Zu den Fragen von Klaus:
D 2 gehört zu den Schnittstählen mit 12 % Chrom. Ich muß es leider immer wieder mal betonen, daß damit nicht Stähle für Schneidwerkzeuge, sondern für Stanzen und Formschnitte gemeint sind. Die Grundlegierung ist 1.2080, bei dem die wesentlichen Legierungselemente ca 2 % C und eben 12 % Chrom sind. Diese Stähle gibt es in allen Varianten mit Wolfram, Vanadium, Kobalt, Molybdän. Um die Zähigkeit zu erhöhen, ist man bei einer Reihe dieser Stähle mit dem Kohlenstoffgehalt heruntergegangen auf ca 1,6 %. Zu dieser Gruppe gehört eben auch der D 2.
Korrosionsbeständigkeit setzt mindestens 12 % Chrom in der Matrix, also im eigentlichen Stahlgefüge voraus. Da aber die "Normalform" des Eisens, der Ferrit, so gut wie keinen Kohlenstoff lösen kann, liegt der Kohlenstoff im weichgeglühten Ferrit als Verbindung mit einem Teil des Eisens nach der Formel Fe 3C= Zementit vor. Das kann man sich so vorstellen, daß in der Grundmasse des Eisens die Zementitkörnchen wie Sandkörner eingestreut liegen. Beim Erwärmen auf Härtetemperatur wandelt sich die Matrix in Austenit um und dieser Austenit kann Kohlenstoff lösen. Über den genauen Prozentsatz streiten sich die Gelehrten, für uns soll mal die Angabe knapp 2 % hinreichend genau sein. Das ist ein Vorgang, der eine gewisse Zeit dauert. Man könnte sich das so vorstellen, wie sich Zucker in heißem Tee löst. Bei Stählen mit bis 0,8 % C sind bei korrektem Härten sämtliche Karbide gelöst, auf Zwischengitterplätzen eingefangen und bewirken durch die Verspannung des Gitters die Härte des martensitischen Gefüges.
Was hat das nun mit der Korrosionsbeständigkeit zu tun ? Die Antwort ist recht einfach: Chrom ist ein starker Karbidbildner, seine Affinität zum Kohlenstoff ist größer als die Affinität des Eisens zum Kohlenstoff.
Im weichgeglühten Gefüge eines Chromstahls ist also ein beachtlicher Anteil des Chroms in den Karbiden gebunden. Von den 13-14 % Chrom des 1.4034 sind das etwa 4-5 %. In der Stahlsgrundmasse sind also nur noch ca 9 % Chrom enthalten und die reichen zur Passivität nicht aus.
Daraus folgt, daß dieser Stahl im weichgelühten Zustand recht kräftig rostet und nur im richtig gehärteten Zustand ausreichend korrosionsbeständig ist. Da sich beim Anlassen wieder Kohlenstoff aus seiner "Zwangslage" befreit, kann er sich wieder eines Teils des Chroms bemächtigen und die Korrosionsbeständigkeit sinkt mit steigender Anlaßtemperatur. Bei Rapatz ist das am Beispiel der Einwirkung eines Essigtropfens auf Stahlproben bei steigender Anlaßtemperatur schön verdeutlicht. Die Lösung besteht übrigens nicht einfach in einer Erhöhung des Chromgehalts, weil das wieder auf das Umwandlungsverhalten ungünstige Auswirkungen hat. Die Entwicklung eines gut schneidenden korrosionsbeständigen Stahls ist daher ein gar nicht so einfacher Balanceakt zwischen C- und Chromgehalt. Verhoeven hat dies sehr präzis und verständlich dargestellt.
Die Abhängigkeit der Korrosionsbeständigkeit vom Chromgehalt in der Matrix ist nicht linear, sondern sprunghaft. Von 0-5 % Chrom steigt sie etwa linear, erreicht aber bei weitem nicht einen Zustand, den man korrosionsbeständig nennen könnte, bleibt dann bis etwa 10 % auf dem gleichen Level, um dann bei 12-13 % einen befriedigenden Zustand zu erreichen. Da der D 2 nach dem Härten auf Grund seines hohen C-Gehalts noch jede Menge Karbide enthält, die für die Verschleißbeständigkeit beim Schneiden von Blechen ja auch erwünscht ist, hat er einen beachtlichen Anteil seines Chromgehalts in den Karbiden und ist ehrlich gesagt nicht wirklich rostträge. Das Schneiden eines Apfels oder Kirschkuchens o.ä. bringt das meist schnell ans Licht.
Als Faustformel also noch mal: 12 % + Chrom müssen in der Grundmasse vorhanden sein. Das ist nur dann der Fall, wenn durch die richtige Härtetemperatur genügend Karbide gelöst sind und dadurch das Chrom für die Grundmasse zur Verfügung steht. Mit steigender Anlaßtemperatur scheiden sich wieder Chromkarbide aus, der Chromanteil in der Grundmasse sinkt und die Korrosionsbeständigkeit wird zunehmend schlechter.
Sekundärhärte tritt auf, wenn durch das Ausscheiden von Sonderkarbiden beim Anlassen das Gefüge wieder verspannt wird. Der klassische Anwendungsfall sind die Schnellarbeitsstähle, die beim Anlassen bei 550-580 Grad höhere Härtewerte erreichen, als nach dem Abschrecken. Ähnliche Erscheinungen kann man bei allen sonderkarbidhaltigen Stählen beobachten, allerdings nicht in dem Ausmaß wie bei den Schnelllarbeitsstählen.
MfG U. Gerfin