In memoriam: Ein Messer für Franz Schubert - was damals alles möglich war!

Abu

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Wer kennt noch Franz Schuberts „Heideröslein“ oder „Am Brunnen vor dem Tore“? Er würde sich als „alter Sack“ oder Kunstbeflissener outen. Sagen wir, ich bin beides, und wir sind deshalb u.a. seinen Pfaden auf Etappen einer langen Donauradtour gefolgt.

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Jüngere Semester kennen eher den „Alles klar Herr Kommisar“-Falco. Was beide verbindet: Sie liegen wie viele andere Größen aus Kunst und Musik in Sichtweite auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben. Beide umgibt zudem die Aura eines viel zu frühen Todes, unvollendet, wie Schuberts letzte Sinfonie. Immerhin brachte er es in nur 31 Jahren auf über 600 Lieder, dazu Sinfonien, konzertante Stücke, Opern.

Tragisch, tragisch beider Ende. Falco bevorzugte wohl „Schnee“, starb am Unfall. Schubert war dem Alkohol zugetan, jedoch raffte ihn Typhus dahin, kam der Syphilis zuvor. Künstlerexistenzen.

Das alles fiel mir wieder ein, als dieser Tage ein kleines, feines Messerchen für meine Böhmen-Sammlung bei mir eintraf, auf dessen Verkaufsangebot mich der überaus wachsame Kollege @boogerbrain aufmerksam gemacht hat; meinen Dank dafür!
In wenigen Jahren, 2028, jährt sich Schuberts 200. Todestag. Für 1928 hatte jemand in Ge- und Andenken an Künstler und Wien dieses Messer bei der Manufaktur Franz Josef Frenzel, Groß Schönau/Böhmen in Auftrag gegeben. Auch historisch interessant, denn Böhmen wurde nach dem 1. WK Österreich abgenommen und dem neuen Staat Tschechoslowakei zugeschlagen; die alten Geschäftsverbindungen Wien - Böhmen hielten dennoch.

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Doch wie wurden diese Griffschalen mit den feinen, zudem irisierenden Abbildungen gefertigt? Laienhaft würde ich einen in Kunstharz gegossenen Bildträger vermuten. Aber vllt kann jemand von euch Experten hier mehr Wissen einbringen.

Ob für Falcos Gedenken auch noch ein Messer denkbar wäre? Alles vorbei - „Schnee von gestern“.

Abu


PS: Wer radelnd auf dem Donauradweg unterwegs ist und von den Genüssen der Wachau an Veltliner und Marillenbrand nicht genug bekommt, der möge dem Franz-Schubert-Radweg durchs Mostviertel folgen. Aber Achtung: Die Straußenwirtschaften könnten Körper, Geist und Zeitplan endgültig ins Wanken bringen..
 
Ich nehme an, dass es sich beim Griffmaterial um transparentes Celluloid handelt, das von hinten bedruckt und mit einem irisierenden Hintergund unterlegt wurde.
Das Material würde in die Zeit passen.
 
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Ich nehme an, dass es sich beim Griffmaterial um transparentes Celluloid handelt, das von hinten bedruckt und mit einem irisierenden Hintergund unterlegt wurde.
Das Material würde in die Zeit passen.

Danke dir für den Hinweis. Könnte passen, da Celluloid damals auch für den Bau von Serienmessern in Mode war, optisch zB nahe an Schildpatt.

Dein launiger Bericht sticht das schöne Messer fast aus ;)(y)
Du hast zu meiner „Laune“ wesentlich beigetragen.

Na hoffentlich hast du auf Deiner Tour in seine Rinde nicht so manches schöne Wort geschnitten, Baumfrevel is heutzutage ja eher Kapitalverbrechen!

Ahhh, als Kunstbeflissener++ geoutet! Tatsächlich ist der Originaltitel ja „Der Lindenbaum“. Ich hab zwar immer Messer dabei, aber ich würde doch niemals „so manches liebe Wort“ in seine Rinde schneiden. Solche Bäume sind auch mir heilig, man denke nur an die Gerichtslinden, Tanzlinden. Die Linde, Symbolbaum der Freien Bauern in alten Zeiten. Heute klagen Pedanten eher über den Dreck, den sie macht, oder die Säfte, die sich auf abgestellte Autos legen. 🙄 Hab selbst so eine 60jährige im Garten stehen.

Abu
 
Danke dir für den Hinweis. Könnte passen, da Celluloid damals auch für den Bau von Serienmessern in Mode war, optisch zB nahe an Schildpatt.
Ich habe auch versucht , Beispielbilder für Taschenmesser mit transparentem Celluloid zu finden, aber da findet man sehr sehr wenig.
Ein Rasiermesser mit rot transparentem Griff und einige Bilder eines Sammlers in USA glaub ich, wo das transparente Material mit Glitter hinterlegt war.
Aber ein Beispiel wie Deines habe ich nicht gefunden.
 
Heute klagen Pedanten eher über den Dreck, den sie macht, oder die Säfte, die sich auf abgestellte Autos legen. 🙄
Ich parke auch mehrmals die Woche mangels Alternative unter Linden, beim Entkleistern der Windschutzscheibe habe ich also immer eher Zwangsgedanken an Sägeketten denn an Messerklingen.
 
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Franz Schubert. Es braucht schon einen echten Abu um dieses Thema ins Messerforum zu bringen.
Meine intensive Zeit mit der Entdeckung der sogenannten „Klassik“ waren die 80iger und 90iger Jahre. Dann kam es zu einer privaten Tragödie bei gleichbleibendem beruflichem Druck. Nach dem 20. Hörsturz konnte ich lange keine Musik mehr genießen. Zum Glück ist alles fast folgenlos verheilt.
Schubert war mir immer besonders nah. Seine Unvollendete hat mich zu Tränen gerührt.
Seine Klavier-Sonaten sind für mich neben denen von Beethoven die schönsten überhaupt.
Schubert war zu seiner Zeit völlig verkannt. Allerdings bestand ein kleiner exklusiver Freundeskreis, der besonders seine Lieder zu schätzen wusste. Ich stelle mir vor, dass ihm dies bei seinem tragischen Schicksal vielleicht ein Trost war.
Messer, Uhren oder anderes aus meinen Sammelgebieten aus seiner Zeit oder aus Österreich habe ich nicht. (Allerdings hoffe ich in den nächsten Wochen ein kleines passendes Stück erwerben zu können.)
Danke Abu, wie so oft, für Deine liebevollen, heiteren und inspirierenden Beiträge.
 
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Ich hoffe es ist nicht zu OT wenn ich hier ohne Messer ein paar Tipps für Interessierte gebe:
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Soundtrack zum Film „Mit meinen heißen Tränen“ 1986
Ein unvergleichlich spielender Udo Samel. Schubert wird in seinem Schicksal erlebbar.
 
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Hallo @fshamburg, das freut mich sehr, dass ich diese Saite bei dir zum Schwingen gebracht habe. Tatsächlich sind Erinnerungen und Emotionen verknüpft mit Musik am stärksten in uns verankert. Und manchmal wecken auch nur ein paar Takte oder die Harmonien eines Musikstücks tiefste emotionale Reaktionen in uns, kenne ich!!!
Den Film über Schubert hab ich gesehen, bleibt unvergessen, der Titel beschreibt ja bereits die ganze Tragödie seines Lebens.
Übrigens, genau mein identisches Messer wird gerade wieder auf einer gewissen Plattform angeboten, bei Interesse such mal „Schubert Taschenmesser“.

Abu
 
Ich sehe in HH jetzt die Gefahr, dass alle Lindenbäume in „Ungeduld beritzt“ werden, um es dem bebilderten Schubert gleichzutun. Das Schnitzmesser hat ja noch einen unbestreitbaren Zweitnutzen für Gemüse und Kartoffeln.
Ich vermute mal, dass um 1800 herum für derlei Schnitzwerke in Rinden Federmesser sehr nützlich gewesen sein könnten.
Danke nochmals für die Offenbarung deiner musischen Passion.
Abu
 
Grüß euch, ihr zwei Schubert plus Messerfetischisten !
Wunderschönes Messer!

Bin seit längerer Zeit mal wieder hier am Stöbern und über diesen herrlichen Beitrag gestolpert.
Zwei Tips zum Thema Schubert:
Ein Kinofilm: "Winterreise" (2006) , in Bayern entstanden anläßlich der Filmfestspiele.
Mit Sepp Bierbichler und Hannah Schygulla in den Hauptrollen. Guckst du auf Wikipedia unter Winterreise 2006

Mein Vater war ein ziemlich guter Bariton, und so bin ich als Kind mit Schubert-Liedern in den Ohren aufgewachsen.
Und dann als Erwachsener ganz unbedarft ins Kino in diesen Film.
Wowwww... Meine unbedingte Empfehlung. Abgefahrener Leckerbissen. Schaurig schön !
Kurze Sequenz auf YouTube : bierbichler leiermann.flv

Zweiter Tip:
Eine englische Version von Schuberts "Der Leiermann", interpretiert von Sting.
Der Titel heißt "Hurdy Gurdy Man". Findest du auch auf YouTube

Viel Spaß;
Gruß vom Schorsch
 
Danke dir Schorsch! Werde ich mir ansehen. Bei den aktuell hohen Temperaturen kann die „Winterreise“ ggf auch noch kühlend wirken.

Abu
 
Der Leiermann mit Thomas Quasthoff ist ein sehr emotional-berührendes Stück. (y)
"Hurdy Gurdy Man" kannte ich bisher nur von Donovan, von Sting ist das ebenfalls eine berührende Schubert-Interpretation.
 
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Von Schubert zu einem Messer - und nun wieder vom Messer zu Schubert! Zwar OT, aber ich finds herrlich.
Donovan haben wir auch einst in „denglisch“ geleiert, Schubert hätten wir da noch verweigert.🙄

Abu
 
Vom Alter her würde man bei dem Messer auf Zelluloid tippen. Vielleicht mit einem weichen Tuch etwas daran reiben und dann schnuppern. Wenn es nach Kampfer riecht, dann ist es Zelluloid. Falls dem so ist, so sei auf die Regeln zur Aufbewahrung von Objekten aus Zelluloid verwiesen.
 
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