Grobkristallbildung bei Puddeleisen

MythBuster

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Hallo,

hab grad eben beim Ätzen einer neuen Klinge eine interessante Struktur entdeckt, die ich mir nicht erklären kann. Die Klinge (3 Lagen) besteht aus Puddeleisen mit wenig bis gar kein C (Alter > 120Jahre, war evtl. mal ein Fenstergitter) und einer Schneidlage aus blauem Papierstahl.
WB: 4x Normalisieren, Weichglühen 720°C (1°/min), Härten: 810°C, Anlassen: 3x 170°C.
Nach dem kurzen Anätzen mit FeCl3 sieht man überall da, wo kein Papierstahl unterlegt ist, eine Grobkornbildung im mm Bereich. Es sind bis zu 5mm grosse Kristallite erkennbar!
Lässt sich auf dem Bild zwar nur erahnen, sorry meine alte DigiCam gibt nicht mehr her.


Woher kommt die Grobkornbildung nur im oberen Bereich?
War ich für´s Puddeleisen zu weit über Ac1?
Wird Ac1 durch einduffundierenden C nach oben verschoben, dass sich über dem Papierstahl kein Grobkorn gebildet hat?

Bin mal gespannt auf Eure Antworten.

Gruß

MythBuster
 
Hallo MythBuster,
diese Erscheinung ist mir bei ähnlichem Klingenaufbau auch schon aufgefallen.
Auch wenn ich Puddeleisen zerbreche habe ich solche enorm großen Körner schon bemerkt.
Ich habe allerdings den Eindruch, dass solche Erscheinungen eher an Stellen auftreten, die großer Hitze ausgesetzt waren, wie sie beim Feuerschweißen eben auftreten.
Auf einer fertigen Klinge sieht das natürlich nicht so gut aus. Ich habe das Ätzmittel etwas variiert und mal mit Zitronensäure und Essig gearbeitet. Das brachte etwas Abhilfe.
Grüße, Hartzahn
 
Hi
Versuch doch mahl ein Stück Puddeleisen zu Ätzen,vielleicht sind es Verunreinigungen im Eisen??.
Leider bekomme ich kein Großbild worauf man was erkennen kann.


Gruß Maik
 
Nett:)
Wenn ich so etwas mal machen wollte, würde ichs nicht hinbekommen. Finde es sehr dekorativ. Wirklich:super: Würde ich so belassen. Das macht dir so schnell keiner nach. Das hilft dir nicht wirklich weiter, aber als Anschauungsobjekt echt nett.
Grüße
Johannes
 
Ich kenne diese Monsterkristalle eigentlich nur von einer Klinge die ich beim Härten, in der Esse vergessen habe und sie viel zu warm wurde.
Habe danach die Klinge fertig gemacht, zerbrochen, und die Bruchstelle angeschliffen, geätzt und poliert. Eigenartigerweise waren die sehr großen Kristalle in der Mitte (Kernbereich) der Bruchstelle und nicht am Rand. Der "Rand" mit den winzigen Kristallen war ca. 1mm breit. Für ne extreme Auskohlung war die Verweildauer in der Esse dann doch zu kurz.
Ich finde die Mosterkristalle an der Außenseite der Klinge sehr dekorativ. So lange die mittlere Schicht ein feines Gefüge hat ist doch alles in Ordnung.
Falls du diese großen Kristalle reproduzieren kannst, würde ich mich sehr über eine kurze Anleitung freuen.
 
Bin gar nicht unglücklich über die groben Kristalle, schaut echt klasse aus (auch wenns nicht ganz nach den Regeln der heissen Kunst ist), noch dazu weil ich auf der Schneide und der obenliegenden Deckschicht recht feinkörnig bin. Nach dem Normalisieren hab ich auch schon mal geätzt und es war kein Grobkorn zu beobachten. Ist also beim Weichglühen oder beim Härten passiert. Wobei die Haltezeit beim Härten auch nicht länger als sonst war, also schätz ich mal, dass das Ganze beim Weichglühen passiert ist. Was ich mir auch noch vorstellen kann ist, dass bei den hohen Temperaturen beim Feuerschweissen etwas Wolfram ins Puddeleisen diffundiert ist, was ja bekanntlich kornverfeinernd wirkt.
Ein Spezl hat übrigens gleichzeitig eine Klinge mit dem selben Schichtaufbau gemacht; wird demnächst fertig. Dann seh ich ja in wieweit die Sache reproduzierbar ist.

Grobkristalline Grüsse

MythBuster
 
Ein sehr merkwürdiges Gefügebild !
Rein vom Bild her ist es natürlich schwer zu deuten.
Ich würde mal ein Stück des Materials ohne Stahlkern, Schmiede- und Schweißbehandlung sauber schleifen und anätzen. Möglicherweise zeigen sich dabei die gleichen Strukturen.
Ist es wirklich Puddeleisen ?.
Wir neigen dazu, alle über 100 Jahre alten Eisenstücke für Puddeleisen zu halten. Das muß aber nicht stimmen. Das Puddelverfahren ist eigentlich eine im Verlauf der Eisengewinnung relativ neue Technik. Es setzt voraus, daß man schon in mehr oder minder leistungsfähigen Hochöfen Roheisen mit ca 4 % C erschmelzen konnte. Dieses Roheisen wurde auf flachen Herden zum Schmelzen gebracht und von den Arbeitern mit langen Stangen umgerührt, um durch den zutretenden Sauerstoff den überflüssigen Kohlenstoff zu verbrennen. Mit sinkendem C- Gehalt stieg der Schmelzpunkt, sodaß aus dem ursprünglich flüssigen Roheisen ein zäher Teig wurde, der dann an den Rührstangen hängen blieb und ausgeschmiedet werden konnte. Dieses Eisen ist von den Sorten aus dem Rennofen zu unterscheiden, die gesintert und geschweißt wurden und keine flüssige Phase durchlaufen hatten. Diese sind in der Regel noch wesentlich älter.
Beide Sorten-Puddeleisen wie Renneisen- sind bei Verwendung reiner Erze erstaunlich rein, haben aber Einschlüsse, die sich mit dem eigentlichen Eisen nicht verbunden haben, sondern als Fremdkörper in ihm liegen und beim Schmieden zertrümmert und in die Verformungsrichtung mitgestreckt werden. Daher kommt das sehnig-strähnige Erscheinungsbild alter Eisensorten.
Die mechanischen Eigenschaften sind dann nicht besonders gut, man verwendet das Material aber gerne wegen seiner vorzüglichen Schweißbarkeit und eben wegen der oft sehr interessanten Musterbildung nach Feinschleifen und Anätzen.
Deutungsmöglichkeiten des hier gezeigten Musterbilds:
1. Zufällig an dieser Stelle vermehrt auftretende Silikateinschlüsse.
2. Möglicherweise handelt es sich-siehe oben- um sehr reines Eisen (mit Fremdkörpern). Ein solches Material zeigt ein besonders schnelles Kornwachstum. Als Al Pendray bei seinen Wootz-Versuchen mit sehr reinem Eisen arbeitete, hatte er schon nach einer Erhitzung von wenigen Minuten Korngrößen bis 5 mm. Die Aufkohlung im Übergang zur Schneidleiste würde das Kornwachstum verlangsamen. Das würde das feinere Gefüge im unteren Teil erklären.
3. Wahrscheinlich ist es noch etwas ganz anderes, woran keiner gedacht hat.
MfG U. Gerfin
 
@ U.Gerfin: Ob das wirklich Puddeleisen oder Renneisen ist weiß ich nicht. Wie kann man die denn unterscheiden? Ich habs vor dem Schmieden an einer Stelle blankpoliert und angeätzt und auf Grund der strähnigen Struktur auf Puddeleisen getippt. Grobe Kristalle hab ich da aber noch nicht gesehen!
Hoffentlich finde ich noch ein Reststück, das kann ich dann plattklopfen und mal in die RFA legen, dann seh ich die Zusammensetzung (leider alles bis auf C)

Gruß

MythBuster
 
o.k. hab noch das Teil von der Klinge gefunden, das von der Spitze abgeschrotet wurde, plangeschliffen, poliert und in die RFA gelegt.
Folgendes Ergebnis:

Al: 0.54%, P: 0.30%, Tb: 0.19%, Co: 0.18%, Si: 0.13%, Ni: 0.04%,
Cu: 0.04%, S: 0.03%, Ag: 0.02%

Ist tatsächlich ziemlich rein, aber mit ziemlich viel P.
Hab dann den Querschnitt, in dem noch ein Teil des Papierstahls steckte, auch noch geschlifffen, poliert und mit 3% Nital angeätzt und siehe da, die Aussenlage ist auch schon ziemlich grobkristallin.
Der Balken rechts unten misst 500µm:



Beim nächsten sieht man unten den Papierstahl, der auch schon gar nicht mehr so feinkörnig ist. Kein Wunder, das Teil fiel ja direkt nach dem Feuerschwessen ab. Schön zu sehen ist die breite, dunkle Diffusionszone in das Puddel?eisen, das massive Seigerungen zeigt. Balken wieder 500µm:



Und weils so schön ist, noch eins vom blauen Papierstahl. Hab ein bisschen mit dem Polfilter gespielt. Hier sieht man schöne Martensitnadeln (korrigiert mich wenns nicht so ist, hab nicht so viel Ahnung in der Interpretation von Schliffbildern). Balken hier 100µm.



Gruß

MythBuster
 
Hallo Mythbuster,

ich kenne das, meine erste 3-Lagen-Klinge hatte noch größere Körner in der Puddeleisen-Randlage.

Randbedingungen:

- Randlagen altes Scharnier von Scheunentor, vermutlich Puddeleisen.
Hat evtl. im Lagerfeuer gelegen!
- Feuerverschweisst mit Ck60
- Schweissen mit Fettnuss, sehr hohe Temperatur, viele Hitzen, geringe
Verformung pro Hitze (Anfänger... )

Der Versuch das zu reproduzieren schlug bisher fehl, ich lasse mal ein Stück Puddeleisen längere Zeit in der Gasesse mitlaufen (vgl. Lagerfeuer).

Versuche Bilder zu bekommen, die Klinge ist schon verkauft (ja, sah echt toll aus).

Grüsse Martin
 
Das ist eine höchst merkwürdige Analyse. Wie kommt es zu einem so hohem Gehalt an Al ?. Dieses Element ist wegen seiner hohen Affinität zum Sauerstoff gar nicht so einfach in das Eisen hineinzubekommen.
Auch wo Kobalt herkommen soll, ist eher rätselhaft.
Der Phosphorgehalt wundert mich noch am wenigsten. Der könnte auch für die hellen Flecken verantwortlich sein.
Freundliche Grüße
U. Gerfin
 
da die RFA die Elemente unabhängig von ihrer Oxidationszahl misst, ist das schon zu erklären. Das Al ist bestimmt nicht als Metall im Stahl legiert, sondern in Schlackeeinschlüssen enthalten. Sind auch reichlich zu sehen. Was mich eher wundert ist der relativ niedrige Si Gehalt im Vergleich zum Al. Dieses Verhältniss ergibt keine dünnflüssige Schlacke! Für´s Co gibt´s nur eine Erklärung: war wohl im Erz enthalten und wurde mitreduziert (s. "wie kommen die Legierungselemente in den Stahl" :)).

Gruß

MythBuster
 
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