, Jannis
 
Ach so. . .
Weil alles gelsöt ist, hat es seinen festen Platz und kann nicht reagieren.

Das klingt absolut logisch.

Nur eines verstehe ich dabei nicht.
Und das intressiert mich unabhängig von der Hausaufgabe jetzt persönlich.

Wieso gibt es dann ab einer bestimmten temperatur trotzdem Chromkarbide und Nitride?

Ist doch alles gelöst.
 
Bei erhöhter Temperatur bewegen sich die Atome auf den Gitterplätzen stärker, und dann kann Diffusion eintreten. Der Diffusionskoeffizient ist temperaturabhängig, und je nachdem richtig stark.
Der Zustand "gelöst" ist relativ und abhängig von den Randbedingungen.
 
Noch eine Ergänzung: Stickstoff wird eingelagert, befindet sich auf Zwischengitterplätzen (kann darum ähnlich verzerrend wie C wirken beim Abschrecken), während Cr im Gitter einen Platz eines Eisenatoms einnimmt. Erst wenn genug Energie da ist, N zu "befreien" und Cr in Bewegung zu bringen, wäre eine chemische Reaktion möglich.

aus dem kfz Gitter bilden sich am frühesten Verbindungen Fe-X mit X als interstitiellem Element, auf Gitterzwischenplätzen, also z. B. auch N, und dazu braucht es mehr als 250° C, und bei Cr sieht das so aus, dass die Diffusionsgeschwindigkeit Cr sehr viel kleiner ist, und CrKarbide etc. erst ab Temperaturen von mehr als 450°C entstehen.
Das ist sehr gut erklärt in dem Buch: Stahlkunde für Ingenieure von Hans Berns, Seiten 12 und 13.
das ist sowieso ein prima Buch.
 
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Boah Jungs!
Ihr seit so toll hier...
Total nett und vor allem auch kompetent.
Also liegt es auch und vor allem an der Gefügestruktur und an der chemischen Zusammensetzung.

Der 1.4539 z.b. hat eine Dauerbetriebstemperatur von - 60 - +400 Grad Celsius.
Andere Edelstahlsorten deutlich weniger.

Sprich ich kann beliebig lange die - 60 Grad halten ohne Martensitbildung und ich kann beliebig lange die + 400 Grad halten ohne Carbide und Nitride.

Schließlich will man ja (gerade bei chemischen Anlagen) nicht das diese nach ein paar Monaten Fahrweise bei 400 Grad, das Material der Anlage dann plötzlich voller Phasen und Ausscheidungen ist.

War jetzt nur so ein Beispiel.
Deswegen auch der Name "Dauerbetriebstemperatur".

Ich nehme an, dass wenn bei Raumtemperatur Carbide und Nitride gebildet werden könnten, dies durch die extrem eingeschränkte Temperatur so dermaßen langsam passieren würde, dass man das in 1000 Jahren vielleicht gerade mal so mit High End Instrumenten messen könnte.

Man muss sich nur die Damaszener Messer anschauen.
Da kann man auch nach 1000 Jahren noch keinerlei Veränderung ihrer geätzten Struktur erkennen.

Nachtrag: Ich wollte hier keinen Doppelpost machen, jabe aber jetzt auch mal in diesem Ingenieursbuch gelesen.
Das ist schon extrem interessant mit den verschiedenen Phasen die entstehen können wenn die Löslichkeit überschritten wird.
Das zeigt aber auch ganz klar, dass alle Legierungselemente in dem 1.4539 vollständig gelöst sind.

Sonst wäre das Gitter bei den - 60 Grad übersättigt und würde hier ebenfalls Ausscheidungen bilden.

So kann man sich das dann herleiten. . .
 
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Jetzt muss ich doch einen Doppelpost machen.
Im Zuge der Recherchen habe ich auch heraus gefunden das es die Otswald Reifung gibt.
Einfach gesagt, wollen kleine Teilchen zu Gunsten einer besseren Entropie immer größer werden.

Hier ist auch wieder die Diffusion der Geschwindigkeitsbestimmende Faktor.
Konrwachstum, Rekristallisation und auch Auscheidungen in der Legierung wollen zusammen wachsen / größer werden.

Es gibt Temperaturne da geht das recht schnell, aber bei raumtemperatur dauert es wieder Jahrhunderte und man merkt davon überhaupt nichts, da selbst nach Jahrhunderten praktisch keinerlei Diffusion statt gefunden hat.

Temperatur ist bei so Vorgängen wohl wichtiger als Zeit.
 
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