Erstes Messer Klinge ausdünnen?

LukasAusDE

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Moin,
ich hab mein aller erstes Messer fertig. Ist einem Shiro Kamo Bunka nachgezeichnet, hat 1.2003 Stahl und einen Griff aus Räucherbuche, einem roten G10 Liner und Edelkastanie (Glaube ich). Ich selber habe mir hauptsächlich auf Youtube Tutorials zum Messerbau angeschaut, z.B. die von Schmiedeglut und war viel auf Reddit unterwegs. Ich hatte und habe keinerlei Erfahrung im Umgang mit Holz und Metall und habe einfach mal angefangen. Das Problem ist, das ich das Messer auf einem Ikea Tisch in meinem Wohnzimmer gemacht habe.

Ich habe aktuell nicht wirklich Platz und Geld für einen Bandschleifer, deshalb fällt auch mein Werkzeug recht "madig" aus. Besitzen tue ich:
  • Lidl Tellerschleifer
  • Lidl "Dremel"
  • Standardwerkzeug wie Feilen, Schleifpapier, Bohrmaschine usw.
  • einen selbstgebauten "Bevel jig" wie sie auf Youtube zu finden sind mit Eisenstange durch eine Öse auf nem langen Holzbrett wo man die Feile dran macht
eine Sache mit der ich ein Problem habe ist wie dick die Klinge ist. Ich habe den Härteservice von Schmiedeglut genutzt und da wird drauf hingewiesen das die Klinge nicht dünner als 0,5~0,8mm sein soll. Ich hatte sie glaube auf gute 0,8mm dicke. Nur ist die Schneidfase jetzt sehr "hoch", was super unschön ist. Klar ist mein erstes Messer und so, aber wie ist es hier möglich die Schneidkante möglichst klein zu bekommen? Auf den japanischen Messern die ich habe ist sie praktisch unsichtmar, so klein ist sie. Das muss nicht sein, aber aktuell ist sie schon sehr hoch. Das scharf Schleifen nach dem Härten hat auch eeeeewig gedauert.

Ich bin auch total unsicher wie dick ich die Klinge lassen kann, je dünner desto besser fürs Scharfschleifen und spätere schneiden, aber gleichzeitig ist dann die Chance von einem Verzug beim Härten doch super hoch? Die Flachstähle die man kaufen kann sind ja alle gute >3mm dick. Die meisten Kochmesser, ob jetzt Japanisch oder Deutsch, sind ja selbst am Rücken <2mm. Wie funktioniert das ohne Verzug beim Härten? Müsste ich dann nicht erstmal den ganzen Flachstahl ausdünnen?

Hier sind ein paar Bilder, bitte die dunkle Schicht ignorieren, ich habe mich an einer Kaffee-Patina versucht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Je dünner das Messer hinter der Fase um so kleiner wird die Fase selbst.
Ist es breit, ist die Fase groß.

Bei sehr flachem Winkel wird die Fase natürlich auch größer
 
Genau - um es einmal in Zahlen konkreter zu machen:
0,8mm an der Schneidkante nach dem Härten und vor dem Schärfen ist was für Outdoormesser oder Jagdmesser aus eher 'spröden' Stählen. Meine Jagdmesser aus Vanadis 4 oder aus Wolframstählen haben so 0,4-0,5mm - und das langt locker, wenn man keinen groben Blödsinn damit macht. BTW können die bei etwas balligem Anschliff auch gut nur 2mm am Rücken haben und halten eine Menge aus. Mit einem Jagd-User aus 1.2419 und 2mm am Rücken bin ich schon mehrfach zwischen zwei Wirbel am Übergang Kopf zur Wirbelsäule gegangen und habe den Kopf abgetrennt. Das ist zwar nicht Standard für jagdliche Messer, soll aber verdeutlichen, was mit solchen Maßen möglich ist, bzw. dass man damit schon oberhalb einer feinen Geometrie für die Küche liegt. Nochmal konturenschärfer formuliert:
- die Stärke am Klingenrücken ist gar nicht mal so das entscheidende Maß, sondern die Stärke an der Schneide
- 0,8mm ist eine Menge 'Holz', sprich: für die Küche sollte das viel feiner sein, wenn man da ein 'Schneidteufelchen' bauen möchte

Das Grundproblem auf dem Weg zu einer feinen Schneide ist aber richtig: man kann das gewünschte Endmaß nicht unbedingt vor dem Härten herstellen. Nicht von ungefähr gibt es die Faustregel mit den 0,5mm an der Schneide vor dem Härten. Und: je länger die Klinge, umso schwieriger wird es.
Wenn alle Faktoren stimmen, kann man auch unter die 0,5mm gehen, aber wirklich sicher kann man da nie sein. Alle Faktoren heißt: keine Spannungen im Stahl schon im Anlieferungszustand, selber keine Spannungen ins Material eingebracht durch die Bearbeitung, symmetrischer Anschliff ohne Ungleichmäßigkeiten, nicht hin- und hergebogen (was bei weichem Stahl und sehr dünner Zustellung beim Schleifen per Hand schon passieren kann) und eine gute Härtung, wo die Klingen hängen oder sauber aufrecht im Ofen stehen. Vlt. habe ich noch was vergessen, aber es wird schon deutlich, dass das schwer zu gewährleisten ist und man bei dünnen Klingen nie so wirklich sicher sein kann, dass da bezüglich Verzug nichts passiert. Sicher kann man vorab Spannungsarmglühen, aber ein Restrisiko bleibt immer.

Und da schließt sich der Kreis: am besten unterschreitet man ein gewisses Maß nicht vor dem Härten und macht den Rest des Ausdünnens danach. Was natürlich ohne Bandschleifer kaum effektiv möglich ist. Vlt. mit den entsprechende Steinen, viel Muskelarbeit und auch Zeit - aber das ist definitiv nichts, was ich gerne machen wollte. Und auch nicht bei den Stählen, die prädestiniert sind für so dünne Klingen (wobei ich den 1.2003 auch nicht für erste Wahl für sowas halte).

Nochmal zurück zu den Maßen: eine moderat feine Klinge für die Küche würde ich im Bereich 0,2-0,25 (max. 0,3)mm ansiedeln. Ein 'Laser' liegt noch darunter. Das so als Antwort auf die Frage, wo man bei den kurzen Schneidfasen verortet ist. Das ist ein Viertel (bzw. 25%) von dem, was Du momentan hast. Dies nur so als Verdeutlichung, dass der Unterschied zwischen z.B. 0,5 und 0,25 - auch wenn es sich nicht unbedingt viel anhört (das ist ja alles sehr fein schon, wenn man vorher nie in diesen Bereichen gearbeitet hat) - 50% beträgt, sprich das Doppelt bzw. die Hälfte ist.

Wenn es jetzt um Lösungen geht:
So fern es um die jetzige Klinge geht und Du ja keine Maschinen für eine effektive Bearbeitung hast: da würde ich das jemanden machen lassen. Z.B. Jürgen Schanz einmal anfragen, was er für das Ausdünnen Deiner Klinge nehmen würde.

Soll es um ein weiteres Messer gehen, so würde ich einen anderen Stahl nehmen, mir vorab einen begnadeten Härter suchen und mich dann bzgl. der Maße vor dem Härten beraten lassen. Hier würde ich auf Achim Wirtz verweisen. Der könnte Dir auch in Bezug auf Stahlwahl und -beschaffung weiter helfen.

Viele Grüße,
Torsten
 
Erst Mal vielen Dank für den ausführlichen und guten Beitrag bzw. Antwort! Das hilft schon mal enorm weiter. Ich hätte jedoch noch 2-3 Gegenfragen:
  • Warum ist 1.2003 kein guter Stahl für dünne Kochklingen? (Ich habe den ausgesucht da am günstigsten von den für Kochmesser deklarierten Stählen bei Schmiedeglut, halt zum ausprobieren)
  • Wie dünnt man denn, abseits von Schleifsteinen, ein Messer mit einem Bandschleifer nach dem Härten? Das müsste doch über eine aktive Kühlung verfügen, da sonst der Stahl zu heiß wird?
  • Ich würde als Lerneffekt gerne die Klinge selber dünnen (Wenn es nicht klappt versuche das extern machen zu lassen), mehr als schiefgehen kann es ja nicht. Dazu würde ich einen 320er Whetstone holen?
  • Ich habe mir jetzt 1.1274 bestellt für die nächsten Messer, bei dem würde ich dann auf 0,5mm vor dem Härten versuchen zu kommen. Ich hoffe das wäre eine bessere Kombi?
 
Ich bin auch noch ein Novize, habe aber dasselbe Problem gehabt. Hier meine Erfahrung zu deinen Fragen:
  • Schleifen mit dem Bandschleifer nach dem Härten: Je nach Band, Körnung, Geschwindigkeit, Kontaktfläche, Anpressdruck usw. entsteht natürlich Wärme. Stetige Kühlmittelzufuhr ist schön, aber nicht zwingend notwendig. Bei der Arbeitet entwickelt man rechr schnell ein Gefühl dafür, wie lange man arbeiten kann, bevor die Klinge im Wasser geschwenkt wird. Gerade wenn es dünn wird, also kaum Wärmeabfuhr in das Material stattfinden kann, gilt es sehr aufzupassen. Ein stumpfes Band, eine Sekunde zu lange Kontakt und das wars. Ich bin sehr vorsichtig unterwegs und hatte selbst mit dem Finish auf dem 800er Band keine Schwierigkeiten.
  • Das Ausdünnen auf einem Stein ist ein längerer Prozess, der mir jedoch mehr Feedback und Kontrolle gibt. Scharfe Übergänge und präzise Linien treffe ich besser. Ich empfehle einen 120er Stein für den flächigen Materialabtrag. Im Vergleich zum Bandschleifer, fallen mir Planflächen einfacher. Auch das auspolieren hin zum Spiegel-finish machen mir auf dem Wasserstein richtig Spaß und hat beinah etwas meditatives. Sobald die Konturen anders sind, ballig oder hohl, bin ich lieber beim Bandschleifer mit leicht durchhängedem Band oder dem Kontaktrad.
  • Zu dem Stahl: 1.2003 (75Cr1) als auch 1.1274 (C100, 1095) sind gutmütige Stähle und für den Anfang sicher nicht schlecht - insbesondere dünn ausgeschliffen machen die Spaß. Sicher sind 1.2510, 1.2419 und 1.2562 wunderbar mit ihren feinen Wolfram-Karbiden, aber man muss sich ja auch noch Entwicklungsspielraum lassen.
Hier noch zwei Beispiele:
Jeweils geschmiedet, geschliffen, gehärtet, geschliffen, gefinished, Griff dran.
Als aller letztes kam die Schneidfase und der Moment der Unzufriedenheit, dass die noch zu dick waren... nachträglich weiter ausgedünnt.

Santoku grober Torsionsdamast aus 1.2510 und 1.5634

IMG_20221012_210137.jpg (https://drive.google.com/file/d/1_Rux1tMTdoMqhd6DgmR3pbCOs2z_14MP/preview)

"IMG_20221010_103316.jpg (https://drive.google.com/file/d/1ZKJHuUG_PplTDazkjIQgD8MHPlqQyrp_/preview)

Noch ein Santoku aus reinem Kohlenstoffstahl mit Hohlschliff (300er Kontaktrad am Bandschleifer), hat ca 0,2 mm gemessen 2 mm über der Wate:

1665924026664.jpg (https://drive.google.com/file/d/1a6EPYYDfCI6ruPKbcLg979qQJEXVHcx7/preview)

IMG_20221016_152505.jpg (https://drive.google.com/file/d/1aE3moDLuH2phVB28cEEzZVqBFWrw4yFK/preview)
 
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Erst mal danke für so ne späte Antwort! Mittlerweile habe ich schon ein paar Messer mehr gemacht und mir einen billigen Einhell Kombibandschleifer geholt. Das mit dem Ausdünne klappt dank Keramikschleifbänder gut, was nicht gut klappt ist das Handschleifen nachdem ich die Klinge nach dem Härten ausgedünnt habe (Ich mache nur Küchenmesser, andere interessieren mich nicht). Ich kriege hier immer Ausbrüche und muss die höhe verringern und dann wieder ausdünnen, super frustrierend.

Das schleifen per Hand ist einfach nicht meins, auch das ausdünnen mit einem 120er Stein. Ich habe einen 220er extra für das original erwähnte Messer erwähnt und mal angefangen...es macht mir wirklich so wenig Spaß das ich nach ca. 1h aufgehört und nie wieder weiter gemacht habe. Das Ausdünnen nach dem Härten mache ich natürlich ohne Handschuhe und, so ist mein Eindruck, ich konnte bisher verhindern das die Klinge zu heiß wurde.

Finish mit dem 800er...heißt das du hast nach dem Härten mit Schleifband ausgedünnt und dann mit immer feineren Schleifbändern die Oberfläche "poliert"? Bisher schien der grundsätzliche Ratschlag zu sein bis ca. 120 Körnung mit dem Bandschleifer, danach per Hand und genau das geht bei mir immer schief
 
Tatsächlich mag ich sowohl die Arbeit am Bandschleifer, als auch am Stein - absolute Abneigung habe ich gegenüber dem Handschleifen mit Papier, wohl auch, weil ich bislang kein qualitativ gutes und vernünftig gestaffeltes Schleifpapier habe.

Genau, nach dem Härten am Bandschleifer so fein wie es geht - immer vorsichtig, die feinen Bänder generieren deutlich schneller Hitze.
Hier finde ich die 3M Trizact für feinere Körnungen genial. Die bleiben kühl, laufen super ruhig und haben guten abtrag, während Korund einem schon längst den Stahl verbrannt hätte.
Ich gehe über das "337 DC" (das Band mit den vielen einzelnen Schleifklötzen, die ewig halten) in 280er und 400er Körnung auf "237 AA" mit 800er Körnung (bzw. A030 schimpft sich das bei 3M).
Das hat sich für mich bislang super bewährt.

Ausbrüche sollten per Hand mit Papier nicht entstehen. Das hört sich für mich an, als sei das Material zu spröde.
Wie hast du die Wärmebehandlung durchgeführt?
 
Dann muss ich mir mal neue Schleifbänder zulegen, aktuell habe ich nur 60, 80 in Keramik und 120 Oxid-irgendwas. Ich plane mir aber dieses Jahr den günstigen Schleifer von dem Polen zu holen, im besten Fall mit der Modifikation zu 50x1000 Schleifbändern, denn 50x900 kriegt man hier kaum.

Ich nehme an dass die Ausbrüche daher kommen, das ich zu dünn mit dem 80er ausgedünnt habe und die Rillen die das Band verursacht, zu tief sind. Wenn ich dann anschließend die Oberfläche per Hand schleife bekomme ich immer die Ausbrüche an der Schneide. Die sehen ziemlich genau wie das hier aus

Die Wärmebehandlung lasse ich von Schmiedeglut (meine letzten Messer von Schanz, davon haben sich leider 2 verzogen, sicherlich durch unsauberes Schleifen von mir) durchführen, also nehme ich an die wurde optimal durchgeführt. Ich bin sicher dass das Übung ist wie dünn man mit 80, 120 usw. auschleift...das Problem ist, ich habe keine Mittel bzw. Platz um selber das Wärmebehandeln/Härten durchzuführen und eine Klinge die dann durch das Ausbrechen oder Wärmebehandeln kaputt geht oder unbrauchbar ist, ist schon nen blöder monetärer Verlust.
 
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