Etwas additiv....

dinscheder

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Guten Tag zusammen,

da ich zurzeit nicht zum Schmieden komme und in der neuen Wohnung (noch) kein Drehstrom für den Bandschleifer liegt, musste ich die Projekte etwas ändern. Durch meinen Job habe ich Zugriff auf einen 3D Drucker und kann dort hin und weder ein Teil mit laufen lassen. Die ersten Versuche wollte ich mit euch teilen.

Entstanden ist ein Küchenmesser klassisch "Hightech". Fertige 3 Lagen Klinge aus Japan mit Papierstahl, von mir noch etwas ausgeschliffen aber sonst sehr rustikal belassen. Der Griff ist aus dünnwandigem (1mm) Titan und hohl. Wie sofort auffällt stammt die Idee der Form von CHROMA - es liegt ganz wunderbar in der Hand, die leichte Mulde bietet einen haptischen Punkt für Daumen und Zeigefinger, wo auch der Schwerpunkt liegt. Macht Spaß das kleine Messer, dem Laser reichen ein paar Züge auf dem Leder mit SiC-Paste und die Haare fliegen nur so. Hier ein paar Eindrücke:

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Neben dem Küchenmesser habe ich drei andere Messer an denen ich arbeite, wo ebenfalls Griffe durch selektives Laserschmelzen aus Titan (Grade 5) gefertigt werden.
Zum einen ein Messer mit hohlem Griff, in welchen ein Feuerstahl (8mm Durchmesser, 80 mm lang) mit M10 geschraubt werden kann (oder z.B. ein Schärfer). Die "M10" Kammer ist von der anderen getrennt, welche den Rest des Griffs ausfüllt. Diese kann z.B. mit Feuerzeugbenzin des Desinfektionsmittel befüllt werden. Große Spielerei, die ich eigentlich nicht so mag, aber da der Platz im Griff vorhanden war, dachte ich mir warum verschwenden.
Die Klinge könnte mit zwei M4 Schrauben nur geklemmt werden, sodass diese wechselbar ist oder aber klassisch eingeklebt. Das habe ich noch nicht entschieden. Was meint Ihr? Wechselsystem mit Klingen für verschiedene Aufgaben? :hehe:
Der Griff ist noch verfärbt von der Wärmebehandlung und nicht fertig bearbeitet.

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Das nächste Projekt sind zwei Messer mit ähnlichem Aufbau in zwei Größen. Klingen aus Niolox schon vorbereitet, aber passen von der Dicke noch nicht in den Griff.
Die Kappe ist hinten nur gesteckt und wird über eine zentrale Schraube (verdrehsicher) an den Griff gezogen. In die quadratische Öffnung kommt ein kleiner Edelstahl Vierkant mit M4 Gewinde in der Mitte, in welches die Schraube greift. Es können so Scheiben aus Sohlenleder (großes Messer) und Birke (kleines Messer) gestapelt werden. Ohne Kleber können die Griffe jederzeit nachgespannt, ausgetauscht und repariert werden. Ich liebe das Griffgefühl von Leder oder noch besser Birke. Durch das Titan extrem leicht, korrosionsfest und unzerstörbar. Klingen werden hier eingeklebt.

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Hoffe euch gefallen die Ideen und natürlich freue ich mich über Anregungen oder Verbesserungsvorschläge zu den Projekten.



Liebe Grüße,

Dinscheder
 
Hallo,

ich bin gerade ganz geflasht. Wenn ich das richtig verstehe, hast du die Griffe aus Titan(pulver) mit dem Verfahren des Laserschmelzens gedruckt. Das man auch Titan drucken kann, war mir völlig unbekannt. (Klar schon von 3d Metalldruck gehört, aber nie so drüber nachgedacht.) Also, was heutzutage nicht alles geht, echt irre.
Ist das sehr aufwendig, die Zeichnung für so einen Griff zu erstellen? Oder hast du die Griffe gescannt?
Und das Verfahren selbst muss doch auch nicht grade billig sein, oder?

Gruß

yaammoo
 
Moin,

gerne erkläre ich kurz etwas dazu, kennen vielleicht wirklich noch nicht alle:

Genau die Griffe wurden mit dem Verfahren "Selektives Laserschmelzen" hergestellt. Das basiert auf Metallpulver (runde Partikel im Durchmesser von ca. 15-45um), welches schichtweise mit einer Dicke von ca. 0,03 - 0,1 mm (typisch sind 0,05 mm) aufgetragen und in jeder Schicht lokal durch einen Laser aufgeschmolzen wird. Je nach Höhe können da ein paar hundert bis einige tausend Schichten zusammen kommen. Der Bauraum ist je nach Maschine ca. 280 mm x 280 mm x 300 mm, sodass da auch gut Kleinserien mit hergestellt werden können. Das nicht aufgeschmolzene Pulver wird gesiebt und wieder verwendet im nächsten Job.

Verarbeiten lassen sich sehr viele Metalle, am einfachsten welche die sich auch gut schweißen lassen, aber auch Werkzeugstähle sind machbar. Wir verarbeiten "Edelstähle" wie 316L, Aluminium (AlSi10Mg), Bronze (CuSn8), Nickelbasislegierungen (INC718), Titanlegierungen (Ti6Al4V), Kobalt-Chrom, Werkzeugstähle wie 1.2709, Vergütungsstähle, Einsatzstähle etc.
Das Titan des Griffes hat beispielsweise eine (Zug-)Festigkeit von ca. 1100 MPa bei einer Dichte von über 99,9 Prozent. Das ist selbst mutwillig nicht kaputt zu machen.

Die Basis für den Druck ist immer ein CAD Modell. Dieses kann durch einen Scan (Punktewolke) entstanden sein oder aber konstruiert wie in diesem Fall. Für den Druck wird das Dateiformat .STL benötigt, welches die Gestalt durch Dreiecke annähert. Es gibt genug kostenlose CAD Freeware, mit denen so ein simpler Griff schnell gestaltet ist. Die Möglichkeiten des Verfahrens habe ich da nicht wirklich ausgereizt, es können sehr komplexe Gitterstrukturen, dünne Wandstärken, Hohlräume etc. gefertigt werden, die mit keiner Fräse oder Guss hergestellt werden könnten. Kreative Menschen haben da einen teuren aber sehr coolen Spielplatz :D

Ja wenn man es fertigen lässt ist es schon teuer, wobei die Maschinenstunde schlimmer ist als der Materialpreis bei den Abmessungen.

Wenn Fragen dazu bestehen helfe ich gerne weiter. Ist ein spannendes Verfahren, welches sich immer mehr verbreiten wird und eine Frage der Zeit bis der erste Serienhersteller eine (limitierte/teure) Kleinserie z.B. mit Titan-Klappmesser Griffen auf den Markt bringt.



Heute Nachmittag werden die Klingen mit einem Bekannten geschliffen und gehen dann zu Herrn Schanz zur WB. Den Fortschritt werde ich hier einstellen.


Liebe Grüße,

Dinscheder
 
Vielen Dank, Dinscheder für die Einführung. Hochinteressant.
Ich habe mich da jetzt auchmal ein bisschen eingelesen. Das ist wirklich ein Zukunftsfeld und wird einiges verändern, was Formgebung und Herstellungsprozesse betrifft.

Gruß

yaammoo
 
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