Hallo Froghunter,
wie erwähnt, ist die Idee einer Messerbeschichtung schon älter. Teilweise ging es darum, beim militärischen Einsatz verräterische Reflexe zu vermeiden, teilweise um die Schneidhaltigkeit des Messers.
Das WMF-Messer war mit einer keramischen Spritzschicht (vermutlich Wolframkarbid in einer Koblatmatrix) versehen. Das klappte aus mehreren Gründen nicht:
- Spritzschichten sind verfahrensbedingt vergleichsweise dick (mehrere Zehntel), so dass die Schicht auf jeden Fall nachgearbeitet werden muss (und vermurkst werden kann).
- Spritzschichten haben (oder hatten zumindest zu jener Zeit) keine besonders gute Haftung. Beim Schneiden aber wirken hohe Scherkräfte auf den Schicht-Substrat-Verbund an der Wate, was zur Enthaftung der Schicht führen kann.
- Beim Spritzen werden die Substrate mit Wärmeenergie belastet. Und wenn das Substrat eine dünne Messerwate ist, dann kann die recht heiß werden - mit den entsprechenden Folgen für den Stahl.
Funktionieren soll das ganze wie ein Biberzahn mit zwei unterschiedlich verschleißfesten Materialien, also mit X50CrMoV15 und einer einseitigen Beschichtung die auch die Schneide abdeckt. (ultraharte High-Tech Beschichtung auf Kohlenstoffbasis =? DLC????)
Auch die Idee eines selbstschärfenden Messers ist recht alt (auch das WMF-Messer war ein Versuch, diese Idee zu realisieren). In der Natur funktioniert es ja, man muss "nur" eine geeignete technische Realisierung finden. Dabei sind folgende Anforderungen zu stellen:
- Wegen der enormen Scherkräfte beim Schneiden muss die Schicht extrtem haftfest sein.
- Da der Watenradius die Schärfe bestimmt, muss die Schicht sehr dünn sein, um den Watenradius nicht allzu sehr zu vergrößern.
- Da die Schicht sehr dünn sein muss, muss sie auch sehr hart sein, um einen ausreichenden Verschleißwiderstand zu bieten.
- Das Abscheideverfahren zum Aufbringen der Schicht muss bei niedrigen Temperaturen ablaufen, um den Wärmebehandlungszustand des Stahls nicht zu verändern. Da ferritische Edelstähle (um einen solchen handelt es sich) bei ca. 180 °C angelassen werden, sollte bei der Beschichtung auch keine höhere Temperatur auftreten, die Schicht muss aber dennoch haftfest sein.
Bei der Schicht handelt es sich um eine sogenannte DLC-Schicht (Diamond like carbon), dieser Begriff dient aber zur Bezeichnung einer Werkstoffklasse, nicht eines Werkstoffes, ist also ähnlich aussagekräftig wie z.B. "Edelstahl". Genauer gesagt handelt es sich um eine tetraedrisch gebundene, amorphe Kohlenstoffschicht (wissenschaftlich: ta-C) sehr hoher Härte und wird bei Temperaturen unter 180 °C im Mikrometermaßstab abgeschieden. Das Messer hat in Schneidleistungsversuchen einen TCC-Wert von 4500 mm erreicht und liegt damit um einen Faktor 3 über der Norm. Der Versuch wurde normgemäß nach 300 Schnitten beendet, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine signifikante Abnahme der Anfangsschärfe beobachtet wurde. Aber so ein Test kostet ja auch. Ich glaube, dass das Messer damit eine gute Realisierung des selbstschärfenden Messers darstellt.
Ich habe sicher nichts gegen neue Technologien, Stahlsorten etc., aber abgesehen vom Preis wäre das für mich trotzdem nichts, da ich gerne Messer schärfe und meine Definition von scharf mit der von Fissler vermutlich nicht übereinstimmt. Damit wäre das bionic, sollte das Prinzip funktionieren, für mich eher eine teure Alternative zu Keramikmessern.
Das bionic bleibt länger scharf als Keramikmesser, weil es auf einem anderen Prinzip beruht. Keramikmesser bestehen aus Vollmaterial, so dass die Wate irgendwann verrundet und stumpf wird - nur später als bei Stahlmessern. Das bionic nutzt sich hingegen einseitig ab, die harte Schicht bleibt immer als Schneidkante stehen. Ich kenne mich mit Messern nicht so aus, gehe aber mal davon aus, dass ein Messerliebhaber seine Messer mit Geduld, Erfahrung und Zeit schärfer bekommt als ein industriell geschärftes Messer. Wer aber gerne kocht und sich immer über stumpfe Messer ärgert, ohne über die intimen Schärfkenntnisse eines Messerliebhabers zu verfügen, für den kann die einmalige Ausgabe von 350 € gut angelegt sein. Außerdem hat das bionic ja eine unbeschichtete Rückseite, an der man sich noch austoben kann, aber vermutlich nur mit sehr feinem Korn und entsprechend mehr Geduld.
Gruß, Diamond