Infos über Anton Wingen jun.?

Hallo Olli,

die Messer habe ich vor mind. 10 Jahren bei unserem Finanzamt gekauft! Die haben damals den Lagerbestand eines Messerhändlers verscherbelt, der seine Steuerschulden nicht mehr zahlen konnte. Alles zum halben Preis. Ich habe auch noch eine Version des Sting, der komplett aus Stahl ist.
 
A.G. Russell STING

Das Stiefelmesser STING ist ein Entwurf von A.G. Russell aus dem Jahr 1976. Da in den USA kein Hersteller in der Lage war, einen solchen Dolch mit ausgeprägtem Parierelement und rundem Abschlussknauf als Vollintegralmesser zu schmieden, wurde A.G. Russell über seine 1975 in Solingen erworbene Taschenmesserfirma an die Stahlwarenfabrik Anton Wingen Jr. vermittelt. Mit der eigenen Gesenkschmiede hatte man dort neben Schmiedeteilen für die Automobil-, Luftfahrt- und Schiffsindustrie auch bereits ausreichend Erfahrungen in der Schmiedetechnik für Halb- und Vollintegralmesser gesammelt.

Das zunächst als Auftragsfertigung exklusiv für A.G.Russell gefertigte STING mit einer Klinge von ca. 83 mm und Gesamtlänge von ca. 16,5 cm wurde in verschiedenen Modellvarianten gefertigt und 1977 in den USA mit Holzbeschalung für ca. 35 US-$ verkauft. Dort wurden folgende Ausführungen angeboten:
Modell STING mit in den USA montierter Griffbeschalung, auf dem Klingenansatz geätzt mit „SPRINGDALE ARK“ :
mit zweifach vernieteten Griffschalen aus Palisander (häufigste Variante), dunkelrotem Leinen-Micarta, schwarzem Leinen-Micarta, weißem „Ivory“-Micarta, und in den mit nur geringen Stückzahlen gefertigten Ausführungen mit echtem Elfenbein und Hirschhorn sowie Büffelhorn (äußerst rar).
Die Klinge und die Griffteile waren stets spiegelpoliert.

Modell STING komplett in Solingen gefertigt:
Palisander (in größten Stückzahlen), dunkelrotes Micarta und schwarzes Micarta, sehr wenige in Hirschhorn.
Ab etwa Ende der 70er Jahre wurden diese Messer von Wingen auch in Deutschland vertrieben, 1983 Kostete das Sting/Palisander im Handel ca. 78,- DM, 1989 ca. 96,- DM.

1978 brachte A. Wingen als Russell-Modell STING IA das „Skelett-Messer“ heraus mit identischer Griffkontur, jedoch mit flachem Griff ohne Griffbeschalung. Zur Verbesserung der Griffigkeit waren vertieft zwei Flächen.eingelassen. Dieses Modell wurde in Solingen gefertigt in den Varianten:
spiegelpoliert mit schwarzen Griff-Vertiefungen, schwarz verchromt, gold verchromt (äußerst rar), schwarz HOSTAFLON beschichtet, grün HOSTAFLON beschichtet.

Ca. 1980 wurde das STING II in vergrößerter Ausführung gefertigt mit einer Klingenlänge von ca. 95 mm und einer Gesamtlänge von knapp über 20 cm. Die Griffbeschalungen entsprachen den Ausführungen des zuerst eingeführten „kleinen“ STING, dieses vergrößerte Messer gab es NICHT als Skelett-Dolch.

Im April 1991 stellte Wingen das Skelett-Messer aus 320-Lagen-Damaszenerstahl von Manfred Sachse vor, diese Sonderserie wurde in limitierter Auflage von 300 Stück gefertigt,
davon die ersten 100 mit geätzten Eichenlaub-Blättern.

1994 brachte A. Wingen noch als Neuheit das A.G. Russell „ASSAGI“ heraus, ein Jahr später wurde die Firma aufgelöst.
Aktuell gibt es von A.G.Russell das STING nur noch als „Brieföffner“ aus Glasfaser verstärktem Nylon, zur besseren Stabilität sind auf jeder Klingenseite zwei „Blutrillen“ eingelassen und einige Varianten als Taschenmesser.
 
A.G. Russell

Eine Messermarke "A.G.Russell" ist mir bisher in Deutschland ausser mit der zusätzlichen Markierung auf den Anton Wingen Dolchen nicht bekannt geworden und über eine Verbindung von einem deutschen Taschenmesserhersteller zur Firma A.G. Russell gab es in Deutschland bisher wohl auch noch keine Veröffentlichungen. Über weitere Informationen hierzu würde ich mich freuen!
 
A.G. RUSSELL C. BERTRAM - Solingen

als kurze Ergänzung:
A.G. Russell war Anfang der 70er Jahre in den USA der wohl erste Messerhändler, der Endverbrauchern mit einem eigenen Messerkatalog die Bestellmöglichkeit auf dem Postweg anbot - übrigens gab's in Deutschland diesen Vertriebsweg zumindest schon in den 1920er Jahren, allerdings mit einem "beständigen" Warensortiment und nicht der Flut von Neuheiten!
Neben handelsüblichen Marken offerierte der von A.Russel herausgegebene und „Knife Coller’s Club“ titulierte und mehrfach im Jahr aktualisierte Katalog auch von A.G.Russell selbst entworfene und in Auftragsfertigung hergestellte Messer sowie Sonderserien von komplett bei Herstellern aufgekauften Messervarianten und außerdem auch Custom Knives von namhaften US-Messermachern.

1975 erwarb A.G.Russell in Solingen "DIE" Taschenmesserfabrik C. BERTRAM REINH. SOHN. Unter dem Markenzeichen Hahn & Henne (USA "hen & rooster") wurden dort über mehrere Generationen "feine Taschenmesser" in edelster Ausführung und herausragender Qualität hergestellt. Der Konkurs der Firma wurde 1980 abgewickelt und das Markenzeichen und ein Teil der Werkzeuge von Robert Klaas gekauft.
 
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