Hitzebehandlung bei Messern nachträglich schädigen - ab welcher Temperatur wird es gefährlich?

Feivel96

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Hi Leute,

habe kürzlich eines meiner Outdoor-Messer (1095 Cro Van Stahl) nach dem Abspühlen und Reinigen gedankenlos in den vom Kochen noch warmen/heißen Backofen gelegt zum kurzen trocknen. Nach ca. 10 Minuten ist mir eingefallen, dass ich das Messer noch nicht rausgenommen habe. Ich habe dann direkt einen großen Schreck gekriegt, allerdings war das Messer nur so warm/heiß, dass ich es locker mit der Hand aus dem Backofen nehmen konnte und auch ohne Schmerzen festhalten konnte. Trotzdem fühle es sich schon relativ heiß an.
Jetzt meine Frage: Ab ca. 60 Grad verbrennt man sich meines Wissens an Metall, d.h. es ist davon auszugehen, dass das Messer kälter als 60 Grad war. Ist eine Temperatur von ~55 Grad über einen Zeitraum von 10-15 Minuten schädlich für die Hitze-Härtung des Messers? Ab wann kann Hitze einen negativen Effekt auf die Härtung des Messers haben bzw. diese sogar "zerstören"?

Viele Grüße!
 
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- kurz: kein Stress(höchstens das Griffholz sollte man sich anschauen)
- such mal in den Beiträgen von Herbert, der hat das mal wissenschaftlich aufgearbeitet
 
bis 100°C passiert generell nichts, was nicht vorher im Rahmen der Wärmebehandlung (sprich: Härtung) der Klinge passiert ist - Stahl wird nach dem eigentlichen Härten nochmals bei in der Regel Temperaturen von 100-200°C 'angelassen' (also für meist 2x1h auf die Temperatur gebracht und diese gehalten), um die direkt nach dem Härten vorliegende erhöhte Sprödigkeit zu mildern. Der Stahl gewinnt wesentlich an Fähigkeit, unempfindlicher gegenüber Ausbrüchen zu werden ohne maßgeblich an Härte einzubüßen. Gut, ein paar Rockwellgrade sinkt die Härte, aber der Gewinn an 'Zähigkeit' ist wesentlich höher.

Bei 100°C wird seltenst angelassen (ich habe das aus Bequemlichkeit schon mal gemacht in kochendem Wasser, ich kenne aber weiter keinen, der das regelmäßig macht. Ist also als Ausnahme zu werten). Meist sind es eher 150-200°C. Man kann an sich also getrost davon ausgehen, dass bis 200°C so gut wie nichts dramatisches passiert. Es gibt sogar Stähle, die bei über 500°C angelassen werden (können). Hier muss man aber im Einzelfall genauer schauen, um welches Material es sich handelt und wie es verarbeitet wurde.

Oberhalb von 200°C wird es dann spannend. Es ist sogar oftmals so, dass bei 250-300°C sowohl Härte als auch Zähigkeit abnehmen bei den meisten Stählen. Daher vermeidet man diesen Bereich bei der Wärmebehandlung generell - außer bei den Stählen, die bekanntermaßen keine Probleme mit diesem Effekt haben. Man kann sich aber als Faustformel merken, dass man >200°C tunlichst meiden sollte. Sagen wir einmal, für 5min oder so bei 220°C würde ich mir aber auch noch keine großen Sorgen machen.

Jetzt mal einen Sprung zu über 600°C: da reicht einmal kurz das ganze Werkstück durchgewärmt auf die Temperatur und die Härte ist so gut wie komplett futsch.

Nochmal zu unterschiedlichen Stählen: bei den ganz einfachen Stählen, die außer Kohlenstoff und logischerweise Eisen nur ein paar Restmengen an anderen Elementen legiert haben (lässt sich bei der Herstellung nicht ganz vermeiden), haben wir die umwandlungsfreudigsten Stähle vorliegen - das wäre z.B. ein 1095 (aber ohne Cr, V oder was auch immer). Sie müssen beim Härten schneller, sprich: schroffer, abgeschreckt werden als Stähle mit noch anderen Elementen und gleichzeitig ist auch die Empfindlichkeit gegenüber Erwärmung im Betrieb am höchsten.
Man kann sich so als Faustformel merken, dass Stähle, die in Wasser gehärtet werden sollen, empfindlicher sind als solche, bei denen Ölhärtung angesagt ist und dann weiter die Stähle, bei denen eine Abkühlung in (Press-)Luft reicht, um hart zu werden.
 
Danke euch beiden! Das beruhigt mich ;) Die Griffe waren auch demontiert, und bei Micarta wäre wohl auch nichts passiert. Somit ist nochmal alles gut gegangen. Gut zu wissen aber, dass bei ü200 Grad schon einiges passieren kann, d.h. für mich, nicht mit dem Messerchen in der Glut rumwühlen :)
 
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