güNef's "Low-Budget-Laser" Projekt

güNef

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Servus,

kurz vor Jahreswechsel ist endlich mein „Low-Budget-Laser-Projekt“ fertig geworden.

Trommelwirbel, da ist er:

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Begonnen hat die ganze Geschichte im September. Ich wollte ein Kochmesser das ich zum Campen bzw. in ein Ferienappartement mitnehmen kann und dessen möglicher Verlußt locker zu verschmerzen ist damit ich meine „besseren“ Messer schön Zuhause und gut und sicher aufgehoben weiß.

Ach ja, es sollte auffällig sein, damit ich es in Wald und Wiese leicht finden kann. So bin ich auf ein Mora Cook´s Knife 4216PG Progrip aus Sandvic 12C27 Stahl gekommen, dem größten Kochmesser das Mora im Sortiment hat.

Idealerweise mit einem limefarbenen Griff, der beim Anblick die Netzhaut ablöst, so giftig und grell! Also Bestellt!

Nachzulesen ist das hier. Als das Messer angekommen ist, war ich von der hochwertigen Verarbeitung positiv überrascht!

Alle Kanten sauber angefast, auch der Kehl! Klingenspiegel makellos geschliffen, sauberer und gleichmässiger Anschliff, wunderbar. Das Messer war richtig scharf! Ein Blick auf den Kehl brachte dann die erste Ernüchterung, 0,6 mm hinter der Wate, das entspricht nach Adam Riese zwei Faust Butter und schneidet nicht. Die erste Möhre brachte Gewissheit. Ein lautes Knacken begleitete jeden Schnitt.

Es hatte sich gerade zufällig wieder was zu ausdünnen angesammelt, also dazu ins Paket und ab zu Jürgen mit dem üblichen Begleitschreiben möglichst viele Stahlatome in Stutensee zu lassen und nur das absolut Notwendige an Klinge wieder zu retournieren. :D

Als ich das Messer wieder in Empfang nahm und ausprobierte, hat es von der Schneidfähigkeit her, alles was damals im Block gesteckt ist auf die Plätze verwiesen. Jürgen hat vom ohnehin dünnen Klingerücken bis knapp oberhalb der Schneide durchgezogen und dann leicht ballig, gegen Null auslaufen lassen, das schneidet wie Hölle, kein spalten, kein verkeilen, nur glatter Durchschnitt.

Der Griff hat aber jede Freude damit zu arbeiten im Keim erstickt. So ein aufgespritzter Kunstoffgriff gehört an ein Metzgermesser aber nicht an ein Kochmesser. Jetzt hatte ich eine perfekt schneidfähige Klinge aber einen von der Haptik scheußlichen Griff, der einen Pinch-Grip nicht zulässt.

Durch die von Jürgen generierte Schneidfreude habe ich den Outdoor/Camp/Ferienmesser-Plan verworfen. Ich wollte mein geometrisch bestes Messer zu täglichen Kochen nützen, aber nicht mit diesem Griff.

Dann kam mir chamenos Beitrag wieder in den Sinn, Griff runter in Fünf Minuten, Erl saubermachen, neuer Griff drauf und fertich. :ahaa:

So einfach war das dann aber doch nicht. Der aufgespritzte Kunststoff erwies sich als zäher Gegner und ausgesprochen widerstandsfähig. Keine Ahnung mehr wie lange ich an dem Teil herumgesägt und geschnitten habe, länger als Fünf Minuten hat es wohl gedauert, danach war ich duschen.

Jetzt hatte ich eine perfekte Laserklinge, leicht ballig, gegen Null ausgeschliffen und keinen Griff drauf. :mad:

Meine erneute Anfrage bei Jürgen war auch nicht wirklich von Erfolg gekrönt, der Erl ist recht kurz, da einen ordentlichen Griff draufmachen ist so eine Sache, besser-lieber-nicht. Und vom „Low-Budget-Prinzip“ hätte ich mich auch verabschieden können!

Also musste ich selber ran. Ich wollte aber keinen fertig vorbereiteten Wa-Griff und ein Yo-Griff war also auch fragwürdig! Was tun?

Als ich in der Arbeit ein Reparaturprotokoll für Knochenmeissel ausfüllte, war alles klar.
Unser zertifizierter Chirugiemechanikermeister kommt einmal die Woche und holt defekte Instrumente ab und fertigt auch neues Griffmaterial für Meissel, Hämmer, Osteotome und andere knochenchirurgische Instrumente an.

Wir kennen uns gut und lange und schon hab ich die getapte Klinge hinter meinem Rücken hervorgezogen und wir haben die ersten Details besprochen!

Ich wollte einen extrem robusten und thermostabilen Griff, der keine Reaktion auf Feuchtigkeit, Hitze oder Druck zeigt, nicht spröde wird, keine Pflege braucht und auch noch nach Jahren unverändert aussieht.

Propylux ist aktuell eines der besten Griffmaterialien an chirurgischen Instrumenten, aber blau und hässlich und fühlt sich an wie Gummi, kommt also für meine Ansprüche nicht in Frage. Ich brauche einen Werkstoff mit unvergleichlicher Haptik und Griffigkeit, eben wie der Griff an einem älteren Knochenmeissel.

So schauen alte Knochenmeisselgriffe aus:

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Einen Griff aus Ferrozell sollte es werden. Vorrätig hatte er ein helles braun, schöne Farbton, ich hab’s genommen.

Das lässt sich gut mit Leinenmicarta vergleichen und ist diesem sehr ähnlich wenn nicht ident!

Wie wir die Klinge montieren war bald geklärt, ein Spalt wurde präzise gefräst, der Erl bekam zwei kleine Löcher, wurde passgenau mit Zweikomponentenkleber unverrückbar verklebt und dann mit zwei kleinen Pins endfixiert. Dann wurde der Griff so lange in Form gearbeitet und überschliffen bis er so aussah wie jetzt.

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Mit dem Ergebnis bin ich absolut zufrieden, der Griff ist rund um den Erl absolut fehlerfrei und passgenau versäubert. Die beiden Pins sind plan verschliffen und aus Nirosta, die Griffform ist Oval und Kegelförmig angesetzt, verjüngt sich zur Klinge genau in dem Umfang, so das ein Pinch-Grip für meine Hand perfekt passt!

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Vom Erl ist ein Teil sichtbar geblieben. Ähnlichkeiten mit einem Wa-Griff sind unverkennbar und gewollt.

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Das Schliffbild am Klingenspiegel hab ich nach Abnahme des Originalgriffes belassen.

Die Haptik ist formidabel, ja sensationell!

Hat alles eine Weile gedauert, die Zeit eines Chirurgiemechanikers ist kostbar. Jetzt aber ist mein Low-Budget-Laser fertig! :cool:

Der Sandvic 12C27 ist ein ausgezeichneter Stahl, trotzdem habe ich mich entschlossen der Schneide eine Mikrofase anzuschleifen um die Schneidkantenstabilität anzuheben.
Das Ding muss alles abkönnen, Punkt! Nach meinem Gefühl hat es dadurch einen Hauch an Schneidfreude eingebüsst aber deutlich an Schneidkantenstabilität gewonnen.

Zusammenfassend liegt die Schnittleistung knapp über dem Niveau meines Ashi oder Takamura und ist der von meinem extrem gestrippten CarboNext sehr nahe. Einen konzentrierten Vergleich hab ich noch nicht gezogen, aber ein kurzes hin-und herwechseln zeigte keinen klaren Unterschied.

Die Standzeit eines Stahls ist mir nicht mehr so wichtig, Schneidfähigkeit dafür umso mehr! :teuflisch

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Wenn man bedenkt, dass ich Griffmaterial und Hilfestellung umsonst bekommen habe, ist das Preis-Leistungsverhältnis sensationell.

Hier eine Kehlvergleichsserie:

links "low-budget"/rechts Ashi

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links "low-budget"/rechts Takamura

P1070009.jpg

links "low-budget"/ CarboNext (ausgedünnt)

P1070010.jpg

"low budget" ( Mora) Originalzustand:

P1060645.jpg

Dieses Messer ist was die Funktion betrifft ganz weit vorne und kann gegen jedes meiner anderen Messer bestehen! Kehlvergleiche mit meinen dünnsten Messern belegen die Schneidfreude. Die Haptik von Griffform und Material ist grandios. Das aussehen ist schlicht und funktionell, es gibt keine scharfen Kanten, die Länge der Klinge ist mit 220mm für mich perfekt, das Profil ist Ideal.

Specs:

Gesamtlänge: 340mm
Klingenlänge: 225 mm
Schneidenlänge: 220mm
Grifflänge: 120mm
Gewicht: 162 Gramm
Schwerpunkt: 10mm vor Griffbeginn

Den Klingenspiegel könnte ich noch perfekter finishen, den Kehl innen auspolieren, das ist aber Kosmetik!

Schöne Messer hab ich genug!

Die Kosten:

42,36,- Euro kostet das Messer

16,- Euro das dünnschleifen

ca 30,- Euro der Griff

Gesamtpreis: unter 100,- Euro

Hier noch mal alle Evolutionsstufen von links nach rechts: original-ausgedünnt-Griff runter-getaped-fertig!

P1060642.jpg P1060707.jpg P1060772.jpg P1060777.jpg P1070011.jpg

Fazit:

Nüchtern betrachtet ist diese Spielerei in Summe aller Eigenschaften mein bestes Messer. Ich würde kein anderes gleicher Größe mehr brauchen, alles drin, alles dran!

Wer geschickt und kreativ ist, kann um kleines Geld zu Ergebnissen kommen, die schon sehr nahe am Ideal eines wirklich sehr guten Kochmessers liegen.

Es werden wohl noch Zwei kleinere Stücke gleicher Bauart dazukommen. An Serienmessern bin ich ziemlich gesättigt, jetzt geht alles Richtung Optimierung und „experimentelle Bastelarbeiten“ :irre:

Gruß, güNef
 
Zuletzt bearbeitet:
Glückwunsch! Das Messer hat in jeder Hinsicht hinzugewonnen! Es wird dein persönliches Messer sein mit seiner ganz eigenen Geschichte! Ich vermute weiter, dass es deine Gefilde wohl nicht verlassen wird.
Der Griff ist sehr gelungen! Der sieht so aus, als würde er mir auch gut in der Hand liegen! Erinnert mich ein wenig an meinen voluminösen Santokugriff. ;) Viel Freude mit dem schönen Teil!

rocco26
 
Unbedingt weiterbasteln. Bin sehr gespannt, was Du noch zutageförderst. Der Griff ist sehr gelungen und könnte von der Verarbeitungsqualität her manchem Serienmesser als Vorbild dienen. Sehr schönes Material :super: ...

Gruß R'n'R
 
Das mit dem bekannten Meister ist schon Glück.

Ich habe zwar auch ein Schneidbrett von der Schreinerei zwei Straßen weiter geholt, aber bei einem Messergriff wüsste ich nicht an wen wenden.

Tolles Messer, by the way!
 
Moin
Toller Bericht , tolle Bilder und vor allem (jetzt) tolles Messer mit mal schönem ,weil natürlich aussehendem ,Micarta bzw Ferrozell Griff.Wer Echtholz nicht scheut ,handwerklich begabt ist und das nötige Werkzeug im Keller (Werkstatt) hat für den Griff ,kann sogar noch ein paar € sparen .
Glückwunsch zu deinem sehr schönen Messer .
 
Servus,

Das mit dem bekannten Meister ist schon Glück.

ja, da hast du unbestritten recht und ich weiß das zu schätzen!

Hier noch einmal den Griff, weil er sehr fein geworden ist und ein Vergleichsbild mit einem Ashi Ginga Wa-Gyuto 210mm und einem Takamura Migaki R2 210mm

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Gruß, güNef
 
Moin,

nicht schlecht, das Messer erkennt man ja garnicht wieder :staun:

Da bleibt mir nichts anderes über als dich zu dem Messer zu beglückwünschen! Bin schon auf die nächsten Bastelarbeiten gespannt :)

Gruß, Gabriel
 
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