Gefahr doppelter Zahlung bei Nachnahmesendungen

Schon toll, von wieviel Zufälligkeiten so ein Gericht ausgehen kann:
der Nachnahmeaufkleber war weg, Betrag und Kontonummer war offenbar nicht mehr lesbar, die Portogebühr nicht mehr feststellbar, aber die Adresse war noch einwandfrei.
 
Schneeball schrieb:
Der BGH ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass eine ordnungsgemäße Erfüllung des Versendungsauftrages unter anderem voraussetze, dass der Zusteller das Warenpaket bei der Aushändigung an den Beklagten (Käufer/Kunde) noch als Nachnahmesendung erkennen konnte.
Das paßt dann aber wiederum nicht zu der Aussage, der Empfänger müsse eine Quittung vorweisen können. Daß ein Paket als Nachnahmesendung erkennbar war, kann ich auch beweisen, indem ich dem Richter den Karton mit Originalaufklebern unter die Nase halte.

Ist das eigentlich überhaupt noch so, daß die "Services" eines Pakets mit Hilfe von hundertdrölfzehn Spezialaufkleberchen kenntlich gemacht werden, wie es der BGH hier anscheinend unterstellt? Auf meinen Vordrucken steht eine Nachnahme-Rubrik gleich mit auf dem Versendeformular und "meine" Paketboten erfahren die spezifischen Daten eines Pakets, indem sie ihr Taschengehirn an den Strichcode halten (das sie wiederum vor Abfahrt aus der zentralen Datenbank des Spediteurs bezogen hat). (Selbstredend ist es für den Empfänger völlig unmöglich, nachzuweisen, ob das Teil auf dem Schirm 'was von Nachnahme angezeigt hat oder nicht.)
 
bern schrieb:
Daß ein Paket als Nachnahmesendung erkennbar war, kann ich auch beweisen, indem ich dem Richter den Karton mit Originalaufklebern unter die Nase halte.

sofern ,bern, du den Karton bei der mündlichen Verhandlung dann noch hast.

Gruß

Jo
 
Schneeball schrieb:
sofern ,bern, du den Karton bei der mündlichen Verhandlung dann noch hast.
Mit solchen Überraschungen ist bei mir zu rechnen.
Notfalls flachfalten oder stückeln. Bastelkarton kann man immer 'mal wieder brauchen - bei mir grad' heute wieder, mußte Glas verschicken - und die werten Hersteller fallen immer so schön aus allen Wolken, wenn ein Kunde nach ein, zwei Jahren einen Garantiefall tatsächlich wie in der Anleitung verlangt "in Originalverpackung" einschickt. :haemisch:
 
Schneeball schrieb:
Und beim Versendungskauf sollte man als Käufer immer auf eine versicherte Warenversendung Wert legen, s. § 447 BGB.

Hmmm. Der aber beim Verbrauchsgüterkauf explizit ausgeschlossen ist. §474 BGB. Heisst IMO erstmal, der gewerbliche Anbieter kommt nicht aus der Schuld, die Sache zu liefern raus (§433 BGB), vollkommen wurscht ob die Ware versichert oder nicht versichert versendet wird.

Eine Klausel in den AGB ala "auf Wunsch kann der Kunde den günstigeren unversicherten Versand wählen. Damit geht das Versandrisiko auf den Kunden über" hielte ich für unwirksam. §307, §475 BGB. Inwieweit man das individualrechtlich vereibaren könnte, ist AFAIK strittig (siehe Bamberger/Roth, § 475 Rn. 5)

Allerdings: beim Urteil des BGH, 16. 7. 2003 - VIII ZR 302/ 02 (http://lexetius.com/2003,23249) werde ich komplett verwirrt.

Heisst das, im dort geschilderten Fall, daß die Begründung, der Verkäufer würde aus §474 BGB haften, da §474 BGB die sich aus §447 BGB ergebende Haftung ausschliesst, eben deswegen nicht greift, weil der Verkäufer bereits wegen §275 BGB aus der Verpflichtung zur Leistung frei wird?

AUA, mein Hirn. IANAL ;)

Grüße
Pitter
 
Hallo Pitter,

der BGH hat mit seinem Urteil vom 16.07.2003 einen Fall entschieden, auf den das bis zum 31.12.2001 geltende "alte" Schuldrecht anzuwenden war.

Im geltenden Kaufrecht gilt der Grundsatz des § 446 BGB, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung bis zur Übergabe der Sache vom Verkäufer und erst nach Übergabe vom Käufer getragen wird. Der Übergabe ist insofern der Annahmeverzug des Käufers nach § 300 II BGB gleichgestellt. Die Sonderregelung des § 447 BGB, die den Gefahrübergang beim Versendungskauf vorverlagert, gilt beim Verbrauchsgüterkauf nach 474 BGB explizit nicht. Beim Verbrauchsgüterkauf greift die Gefahrtragungsregel des § 446 BGB. Geht beim Transport die Sache unter, so verbleibt dem Käufer der Erfüllungs- und Gewährleistungsanspruch, sowie bei Unmöglichkeit das Erlöschen der Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises gemäß § 326 I 1 BGB.

Liegt kein Verbrauchsgüterkauf vor und greifen die Tatbestandsmerkmale des § 447 I BGB, geht Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Sache z. B. dem Spediteuer, ausgeliefert hat. Kommt die Sache beim Transport weg - Versicherung außen vorgelassen -, muss der Käufer zahlen.

In dem BGH Fall bestand der Käufer auf Lieferung einer anderen Kamera des gleichen Typs. Hätte hier § 447 I BGB nicht gegriffen, wäre der Verkäufer dennoch von der Verpflichtung zur Lieferung der Kaufsache frei geworden, weil ihm die Lieferung der Kaufsache unmöglich geworden war, weil diese auf dem Versandwege verschwunden war. Hätte § 447 I BGB nicht gegriffen, hätte der Käufer nichts zahlen müssen, da der Verkäufer nicht liefern musste, wegen Unmöglichkeit. Da § 447 I BGB aber griff, da die Gefahr des Untergangs ja auf ihn übergegangen war, musste der Käufer zahlen.

Gruß

Jo
 
@Schneball. Danke :super: Habs begriffen. Die Sachlage war mir klar, aber bei der Begründung kam ich ziemlich ;) ins Trudeln.

Grüße
Pitter
 
Zurück