Hell- Dunkel- Adaption des Auges oder warum Rotlicht die Nachtsichtfähigkeit erhält!

Rex_Applegate

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Servus,

Ich will mal was über das Auge schreiben...

Erst mal zum Sehvorgang an sich.
Das Licht dringt durch die Hornhaut in die vordere Augenkammer, wird durch die Iris reguliert, an der Linse gebrochen und gelangt dann durch den Glaskörper an die Netzhaut (Retina).
Diese besteht aus Photorezeptoren, Zapfen für das Farbsehen und genaue Abbildungen, und Stäbchen für Wahrnehmen von Hell und Dunkel und Bewegungen. Die Rezeptoren geben ihre Wahrnehmungen über Neuronen an den Sehnerv weiter.
Im Zentrum der Netzhaut, direkt gegenüber dem Mittelpunkt der Pupille, befindet sich der gelbe Fleck, der Punkt des schärfsten Sehens. Er enthällt den Großteil der auf der Netzhaut vorhandenen Zapfen.

Erregung der Stäbchen.
Die Stäbchen enthalten als Photopigment das lichtempfindliche Rhodopsin. Es setzt sich auf dem Eiweiß Opsin und dem Vitamin A- Abkömmling Retinal zusammen. Trifft ein Lichtteilchen (Photon) auf das Rhodopsinmolekül zerflällt dieses innerhalb von 1ms und verändert das Ruhepotenzial der Stäbchen (Hyperpolarisation). Diese Hyperpolarisation wird an die Neuronen weitergegeben und als Bild umgesetzt.
Die Resyntese der Zerfallsprodukte Opsin und Retinal erfolgt unter Energieverbrauch innerhalb von 30min. Da der Zerfall viel schneller als die Resyntese erfolgt, sind die Stäbchen bei Tageslicht praktisch nicht erregbar!

Erregung der Zapfen.
Die Zapfen enthalten als Photopigment Iodopsin, mit drei unterschiedliche Eiweißanteile die für bestimmte Wellenlängenbereiche des Lichts empfindlich sind. So gibt es Rezptoren für den Gelbrot-, Grün- und Blauviolettbereich.

spectra.GIF


Die Zerfall von Iodopsin erfolgt langsamer als der von Rhodopsin und wird außerdem schneller regeneriert, daher können wir auch noch bei hellem Licht sehen.


Nun zur Hell- Dunkel- Adaption.

Das Auge besitzt 3 verschiedene Mechanismen zur Regulation verschiedener Lichtverhältnisse.

Die erste und schnellste Möglichkeit der Regulation bietet die Pupille. Diese Öffnung in der Iris wird durch die Ziliarmuskel verändert und ermöglicht die Lichtmenge in sekundenbruchteilen 20 fach zu verändern.

An zweiter Stelle steht ein neuronaler Mechanismus der die Anzahl der Stäbchen (10-100), die ein Neuron verknüpft, erhöht. Dadurch läßt sich der Wahrnehmung nochmal um den Faktor 100 erhöhen, allerdings auf auf Kosten der Sehschärfe.

Am effektivsten ist der biochemische Prozess. Bei Dunkelheit zerfällt weniger Rhodipsin als nachgebildet wird. dadurch erhöht sich langsam die Anzahl der Rhodopsinmoleküle in den Stäbchen bis nach ca 30min die Stäbchen vollständig gesättigt sind.
Die Adaptation der Zäpfen reagiert schneller auf die Helligkeitsveränderung als die Stäbchen. Nach etwa einer Minute ist die Sensitivität um das 100fache gesteigert, die Zapfen haben sich jetzt vollständig adaptiert.
Nach 10 Minuten ergibt sich eine erneuter Anstieg der Sensitivität: die Stäbchen adaptieren jetzt stärker. Damit nimmt die Sehkraft weiter zu, aber man verliert die Fähigkeit zum Farbensehen. Nach etwa 30min sind die Stäbchen vollständig adaptiert, die Sensitivität hat sich jetzt um dem Faktor 1000 gesteigert.



Wird man jetzt geblendet, zerfällt das lichtempfindliche Rhodopsin innerhald weniger Sekunden vollständig, der Adaptions- Prozess beginnt von vorne.
Rotlicht hingegen reagiert nur mit dem Iodopsin der Zapfen für den Gelb- Rot-Bereich, das Rhodopsin der Stäbchen bleibt erhalten!

Fazit:

Das menschliche Auge braucht ca. 30 Minuten um bei völliger Dunkelheit die volle Nachtsichtfähikgeit zu erhalten (Adaption). Wird das adaptiere Auge einer Lichtquelle (außer Rotlicht) ausgesetzt, wird die Nachtsichtfähigkeit innerhalb von Sekunden zerstört, da die Lichtquelle mit dem Rhodopsin der Stäbchen reagiert.
Rotlicht liegt mit seiner Spektralkurve außerhalb der Empfindlichkeit der Stäbchen, wirkt sich also nicht auf den Adaptionsprozeß aus - die Nachtsichtfähigkeit bleibt erhalten!
Alle anderen Farben liegen im Empfangsbereich der Stäbchen, wirken sich also auf den Adaptionsprozeß aus.



MFG Ben
 
Last edited:
Toll, Ben.

Auf den Beitrag habe ich lange gewartet. Der hilft sowohl den Messer- als auch den Lampenfreaks weiter - danke.
 
Ein Dreifache Hipp Hipp Hooray

naja auf USN hätte es dafür jetzt coole Smileys gegeben. dann gibts ma den dafür :steirer:

Auf alle Fälle ein große DANGÄSCHÖN
 
guter beitrag. das wird in zukunft sicher ein paar verständnisschwierigkeiten abbauen... :super:

gruss chris
 
Toller Beitrag,

ich habe mir deshalb eine spezielle Taschenlampe geholt.
(zum Sternkartenlesen). Hat eine schwache rote Diode die
dimmbar ist.

cu Hive

riegel-starlite-karte.jpg
 
Da Du ja der Augenspezi bist, habe ich eine Frage!
Mir wurde mal beigebracht, dass wenn man von hell nach dunkel geht und dann die Augen fest zusammenkneift, dass man dann schneller in der dunkleren Umgebung sehen könnte. Die Begründung war, das durch das zusammenpressen der Augen ein weiten der Iris vonstatten geht ähnlich wie bei großem Schrecken.

Was sagt die Wissenschaft dazu?

Danke im voraus!
 
Danke für den lehrreichen Beitrag. Zwar alles schonmal an der Uni gelernt, aber nie diese Schlüsse daraus gezogen...

Gruss, Saggon
 
punirus said:
Da Du ja der Augenspezi bist, habe ich eine Frage!
Mir wurde mal beigebracht, dass wenn man von hell nach dunkel geht und dann die Augen fest zusammenkneift, dass man dann schneller in der dunkleren Umgebung sehen könnte. Die Begründung war, das durch das zusammenpressen der Augen ein weiten der Iris vonstatten geht ähnlich wie bei großem Schrecken.

Was sagt die Wissenschaft dazu?

Danke im voraus!


Erst mal bin ich kein "Augenspezi" ;) sondern nur ein Feuerwehrmann, der für seine Rettungsassistenprüfung lernt...

Aber etwas kann ich dazu sagen,
Das Zusammekneifen der Augen bringt meiner Meinung nach nicht´s, da die Pupillenreaktion sehr schnell abläuft! Außerdem hat die Pupille mit dem Faktor 20 nur einen geringen Anteil an der insgesammt 2.000.000 fachen Hell- Dukeladaption. Die Pupillenreaktion kommt am Tag zur Geltung, da sie durch das Verkleinern der Pupille die Netzhaut vor zu viel Lichteinfall schützt. Bei Dämmerung oder bei stark bewölktem Himmel ist die Pupille schon fast vollständig erweitert.

Im Gegenzug kann man, wenn man mit vollständig adaptierten Augen vom Dunkeln kurzzeitig ins Helle kommt, ein Auge zusammenkneifen. Beim offenen Auge zerfällt dann zwar das Rhodopsin, im geschloßenen Auge bleibt es jedoch erhalten. Tritt man nun wieder in´s Dunkle, hat man noch auf einem Auge die volle Sehkraft im Dunkeln!

Hoffe ich konnte Dir weiterhelfen!

MFG Ben
 
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