Helle GT - Ein paar kritische Worte zu "skandinavischen" Messern

Bunsenbrenner

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Hallo Forenleser,

ich möchte vorab zugeben, dass ich kein Experte für Stahlwaren bin. Ich bin kein Sammler von Messern, sondern jemand, der ein Messer nach dem Motto aussucht Funktion vor Schönheit, aber Schönheit ist ab einem gewissen Preis dann doch das zusätzliche Muss. Und ich möchte meine Messer auch benutzen, nicht in die Vitrine legen.

Oft habe ich insbesondere von Amerikanern gelesen, dass sie ziemlich begeistert von Messern skandinavischen Typs sind. Es ist die Einfachheit in Verbindung mit der Qualität, insbesondere des Stahls, die geschätzt wird. Das ist nach meiner Meinung nur zum Teil richtig.

Wenn ein Messer als funktionales Werkzeug für alle möglichen Einsatzzwecke in Wald, Feld und vielleicht sogar als Behelfswerkzeug, vielleicht und hoffentlich nicht auch als Waffe eingesetzt werden soll, dann sind die typisch deutschen Fahrtenmesser den skandinavischen Sax-Derivaten deutlich überlegen was ihre Form und Funktionselemente angeht. An einem deutschen Messer dieser Art gibt es einen Fingerschutz, der höchst willkommen sein wird, wenn man einmal - vielleicht aufgrund der eingetretenen Muskelübersäuerung - nicht mehr gut zugreifen kann, unpräzise zustößt und in die eigene Schneide rutscht. Autsch. Bei allen original skandinavischen Messern, ob von Martiini oder Helle gibt es keinen Fingerschutz, eine Parierstange natürlich gar nicht. Darum kann die Scheide auch einfach konzipiert sein und ist oft nicht mehr als eine lange "Tüte".

Der Stahl skandinavischer Messer ist ganz unterschiedlich. Berühmt sind die preiswerten Sandvik-Stähle, hart, rostfrei, aber auch die mittlerweile längst rostfreien Finnenmesserstähle, ziemlich weich, gut nachschleifbar, was so ein Sami auch alle Nase lang tut. Helle ist mit seinem Dreilagenstahl sicherlich noch einmal etwas ganz Besonderes gelungen. Ich denke, man kann nichts Schlechtes über diesen Verbundstahl sagen.



Von meinem heute angekommenen Helle GT, interne Helle-Messernummer 36, das ich mir "immer schon kaufen wollte", weil es diesen pfiffigen Dreilagenstahl hat, und darüber hinaus ausnahmsweise (undantagsvis, jo!) auch einen Fingerschutz hat, von diesem auf Werbefotos hübsch aussehenden Werkzeug bin ich leider enttäuscht. Das Messer hat einige Mängel - ich stelle es einmal meiner alten Finnenfuchtel gegenüber:



1. Der Fingerschutz ist zu scharfkantig, und zwar an der Stelle, an der man ihn mit dem Zeigefinger berührt (roter Pfeil im Foto). Da ist fast noch ein Grat zu ertasten. Das ist Murks.

2. Der Messergriff ist für meine Händchen (Handschuhgröße 8 1/2) schlicht zu dick. Ich weiß, richtige Männer wie in Norwegen, ... aber meine Faust umfasst den Griff eben nicht richtig.



3. Die Schneide ist tatsächlich scharf, aber linke und rechte Seite sind ungleichmäßig angeschliffen. Man sieht, dass da ein Rechtshänder geschliffen hat. Unschön.

4. Die Scheide. Das Leder ist gut, noch etwas hart, aber nicht perfekt, denn wenn man das Messer in dieser Scheide am Gürtel mit dem Druckknopf verschließen will, ist man am Friemeln. Positiv ist, dass der Knopf sich am hinreichend großen Lederüberstand gut öffnen lässt. Die Schließbarkeit kann sich möglicherweise noch einspielen, wenn das Leder weicher geworden ist. Gerade aber ist das Leder der Scheide nicht zusammengenäht: Da ist ein deutlicher Bogen entstanden. Da bekomme ich in Deutschland von einem kleinen Messermacher aus dem Westfälischen aber eine bessere und schönere Messerscheide mitgeliefert - für weniger Geld. Und ob man den Faden der Naht so mit Lederfarbe überdecken muss, nun gut, über Geschmack kann man streiten.



5. Wenn ich keinen Knick in der Optik habe, dann steht bei einem Blick entlang des Messerrückens der Erl am Ende des Griffs ein merkliches Stück rechts vom verlängerten Rücken. Aber ich mache mir nicht mehr die Mühe das nachzumessen.

Fazit:
Das Helle GT ist für mich persönlich funktionial nicht ausreichend. Ich müsste den Griff im Umfang verkleinern. Der Stahl ist wahrscheinlich gut - ich probiere das nicht mehr aus, denn das Messer geht zum Händler zurück. Die Verarbeitung, auch der Messerscheide, ist einfach nicht gut genug für ein Messer das etwa 130 EUR kostet.


Da bleibe ich vorerst lieber bei meinem unskandinavisch mit Fingerschutz ausgestatteten Martiini-Messer, das ich mir vor fast 30 Jahren gekauft hatte und das etliche gröbere Dinge ausgehalten hat. Vielleicht darf es ja doch mal wieder ein funktioniales altes Puma-Fahrtenmesser sein, aber das gibt es wohl auch nicht mehr für 130 EUR.

Die Klinge ist übrigens tatsächlich 12,0 cm lang, also gerade so eben noch im bananenrepublikanisch Legalen.

Grüße vom
Bunsenbrenner
 
Zuletzt bearbeitet:
ich möchte vorab zugeben, dass ich kein Experte für Stahlwaren bin.
Dann solltest du mit solch pauschalen Aussagen wie im Folgenden besser sehr vorsichtig sein.

Bei allen original skandinavischen Messern, ob von Martiini oder Helle gibt es keinen Fingerschutz, eine Parierstange natürlich gar nicht.
Falsch. Natürlich gibt es die auch mit Fingerschutz, und das schon sehr lange. Sogar mit doppeltem, wenn sie als Waffe oder Abfangmesser konzipiert wurden.

Der Stahl skandinavischer Messer ist ganz unterschiedlich. Berühmt sind die preiswerten Sandvik-Stähle, hart, rostfrei, aber auch die mittlerweile längst rostfreien Finnenmesserstähle...
"Berühmt" - für was denn? Bitte was ist "rostfreier Finnenmesserstahl" I.d.R. doch Sandvik 12C27.

Helle ist mit seinem Dreilagenstahl sicherlich noch einmal etwas ganz Besonderes gelungen. Ich denke, man kann nichts Schlechtes über diesen Verbundstahl sagen.
Kann man schon. Die Innenlage aus (meist) 13C26 ist ziemlich spröde. Die Außenlagen aus 18-8 Chromnickelstahl sind butterweich. Die Gesamtkonstruktion ist häufig am Übergang von der Klinge zum Erl alles andere als stabil und verbiegt leicht.

Deine Einschätzung des genannten Messers teile ich; habe mit Helle früher ähnliche Erfahrungen gemacht.
Deswegen sind aber beileibe nicht alle skandinavischem Messer so.
 
Hallo Bunsenbrenner,

Mein Tipp: Hier gibt es eine Kaufberatung (Unterforum oder Suchfunktion) mit bereits vielen, vielen Vorschlägen zu Outdoormessern. Noch besser, deine eigene Anfrage per Formular starten; Hinweis auf Handgröße, denn 8,5 könnte bei vielen größeren Kloppern kritisch werden.
Wenn du noch zwischen PUMA-Flach- und Scandi-Säbelschliff pendelst, liegen in der Anwendung doch Welten, wenn auch beide schneiden.

Gruß
Abu
 
Vielen Dank für die Reaktionen.

Dann solltest du mit solch pauschalen Aussagen wie im Folgenden besser sehr vorsichtig sein.

Zitat von Bunsenbrenner:
Bei allen original skandinavischen Messern, ob von Martiini oder Helle gibt es keinen Fingerschutz, eine Parierstange natürlich gar nicht.
Ende Zitat

Falsch. Natürlich gibt es die auch mit Fingerschutz, und das schon sehr lange. Sogar mit doppeltem, wenn sie als Waffe oder Abfangmesser konzipiert wurden.

Dass es mittlerweile diese Messer gibt, weiß ich natürlich, aber ich schrub ja "original skandinavische" und das sind für mich die traditionellen Sami-Messer (woher die Finnenmesser abstammen) und diese schwedisch-norwegischen sax-ähnlichen Dinger. Die halte ich für unfunktionell.

Sandvik 12C27 ist für mich Schwedenstahl. Mit "rostfreier Finnenmesserstahl" meine ich den mir hinsichtlich seiner technischen Stahlbezeichnung/Werkstoffnummer unbekannten recht weichen Stahl, der z.B. bei den Martiini-Messer verwendet wird.

Mir ging es darum, zu sagen, warum ich das Helle GT für nicht so gut halte, wie ich es bisher immer beurteilt fand und darüber hinaus mal auf die funktionellen Defizite bei den typisch skandinavischen Messern hinzuweisen. Ich verstehe nicht, warum die so gelobt werden. Nochmal: Die untypisch skandinavischen, die weiterentwickelten meine ich nicht.
 
Die halte ich für unfunktionell...

...Ich verstehe nicht, warum die so gelobt werden...

Ich bin nicht in der "Szene", dass ich weiss, ob die gelobt werden oder nicht. Aber ich für meinen Teil hasse alles, was mit Fingerschutz zu tun hat.

Der Vorteil der Messer ohne Fingerschutz(ich rede nicht von Fingermulde) ist, dass man nah zur Schneide anpacken kann und so ein effektives Moment zum Schnitzen aufgebraucht werden kann. Ein Fingerschutz stört nur, sei es bei Schnitzen oder zerwirken.
In meinem Gebrauch der Messer ist ein Stoßen nicht vorgesehen, ich lass mich aber aufklären, vielleicht entgeht mir eine wichtige Technik? Ich bin mir ziemlich sicher, dass statistisch nicht mehr Finnen/Sami mit angeschnittenen Fingern auf der Welt rumlaufen als Nutzern mit Fingerschutz.

lieben Gruß
Alex
 
Moin,

'' funktionelle Defizite '' bei nordischen Messern sind mir nicht bekannt.

Was du auflistest sind zum Teil '' Verarbeitungsmängel '', wobei auch dort die Wahrheit beim Betrachter liegt. Für manche ist schon eine eventuelle Schattierung im Leder einer Scheide ein Verarbeitungsmangel, für den anderen erst ein ungenügender Anschliff.

Ich teile eine hier geäußerte Meinung, eine über Jahrhunderte weitergeführte Messerform verfügt mit Sicherheit über die richtigen Eigenschaften für den ihr zugedachten Verwendungszweck.

Wahrscheinlich ist es viel wichtiger, DAS richtige Messer für seinen Einsatzzweck zu finden, gf. sind das dann auch zwei Messer?

Eine generelle Verurteilung einer Marke aufgrund eines fehlerhaften Exemplars halte ich für falsch.

Gruß,Olli
 
Ich bin mir ziemlich sicher, dass statistisch nicht mehr Finnen/Sami mit angeschnittenen Fingern auf der Welt rumlaufen als Nutzern mit Fingerschutz.

Bitte auch die zwei oder drei Victorinox Benutzer weltweit nicht vergessen :D

Pitter
 
Moin.

Ich benutze z.Z. Messer von Roselli.

Großer Griff, Schneide bis fast an den Griff. Für mich perfekt.

Messer sind wofür...? Zum schneiden!

Die Sami bauen diese Art der Messer seit Jahrhunderten. Könnte Gründe haben...
 
Servus miteinand.

Ich habe mehrere Marttiini, Helle, Mora, Roselli... Der typische runde, bauchige Griff füllt die Hand besser aus als ich es von Fahrten- und Bowiemessern her kenne. Wenn der Griff die Hand richtig ausfüllt, brauch ich keinen Fingerschutz, da die Kraft der ganzen Hand- und Fingerfläche einen besseren Halt bietet als jeder Fingerschutz.
Ich persönlich fühle mich mit Skandi-Griffen wohler...

vui Griass,
da woiferl
 
Ich bedanke mich für die vielen Stellungnahmen, auch die, die mir vorsichtigerweise persönlich zugestellt worden sind. Es ist gut sich mal miteinander austauschen zu können. - Gleichzeitig habe ich mich entschlossen, nur noch die nötigsten Dinge in dieses Forum zu stellen, da ich auch etwas von stachelschweiniger Angriffslust und Falschbehauptungen gelesen habe. Ich möchte darauf gar nicht antworten.

Danke für die konstruktiven Einwürfe!
Bunsenbrenner
 
Ach für den ersten Beitrag war der doch schon ziemlich gut und du lebst ja noch ;)

Die Frage ob mit oder ohne Handschutz wird nicht nur in diesem Forum immer mal wieder diskutiert,
und wird auch in diesen Thread wohl nicht abschließend geklärt werden können.

Ein "echtes" skandinavisches Messer hat aus meiner Sicht nicht nur keinen Handschutz, sondern auch einen Anschliff auf 0 !!!(Skandischliff) und einen Griff aus Holz, Renn, und Messing. :irre: (Das würde aber bedeuten, das die meisten Mora's keine typisch skandinavischen Messer sind) ;)

Stahl bei Messern (nicht nur hier im Fachforum) ist ein schwieriges Thema.
Zum einen sieht man dem Messer nicht an, aus welchen Stahl es wirklich gemacht wurde und zum anderen
spielt die richtige Wärmebehandlung eine ganz entscheidende Rolle, d.h. der Stahl hat eine gewisses Potential an Härte, Zähigkeit, Schneidenstabilität, Rostfreiheit usw. das optimal ausnutzen wird oder auch nicht. :hehe:

Es gibt aus meiner Sicht natürlich einige Gesätzmäßigkeiten.
So wird wohl keiner einen C40 oder C60 als "rostfrei" oder "rostträge" ansehen, und ein D2 ist halt nicht optimal für Haumesser (auch wenn es "Experten" gibt die welche daraus fertigen. :rolleyes: ) und 1.4301 (A2 oder 18-8) ist kein härtbarer Messerstahl, dafür sehr rostträge. (Nicht rostfrei, auch wenn "Edelstahl Rostfrei" draufsteht.)

Dazu kommen dann Werbeaussagen wie Schwedenstahl, NIROSTA, Samureischwertstahl, schärfster Stahl der Welt, usw. die absolut unspezifisch oder einfach nur falsch sind und
deshalb hier im Forum im günstigsten Fall ironische Bemerkungen auslösen. ;)

Und dann gibt es noch pulvermetallurgische Stähle und mikrolegierte Stähle (z.B. Böhler K390) die ständig weiterentwickelt und gehyped werden und die ganze Stahlgeschichte erst richtig unübersichtlich machen. :irre:

Also willkommen im Club.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ach für den ersten Beitrag war der doch schon ziemlich gut und du lebst ja noch ;)

Also willkommen im Club.

....Gleichzeitig habe ich mich entschlossen, nur noch die nötigsten Dinge in dieses Forum zu stellen......

Danke für die konstruktiven Einwürfe!
Bunsenbrenner

Warum? Uuuups hat doch recht. Im Austausch lernt doch jeder, auch, wenn man sich mal verdribbelt. Ich hatte nach fünf Beiträgen drei Verwarnungen - und dann keine mehr: Lernender. :apathy:
Hab‘s auch überlebt. Also weitermachen!

Abu
 
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