Edler Franzose: Grand cru de Nogent

Abu

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Wem mag das Messer wohl gehört, wer mag es genutzt haben, welche Geschichte hätte es zu erzählen? Derartige Fragen beschäftigen mich bei ausgewählten historischen Messern immer. Und keine Frage, dieses Messer gehört in die Kategorie „Besonders“.

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Es dürfte vor ca. 100 Jahren in Nogent/Frankreich gebaut worden sein. Der fehlende Klingenstempel ist ein Indikator dafür, denn in Nogent ließen die Pariser Luxushäuser (wie Hermès) ihre Schneidwaren fertigen, darunter auch hochwertige Taschenmesser. Heute würden wir es eine win-win-Situation nennen: Die Warenhäuser sorgten für die Vermarktung, spornten umgekehrt die Manufakturen zu höchster Qualität an, hielten die Hersteller aber anonym.
Neben dem Champagnerhaken liften zwei Merkmale das Messer in die „Höhere Gesellschaft“. Die wunderbar tiefgründigen Schalen aus Schildpatt und so ein schlichtes Teil wie der Nagelreiniger mit Feile! Gepflegte Finger und Nägel waren einst ein sichtbar distinguierendes Zeichen: Man war dem Stand schmutziger Arbeit entkommen, musste „keinen kleinen Finger mehr rühren“.

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Der lange, kräftige Dorn könnte noch einen Bezug zu den Bauernmessern oder Laguioles aufweisen. Bei letzteren diente der Dorn ja bekanntlich als Pansenstecher bei „übergärigen“ Wiederkäuern. Beim regionalen Messertyp des Issoire soll der trad. Dorn lieblicherer Verwendung vorbehalten gewesen sein. Man durchstach damit angeblich früher in den Schenken die Weinschläuche, angezapft ist’s! Beides war mit meinem Nogent sicher nicht vorgesehen. Aber mit dem Wein nähern wir uns evtl. dem Besitzer des Messers.

Gab es je ein passenderes Messer für einen Champagnerbaron? Mit dem Dorn ließe sich die Öse des Drahtkorbes rödeln, der Haken dehnte ihn, um den Korken des moussierenden Champus schließlich knallen zu lassen. Der Korkenzieher gehört ohnehin zum Milieu. Dazu ein Federmesserchen für die Blume im Knopfloch oder die täglichen Notizen mit gespitztem Bleistift, und alles mit gepflegten Fingernägeln! Die berühmte Champagne liegt zudem vor der Haustür der Nogentais, gute Voraussetzungen für adäquate Herrenmesser.

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Ein paar Daten zum Messer: KL 80 mm, GL 185 mm.
Auffällig ist das seitliche Spiel der Hauptklinge im geschlossenen Zustand. Es scheint auch keinen Klingenstopp zu geben, die Klinge schließt butterweich ohne Aufschlag. Erst beim Öffnen zieht sich die Klinge spielfrei richtig fest.

Ich musste mir zu frz. Messern erst einiges anlesen, Korrekturen, Informationen und weitere Anregungen sind mir ausdrücklich willkommen!

Gruß
Abu
 
Servus Abu,
sorry, wenn Du das alles schon weißt.
Das 'zurödeln' der Champgner - oder Vins mousseux - Flaschen auf traditionelle
Art mit Schnur nennt man 'ficelage', dafür gab es eine kleine Vorrichtung, den ficeleur.
Gibt es heute nur noch für gekrönte, oder sonstwie wichtige, Häupter. Ein kleines Video:
Ficelage traditionnel d'une bouteille de champagne
Gruß
Rudi
 
Hallo Rudi,
Danke für den Link, ich wusste doch, dass ich noch viel dazu lernen und erfahren kann. Ein Hoch dem Forum!
Sogar die ficelage macht Eindruck wie Kunsthnadwerk, der vollendende Abschluss eines Champus. Damals mit dem Faden machte der Champagnerhaken zum Kappen auch viel mehr Sinn, bevor es der Drahtkorb wurde.
Beim Rödeln an seiner Öse dachte ich an stilvolles Aufrödeln per Dorn. Ist ja nur spaßige Spekulation zur Sinnsuche dieses Messers. Wir wissen ja auch am besten selbst, dass Messer und ihre Ausstattung nicht immer Sinn machen müssen, gefallen daran genügt!👍
Von dritter Seite habe ich inzwischen eine Bestätigung zum Alter bekommen, 1920-30.

Gruß
Abu
 
Abu, ein wunderschönes Messer mit edlen seltenen Schildpatt-Schalen, passend zum „gehobenen“ Verwendungszweck.
Und, wie stets, bestens fotografiert und anschaulich beschrieben.
Danke für die Vorstellung
 
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