Haumesser, Werkzeug aus Land- Forstwirtschaft der Schmiede Hauser und Schneider Wettelbrunn

Taperedtang

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Hallo,

heute zeige ich kein Messer von mir, sondern einen Scheunenfund der sich schon seit vielen Jahren in meinem Besitz befindet. Es handelt sich um ein "Haumesser" und/oder Werkzeug für die Land-/Forstwirtschaft von der Schmiede Hauser und Schneider aus Wettelbrunn in der Nähe von Staufen im Schwarzwald.

Bei meiner Recherche im Internet bin ich auf den Schmied Karl Hauser gestoßen, der wohl ab den 50er Jahren eine Schmiede in Wettelbronn betrieben hat. Die Schmiede wurde angeblich noch bis 1988 von einem Sohn weitergeführt.

Ich vermute, dass das Stück aus den 50er oder 60er Jahren stammt. Leider hat sich schon jemand daran versucht mit ungeeignetem Werkzeug nachzuschärfen. Zudem wurde das Werkzeug ziemlich "missbraucht". Auf dem Klingenrücken sind starke Hammerschlagspuren zu sehen. Es gibt aber kaum Absplitterungen, der Klingenrücken ist dort einfach breiter geschlagen, was wohl auch für einen ziemlich zähen Kohlenstoffstahl spricht. Der Griff ist leider beidseitig stark gerissen.

Die Maße sind durchaus beeindruckend:

Gesamtlänge: 41,5 cm
Klingenlänge: 25,5 cm
Klingenstärke: Direkt am Griffstück 7 mm, verjüngt sich schnell auf 5mm und verbleibt so bis fast zur Spitze. Ein Zentimeter vor der Spitze beträgt die Stärke immer noch 4 mm!
Stahl: irgend ein Kohlenstoffstahl?
Griff: Helles Holz vmtl. Buche möglicherweise auch Buchsbaum oder Ilex
Gewicht: 787 g

Nach einiger Recherche, auch hier im Forum, habe ich ähnliche Werkzeuge entdeckt, wobei es unterschiedliche Auffassungen zur Verwendung solcher Werkzeuge gibt. Aufgrund der Form, des Gewichts und der Klingengeometrie ist für mich folgender Verwendungszweck am wahrscheinlichsten:
Verwendung als Haumesser zum schneiden/schlagen von Weidenruten, grobem Gestrüpp und der Einsatz zum entasten von Holzstämmen.

Über weitere Hinweise zur Verwendung des Werkzeugs und zur Schmiede würde ich mich sehr freuen.

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Grüße

Matthias
 
Schönes altes Stück.... ich habe drei von der Art, eins davon noch von meinem Opa, damit haben inzwischen vier Generationen gearbeitet.
 
Kuck mal unter dem Begriff "Schweizer Gertel" nach...
Ja, die Teile sind genau dafür vorgesehen, Bäume zu entasten, geht natürlich auch für alles andere Gestrüpp und was sonst noch an groben Arbeiten anfällt.

Kleiner Tip: Schau mal in ner BayWa Gartengeräteabteilung rein, da gibts die Teile auch manchmal.

Preis: ca. 26€, 1095 Carbonstahl, Ledergriff
 
Danke für deinen Hinweis! Ja, genau das ist es. Die Abmessungen, das Gewicht und die Form sind fast identisch. Die Fertigung eines "Schweizer Gertels" zur Entstehungszeit des Werkzeugs in Deutschland ist in diesem Fall nicht verwunderlich, da Wettelbrunn nur ca. 40 km von der Schweizer Grenze entfernt liegt und es schon damals einen regen Austausch zwischen Deutschland und der Schweiz gab. Es gibt nur einige kleine Unterschiede zu meinem Stück z. B. Griffgestaltung/-material, handgeschmiedet, vmtl. Stahlsorte.... Diese Unterschiede resultieren mMn aus der Entstehungszeit und den damals bevorzugten und zur Verfügung stehenden Materialien.
 
Diese Messer heißen auf Französisch 'serpe', die findest Du in jedem französischen Agrarhandel.
Es gibt sie dort in allen möglichen Größen, vom kleinen Opinel zum Ausdünnen von Weinranken, bis zum 'Trümmer',
und in jedem landwirtschaftlichen Betrieb sind sie im Einsatz. Im französischsprachigen Wiki - Artikel sind auch
ein paar Bilder: https://fr.wikipedia.org/wiki/Serpe
Gruß, Rudi
 
Danke, Rudi! Das wird immer interessanter. Im Wikipedia-Artikel ist auch ein Bild zu sehen auf dem diese Werkzeuge abgebildet sind und auf einem Markt in Italien angeboten werden. Das heißt, dass diese in vielen europäischen Ländern, zumindest in D, F, I und CH, in jeweils leicht abgeänderter Form angeboten werden. Diese Werkzeuge haben sich wohl aufgrund ihrer Praxistauglichkeit in vielen Ländern bewährt.

Gruß

Matthias
 
Servus Matthias,
keine Ursache.
Europäische Auswanderer haben diese Messerform natürlich auch in die heutigen USA/Kanada mitgenommen.
Dort heißen sie 'billhooks', wenn Du nach billhook knives suchst, findest Du jede Menge Links.
Hier mal einer aus England: https://www.billhooks.co.uk
Gruß
Rudi
 
Zuletzt bearbeitet:
Dieser Link beinhaltet umfangreiche und interessante Informationen zu den "Haumessern". Ob Bill Hook (GB/USA), Serpe (F), Roncola (I), Podón (ESP) oder Vesoin/Kassara (nordische Länder) es fällt auf, dass die Klingenform meist sehr ähnlich ist. Die Griffform zeigt da deutlich mehr Varianten. Die "Haumesser" aus Übersee weisen auch sehr unterschiedliche Klingenformen auf. Mit der Menge an Informationen die das Internet zur Verfügung stellt kann man sich, wenn man es möchte, Monate lang beschäftigen. :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Matthias,

bei unds im schwäbischen sagen wir Hippe oder Heppe zu diesen Haumessern. Zum ausasten, wegschlagen von Gebüsch usw. Großvater zerlegte einmal eine Brombeerhecke damit und diese, seine alte Hippe habe ich noch Jahre im Garten verwendet.

Grüße
Thommy
 
Hallo Thommy,

ich werde das alte Stück auch im Garten nutzen. Hierzu werde ich, irgendwann wenn ich Lust habe, die Risse im Griff mit Holzkitt reparieren und die Klinge schärfen. Mehr werde ich daran nicht machen. Das Teil ist so stabil, dass es auch noch weitere Generationen aushalten wird.

Gruß

Matthias
 
und diese Form ist nicht totzukriegen! Fiskars hat sowas unter dem Titel "Machete" auch im Programm! Ich hab das mal einem Freund geschenkt, der hatte im Garten aufzuräumen, und als er fertig war, wollte er überall was weghauen mit dem Teil. Ich hatte auch mal ein altes, das habe ich restauriert, und dann hat es mir jemand abgeschwatzt....
 
Das Gute ist, dass man sich bei Bedarf jederzeit wieder so ein Teil kaufen kann. Zwar nicht so urig und vintage aber ich denke, dass auf dem Sekundärmarkt schon noch das eine oder andere Stück zu finden ist.
 
Hauser und Schneider aus Wettelbrunn??? Super, danke fürs Posten! Ich komme aus Staufen, Wettelbrunn ist bei uns eingemeindet. Mir war nicht bekannt, dass dort noch so lange geschmiedet wurde:
"Weiter die Fohrenbergstraße hinunter zweigt die Schmiedegasse ab. Wettelbrunn hatte bis in die 1980er Jahre einen solchen Handwerker. Der letzte Schmied, Karl Hauser, fertigte und reparierte Werkzeuge für Landwirte und Waldarbeiter; sein Sohn übte diesen Beruf bis 1988 noch in Teilzeit aus."
800 Jahre Wettelbrunn
Es gibt eine Broschüre zu dem Jubiläum, die anscheinend ein paar Seiten über die Schmiede enthält.

Im hiesigen, alemannischen Dialekt nennen wir diese Haumesserform übrigens "Säsle", etymologisch offensichtlich von Sax. Ist der absolute Standard, wir haben auch noch welche aus Großvaters Zeiten im Haus.
 
...Zudem wurde das Werkzeug ziemlich "missbraucht". Auf dem Klingenrücken sind starke Hammerschlagspuren zu sehen. Es gibt aber kaum Absplitterungen, der Klingenrücken ist dort einfach breiter geschlagen, was wohl auch für einen ziemlich zähen Kohlenstoffstahl spricht. ...
Das werden wohl die Vorfahren der "Bushcrafter" gewesen sein, die schon damals nicht zwischen Messer und Axt unterscheiden konnten.
Ein robustes, unprätentiöses Arbeitsgerät. Nix zum Angeben. So etwas ist heute leider schon der Ausnahmefall.
 
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