Härten von 1.2519

HermannW

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Hallo Zusammen,

bin neu hier als Mitglied, habe aber schon sehr viel im Forum gelesen und viel gelernt.

Hier meine erste Frage zu meinem bzw. unserem ersten Messer, an dem ich mich zusammen mit meinem Sohn (13) versucht habe:

In der Firma habe ich einen Muffelofen, in dem ich einen Rohling aus 1.2519 (nicht geschmiedet, sondern gefeilt aus Flachstahl und an der Schneide 0,5mm Dicke stehen gelassen) härten wollte. Dicke am Messerrücken 3,5mm, Schneidenbreite 30mm, balliger Schliff. Man hat mir empfohlen, erst normalzuglühen bei 750° und dann an der Luft abkühlen zu lassen bis im Dunkeln kein Glühen mehr zu sehen ist. Dies habe ich zwei Mal gemacht.
Danach habe ich den Rohling bei 810° in den Ofen eingelegt (einfach offen, ohne Folie oder Lack) und etwa 10-15min gewartet, bis der Ofen 830° erreicht hatte. Die Ofentemperatur sollte eigentlich korrekt sein. Nun zum eigentlichen Problem: wir haben einen Rauchmelder in der Halle, der sofort losgeht und direkt mit der Feuerwehr verbunden ist. Abschrecken direkt am Ofen ging also nicht. Also habe ich das Ölbad vor die Türe gestellt und nach dem Herausnehmen des glühenden Rohlings mich die 6m auf den Weg gemacht. Das dauerte einige Sekunden, bis ich den Rohling (mit Flammenentwicklung und deutlicher Raucherzeugung) im Öl hatte. Auf den paar Schritten dahin sah es aber schon so aus, als dass die Farbe sich zumindest oberflächlich vom kräftigen Rot in Richtung "kälter" verändert hatte. Direkt nach dem Härten ging das Ritzen von Glas ganz passabel. Danach habe ich zweimal bei 200° eine Stunde angelassen, was eine goldgelb-bronzebraune Farbe brachte, mit anschließender Kühlung in kaltem Wasser. Nach Tabelle soll das etwa 61-62 Rockwell bringen.

Nun, nach dem Anlassen, habe ich nochmals versucht, die Härte im Vergleich zu testen und bin relativ enttäuscht. Ergebnis:

- das Messer ritzt gut den ungehärteten 1.2519

- eine Feile (Dick) greift problemlos, aber das scheint eher nicht ungewöhnlich zu sein

- das Messer ritzt weder ein japanisches Kohlenstoffstahl-Messer noch ein altes Kohlenstoffstahl-Küchenmesser, wird aber von beiden geritzt


Kann es sein, dass die paar Sekunden (vielleicht 5sec ?) vom Ofen zum Öl schon zu lang waren, das Abschrecken also nicht schnell genug war?
Oder muss ich tatsächlich erst mal mehr Material abnehmen (an der Schneide) um an nicht-entkohlte Bereiche zu kommen? Wie tief kann die entkohlte Schicht gehen? Kann man eine Entkohlung optisch erkennen durch eine Verfärbung?

Bin sehr gespannt auf Eure Antworten.
Viele Grüße
Hermann
 
Bei dem Flachmaterial war das "Normalglühen" überflüssig, da es von der Lieferfirma mit einiger Sicherheit mit der richtigen Struktur geliefert wurde.
Normalglühen dieses Stahls würde deutlich höhere Temperaturen erfordern. Was Du gemacht hast, war ein -überflüssiges- Weichglühen.
Ob es dabei schon zu einer Entkohlung gekommen ist, kann ich ohne nähere Angaben zu den Zeiten nicht sagen. Möglich ist es.

Der Weg vom Ofen zum Öl kann auch mitgewirkt haben. An sich ist es eher unwahrscheinlich, daß der Stahl bei der kurzen Zeit schon ins Gebiet der Perlitnase (ZTU-Schaubild !) geraten ist, sodaß es nicht zur vollständigen martensitischen Härtung gekommen ist.

Wenn Ihr natürlich vom Ofen zum Öl gemütlich geschlendert wäret und die Klinge mit der Schneide nach unten gehalten hättet, könnte es sein, daß sie doch schon teilweise perlitisch umgewandelt wäre.

Zum Trost: Ihr habt nichts kaputt gemacht.
Die Klinge ist jetzt scharf normalisiert, sollte aus diesem Zustand langsam erwärmt werden und kann mit gutem Erfolg neu gehärtet werden.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Danach habe ich den Rohling bei 810° in den Ofen eingelegt (einfach offen, ohne Folie oder Lack) und etwa 10-15min gewartet, bis der Ofen 830° erreicht hatte
Um hier mal eine Frage einzuwerfen, weils so gut passt und mir die Diagramme hier nicht weiterhelfen: Welche Härte möchte mann denn erreichen, die maximal mögliche?
Vom Kornwachstum macht das ja kaum Unterschied und existieren ja dann noch Karbide. Und der Restaustenit sollte ja bis zum merkbaren Rückgang der Härte auch nicht nennenswert entstanden sein.
Verbleiben also in diesem Falle die ~0,8%C die das Austenit noch halten konnten im Martensit und der Rest liegt dann als Karbid vor?

Abhängig davon sind die genannten Zeiten bei den Temperaturen noch in Ordnung, es hätten aber bei nur 10 min die 830° von Anfang an auch nicht geschadet.
Leg doch das Messer für den Transport das nächste mal in ein von anfang an miterwärmtes Rohr oder 4-Kant ein.
Wie tief kann die entkohlte Schicht gehen? Kann man eine Entkohlung optisch erkennen durch eine Verfärbung?
Das müsste ja eine sehr starke Entkohlung sein, wenn sie bei 1,1% C noch so einen großen Härteverlust bewirkt - und das nur bei 10-15 minuten.

Viele Grüße,
Eisenbrenner
 
Hallo U.Gerfin und Eisenbrenner,

vielen Dank für die Antworten. Gut ist, dass wir es nochmal probieren können! Wenn so viele Stunden Feilen vergeblich gewesen wären, wäre der Frust ziemlich groß.

U.Gerfin schrieb:

"Die Klinge ist jetzt scharf normalisiert, sollte aus diesem Zustand langsam erwärmt werden und kann mit gutem Erfolg neu gehärtet werden".

Was ist bitte genau damit gemeint? Nochmal direkt in den Härteofen, aber aus niedrigerer Temperatur hochfahren? Würde das dann nicht zu lange dauern?


An Eisenbrenner:
Vielen Dank für den Tipp mit dem Messer im Rohr. So sollte bei einem erneuten Versuch die Temperatur den Transportweg bis zum Ölbad "überleben".

Gerade habe ich noch ein paar Tests gemacht. Die Klinge ritzt problemlos ein Schweizer Victorinox Taschenmesser, und sie ritzt auch nicht leicht aber doch gut sicht-und fühlbar Zwilling Friodur Kochmesser. Sie ritzt nicht das Mittelstück des Aldi-Damastmessers, wird von diesem aber geritzt. Sie ritzt problemlos den "Damastdeckel" des Aldi-Messers. Könnte das auf so 57-58 Rockwell hindeuten?

Vielleicht sollten wir das ja für ein Pfadfindermesser so lassen und Eure guten Ratschläge beim nächsten Versuch anwenden...

Viele Grüße
Hermann
 
Zuletzt bearbeitet:
Damit ist gemeint, daß die Klinge umgekörnt und auf feines Korn behandelt ist.
Die geschilderte Härte spricht dafür, daß sich auch Martensit gebildet hat, wenn auch vielleicht nicht die optimale Menge.
In diesem Zustand sollte man sie nicht direkt hoher Wärme aussetzen-Rißgefahr.
Die Wiedererwärmung zur Härtung sollte also sacht ausgeführt werden.
Dafür gibt es eine Unzahl von Möglichkeiten.
Denkbar wäre etwa, sie mit Holzkohle oder Papier in ein verschlossenes Rohr zu stecken und mit diesem Rohr auf Härtetemperatur zu bringen. Dabei könnte sie sogar in den auf Härtetemperatur viorgeheizten Ofen eingelegt werden. Die Verzögerung der Erwärmung durch das Rohr und die Befüllung reichen aus, um zu starke Wärmespannungen auszuschalten.
Nach Erreichen der Härtetemperatur am Rohr muß noch eine Weile gehalten werden, damit auch innen die Härtetemperatur ereicht wird. 10 Minuten sollten ausreichen, wenn man vom oberen Rand der Härtetemperatur härtet. Bei 800 Grad könnte man auch 15-20 Min halten.
Sie kann dann mit dem Rohr zum Öl gebracht werden und direkt nach dem Herausziehen abgeschreckt werden.

Eie andere Möglichkeit ist das Hochfahren mit dem kalten Ofen auf ca. 500-600 Grad, Herausnehmen und wieder in den Ofen einlegen, wenn er Härtetemperatur hat.
So gibt es viele Möglichkeiten. Die erste scheint mir am günstigsten, weil dabei das Abkühlen während des Transports zum Öl vermieden wird.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
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