Feile in Messer verwandeln, Bericht

Stefan Ko.

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Tach zusammen,

vor ein paar Wochen habe ich mich neu hier angemeldet, weil ich eigentlich Infos zu Laguiole-Messern haben wollte. Nachdem ich hier ein wenig herumgestöbert habe und einige Bilder und Berichte über Messerbau gelesen habe, und außerdem in der Zwischenzeit 'n Messerbausatz für ein Klappmesser erworben habe (eigentlich mehrere), hab ich festgestellt, daß das Spaß macht und wenn man dann hinterher sogar ein Ergebnis in den Händen hat auch sehr zufrieden macht.

Jetzt hatte ich im Keller noch eine alte Feile. So ist in mir der Entschluß gereift, die ein wenig umzubauen. Da meine räumlichen Gegebenheiten etwas begrenzt sind (nur Küche und Balkon zum basteln) und ich außerdem nicht so über den Maschinenpark verfüge, habe ich das mit einfachsten Mitteln versucht. Werkzeug: was man eben so im Haus hat. Ein paar Hämmer, ein paar Zangen, eine Feile, eine Raspel, ein Satz Schlüsselfeilen, eine Flex, eine Bohrmaschine ein Grill und ein Backofen.

Jetzt kommen einige Fotos; insgesamt 19. Die stumpfe abgeliebte Feile:

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beim Saubermachen stellte ich fest, daß das Werkzeug von der Firma "Pferd" ist.

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Die ist ganz in der Nähe des Ortes in dem ich aufgewachsen bin. Ich war mit der Urenkelin des Firmengründers in einer Klasse. Deswegen sollte die Schmiedemarke sozusagen als Jugenderinnerung erhalten bleiben.

Der Grill wurde angewirfen um die Feile weichzuwärmen.

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Die Feile wurde erhitzt bis unmagnetisch. Das hat so leicht dunkelrot geleuchtet. So habe ich es eine Weile gehalten, was sehr arbeitsaufwendig war und auch für sehr warme Hände gesorgt hat. Ich habe dafür eine alte Zeitschrift als Fächer verwendet. Die Feile habe ich über Nacht auf dem Grill abkühlen lassen.

Dann habe ich eine Zeichnung gemacht und die Skizze mitm Edding auf das Metall übertragen.

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Mit etwas Muskelschmalz, der Flex und der schneidenden Feile (Lux, seelenloses Teil mit Plastikgriff; eine Seite plan, die andere halbrund) habe ich das Ding in Form gebracht.

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Ich habe beschlossen, das es einen Namen erhalten soll. Die Klassenkameradin (oben erwähnt) hieß Janette mit Vornamen. Schannet :hehe:, schöner Name. Die Kinder von dem Unternehmer fingen alle mit "J" an. Also Janette (ohne "e" nach dem "a").

Nachdem Jannettes Rohling in Form gebracht war, konnte sie gehärtet werden.

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Habe dafür Altöl von meiner BMW genommen. Warum hat mir keiner gesagt, daß man besser entweder eine lange Zange oder aber Handschuhe nehmen soll, wenn man differentiell härten will. :confused:

Nach dem Härten sah Jannette etwas "tactical" aus. Hätte man eigentlich so lassen können. Zu dem Zeitpunkt hatte ich in Erwägung gezogen stabilisierte Nylonschnur als Griff zu verwenden.

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Anlassen im Backofen:

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Zweimal bei eingestellten 200°C. Die Anlaßfarben zeigten mir, daß der Thermostat von dem Backofen-Grill für den Allerwertesten ist. Das sind locker 250-320 Grad in dem Teil. Kein Wunder, daß mir die Pizza immer anbrennt. :staun:

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Dann polieren, bis man sich sehen kann.

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Härtetest: Jannette schneidet nach dem Schärfen einen Span von einem 1mm Blech und geht anschließend ohne Scharte durch Papier.

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Dann kann ja zusammengebaut werden. Als Griffschalen werden Horn verwendet. Eine Stange vom Rosenstock eines Sechsender-Rothirschbock. Die Krone kann man jetzt leider nicht mehr komplett als Messergriff verwenden, weil ich genau diese Dicke brauchte.

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Die Einzelteile:

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Ich wollte zuerst ohne Mitres, aber habe dann im Baumarkt ein Messingband von 100mm x 15mm x 2mm geholt. Da die Backen etwa 5mm pro Seite haben mußten, habe ich drei Lagen pro Seite mit einem Stück 8mm x 1,5mm Kupferdraht vernietet.

Die Griffschalen habe ich an die angefasten Messingbacken angepaßt, mit Epoxyd verklebt und mit Eisennägeln vernietet. Schön, auf Horn kann man prima mit dem Hammer herumklopfen ohne daß es sich spaltet (..wie zum Beispiel Holz). Während das trocknete, habe ich schonmal etwas Leder für Jannettes Scheide zurechgeschnitten. Ist ja schließlich 'n Mädchen :hehe:.

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Da ich keine Lochpfeifen habe, wurden die Löcher für die Naht mit Blaukopf-Nägeln gepierced. An dieser Stelle Dank an Herrn Dipper für seine Anleitung zum Scheidenbau.

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Ich habe die Scheide zunächst als Steckscheide ausgeführt. Habe aber noch eine Öse angebracht, damit man später per Schnalle das Messer auch an den Gürtel hängen kann. Mit ihren 13cm Klingenlänge ist Jannette sowieso zu lang, als daß man sie straffrei als Jedentag-Messer tragen könnte. Zum Apfel schälen oder mal einen losen Faden abzuschneiden reicht mir eigentlich ein N°7 Opinel in der Jackentasche. Jannett ist eher etwas um eine Wassermelone zu spalten oder eine loses Bergsteigerseil zu trennen. :hmpf:

Ja gut, nachdem die Griffschalen mit Schmirgelleinen in absteigender Körnung bearbeitet wurden war Jannette plötzlich fertig.

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Die "Pferd" Schmiedemarke ist erhalten geblieben. Eigentlich hätte ich es ursprünglich lieber ohne den Erl-Ansatz von der Feile gehabt. Aber so hat man dann noch eine Öse für eine Handschlaufe. Spielerei.

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Gewicht: 270g, Länge der Klinge: 13,3cm. Schön für die Gartenarbeit.

tschö! Stefan
 
Urig passt. :D

Die Schneide ist mir etwas zu ballig. Das habe ich mit der Lux-Feile nicht besser hinbekommen. Ich glaub, die ist jetzt auch "Rohmaterial". Wenn mir mal ein Bandschleifer in die Quere kommt, werde ich sie mal da drüber ziehen. Diät, Quasi. :hehe:
 
Super schön gemacht und toll beschrieben.

Vor allem mit so einfachen Mitteln.

Da bekommt man direkt Lust nach einer alten Feile zu suchen :)
 
Hallo Stefan,

wirklich tolles Messer, gefällt mir sehr gut, besonders das es mit so einfachen mitteln gemacht ist...

mir fält gerade ein, ich hab ja auch noch eine feile im keller, eine mit abgebrochenem erl... du machst mir wirklich gerade lust, jetz so'n messer zu machen ! :hehe:

du schreibst :
Zweimal bei eingestellten 200°C. Die Anlaßfarben zeigten mir, daß der Thermostat von dem Backofen-Grill für den Allerwertesten ist. Das sind locker 250-320 Grad in dem Teil. Kein Wunder, daß mir die Pizza immer anbrennt.

wie lange lässt du denn das messer jeweils im backofen?
bis die gewollte anlaßfarbe erreicht ist, raus damit abkühlen, und das selbe von vorne warscheinlich, ich bin mir nur nicht ganz sicher dabei ob es so stimmt wie ich denke (sry. bin in der sache noch völliger neuling)...

und zum Härten:
wie hoch erwärmst du denn da die feile? ebenfalls wie beim weichglühen ?
also bis der Magnet am Feilenstahl nicht mehr hält... ?

Harr, ich muss jetz wirklich die alte feile für sowas im warsten worte ''vergewaltigen'' (sry. :p)

Grüße Thomas
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Teil ist echt genial geworden!
Mir gefällt das Rustikale auch besser. "Back to the Roots" :super:
Und Danke für die Beschreibung.

Gruss, Worber
 
es freut mich, daß Ihr auch Spaß daran habt.

@Thomas: die Fragen über die Wärmebehandlung findest Du in ausgezeichneter Form hier beschrieben. Das ist das hiesige Unterforum über Materialkunde. Da stehen die Basics über Weichglühen, Härten, Anlassen und die Eigenschaften der wichtigsten Stähle. Da hab' ich meine Infos her, die ich brauchte. Ich bin auch nicht aus dem Metier und im wirklichen Leben im Gesundheitswesen tätig. Das mit der Feile fand ich sehr geeignet, weil ich meine verstanden zu haben, daß Werkzeugstahl -und gerade der von Feilen- besonders gutmütig ist und viel verzeiht. Im Prinzip: Weichwärmen bis das Kristallgitter des Stahls die Kohlenstoffatome wieder freigibt, so daß diese sich locker im Gefüge umherbewegen. Nach einem Herrn Austen als Austenitisierungstemperatur bezeichnet. Das ist dann, wenn das Ferrum eben nicht mehr magnetisch ist. Temperatur einen Moment halten (~15min) und dann langsam abkühlen lassen. Dann sind die C-Atome nicht mehr im Kristallgitter "eingeklemmt" und das Material ist weich. Härten funktioniert so, daß eben wieder das Austenit erzeugt wird (dieses ist nicht magnetisch -ca. 800°C) und dann abschrecken, daß die C-Atome im Gefüge eingeklemmt sind.

Das Anlassen sorgt dafür, daß das Material entspannt wird und seine "Glashärte" verliert. Ich hab mal vor 20 Jahren sowas versucht und wußte darüber überhaupt nicht Bescheid. Da habe ich das Messer, an dem ich lange gearbeitet habe im Kamin der Eltern geglüht was das Zeug hält und in kaltem Wasser abgeschreckt. Hab mich gefreut, daß das Ding so schön hartr geworden war und munter daran herumgefeilt. Es ist wie Glas dabei in mehrere Teile zersprungen. An den Bruchkanten sah man das Korn so wie bei Grauguß oder Spritzguß. Frustriert habe ich bis jetzt die Finger davon gelassen und es den Leuten überlassen, die Ahnung davon haben. Aber jetzt hat es mich gepackt und ich wollte es nochmal versuchen :steirer:

Wegen der Dauer des Anlassens über die Temperatur hinaus: Ich denke, daß der Faktor "Zeit" auch eine Rolle spielt. Mir war es wichtiger, das Material vernünftig zu entspannen, als nur eben auf strohgelbe Anlaßfarbe zu bringen und zu riskieren, daß mir das nochmal kaputtgeht. Dann lieber etwas Härteverlust. Ich habe die Ofentür aufgemacht als es blau wurde und die Temperatur heruntergedreht. Aber so, daß sich das Farbenspiel auf der polierten Klinge noch bewegte. Aber einmal blau wird nicht wieder gelb. In den richtigen Anlaßöfen wird die Temperatur ganz genau kontrolliert und das Material wir hängend bewegt, damit das gleichmäßig angelassen wird. Das ist bei meinem Grill-Backofen nicht möglich. Aber Feilenstahl soll ja gutmütig sein, las ich. Ist offenbar gutgegangen. Es war das erste Mal, daß ich sowas gemacht habe. Learning by doing.

Zeig mal deine Feile, wenn sie fertig bearbeitet ist.

Stefan
 
Super, danke Stefan !

ja, diesen Thread hab ich vor längerer Zeitmal durchgeschaut, hab mir sogar alles auf Textdokumenten abgespeichert, aber es fängt alleine schon an, aus welchem material die feile besteht... Kohlenstoffstahl, klar, aber welche Nr. usw. :hehe:

jedenfalls glaub ich, weis ich jetz wieder bescheid...

die feile hab ich heute schon soweit weichgeglüht, den magneten hab ich von nem kaputten lautsprecher runtergebaut...

erste seite ist bereits die klinge angefast, hab den mittelpunkt der klinge (an dem punkt wo sich die Schneidphase trifft) mit ner bohrerspitze ''angeritzt'' , stärke der klinge = bohrer

den griff werd ich warscheinlich aus buche oder eiche aus dem garten machen, ich müsste noch trockene holzscheitel unterm brennholz haben :D

bilder mach ich dann so bald wie möglich, hab zurzeit leider keine digicam oder so, und handy is nicht das wahre...

und nochmals danke,

Grüße Thomas
 
Hallo nochmal,

jetzt ist es komplett fertig. Habe die Klinge vernünftig geschärft, was bei der balligen Form stundenlang auf den Abziehsteinen gedauert hat. Dann habe ich die Klinge mit Senf eingerieben, damit das Messer eine etwas gebrauchtere Optik bekommt. Ferner wurde die Scheide überarbeitet. Ich wollte ursprünglich eine Gürtelaufhängung mit einer Schnalle machen. Aber als ich das soweit fertig genäht hatte, hat sich herausgestellt, daß das mit der Schnalle etwas arg "aufträgt" und auch beim Tragen eventuell den Griff über Gebühr verkratzen könnte (...was ich zwar nicht schlimm finde, aber unnötig ist). Die Gürtelaufhängung wurde direkt an der Metall-Öse vernäht. Der Fangriemen mit dem Hirschhornknopf, den ich zuerst nur als eine Art Spielerei angebracht habe erweist sich als Multi-Purpose.

feilenmesser1.jpg


mit ihm kann man einmal das Messer sichern, wenn es am Gürtel hängt. Dann kann man ihn dazu verwenden, die Gürtelaufhängung an der Scheide zu fixieren, wenn das Messer im Rucksack transportiert wird (das wird die häufigste Tragemethode für das Teil werden).

feilenmesser2.jpg


feilenmesser3.jpg


Und drittens kann man die Lederschlaufe -wie oben bereits gezeigt- als Fangriemen oder Handschlaufe für das Messer im Gebrauch verwenden.

so long, Stefan
 
...nochmal wegen der Härte des Stahls.

Also, Glas kann man mit der Klinge nicht ritzen. Aber der Versuch eine Dose aus Weißblech damit zu öffenen, war erfolgreich. Einstechen und aufschneiden des Blechs durch hebeln (ähnlich wie bei dem Dosenöffner, das am Schweizer-Messer ist) ging wie durch Butter. Spuren an der Klinge sind davon nicht zu sehen.

feile_dose2.JPG


Stefan
 
Nicht schlecht, Stefan
So ist es auch bei meinem Messerchen. Werde das Teil aber nächste Woche einem Bekannten in die Hand drücken, der ist Werkzeugmacher in einer lokalen Firma. Der kann das dort härten, vll. wird das besser als mein Versuch.
 
Nabend !

Habe dein Bericht jetzt schon des öfteren durchgelesen und bin begeistert !
Frage; wie hast du deine Initialen ins Messer bekommen ? Eingeprägt ?

lg, rüben
 
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