faserrichtung in stahl? [Walzrichtung?]

Simon, sobald man ein Loch bohrt, sind die Fasern angeschnitten. Das Formen ist nicht schlecht, das geht natürlich nur mit Werkstoffen, bei denen die plastische Verformung rißfrei ertragen wird. Man verformt, der Werkstoff verfestigt, kriegt keine Risse (Ermüdung!), und die bei der plastischen lokalen Verformung eingebrachten Druckeigenspannungen wirken den bei Belastung auftretenden Zugeigenspannungen kompensierend entgegen.
Fasertheorie brauchts nicht.
Man muß immer unterscheiden zwischen einleuchtender Erklärung und dem, was wirklich ist. Selbst wenn es Fasern hätte, und die nicht durch die Bohrung zerschnitten wäre, warum eine Theorie bemühen, die nicht nötig ist, wenn es eine Erklärung gibt.
 
Ich will, was Herbert und Arno geschrieben haben, noch einmal auf einen einfachen Nenner bringen und verdeutlichen, wo die Vorstellung von der Faserstruktur des Stahls herkommt, was darin richtig ist und was mißverständlich ist.
1. Stähle, die mit vielen Verunreinigungen erzeugt wurden, die sich durch Wärmebehandlung nicht lösen lassen, haben eine Faser, da sich die Verunreinigungen in der Verformungsrichtung strecken. Diese Phänomen ist sehr schön an alten Puddelstählen oder noch älteren Stählen zu sehen, die viele Silikateinschlüsse haben, die sich wie Fädchen durch die Stahlmasse ziehen.
Ähnliche Erscheinungen treten bei billigen Federstählen auf, bei denen man die Kosten gescheut hat, zu hohe Schwefelanteile beim Erschmelzen zu beseitigen. Sie würden zum Rotbruch führen, wenn man sie nicht durch geeignete Maßnahmen unschädlich macht. Die gängige Methode ist die Zugabe von Mangan, der den Schwefel in Sulfiden bindet. Diese Schwefelsulfide haben einen hohen Schmelzpunkt, sodaß das Problem mit der Rotbrüchigkeit verschwindet. Beim Walzen werden diese Mangansulfide wie sonstige Verunreinigungen in der Walzrichtung mitgestreckt und führen ebenfalls zu einem zeiligen Gefüge.
In modernen, sauber erschmolzenen Stählen kommen diese Verunreinigungen -hoffentlich- nicht mehr vor.
Unterschiedliche Eigenschaften des Stahls längs und quer zur Walzrichtung treten aber auch beim optimal hergestellten Stahl auf, wenn er ledeburitisch ist, also Primärkarbide aufweist. Diese können durch Wärmebehandlung allein nicht mehr gelöst und beseitigt werden und werden beim Walzen oder Schmieden teilweise zertrümmert und in die Verformungsrichtung mitgestreckt. Dabei entstehen hinter den zertrümmerten Karbidteilchen oft noch Vakuumschwänzchen. Dies führt dazu, daß diese Stähle in der Längs-oder Querrichtung zur Verformung deutlich unterschiedliche Eigenschaften haben. Man kann als Faustregel sagen, daß die mechanischen Eigenschaften in der Längsrichtung etwa doppelt so gut( oder: nur halb so schlecht ) sind, wie in der Querrichtung. Dies war u.a. ein Grund für die Entwicklung der PM- Stähle.
2. Bei Stählen ohne Primärkarbide können alle Karbide durch eine geeignete Wärmebehandlung gelöst werden. Durch geeignete thermomechanische Behandlungen- sprich Walzen oder Schmieden - können sie völlig neu angeordnet und verfeinert werden. Das gilt in gleicher Weise für das Matrixkorn, das beim Schmieden durch die mehrfache Erwärmung und Abkühlung umgekörnt wird. Danach spielt die ursprüngliche Walzrichtung keine Rolle mehr. Ich gehe auch davon aus, daß die Stahlwerke ihre Produkte nach dem Walzen gehörig normalisieren und weichglühen, sodaß auch da die ursprüngliche Walzrichtung keinen Unterschied machen sollte. Es ist daher sicher unbedenklich, wenn bei Dovo die Rohlinge für die Rasiermesser aus dem breiten Blech quer abgeschnitten werden.
3. Bei Stählen ohne Umwandlung, etwa rein ferritischen oder rein austenitischen Stählen, ist eine durch Walzen entstandene Textur möglicherweise schwieriger zu beseitigen. Diese Stähle kommen für Schneidwerkzeuge aber sowieso nicht in Betracht und brauchen uns daher nicht zu kümmern.
MfG U. Gerfin
 
Mal ne ganz blöde Frage am Rande:

Woran erkenne ich denn die Walzrichtung überhaupt, wenn ich nur kleine Streifen vor mir habe, aber nicht die ganze Tafel ?

Die meisten Blechtafeln sind als Verkaufszustand gebürstet, daraus kann ich keine Rückschlüsse ziehen, in welche Richtung ich den Stahl später vorzugsweise zerteilen kann oder muss.

Gruß Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn überhaupt, dann am besten mittels Röntgentechnik. Wenn der Stahl ordentlich behandelt ist, sieht man kaum was, man muß aber auf jeden Fall mindestens zwei Schliffbilder machen.
 
Hallo Leute

Spät, aber doch noch, ist mir etwas aus meiner Berufsschulzeit eigefallen:

Unser Lehrer in technischen Fächern hat nämlich mal genau die hier ebenfalls ausgiebig diskutierte Frage gestellt: "Wie erkenne ich eigentlich die Walzrichtung bei einem Blech?"

Keiner wußte darauf eine gute Antwort.

Unser Lehrer meinte daraufhin:

"Die Walzrichtung wird, bei Blechen, bei denen es darauf ankommt, vom Walzwerk gekennzeichnet"

Keine Ahnung, ob das heute noch zutrifft (es werden ja, wie mehrfach gesagt, von den Werken die unterschiedlichsten "Verrenkungen" gemacht, um möglichst homogene Qualitäten zu erzeugen), aber es klingt für mich jedenfalls sehr plausibel (gerade im Baustahlbereich).

Frage:

Ist das wirklich so, oder war das mal und ist nicht mehr? (Der Lehrer war damals bereits ein etwas älterer jahrgang und bezog sich wahrscheinlich auf vor längerer Zeit einmal erlerntes).
 
@ Arno
Hab fast 20 Jahre in einer Gesenkschmiede gearbeitet,alle gesenk-rohlinge ,also stahlblöcke von einer grösse 500*500*1000 waren vom hersteller mit dem faserverlauf gekennzeichnet um die gravur in die richtige seite zu arbeiten.
bei geschmiedeten Kurbelwellen wurden vor dem Gesenkschmieden die
hübe am Lufthammer vorgebogen um den faserverlauf nicht zu durchtrennen.
Die fertig wärmebehandelte kurbelwelle wurde dann auf Wunsch des Herstellers der länge nach getrennt und -ähnlich dem Damastätzen-in Säure gekocht.
Darnach war der faserverlauf und der induktiv gehärtete kurbelhub
deutlich zu erkennen-allerdings 20 jahre her-heute ist ja der stahlguss
ja schon gut genug .
ach ja,nach dem schmieden erfolgte die vom stahlhersteller empfohlene
wärmebehandlung
viele grüsse
 
Vielleicht meint der Schreiber im Wikipedia-Artikel vielleicht die "Faser" in einem Damast? Das vorausgesetzt, würde der Artikel mehr Sinn machen. Für mich... zumindestens jetzt im Moment...
 
@ Gerfin: Das macht endlich mal Sinn. Mir scheint das in dieser Diskussion hochlegierte St"ahle und Karbonst"ahle wild vermischt werden.

Soweit ich wei"s ist Kerbschlagz"ahigkeit in L"angsrichtung eher in der Gr"o"senordnung von 10x so gro"s wie in der Querrichtung f"ur St"ahle wie 440C, was ja nicht eben unbeliebt als Messerstahl ist. Allerdings wird 440C gew"ohnlich auch nicht geschmiedet. Soweit ich wei"s achten alle gro"sprduzierende Messerfirmen (Spyderco, Benchmade, CRKT, B"oker etc) auf die Walzrichtung des Stahls. Ich bezweifel allerdings, da"s die die Ausschnittrichtung f"ur einen Doch "andern w"urden.
 
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