Finger weg von Wootz-Kugeln!

Hephaestos

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Hallo alle zusammen,
Schon seit einiger Zeit interessiere ich mich für die Herstellung und Verarbeitung von Wootz und habe dazu viel recherchiert und ausprobiert. Ich möchte hier kurz auf ein Problem aufmerksam machen, auf das in letzter Zeit im Zusammenhang mit Wootz gestoßen bin.
Bei diversen Internetauktionen werden immer wieder Stahlkugeln angeboten, die angeblich aus Wootz bestehen und in Indien von Schmieden als solches erworben wurden. Die Form eines Barrens als Kugel kam mir von Anfang an seltsam vor und so bin ich mal auf die Suche gegangen...
Ich kann nun mit Gewissheit sagen, dass diese Kugeln aus Kugelmühlen von Erzminen stammen. Vielleicht ist nicht jeder mit dieser Technik vertraut: Stahlkugeln werden zusammen mit Gesteinsbrocken in ein großes Behältnis gefüllt und das ganze bewegt. Durch die hohe Dichte des Stahls und dessen Wucht, wird das Gestein zermahlen. Die Kugeln sind aus Gussstahl, und können durch Zufall in ihrer Zusammensetzung auch einmal Wootz ähneln, d.h. hohe Vanadium-Gehalte aufweisen. Tatsächlich werden diese Gussstahl-Kugeln in Indien z.T. zu Klingen verarbeitet, die in ihrer Qualität aber weit hinter dem antiken Wootz zurückbleiben.
Ich habe selbst in einem verlassenen deutschen Zementwerk solche Stahlkugeln gefunden, weil auch dort der Kalkstein mit einer Kugelmühle zerkleinert wird. Ein paar der Kugeln haben sogar eine schwache dendritische Struktur an der Oberfläche. Dennoch hat dies mit Wootz (Tiegel-Guss) nicht viel zu tun! Die Struktur ist viel schwächer, der Kohlenstoffgehalt meist so hoch, dass das Schmieden fast unmöglich ist, die Körnung viel gröber und außerdem sind diese Kugeln im Internet viel zu TEUER! Solche Kugeln sind garnix wert! Da kann man genauso jeden anderen Gussstahl schmieden, z.B. Eisenbahnschienen.

Wenn man es denn tatsächlich schafft, eine Klinge aus diesen Kugeln herzustellen, mag das Ergebnis gar nicht so schlecht sein, abseits der Tatsache dass es KEIN WOOTZ ist. Ich habe es selbst schon mehrfach versucht, bin aber bislang immer an irgendeinem Punkt gescheitert. Wenn ihr zufällig mal über eine Guss-Kugel stolpert, gebt ihr einen Versuch... aber gebt KEIN GELD für sowas aus! Ich habe die entsprechenden Verkäufer schon mehrfach zu überzeugen versucht, aber die wollen es nicht hören weil sie ja selbst Geld dafür bezahlt haben (irgendwie ja auch verständlich...).

Beste Grüße
Hannes
 
Die Amis sind da schon einen Schritt weiter. Die Sache ist dort in mehreren seriösen Foren (z.B. bei Fogg) längst ausdiskutiert und die Tatsachen sind bekannt. Seriöse Händler wie etwa Oriental Arms haben die Teile mittlerweile aus dem Angebot genommen und nennen die Tatsache, dass es sich um Mill Balls handelt, auch auf ihren Websites.

Übrigens haben wir ein paar dieser Kugeln auch mal analysiert. Auffalend sind neben (zu) hohen C-Gehalten zwischen 1,8 und 2,2 % immer recht hohe Chromgehalte zwischen 2 und 18 %. Und DAS hat es beim Wootz ganz sicher nicht gegeben, wie ebenfalls vorgenommene Analysen an originalen alten Klingen ergaben.

Dass die Dinger schlecht zu schmieden sind, kann ich im Übrigen nur bestätigen. Allerdings geht es noch immer viel einfacher als bei echten Wootz-Königen.
 
Hallo Achim,
ja, die Amis haben das schon früher gemerkt, dennoch scheint sich das in D noch nicht allzuweit herumgesprochen zu haben - sonst würden die Kugeln wohl kaum mehr angeboten werden. Ich hatte im Internet viel herumgesucht, weil mir diese Kugeln seltsam vorkamen. Warum sollte man Barren in Kugelform herstellen? Eine ungeschicktere Form gibt es wohl kaum. Aber weder auf die Begriffe "Wootz ball" "spheroid ingot", "Kugel" noch bei sonst irgendwas bekam ich ein Ergebnis. Letztlich war meine Absicht, mit dem Thread-Titel auch anderen "Suchenden" einen Hinweis zu liefern, auch wenn diese Entdeckung schon andere vor mir gemacht haben - wer kommt schon drauf "mill ball" zu suchen, wenn er gar nicht damit rechnet..?

Ich kann kaum glauben, dass ein echter Wootz noch zäher ist! Ich hab mir bei meinen Vesuchen wirklich fast den Arm verrenkt. Auch ist es eine Herausforderung, so eine Kugel mit der Zange zu fixieren.
Hast du mal eine klinge aus einer solchen Mill-Ball Kugel hinbekommen, und wie härtest du diese? Im Netz ist man sich uneinig ob man so kohlenstoffreiche Stähle an der Luft härtet, oder wie üblich in Öl? Was meinst du dazu?
Falls das jetzt zu sehr off-topic wird, kann ich auch gerne nen neuen Thread aufmachen...
Würde mich über eine Antwort freuen, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass du das nicht zum ersten Mal gefragt wirst :)
Beste Grüße
Hannes
 
Hallo Hannes,
Achim ist für ein paar Tage im Urlaub - keine Ahnung, wann er mal wieder online gehen wird...
machs Dir einfach und schweiß ne Stange an die Kugel, dann gibts das Problem mit dem Halten nicht mehr...
problemloses Härten in Öl, Achim gibt noch 30%Wachs dazu, Hamon sollte auch möglich sein - Ausschmieden bei Rotglut, dann kriegst Du auch das Ausrecken für eine Klinge hin. Wie Du bemerkt hast, mit dicken Unterarmen *grins* - falls es doch mal Wootz sein sollte, denke an die notwendigen Wärmezyklen, damit sich das Muster entfalten kann -
und , bekam ich gerade in Solingen zu hören, ätze nur kurz an, 10-12 sec. abwischen, mit Micromesh anschleifen und wiederholen bis Muster deutlich sichtbar. (Hatte meinen Wootz überätzt) - Nital soll auch gut sein, hab ich noch nicht probiert (danke an Alessio Sassi!)

liebe Grüße
Jokke

PS: GUT, dass du auf den Schmuh hinweist, hatte mich auch schon gefragt, wie das mit der runden Form in einem Tiegel entstehen kann :super:
Millballs, sollte man dem ein oder anderen doch glatt irgendwo hin wünschen :cool:
 
Vielen Dank Jokke,
das mit dem Griff dranschweißen werd ich mal überlegen, da hatte ich gar nicht drangedacht. Ich selbst kann leider nur Feuerschweißen, aber ein Bekannter heftet mir immer meine Damastpäckchen... bei den niedrigen Temperaturen sollte der Griff sogar recht lange dranbleiben. Ist wirklich eine gute Idee!
Die ersten zwei Kugeln mit denen ich das Ausschmieden versucht habe, habe ich immer zu heiß werden lassen, und die zerbröseln dann regelrecht.
Die Kugel die ich gerade in Arbeit habe sieht besser aus, und die hatte auch eine schöne dendritische Oberfläche. In meiner Kohlenesse und mit meinem einfachen 2kg-Hammer dauert das Strecken bei diesem zähen Zeug so lange, dass das Stück am Ende wahrscheinlich an die 100 Wärmezylen hinter sich hat. Vielleicht bringt das dann ja tatsächlich die Struktur ein wenig mehr heraus - wenn es was wird, werde ich mal ein paar Fotos posten... Vielleicht sind die millballs ja gar nicht so schlecht - aber Wootz isses eben keiner, und das wollen ein paar Verkäufer nicht wahrhaben.
Danke nochmals für die Tips,
Grüße
Hannes
 
Ist schade das man für viel Geld glaubt einen Wootz-König zu kaufen, und dann ist es nur ....

Trotzdem sieht das Material ganz interessant aus. Zugegeben ist der C-Gehalt um einiges zu hoch, so das die Schneiden recht spröde werden können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hat jemand mal ne detailaufnahme einer solchen Kugel, ich denke mir im Moment es sollte doch eigentlich der Unterschied schon im Lieferzustand zu sehen sein.
Oder liege ich da falsch???

Tschau Torsten
 
ich denke nicht, dass es sich um kugeln einer kugelmühle handelt. ich habe einige dieser dinger untersucht und sie zeigen keine gussnaht auf. millballs werden üblicherweise in formen gegossen und auch nach langem gebrauch sind immer noch gussnähte zu finden. diese wootz-cakes aber sind weder in eine form gegossen noch in einem tiegel erschmolzen, sondern haben vielmehr an mehreren stellen eindellungen die nicht erklärbar sind. habe diese dinger in einer giesserei hergezeigt aber die wussten auch keinen rat. wer hat eine idee?
 
Oh Mann... sorry, aber dass das einfach niemand wahr haben will! Ich habe solche Teile DIREKT einer Kugelmühle entnommen, bzw. in einem verlassenen Zementwerk unter einer solchen aufgesammelt. Warum sollte jemand Wootz-Cakes in ein Zementwerk tragen und unter einer Mühle deponieren? Die Dellen sind einfach Abnutzung bzw. vielleicht auch "verheilte" Ausbrüche, die bei so hoch Kohlenstoffhaltigem Material mal vorkommen können.
Aber wer es nicht lassen kann und trotzdem gerne dran glauben möchte, hier sagenhaften Wootz in Händen zu halten - viel Spass damit.
Es grüßt frustriert,
Hannes
 
Hannes, kein Grund frustriert zu sein. Das sind dann eher die Leute, die solche Dinger mal ausschmieden und nun mal so gar nicht das finden was sie gesucht haben.

Hier übrigens mal eine typische Analyse einer solchen Kugel, die ich von einem Händler gekauft habe:

C = 2,00 %
Si = 0,5 %
Mn = 1,4 % (!)
P = 0,1 %
S = 0,08 %
V = 0,02 %
Cr = 2,2 % (!!)
Cu = 0,2 %

Insbesondere der relativ hohe Chromanteil zeigt, dass es sich 100 % sicher um modernen, industriellen Gußstahl handelt.
 
Und es fehlt einem der komplette Herstellungsprozess selbst, was mir fast am meisten Spaß macht.

Also jedem das seine dem einem seine Mühlenkugel, dem anderem Wootz.


Sehe das wie Achim also Kopf hoch Hannes, wen das wirklich tiefgründig Interessiert, wird eine Warnung wie deine auf jeden Fall wahrnehmen!!!!
Und wer das Material auch nur halbwegs ein wenig kennt, wird bei diesen Kugeln sofort die typische Oberflächenstruktur vermissen, oder geht das nur mir so wenn ich mir die 1.2.3 kugeln ansehe???


Tschau Torsten

Frustkuchen vom Samstag, weil ich nicht nach Gembloux konnte mußte mittags der Ofen brennen.....
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Zuletzt bearbeitet:
Danke Hannes, ich hatte mir schon überlegt so ein Ding zu ersteigern da hast Du mir durch Deinen Beitrag das Geld dafür und den Ärger erspart.

Meine Mutter sagt immer wenn man selbst kocht weiss man auch was drin ist, das gilt wohl auch für Wootz.
Gruss schakaa
 
hallo zusammen
Jeder der solche "Kugeln" haben möchte kann sich bei mir melden.
Ich arbeite jeden Jan. für 4 Wochen in einem Zementwerk in der Schweiz und da liegen diese Kugeln in jeder grösse herum.Habe eine vor mir auf dem Schreibtisch.
grüsse chregu
 
Hallo

Ich hab auch mal in einem Zementwerk gearbeitet. Wenn die Kugeln eine Weile in der Mühle laufen, sieht man die Gußnaht definitiv nicht mehr. Dafür haben sie dann eine strukturierte Oberfläche.
Es gibt aber verschiedene Sorten der Kugeln. Für bestimmte Bereiche der Zementmühle gibt es spezielle Legierungen. Die genaue Zusammensetzung weiß ich nicht, aber die waren manchmal schlecht bis gar nicht zu schweißen (E-Schweißen) und um einiges Rostresistenter als die "normalen". Wir haben da auch so einiges draus gebastelt, aber nie geschmiedet.
Also zumindest für die Kugeln aus den hiesigen Zementwerken kann man sagen, dass die nicht zufällig Chrom,Vanadium oder Mangan oder was auch immer als Legierungselemente enthalten. Die geraten dann nur ein wenig in der Mühle durcheinander und man kann dann zufällig mal solche und mal solche erwischen...
 
chregu hat mir ein paar Fotos zugeschickt von Kugeln aus einer Mühle in der stark erhitzter Kalk gemahlen wird.

Am Anfang ihres Lebens sehen die so aus:

Kugel03.jpg


Nach heftigem Gebrauch ergeben sich solche und andere Formen:

Kugel01.jpg


Zwischenstadien gibt es in allen abgerundeten Formen und die Größen gehen von 20 bis 120 mm.

Lasst Euch nicht verarschen. Wenn auf rohen Stahlbrocken die oben gezeigten dendritischen Kristallformen weder auf der Oberfläche noch nach einem Anschliff und kurzem Ätzen nicht groß und deutlich sichtbar sind handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht um Wootz.
 
Zumindest was den ominösen Großhändler in falschem Wootz angeht scheint sich die Sache erledigt zu haben.
 
Hier noch zwei Bilder von einigen meiner Kugeln. Wie man sieht, können auch solche "mill-balls" eine dendritische Struktur haben - aber natürlich um ein vielfaches schwächer als bei echtem Wootz.
Mit dem Ausschmieden hatte ich bislang kein Glück, ich denke dass der C-Gehalt einfach zu hoch ist.
Grüße
Hannes

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Offenbar habe ich mich oben doch geirrt...... die Warnung davor, solche angeblichen Wootzrohlinge zu kaufen, sollte besser doch aufrecht erhalten bleiben.
 
Hat denn jemand einen solchen mill ball tatsächlich ausgeschmiedet ?
Ich kann es mir kaum vorstellen.
Die Schmiedbarkeit müßte bei dem hohen C-Gehalt schon so herabgesetzt sein, daß die Kugel eigentlich zerbröseln müßte, bevor sie sich vernünftig verformt.
Man müßte ihr vermutlich durch längeres Glühen in Hammerschlag ein weiches Hemd anziehen, bevor man sie wirklich verformen kann.
Dann könnte sie u. U. Ausgangspunkt für Versuche sein, superplastische UHC-Stähle zu erzeugen. Ohne geeignete Presse oder Lufthammer werde ich mich aber dieser Arbeit nicht unterziehen.
Freudnliche Grüße
U. Gerfin
 
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