Fissler bionic - immerscharf - neue Idee? kann das funktionieren?

Froghunter

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Heute kam ein Werbebrief vom "Der Feinschmecker"- Shop, in dem dieses Messer beworben wurde. Gibt es in einer Variante als 18cm Santoku und 20cm Kochmesser für je 350 €.

Funktionieren soll das ganze wie ein Biberzahn mit zwei unterschiedlich verschleißfesten Materialien, also mit X50CrMoV15 und einer einseitigen Beschichtung die auch die Schneide abdeckt. (ultraharte High-Tech Beschichtung auf Kohlenstoffbasis =? DLC????)

Ich habe sicher nichts gegen neue Technologien, Stahlsorten etc., aber abgesehen vom Preis wäre das für mich trotzdem nichts, da ich gerne Messer schärfe und meine Definition von scharf mit der von Fissler vermutlich nicht übereinstimmt. Damit wäre das bionic, sollte das Prinzip funktionieren, für mich eher eine teure Alternative zu Keramikmessern.


Fissler Produktseite http://www.fissler-shop.de/Messer/bionic/?adword=google/Fissler/Fissler+-+Messer+bionic/fissler%20bionic&gclid=CJLiirfup7gCFZLItAodvTAAtA

Gruß Froghunter
 
Die Idee an sich ist nicht neu und wurde im Forum schon öfter diskutiert. Früher wurde das gerne mit TiN gemacht, was Fissler heute verwendet wissen wohl nur sie selbst.

Hier mal ein 13(!) Jahre alter Thread dazu: http://www.messerforum.net/showthread.php?104-Beschichtungen

WMF hat das auch schon vor 10 Jahren gemacht (http://www.messerforum.net/showthread.php?5440-WMF-K%FCchenmesser), allerdings war die "Beschichtung" recht dick. In der Praxis hatte man kein "immerscharfes Messer", sondern eine "immersägende Säge". Stell dir ein Messer auf einem 800er Stein geschärft vor - in etwa so.

Das Messer müsste noch irgendwo rumliegen. Ganz ganz unten in der Schublade - oder im Keller. :D

Kann natürlich sein, dass Fissler mit dieser neuen Beschichtung den Stein der Weisen gefunden hat. Ich hatte keines davon in der Hand und kann es nicht beurteilen. Aber die Idee ist nicht neu.
 
Ein definierter Test einer Klinge kann kann tolle Ergebnisse bringen. Die selbe Klinge kann aber auch in der Praxis versagen.
Das Prinziep ist schon älter und die Stärke der Beschichtung bestimmt den Grad der Schärfe.
Feiner C-Stahl ist schärfer weil er vorne an der Schneide dünner sein kann.
Ob das Messer in der Praxis gut funktioniert müsste man herausfinden können.:)
 
Das Prinzip ist vielversprechend, die Produkte die bis jetzt am Markt waren, haben die versprochenen Eigenschaften aber nicht erreicht. Ein paar Tücken verbergen sich ja in der Technik. Kann die Beschichtung bei der Produktion geschärft werden, bzw wie gut ist die Auslieferungsschärfe? Wie entwickelt sich die Form der Schneide bei abbrasivem Verschleiß...

Ich bin neugierig, wie weit Fissler die technischen Probleme in den Griff gekriegt hat.


Gruß Holger
 
... Früher wurde das gerne mit TiN gemacht, was Fissler heute verwendet wissen wohl nur sie selbst.
Hier mal ein 13(!) Jahre alter Thread dazu: http://www.messerforum.net/showthread.php?104-Beschichtungen ...
Die erwähnten goldfarbenen TiN-Beschichtungen gab es z.B. in den 1990ern schon beim Buck Vanguard, dort wurde ebenfalls dieser "Nagezahn-Effekt" beworben. Waren irgendwann wieder vom Markt verschwunden, die Messer, aber chic sahen sie aus.
 
Die erwähnten goldfarbenen TiN-Beschichtungen gab es z.B. in den 1990ern schon beim Buck Vanguard, dort wurde ebenfalls dieser "Nagezahn-Effekt" beworben. Waren irgendwann wieder vom Markt verschwunden ...

Bei Buck hieß die Beschichtung "Buckote". Es gab drei unterschiedlich harte Beschichtungen, aus Zirkonium und Titan. Nach wie vor schwärmen die Buckaroos von der Schärfe und der Dauerhaftigkeit der beschichteten Klingen. Aber der Verkaufserfolg war bescheiden. Nach Umfragen hatten die Kunden mit den einseitig geschliffenen Klingen nix am Hut. Die "perfomance" spielte eine untergeordntet Rolle. Es gab eione ganze Reihe Buck-Messer mit Buckote-beschichtung: Mir fallen neben dem erwähnten Vanguard noch das Spezial 119, das Folding Hunter 110, das Crosslock und die kleinen Bucklite 425 ein. Es gab aber vielleicht noch mehr.

Das hat Chuck Buck mal zu dem Thema veröffentlicht:

Buck worked with Molecular Metalulrgy Incorporated for over 3 years on this blade enhancing process. We initially were looking for surface lubricity for action and corroision resistance. We had such bad history with Titanium coatings we were very cautious. The edgeholding aspect fell out of these experiments. We learned that if we sharpened a knife, then coated the blade, then resharpened only one side we got lab results of 200 times edge life.

The C.A.T.R.A. machine, tests how deep a blade cuts up through a stack of abrasive paper. It then graphs the distance into a curve that can be used to compare both initial sharpness (how deep was the initial cut) as well as edge holding (how deep was the 50th or 200th cut).

I have given as guide tips our Model 691 zippers with Zrn coating (champagne). This is Zirconium instead of Titanium. It is a little harder then Titanium. The elk guide told me he usually gets 2/3rds through an animal before he touches up his knife. He completed my elk, gutted, skinned and quartered and it was still sharp. I have given this same style knife to a hog ranch we have hunted on. He has gotten 5 hogs plus without a resharpening. He said usually one sharpening per hog. He is Doug Roth from Camp 5 up near Paso Robles Ca.

We tested serrations with and without coating. Serrated blades underperform initially but last forever. A Buckcoted serration was simply immune to abuse.

We are working with MMI on new coatings which would handle the corrosion resistance but have not found the magic combination yet, elements, layers...etc. Technology marches on...
 
Hallo Froghunter,

wie erwähnt, ist die Idee einer Messerbeschichtung schon älter. Teilweise ging es darum, beim militärischen Einsatz verräterische Reflexe zu vermeiden, teilweise um die Schneidhaltigkeit des Messers.

Das WMF-Messer war mit einer keramischen Spritzschicht (vermutlich Wolframkarbid in einer Koblatmatrix) versehen. Das klappte aus mehreren Gründen nicht:

  • Spritzschichten sind verfahrensbedingt vergleichsweise dick (mehrere Zehntel), so dass die Schicht auf jeden Fall nachgearbeitet werden muss (und vermurkst werden kann).
  • Spritzschichten haben (oder hatten zumindest zu jener Zeit) keine besonders gute Haftung. Beim Schneiden aber wirken hohe Scherkräfte auf den Schicht-Substrat-Verbund an der Wate, was zur Enthaftung der Schicht führen kann.
  • Beim Spritzen werden die Substrate mit Wärmeenergie belastet. Und wenn das Substrat eine dünne Messerwate ist, dann kann die recht heiß werden - mit den entsprechenden Folgen für den Stahl.

Funktionieren soll das ganze wie ein Biberzahn mit zwei unterschiedlich verschleißfesten Materialien, also mit X50CrMoV15 und einer einseitigen Beschichtung die auch die Schneide abdeckt. (ultraharte High-Tech Beschichtung auf Kohlenstoffbasis =? DLC????)

Auch die Idee eines selbstschärfenden Messers ist recht alt (auch das WMF-Messer war ein Versuch, diese Idee zu realisieren). In der Natur funktioniert es ja, man muss "nur" eine geeignete technische Realisierung finden. Dabei sind folgende Anforderungen zu stellen:

  • Wegen der enormen Scherkräfte beim Schneiden muss die Schicht extrtem haftfest sein.
  • Da der Watenradius die Schärfe bestimmt, muss die Schicht sehr dünn sein, um den Watenradius nicht allzu sehr zu vergrößern.
  • Da die Schicht sehr dünn sein muss, muss sie auch sehr hart sein, um einen ausreichenden Verschleißwiderstand zu bieten.
  • Das Abscheideverfahren zum Aufbringen der Schicht muss bei niedrigen Temperaturen ablaufen, um den Wärmebehandlungszustand des Stahls nicht zu verändern. Da ferritische Edelstähle (um einen solchen handelt es sich) bei ca. 180 °C angelassen werden, sollte bei der Beschichtung auch keine höhere Temperatur auftreten, die Schicht muss aber dennoch haftfest sein.

Bei der Schicht handelt es sich um eine sogenannte DLC-Schicht (Diamond like carbon), dieser Begriff dient aber zur Bezeichnung einer Werkstoffklasse, nicht eines Werkstoffes, ist also ähnlich aussagekräftig wie z.B. "Edelstahl". Genauer gesagt handelt es sich um eine tetraedrisch gebundene, amorphe Kohlenstoffschicht (wissenschaftlich: ta-C) sehr hoher Härte und wird bei Temperaturen unter 180 °C im Mikrometermaßstab abgeschieden. Das Messer hat in Schneidleistungsversuchen einen TCC-Wert von 4500 mm erreicht und liegt damit um einen Faktor 3 über der Norm. Der Versuch wurde normgemäß nach 300 Schnitten beendet, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine signifikante Abnahme der Anfangsschärfe beobachtet wurde. Aber so ein Test kostet ja auch. Ich glaube, dass das Messer damit eine gute Realisierung des selbstschärfenden Messers darstellt.

Ich habe sicher nichts gegen neue Technologien, Stahlsorten etc., aber abgesehen vom Preis wäre das für mich trotzdem nichts, da ich gerne Messer schärfe und meine Definition von scharf mit der von Fissler vermutlich nicht übereinstimmt. Damit wäre das bionic, sollte das Prinzip funktionieren, für mich eher eine teure Alternative zu Keramikmessern.

Das bionic bleibt länger scharf als Keramikmesser, weil es auf einem anderen Prinzip beruht. Keramikmesser bestehen aus Vollmaterial, so dass die Wate irgendwann verrundet und stumpf wird - nur später als bei Stahlmessern. Das bionic nutzt sich hingegen einseitig ab, die harte Schicht bleibt immer als Schneidkante stehen. Ich kenne mich mit Messern nicht so aus, gehe aber mal davon aus, dass ein Messerliebhaber seine Messer mit Geduld, Erfahrung und Zeit schärfer bekommt als ein industriell geschärftes Messer. Wer aber gerne kocht und sich immer über stumpfe Messer ärgert, ohne über die intimen Schärfkenntnisse eines Messerliebhabers zu verfügen, für den kann die einmalige Ausgabe von 350 € gut angelegt sein. Außerdem hat das bionic ja eine unbeschichtete Rückseite, an der man sich noch austoben kann, aber vermutlich nur mit sehr feinem Korn und entsprechend mehr Geduld.

Gruß, Diamond
 
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