Ich, das Rotweinmesser

Reinhold Vögele

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Hallo liebe Rotwein- u. Messerfreunde,

komme jetzt erst dazu, mich bei Euch vorzustellen.
Gestattet mir, dass ich etwas weiter aushole, um Euch meine Herkunft u. Entstehung zu schildern.

Am Anfang stand eine lange bewährte Freundschaft meines Machers mit Niko, einem Spezialisten für Motorenbau in einem Einsternebetrieb in Mannheim. Niko fand vor langer Zeit ein HSS- Sägeblatt (Bügelsäge) in einer Kiste und fragte seinen Chef, ob er diesen Schrott mitnehmen dürfe; er durfte. Und ab ging es mit mir auf die Reise, denn er wickelte mich in eine Ausgabe des Mannheimer Morgens (Tageszeitung) und brachte mich seinem Freund.
Irgendwie war ich gut drauf, denn glaubt mir, ich wollte nicht noch einmal in das Höllenfeuer der Stahlschmelze hinein.

Eigentlich traute ich diesem Kerl anfangs wirklich nicht, denn solche Typen wie er begegneten mir in Mannheim noch nie. Dort wurde meist nur gemessen, diskutiert, geprüft, gerechnet und echt vornehm getan; bei meinem neuen Besitzer verschwand ich erst mal für einige Monate in seiner unterirdischen, kalten Werkstatt.

Hin und wieder sah ich aus meiner Ecke, wie sich dieser seltsame Reinhold (so schallte dieser Name öfter durchs Treppenhaus von einer Frauenstimme geschmettert, deshalb nenne ich ihn eben auch so) mit Stahl und Holz abmühte.
Im Sternehaus in Mannheim gab es so was nie. Nun ja, ich konnte warten.

Dann kam eine erfrischende Freundschaft ins Spiel, denn ein Mann namens Pit, beruflich hat der im Weinbau zu tun, fand in der Südpfalz die Dauben eines uralten Rotweinfasses, die er irgendwie in seinen Besitz brachte. Wundersam fügte es der Himmel, dass dieser Pit und der seltsame Reinhold zusammen kamen, den so fand eine schöne schlanke Eichenholzdaube den Weg zu mir in den Keller; ich war fortan nicht mehr alleine, die einsamen Nächte waren vorüber.

Wir fragten uns oft, was dieser Typ wohl mit uns machen würde, bis eines nachts die Daube berichtete, dass dieser Seltsame vermutlich Messer machte, sie hätte es selbst gesehen. Unsere Zukunft wurde wieder etwas klarer für uns.
Wir träumten uns manche Nacht in die Hand einer schönen Hausfrau beim Petersilie schneiden oder mit einem jungen Mann in den Wald, wenn er seiner Liebsten ein Herz in eine Baumrinde schnitt, wenn ein Papa seinem Sohn im Frühling ein Pfeifchen schnitzte. Wir hatten eine schöne Zeit miteinander.

Zwischen den Jahren kam Reinhold pfeifend die Treppe herunter getrampelt und dann ging alles relativ schnell. Er malte etwas aufs Sägeblatt und schwups hatte ein Winkelschleifer ein neues Dasein eingeläutet. Was mir nicht passte, es ging jetzt heftig, heiß, schmutzig und laut zur Sache. Der Macher wußte scheinbar was er wollte, denn er machte mich schön scharf, gab mir einen wunderbaren Glanz den ich von Mannheim eigentlich nicht kannte.
Bei so vielen Streicheleinheiten wurde ich richtig verlegen. Einmal habe ich mir ein Herz gefasst und listig in seinen Finger geschnitten, er nahm es mir aber nicht übel.

Einmal legte er mich sogar auf ein Holzstückchen von dem Rotweinholz und malte meine Konturen darauf. Wahnsinn! Mir war ganz warm ums Herz. Nein, nicht weil die Kellereinsamkeit nun vorüber war, dieses Holz hatte einen so wunderbaren Rotweinduft an sich, es war einfach berauschend. Das erste Mal in meinem Leben, freute ich mich auf die Hochzeit mit diesem Stückchen Eichenholz, mein Leben bekam wieder einen Sinn.

Der Mensch brummelte in seiner Werkstatt etwas von schmucklos, von fehlender Maserung und von nachhelfen. Jedenfalls weiß ich von der Hochzeit nur so viel zu berichten, dass alles eine sehr pappige Angelegenheit war. Doch eines muß ich diesem Kerl lassen, als er Stahl und Holz zusammen fügte, war es, als ob wir schon von Ewigkeit für einander bestimmt gewesen wären.

Sauber verklebt, wurde ich, das neue Rotweinmesser noch mal richtig rangenommen, geraspelt, gefeilt und geschliffen. Doch immer wieder in den harten, kalte Schraubstock eingeklemmt , - kein Vergnügen. Und dauernd schleifen, der staubige Geselle wollte kein Ende finden und dann noch eine langweilige Tasse Kaffee?

Aber dann schien er mit mir zufrieden zu sein, mir war noch ganz warm, dann erschreckte mich dieser Wüstling mit einem kaltnassen Wasserlappen. Alle Haare auf meinem Rücken stellten sich - und weg waren sie!
Alles ar...glatt! Ich fühlte mich echt gut an.

Dann kam es, er ölte mich mit einem gut duftenden Öl ein, eine Wohltat, unbeschreiblich. So haben mich die sterilen Mannheimer Motorenbauer (Bloomeiler!) und die blauen Saufnasen nie behandelt, ich wollte nie mehr zurück.

Ich glaube an eine schöne Zukunft, obwohl ich gerne an meine zig Millionen Jahre lange Ruhezeit in einem Berg in Schweden denke, an die weite Reise mit Bahn und Schiff, an die heiße Zeit in der Stahlküche.
Ich komme ins schwärmen, wenn ich an das Vogelgezwitscher in meiner Baumkrone, die glücklichen Eichhörnchen und die kämpfenden Hirschkäfer in meinen Ästen denke.
Und was war das ein Fest, als der erste Rotwein in mir brodelte und reifte?

Ich hoffe nur, dass ich immer schön scharf und sauber gehalten und - nie mißbraucht werde.

Tschüß und Servus Freunde, nehmt diese Zeilen nicht so tierisch ernst, ich hoffe ihr habt etwas Freude mit mir und mal sehen, wer von Euch alles Humor hat?
 

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Hallo Rotweinmesserchen,eine schöne Verbindung seid ihr eingegangen,du der Sägeblattstahl und das Fassdaubenholz.Euch beide kann man wunderbar anschauen,ihr gefallt mir sehr.
Schön was aus einem doch noch werden kann.

Bald werde ich dich,schönes Rotweinmesser,einmal in die Hand nehmen und Streicheln.
Wünsche dir ,daß dich dein Besitzer immer scharf hält,dich auch mal Gassi führt und nicht mißhandelt mit Aufgaben die Messer nicht tun sollen.

Bis bald,Rotweinmesser.Grüsse mir auch dein Herrchen Reinhold.

Gruß William
 
Woooooooah ist das schön!

für mich eines der schönsten Messer, die hier gezeigt wurden:super::super::super::super::super:

Die Story dazu finde ich übrigens auch klasse!!!

Materialien, die eine Geschichte haben werten ein Messer nur noch auf!

Gruss
Radon
 
Hallo Rotweinmesser,
ich hoffe Du hast in Zukunft noch so einige schöne Geschichten zu erzählen, konnte mit dem lesen gar nicht mehr aufhören und dann noch so hübsch anzusehen, wow, da könnte ich mich doch glatt verlieben... :)

Sehr schönes Messer und traumhafte Story...:super:

Gruesse aus Frankfurt

Tino
 
Herrlich...
dieses Eichenholz ist wirklich ein Hochgenuss.
Schade, dass Eiche hier so selten gezeigt wird.

Schöne Geschichte zu einem schönen Messer. ;)
 
Hallo Reinhold,

find ich gut daß Hölzchen dank Deiner Hilfe eine feste Partnerschaft eingegangen ist! :super:

Wäre schön wenn die holzigen Geschwisterchen auch bald so eherne Freunde finden würden!:D

Freu mich schon auf Wein (in therapeutischer Dosierung;) ) und, natürlich mit dem Faßmesser geschnittenen, Käse im März. :lechz:

Beste Grüße,
Pit

Pst: Ich weiß wo's noch so Hölzchen gibt...:cool:
 
Liebes Rotweinmesser,
eine Schönheit bist du geworden! Das lange Warten in dunklen Gewölben und Werkstätten hat sich gelohnt.
Ich wünsche dir viele schöne Jahre in schmeichelnder Hand oder auch im schönen Ledergewand. Auf daß du immer scharf sein mögest.
Und beiß die Hand, die dich schuf, möglichst wenig!

Gerührte Grüße
Matthias
 
Hallo Reinhold,

das hast Du nicht nur sehr schön erzählt, sondern auch sehr schön gemacht!

Eiche hatte ich immer für klangweilig gehalten, aber hier sieht das ganz anders aus: Sehe ich das richtig, dass die Eiche aufrecht steht, wir also das Stirnholz sehen?
Und was ist alles davor? Corian und was noch?

Hans
 
Ja Hans, Du siehst es richtig.

Mir schien diese Verarbeitung das schönste Bild zu bringen. Corian ist auch richtig und die beiden Farben sind Kunststoffscheibchen gewesen.
Hatte ursprünglich die langweilige Eiche auch verstoßen und schon vor Jahren alle Eichenholzvorräte verbrannt, doch nachdem ich von Pit diese Daube bekam, dachte ich erst, ich könnte das zarte Rubinrot des Rotweines retten, doch damit war es diesmal noch nichts.

Servus - Reinhold.
 
Ja Hans, Du siehst es richtig.

Mir schien diese Verarbeitung das schönste Bild zu bringen.

Hallo Reinhold,

da hast Du recht! Das zeigt eine richtig schöne, feine Struktur, was ich Eiche gar nicht zugetraut hätte!

Es widerspricht zwar allen Schreinererfahrungen, Holz mit der Stirnfläche zu "leimen", aber die modernen Kleber und der stabile Untergrund werden das Risiko hoffentlich minimieren.
Ich werde es deshalb auch mal mit senkrecht stehendem Holz probieren.

Hans
 
Es widerspricht zwar allen Schreinererfahrungen, Holz mit der Stirnfläche zu "leimen", aber die modernen Kleber und der stabile Untergrund werden das Risiko hoffentlich minimieren.

Hallo Hans,

jetzt überleg doch mal genau. Alle Meser, bei denen man die Stirnfläche nicht sieht, sind mit der Stirnfläche verleimt.
Das sehr schöne Rotweinmesser von Reinhold ist nach den Regeln der Schreinerkunst verleimt.

Servus

Manfred
 
Hallo Hans,

jetzt überleg doch mal genau. Alle Messer, bei denen man die Stirnfläche nicht sieht, sind mit der Stirnfläche verleimt.

Hallo Manfred,

ich überlege genau. Aber ich verstehe nicht was Du meinst:

1. Normalfall: Bei den meisten Flacherlmessern werden die Griffschalen so aufgeklebt, dass die Holzfasern parallel zur Erlfläche liegen. Damit kann man die Stirnseiten im Bereich des vorderen und des hinteren Griffendes sehen.
Ausser wenn der Griff Backen enthält.
Hast Du das gemeint???

2. Sonderfall: Ausnahmsweise hat Reinhold die Griffschalen so aufgeklebt, dass die Holzfasern senkrecht zur Erlfläche liegen. Damit kann man die Stirnseiten sehen. Auch bei Backen.

Ein Schreiner würde Holz immer nach 1. leimen, NIE nach 2. (Ausnahme Hirnholzparkett).
Natürlich liegt das auch daran, dass man mit normalem Holzleim Stirnholz schon deshalb nicht leimen kann, weil der Leim in die Fasern einzieht und damit in der Leimfuge fehlt.

Und diese Gefahr sehe ich grundsätzlich auch beim Aufkleben der Griffschalen auf dem Erl, auch wenn sich die Art der Klebeverbindung von Leim und Epoxykleber durchaus unterscheidet.

Hans
 
Hallo Hans,

bei dem gezeigten Messer handelt es sich aber, soweit ich es erkennen kann, nicht um ein Flacherlmesser, sondern um ein Steckerlmesser. Als Kleberfläche sehe ich die Fläche zum Kunststoffplättchen hin. Und dort wird längs zur Faser geleimt.

Servus

Manfred
 
Hallo Hans und Manfred,

habe schon mindestens bei 6 Messer das Griffholz so verarbeitet wie beim Rotweinmesserchen. Dabei ist die Durchgängigkeit der/des Spitzangel oder Steckerls der sichere Weg.
Zebrano, Robinie, Quitte und eben diese Fasseiche schienen mir dazu gut geeignet. Von Hölzern mit weichen, großen Jahresringen, die ein schnelles Wachstum schließen, lasse ich für eine Querverarbeitung die Finger weg. Dann, glaube ich wenigsten, gehört noch eine satte Öl-Wachsbehandlung dazu, dass Feuchtigkeit nicht schaden kann.

Servus - Reinhold.
 
Hallo Hans,
bei dem gezeigten Messer handelt es sich aber, soweit ich es erkennen kann, nicht um ein Flacherlmesser, sondern um ein Steckerlmesser.

Hallo manfred,

wer Augen, der sehe!

Du hast ja soo recht, da habe ich richtig gepennt!
In diesem Fall müsste ich ja eher die Spitzerlgriffe anzweifeln, die aus mehreren Schichten bestehen und bei denen die Holzfasern parallel zum Erl verlaufen...
Aber letztlich hat man ja hier immer einen massiven "Dübel", der alles stabilisiert.


Also gut, ich nehme alles wieder zurück.
Ausser der Planung, bei einem Flacherlmesser mal Stirnholzgriffschalen zu versuchen.

Hans
 
Hallo liebe Freunde,

bevor ich Euch mit "rot verweinten" Abschiedsaugen zurück lasse, will ich Euch noch meine neuen Lederhosen zeigen.
Ich hoffe sie gefallen Euch und sage, machts gut und lebt wohl,

Euer Rotweinmesser aus der Kurpfalz.
 

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will ich Euch noch meine neuen Lederhosen zeigen.
Ich hoffe sie gefallen Euch.

Hallo Reinhold,

Aber ja doch!

Überhaupt sehr stilvoll, das Stillleben!

Dennoch: Könntest Du auch noch ein weniger stimmungsvolles Bild zeigen, damit wir den Zopf oder Türkischen Bund oder was auch immer besser sehen können?

Hans
 
Gerne auch ein etwas deutlicheres Bild.
Ehrlich, ich wollte mit der Kerzenstimmung die Einfachheit der Scheide etwas herunter spielen.
Das Leder stammt von einer alten Couch, ich habe es mit Pattex gedoppelt und zusammengeklebt, auf eine Holzhülse für die Klinge aufgezogen, verklebt und mit Lederstreifen etwas am Rande fixiert. Also ziemlich einfach und das war es schon.

Servus - Reinhold.
 

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Hallo Rainhold!

Sehr unterhaltsame Geschichte und interessante Idee der Materialauswahl. Schönes Messerchen.

Steffen
 
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