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“Frank was a very special person and an excellent custom maker. I've learned much about leadership from Frank, a skill for which he was exceptional. Honor, fairness and integrity also ranked high for him. The knife was originally a gift for me about 15 years ago. After Frank passed, we thought it would be a grand piece if we could make it in production. We at Spyderco miss Frank. We hope you enjoy our offering in his memory.”
Sal Glesser im Spyderco-Forum am 24.07.2012
Boas,
das Memory ist in jeder Hinsicht etwas Besonderes. Zunächst einmal ist es eine Huldigung Frank Centofantes, eines der Pioniere modernen Custom-Messer-Baus, der 1969 damit begann und 20 Jahre Mitglied des Board der American Knifemaker’s Guild war - unter anderem auch als deren Präsident und Vize-Präsident. Aber auch in anderer Hinsicht hat das C155TI einiges aufzuweisen.
Es besteht einschließlich dem massiven, durchgehenden Backspacer komplett aus anodisiertem Titan (außer Clip, Schrauben, Stoppin und Glassfiber-Griffauflage), das je nach Lichteinfall zwischen kaltem hellem und manchmal auch leicht grünlich erscheinendem Blau aufscheint - cold as ice!
Die Klinge ist 2,3 mm stark, flachgeschliffen, sehr spitz zulaufend und out of the box erlesen scharf - ein Skalpell ! Spyderco hat mit VG-10 einen Stahl gewählt, der diesem Zustand dienlich ist. Joe Talmadge schreibt hierzu in der Knife Steel FAQ, Stand 2005: “VG-10 can be thought of as being like ATS-34 and 154-CM, but doing just about everything a hair better. It's a little more stain resistant, tougher, holds an edge a little better … Due to the vanadium content, VG-10 takes a killer edge, just like other vanadium steels like BG-42 …”
Die Klinge beginnt direkt am Griff nach einem Micro-Ricasso von etwa 1,5 mm, der zum Fuß der Klinge hin in eine 2 mm weite Schleifkerbe übergeht. Es gibt keine „leeren“ Räume. Hier ist nur Funktion - ein hohes Maß an Effizienz! Bei den von Frank Centofante designten Spyderco-Foldern C25, C50 und C66 findet sich dasselbe Grunddesign: Griff und scharfe Klinge gehen lückenlos direkt ineinander über.
Das ganze Messer ist eine harmonische Einheit. Die Klinge „fließt“ förmlich aus dem Griff. Keine Ecken oder Kanten. Vom hinteren Ende des Griffs aus betrachtet, verjüngt sich dieser - in einer leichten Bogenlinie verlaufend - von 23 mm auf 21 mm, um dann - in exakt gleichbleibender Breite - in die Klinge überzugehen und langsam auf Null zuzulaufen - schlichte Eleganz und Ästhetik.
Das verleiht dem C155TI eine phänomenal gute Handlage (4-Finger Griff oder andere). Man kann es drehen und wenden, wie man will - das Memory „liegt“ im wahrsten Wortsinn in der Hand. Es läßt sich auch sehr gut kurz greifen. Bedingt durch die glatte Oberfläche und den klassischen, polierten Spyderco-Clip gleitet es leicht in die Hosentasche und wieder heraus. Daß es sich dort nicht störend bemerkbar macht, erwähnen wir nur der Vollständigkeit wegen.
Der Liner trägt keinerlei Ausfräsungen. Er sollte in seiner Stärke von 1 mm für die Herausforderungen, die sich einem solchen Messer entgegenstellen, ausreichen. Wer Hebeln, Brechen oder Spinewacken auf dem Programm hat, ist - auch der dezenten Klinge wegen - besser beraten, wenn er sich anderweitig orientiert .
Das Spyderhole von 8,8 mm Durchmesser ist aufgrund der reichlichen Aussparung im Griff gut geeignet, das Messer leichtgängig zu öffnen. Das Schließen verläuft ebenso auf das Bequemste, da die Aussparung auch hier dem Daumen großzügigen Zugriff auf den Liner gewährt. Der Radius ist dabei perfekt gewählt. Ein herrliches Spielzeug.
Die Klinge läuft auf einem schlanken Bronzewasher und einem exponierten Teflonwasher, der auf der Clipseite deutlich sichtbar ist. Diese Tatsache führt dazu, daß die Klinge zu dem Liner auf der Clipseite einen etwas größeren Abstand hat. Dieses wiederum bewirkt, daß sie nicht mittig verläuft - eine konstruktionsbedingte Besonderheit. Auf den ersten Blick scheint die Klinge schief zu sitzen. Aber nichts dergleichen. Sie verläuft schnurgerade. Nur in Gänze leicht seitlich versetzt.
Ein vertikales oder horizontales Spiel gibt es nicht. Der Lock verriegelt perfekt. Ebenso einwandfrei, mit leichtem Knarzen (ohne zu hängen) - ähnlich einem Sebenza - wird er wieder frei. Der Detent greift wie er soll. Das Finish ist top. Alles ist abgerundet, gebrochene Kanten an Griff, Clip und Klinge. Klassisch scharf allerdings die Innenflanken des Spyderhole. Ob Fault oder Feature ist bei anderen Spydies hinlänglich diskutiert worden. Wir haben einen weißen Keramikstein zur Hand genommen und Daumenfreundlichkeit hergestellt. Erste kleine Schrammen hat es dabei schon gegeben. Zunächst am Daumen, dann an der Klinge .
Aufflicken ist (nach leichter Ölung) möglich, unserer Auffassung nach aber im Prinzip unpassend für diesen Gentleman. Mit angenehm weichem Gang läßt sich die Klinge mit dem Daumen von A nach Z und wieder zurück führen - ein besinnliches Vergnügen.
Das Memory ist trotz schlankerer Klinge - gefühlt wie auch tatsächlich - schwerer als das Small Sebenza 21, mit dem es sich gut vergleichen läßt - und zwar um 8,55 Gramm. Es ist etwas größer und der massive Titan-Backspacer fordert seinen Tribut. Die dünnere Titanplatine auf der einen Seite trägt dafür die Fiberglass-Auflage. Der Clip ist aus Stahl und nicht aus Titan.
Ein sehr schönes Filework zieht sich beidseitig des Spacers - beginnend an der Klingenwurzel - über den gesamten Messerrücken bis zum Griffende. Der schwere Backspacer, der zum Ende des Griffs hin zunehmend massiver wird und - dort angekommen - diesen bis auf ein kleines Stück ganz ausfüllt, verleiht dem Memory einen relativ weit hinten liegenden Schwerpunkt, der etwa bei der mittleren der drei kleinen Torxschrauben (ungefähr Griffmitte) liegt, die die Fiberglass-Auflage fixieren. Das führt zu keinerlei Unannehmlichkeit in der Handhabung. Im Gegenteil stellt sich - im Zusammenhang mit dem ordentlichen Gewicht von 93,55 Gramm - ein Gefühl von solidem Schneidgerät bei guter Kontrolle über die Klinge ein. Man hat das Messer im Griff !
Schön, wie es in Form und Finish ist, könnte man meinen, es sei für die Vitrine. So wird es von diversen Händlern auch als Sammlerobjekt angepriesen. Nur - das kommt für uns definitiv nicht in Frage. Und wir können uns auch nicht wirklich vorstellen, daß Frank Centofante so etwas im Sinn hatte, als er Ende der 90er Jahre Sal Glesser den Prototyp als Geschenk in die Hand drückte, mit dem Anliegen, daß dieser es in Serie herstellen solle. Dazu kam es aber nicht und es verschwand in Glessers Schublade, bis er es 2012 - nach Centofantes Tod im Jahr 2009 - zu dessen Gedenken doch aus der Taufe ob.
Um es in die Vitrine zu legen, dafür schneidet es viel zu gut. Und genau deswegen haben wir es ja gekauft. Waren wir doch schon länger auf der Suche nach einem Messer mit einer sehr scharfen, schlanken und flachgeschliffenen, spitzen Klinge als EDC. Eins, mit dem man nicht nur irgendwie sondern vielmehr annähernd perfekt Apfelschälen, Knoblauch in feinste Scheibchen zerlegen, erlesen vespern - und das man gut in eine spanische oder portugiesische Kneipe mitnehmen und auf die Theke legen kann. Zum Getränk wird hier gern eine Tapa mit einer Kleinigkeit (Fisch, Käse, Schinken …) genommen. Die diesbezügliche Frage, die man dem Barkeeper stellt, falls nichts dergleichen in Sichtweite ist, lautet: „Alguna cosa para picar?“ - Gibt‘s was zum Aufspießen?
Wir hatten für dieses Anliegen sogar schon mal mit einem Cold Steel Hold Out III geliebäugelt. Wegen dessen optischer „Robustheit“ aber bisher davon Abstand genommen. Das Thema ist allerdings noch nicht ganz abgehakt. Als wir jedoch das Centofante Memory kürzlich entdeckten, waren wir sofort Feuer und Flamme. Dünner, flacher, schärfer und spitzer hatten wir noch keinen Titan-Gentleman gesehen.
Da wir ohnehin - für alle Fälle - immer auch ein „richtiges“ Messer einstecken haben, müssen wir keine irgendwie geartete schneidtechnische Mangelsituation fürchten . Gut paßt z.B. „Slow Rider“ - unser dezent grauer Hasenfuß-Flipper - zum Memory. Die blau anodisierte Titan-Achsschraube setzt einen kleinen, passenden Akzent. Bei unserem ersten Ausflug mit dem Memory haben wir es daher gleich mal als „Geleitschutz“ mitgenommen.
Kongeniale Partner sind auch das Large Regular Sebenza „Stars & Stripes“ mit seinen blauen Sternchen oder der Brad-Southard-Flipper, dessen - mittlerweile - schwarze CF-Schale dem Memory die Show überläßt. Wenn wir das orangene Blade Tech Pro Hunter mitnehmen, bleibt dem blauen Wunder das Feld vollständig überlassen. Neben den Zuckertütchen von Bogani-Café findet man das Blade Tech nämlich fast gar nicht wieder :drunk:!
An die eiskalt blaue Anodisierung haben wir uns erstaunlich schnell gewöhnt. Schwarz und Grau haben wir mittlerweile ohnehin reichhaltig rumliegen. Im Fall von unüberwindbarer Abneigung ließe sie sich ja auch wieder entfernen. Was aber vermutlich so oder so nicht nötig sein dürfte. Da wir das Memory ausgiebig gebraucht haben und weiter gebrauchen werden, erledigt sich die Angelegenheit bald von allein. Es hat schon angefangen …
Was das Apfelschälen und das Knoblauchfiletieren angeht, können wir übrigens nur Gutes berichten. So was in der Art kennen wir besser nur von unserem Windmühlenmesser oder von dem kleinen rostfreien portugiesischen SICO, das mittlerweile überwiegend seinen Platz eingenommen hat. Ich sage nur: „Filigran!“ Zwar ist es bis zu der 1 mm starken Dünnschliffklinge des Windmühlenmessers immer noch ein ordentliches Stück des Wegs - aber das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.
Das Schälen des Apfels geht - die Handlage eingeschlossen - ausgezeichnet von der Hand und auch das Vierteln und insbesondere das Herausschneiden des Kerngehäuses verläuft ohne Blessuren (des Apfels). So hatten wir uns das vorgestellt! Einer korrekten Einschätzung zuliebe haben wir noch zwei weitere Äpfel geschält und in vier Teile zerlegt - einen mit dem Memory und einen mit dem Small Sebenza 21. Das Memory ist hier dem Sebenza - der immerhin 0,875 mm geringeren Klingenstärke und des Flachschliffs wegen - klar überlegen. Die Schnitte werden sauberer und beim Heraustrennen des Kerngehäuses gibt es - wie gesagt - keinen Bruch. Beim Sebenza ist das bei zwei Vierteln wieder schiefgegangen.
Wir haben dann noch eine Orange halbiert - ein klarer glatter Schnitt. Und eine rote Riesenpaprika für den Salat zubereitet. Ein kreisrunder Schnitt um den Strunk herum, heraus damit, geviertelt, in Streifen geschnitten, dann quer in Würfel. Da kommt Freude auf. Ziehende Schnitte wie bei einem Officemesser! Man könnte jetzt einwenden, wir hätten ja auch gleich ein Opinel nehmen können. Sicher, wir haben ja sogar eins. Aber nicht aus Titan und nicht von Frank Centofante …
Unter den kleinen Messern - wie Small Sebenza, Spyderco Techno oder Strider PT ist das Memory eins der großen - nicht nur bezogen auf seine Dimensionen. Für einen „technischen“ Vergleich stellen wir im folgenden den Daten des Memory diejenigen eines Small Sebenza 21 gegenüber:
Spyderco C155TIP Centofante Memory (Small Sebenza 21 in Klammern)
Erstausgabe: Juli 2012
Design: Frank Centofante, Ende der 90er Jahre
Gesamtlänge: 179 mm (175 mm)
Länge geschlossen: 103 mm (100 mm)
Klingenlänge: 76 mm, davon scharf 75 mm, 77 mm entlang der Schneidfase gemessen (75 / 70 /73 mm)
Klingenbreite: 21 mm, auf Null zulaufend (22 mm, auf Null zulaufend)
Klinge: VG-10 mit 59 HRC, Centofante -Klassiker Spear-Point; 2,3 mm Flachschliff, Satin-Finish; ( 3,175 mm S30V / S35VN, Hohlschliff)
Spyderhole: Durchmesser 8,8 mm (Thumbstud)
Walker Linerlock (Framelock)
Griffmaterial: 6AL-4V Titan, hellblau anodisiert; silbergraue - mit 3 Torx T6 befestigte - Fiberglass-Auflage auf der dem Clip gegenüberliegenden Seite (Titan grau)
Griffbreite: von 23 mm am Griffende langsam auf 21 mm an der Achse zulaufend (24 / 21 / 24 mm)
Griffdicke: 10 mm inkl. der 1 mm starken Fiberglass-Auflage, 13 mm max. inkl. Clip (10 / 13 mm)
Backspacer: 6AL-4V Titan, durchgehend, massiv; beidseitiges durchgehendes Filework (kein Backspacer, stattdessen stand-off)
Spanner-style Pivot Pin (Torx)
Clip: Standard-Spyderco-Hourglass, Edelstahl poliert, 3 Torx T6 (Titan)
Kein Lanyardhole (Lanyardhole)
Gewicht: 93,55 Gramm (85 Gramm)
Frank Centofante hat sich seinerzeit bei seinem Custom, das er Sal Glesser als Geschenk überreicht hat, auf das Notwendige und Sinnvolle beschränkt und damit einen großen Wurf gelandet. Spyderco und Seki-City haben sich echt ins Zeug gelegt und den Entwurf des Meisters in ein wertiges und edles Taschenmesser umgesetzt. Auf genau so eins waren wir schon lange scharf!
Wenn wir uns abschließend der Frage zuwenden, ob wir das Centofante Memory als ernsthaften Konkurrenten für ein Small Sebenza ansehen, dann sagen wir: Es kommt darauf an! Welchen Schwerpunkt man/frau setzt. Bestimmte Aufgabenstellungen - wie insbesondere der Küchendienst und sehr feine Schneidarbeiten - lassen sich ausgesprochen elegant damit bewerkstelligen. Ein hocheffizientes Schneidgerät!
Ein Sebie ist dafür robuster, eignet sich eher zum Schnitzen - auch weil es aufgrund der rauheren Titanschalen etwas sicherer in der Hand liegt. Es ist der bessere Allrounder. Die individuelle Vorliebe für Thumbstud oder Spyderhole gilt es zu berücksichtigen - und für die Farbe. Was die Empfindlichkeit der Griff-Oberfläche anbetrifft, die beim Memory deutlich überwiegt, werden wir ihm diesbezüglich allerdings keinerlei Schonung angedeihen lassen. Es macht viel zu viel Spaß, damit zu hantieren. Der wird allerdings dann noch größer, wenn man Memory und Sebie zur Verfügung hat ….
Das Centofante Memory
Im Ganzen
Im Schnitt & In der Hand
Im Vergleich
Aus der Jukebox CCR mit “Born on the Bayou” (http://www.youtube.com/watch?v=ZgeVE_KydUE)
Aus stormy Monte Gordo
Johnny & Rock’n’Roll
Sal Glesser im Spyderco-Forum am 24.07.2012
Boas,
das Memory ist in jeder Hinsicht etwas Besonderes. Zunächst einmal ist es eine Huldigung Frank Centofantes, eines der Pioniere modernen Custom-Messer-Baus, der 1969 damit begann und 20 Jahre Mitglied des Board der American Knifemaker’s Guild war - unter anderem auch als deren Präsident und Vize-Präsident. Aber auch in anderer Hinsicht hat das C155TI einiges aufzuweisen.
Es besteht einschließlich dem massiven, durchgehenden Backspacer komplett aus anodisiertem Titan (außer Clip, Schrauben, Stoppin und Glassfiber-Griffauflage), das je nach Lichteinfall zwischen kaltem hellem und manchmal auch leicht grünlich erscheinendem Blau aufscheint - cold as ice!
Die Klinge ist 2,3 mm stark, flachgeschliffen, sehr spitz zulaufend und out of the box erlesen scharf - ein Skalpell ! Spyderco hat mit VG-10 einen Stahl gewählt, der diesem Zustand dienlich ist. Joe Talmadge schreibt hierzu in der Knife Steel FAQ, Stand 2005: “VG-10 can be thought of as being like ATS-34 and 154-CM, but doing just about everything a hair better. It's a little more stain resistant, tougher, holds an edge a little better … Due to the vanadium content, VG-10 takes a killer edge, just like other vanadium steels like BG-42 …”
Die Klinge beginnt direkt am Griff nach einem Micro-Ricasso von etwa 1,5 mm, der zum Fuß der Klinge hin in eine 2 mm weite Schleifkerbe übergeht. Es gibt keine „leeren“ Räume. Hier ist nur Funktion - ein hohes Maß an Effizienz! Bei den von Frank Centofante designten Spyderco-Foldern C25, C50 und C66 findet sich dasselbe Grunddesign: Griff und scharfe Klinge gehen lückenlos direkt ineinander über.
Das ganze Messer ist eine harmonische Einheit. Die Klinge „fließt“ förmlich aus dem Griff. Keine Ecken oder Kanten. Vom hinteren Ende des Griffs aus betrachtet, verjüngt sich dieser - in einer leichten Bogenlinie verlaufend - von 23 mm auf 21 mm, um dann - in exakt gleichbleibender Breite - in die Klinge überzugehen und langsam auf Null zuzulaufen - schlichte Eleganz und Ästhetik.
Das verleiht dem C155TI eine phänomenal gute Handlage (4-Finger Griff oder andere). Man kann es drehen und wenden, wie man will - das Memory „liegt“ im wahrsten Wortsinn in der Hand. Es läßt sich auch sehr gut kurz greifen. Bedingt durch die glatte Oberfläche und den klassischen, polierten Spyderco-Clip gleitet es leicht in die Hosentasche und wieder heraus. Daß es sich dort nicht störend bemerkbar macht, erwähnen wir nur der Vollständigkeit wegen.
Der Liner trägt keinerlei Ausfräsungen. Er sollte in seiner Stärke von 1 mm für die Herausforderungen, die sich einem solchen Messer entgegenstellen, ausreichen. Wer Hebeln, Brechen oder Spinewacken auf dem Programm hat, ist - auch der dezenten Klinge wegen - besser beraten, wenn er sich anderweitig orientiert .
Das Spyderhole von 8,8 mm Durchmesser ist aufgrund der reichlichen Aussparung im Griff gut geeignet, das Messer leichtgängig zu öffnen. Das Schließen verläuft ebenso auf das Bequemste, da die Aussparung auch hier dem Daumen großzügigen Zugriff auf den Liner gewährt. Der Radius ist dabei perfekt gewählt. Ein herrliches Spielzeug.
Die Klinge läuft auf einem schlanken Bronzewasher und einem exponierten Teflonwasher, der auf der Clipseite deutlich sichtbar ist. Diese Tatsache führt dazu, daß die Klinge zu dem Liner auf der Clipseite einen etwas größeren Abstand hat. Dieses wiederum bewirkt, daß sie nicht mittig verläuft - eine konstruktionsbedingte Besonderheit. Auf den ersten Blick scheint die Klinge schief zu sitzen. Aber nichts dergleichen. Sie verläuft schnurgerade. Nur in Gänze leicht seitlich versetzt.
Ein vertikales oder horizontales Spiel gibt es nicht. Der Lock verriegelt perfekt. Ebenso einwandfrei, mit leichtem Knarzen (ohne zu hängen) - ähnlich einem Sebenza - wird er wieder frei. Der Detent greift wie er soll. Das Finish ist top. Alles ist abgerundet, gebrochene Kanten an Griff, Clip und Klinge. Klassisch scharf allerdings die Innenflanken des Spyderhole. Ob Fault oder Feature ist bei anderen Spydies hinlänglich diskutiert worden. Wir haben einen weißen Keramikstein zur Hand genommen und Daumenfreundlichkeit hergestellt. Erste kleine Schrammen hat es dabei schon gegeben. Zunächst am Daumen, dann an der Klinge .
Aufflicken ist (nach leichter Ölung) möglich, unserer Auffassung nach aber im Prinzip unpassend für diesen Gentleman. Mit angenehm weichem Gang läßt sich die Klinge mit dem Daumen von A nach Z und wieder zurück führen - ein besinnliches Vergnügen.
Das Memory ist trotz schlankerer Klinge - gefühlt wie auch tatsächlich - schwerer als das Small Sebenza 21, mit dem es sich gut vergleichen läßt - und zwar um 8,55 Gramm. Es ist etwas größer und der massive Titan-Backspacer fordert seinen Tribut. Die dünnere Titanplatine auf der einen Seite trägt dafür die Fiberglass-Auflage. Der Clip ist aus Stahl und nicht aus Titan.
Ein sehr schönes Filework zieht sich beidseitig des Spacers - beginnend an der Klingenwurzel - über den gesamten Messerrücken bis zum Griffende. Der schwere Backspacer, der zum Ende des Griffs hin zunehmend massiver wird und - dort angekommen - diesen bis auf ein kleines Stück ganz ausfüllt, verleiht dem Memory einen relativ weit hinten liegenden Schwerpunkt, der etwa bei der mittleren der drei kleinen Torxschrauben (ungefähr Griffmitte) liegt, die die Fiberglass-Auflage fixieren. Das führt zu keinerlei Unannehmlichkeit in der Handhabung. Im Gegenteil stellt sich - im Zusammenhang mit dem ordentlichen Gewicht von 93,55 Gramm - ein Gefühl von solidem Schneidgerät bei guter Kontrolle über die Klinge ein. Man hat das Messer im Griff !
Schön, wie es in Form und Finish ist, könnte man meinen, es sei für die Vitrine. So wird es von diversen Händlern auch als Sammlerobjekt angepriesen. Nur - das kommt für uns definitiv nicht in Frage. Und wir können uns auch nicht wirklich vorstellen, daß Frank Centofante so etwas im Sinn hatte, als er Ende der 90er Jahre Sal Glesser den Prototyp als Geschenk in die Hand drückte, mit dem Anliegen, daß dieser es in Serie herstellen solle. Dazu kam es aber nicht und es verschwand in Glessers Schublade, bis er es 2012 - nach Centofantes Tod im Jahr 2009 - zu dessen Gedenken doch aus der Taufe ob.
Um es in die Vitrine zu legen, dafür schneidet es viel zu gut. Und genau deswegen haben wir es ja gekauft. Waren wir doch schon länger auf der Suche nach einem Messer mit einer sehr scharfen, schlanken und flachgeschliffenen, spitzen Klinge als EDC. Eins, mit dem man nicht nur irgendwie sondern vielmehr annähernd perfekt Apfelschälen, Knoblauch in feinste Scheibchen zerlegen, erlesen vespern - und das man gut in eine spanische oder portugiesische Kneipe mitnehmen und auf die Theke legen kann. Zum Getränk wird hier gern eine Tapa mit einer Kleinigkeit (Fisch, Käse, Schinken …) genommen. Die diesbezügliche Frage, die man dem Barkeeper stellt, falls nichts dergleichen in Sichtweite ist, lautet: „Alguna cosa para picar?“ - Gibt‘s was zum Aufspießen?
Wir hatten für dieses Anliegen sogar schon mal mit einem Cold Steel Hold Out III geliebäugelt. Wegen dessen optischer „Robustheit“ aber bisher davon Abstand genommen. Das Thema ist allerdings noch nicht ganz abgehakt. Als wir jedoch das Centofante Memory kürzlich entdeckten, waren wir sofort Feuer und Flamme. Dünner, flacher, schärfer und spitzer hatten wir noch keinen Titan-Gentleman gesehen.
Da wir ohnehin - für alle Fälle - immer auch ein „richtiges“ Messer einstecken haben, müssen wir keine irgendwie geartete schneidtechnische Mangelsituation fürchten . Gut paßt z.B. „Slow Rider“ - unser dezent grauer Hasenfuß-Flipper - zum Memory. Die blau anodisierte Titan-Achsschraube setzt einen kleinen, passenden Akzent. Bei unserem ersten Ausflug mit dem Memory haben wir es daher gleich mal als „Geleitschutz“ mitgenommen.
Kongeniale Partner sind auch das Large Regular Sebenza „Stars & Stripes“ mit seinen blauen Sternchen oder der Brad-Southard-Flipper, dessen - mittlerweile - schwarze CF-Schale dem Memory die Show überläßt. Wenn wir das orangene Blade Tech Pro Hunter mitnehmen, bleibt dem blauen Wunder das Feld vollständig überlassen. Neben den Zuckertütchen von Bogani-Café findet man das Blade Tech nämlich fast gar nicht wieder :drunk:!
An die eiskalt blaue Anodisierung haben wir uns erstaunlich schnell gewöhnt. Schwarz und Grau haben wir mittlerweile ohnehin reichhaltig rumliegen. Im Fall von unüberwindbarer Abneigung ließe sie sich ja auch wieder entfernen. Was aber vermutlich so oder so nicht nötig sein dürfte. Da wir das Memory ausgiebig gebraucht haben und weiter gebrauchen werden, erledigt sich die Angelegenheit bald von allein. Es hat schon angefangen …
Was das Apfelschälen und das Knoblauchfiletieren angeht, können wir übrigens nur Gutes berichten. So was in der Art kennen wir besser nur von unserem Windmühlenmesser oder von dem kleinen rostfreien portugiesischen SICO, das mittlerweile überwiegend seinen Platz eingenommen hat. Ich sage nur: „Filigran!“ Zwar ist es bis zu der 1 mm starken Dünnschliffklinge des Windmühlenmessers immer noch ein ordentliches Stück des Wegs - aber das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.
Das Schälen des Apfels geht - die Handlage eingeschlossen - ausgezeichnet von der Hand und auch das Vierteln und insbesondere das Herausschneiden des Kerngehäuses verläuft ohne Blessuren (des Apfels). So hatten wir uns das vorgestellt! Einer korrekten Einschätzung zuliebe haben wir noch zwei weitere Äpfel geschält und in vier Teile zerlegt - einen mit dem Memory und einen mit dem Small Sebenza 21. Das Memory ist hier dem Sebenza - der immerhin 0,875 mm geringeren Klingenstärke und des Flachschliffs wegen - klar überlegen. Die Schnitte werden sauberer und beim Heraustrennen des Kerngehäuses gibt es - wie gesagt - keinen Bruch. Beim Sebenza ist das bei zwei Vierteln wieder schiefgegangen.
Wir haben dann noch eine Orange halbiert - ein klarer glatter Schnitt. Und eine rote Riesenpaprika für den Salat zubereitet. Ein kreisrunder Schnitt um den Strunk herum, heraus damit, geviertelt, in Streifen geschnitten, dann quer in Würfel. Da kommt Freude auf. Ziehende Schnitte wie bei einem Officemesser! Man könnte jetzt einwenden, wir hätten ja auch gleich ein Opinel nehmen können. Sicher, wir haben ja sogar eins. Aber nicht aus Titan und nicht von Frank Centofante …
Unter den kleinen Messern - wie Small Sebenza, Spyderco Techno oder Strider PT ist das Memory eins der großen - nicht nur bezogen auf seine Dimensionen. Für einen „technischen“ Vergleich stellen wir im folgenden den Daten des Memory diejenigen eines Small Sebenza 21 gegenüber:
Spyderco C155TIP Centofante Memory (Small Sebenza 21 in Klammern)
Erstausgabe: Juli 2012
Design: Frank Centofante, Ende der 90er Jahre
Gesamtlänge: 179 mm (175 mm)
Länge geschlossen: 103 mm (100 mm)
Klingenlänge: 76 mm, davon scharf 75 mm, 77 mm entlang der Schneidfase gemessen (75 / 70 /73 mm)
Klingenbreite: 21 mm, auf Null zulaufend (22 mm, auf Null zulaufend)
Klinge: VG-10 mit 59 HRC, Centofante -Klassiker Spear-Point; 2,3 mm Flachschliff, Satin-Finish; ( 3,175 mm S30V / S35VN, Hohlschliff)
Spyderhole: Durchmesser 8,8 mm (Thumbstud)
Walker Linerlock (Framelock)
Griffmaterial: 6AL-4V Titan, hellblau anodisiert; silbergraue - mit 3 Torx T6 befestigte - Fiberglass-Auflage auf der dem Clip gegenüberliegenden Seite (Titan grau)
Griffbreite: von 23 mm am Griffende langsam auf 21 mm an der Achse zulaufend (24 / 21 / 24 mm)
Griffdicke: 10 mm inkl. der 1 mm starken Fiberglass-Auflage, 13 mm max. inkl. Clip (10 / 13 mm)
Backspacer: 6AL-4V Titan, durchgehend, massiv; beidseitiges durchgehendes Filework (kein Backspacer, stattdessen stand-off)
Spanner-style Pivot Pin (Torx)
Clip: Standard-Spyderco-Hourglass, Edelstahl poliert, 3 Torx T6 (Titan)
Kein Lanyardhole (Lanyardhole)
Gewicht: 93,55 Gramm (85 Gramm)
Frank Centofante hat sich seinerzeit bei seinem Custom, das er Sal Glesser als Geschenk überreicht hat, auf das Notwendige und Sinnvolle beschränkt und damit einen großen Wurf gelandet. Spyderco und Seki-City haben sich echt ins Zeug gelegt und den Entwurf des Meisters in ein wertiges und edles Taschenmesser umgesetzt. Auf genau so eins waren wir schon lange scharf!
Wenn wir uns abschließend der Frage zuwenden, ob wir das Centofante Memory als ernsthaften Konkurrenten für ein Small Sebenza ansehen, dann sagen wir: Es kommt darauf an! Welchen Schwerpunkt man/frau setzt. Bestimmte Aufgabenstellungen - wie insbesondere der Küchendienst und sehr feine Schneidarbeiten - lassen sich ausgesprochen elegant damit bewerkstelligen. Ein hocheffizientes Schneidgerät!
Ein Sebie ist dafür robuster, eignet sich eher zum Schnitzen - auch weil es aufgrund der rauheren Titanschalen etwas sicherer in der Hand liegt. Es ist der bessere Allrounder. Die individuelle Vorliebe für Thumbstud oder Spyderhole gilt es zu berücksichtigen - und für die Farbe. Was die Empfindlichkeit der Griff-Oberfläche anbetrifft, die beim Memory deutlich überwiegt, werden wir ihm diesbezüglich allerdings keinerlei Schonung angedeihen lassen. Es macht viel zu viel Spaß, damit zu hantieren. Der wird allerdings dann noch größer, wenn man Memory und Sebie zur Verfügung hat ….
Das Centofante Memory
Im Ganzen
Im Schnitt & In der Hand
Im Vergleich
Aus der Jukebox CCR mit “Born on the Bayou” (http://www.youtube.com/watch?v=ZgeVE_KydUE)
Aus stormy Monte Gordo
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