Taperedtang
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Hallo,
nachdem ich bereits meine beiden Hunter Messer aus den Stählen K110 und 1.2695 vorgestellt habe, möchte ich im heutigen Beitrag die Testergebnisse meines Vergleichstests vorstellen.
Grundsätzliches:
Ich mache nun schon seit einiger Zeit Messer und bin dabei mich immer tiefer in das Thema Stahl einzuarbeiten. Ich habe einiges an Literatur zu diesem Thema konsumiert und im Internet, u. a. im Messerforum, viel gelesen. Hierbei habe ich festgestellt, dass zur riesigen Anzahl verfügbarer Stahlqualitäten sehr viele unterschiedliche Meinungen, zu deren Eignung, für verschiedene Verwendungen, existieren. Insgesamt kann ich nur empfehlen nicht nur einem Fachmann (Wissenschaftler) zu folgen, sondern sich möglichst breit aufzustellen.
Ich bin der Auffassung, dass wissenschaftliche Untersuchungen zum Verständnis der sehr komplexen Zusammenhänge im Bereich der Stahl-Metallurgie eine wichtige Grundlage darstellen, um u. a. dem Messermacher eine Basis zu liefern, welchen Messerstahl er für festgelegte Aufgaben eines Messers auswählen könnte. Hierbei gibt es viele Aspekte zu berücksichtigen, um nur einige aufzuzählen: Wie ist das Nutzerverhalten (erfahrener, unerfahrener Nutzer)? Welche Schnittart wird überwiegend angewendet (Druck- oder Zugschnitt)? Welche Klingen- Schneidengeometrie wird benötigt? Etc….
Ich bin aber auch der Auffassung, dass theoretische, wissenschaftliche Untersuchungen, Phasendiagramme, metallografische Aufnahmen von Gefügestrukturen, etc… nicht den praktischen Test der Stähle ersetzen können. Das heißt nicht, dass jeder Stahl, der schon häufig getestet wurde, erneut getestet werden muss aber wer es machen möchte, um sich wohler zu fühlen, sollte es tun! Wirklich neutrale Tests sind nur sehr selten zu finden. Die Tests der großen Stahlhersteller sind sicherlich größtenteils seriös, allerdings denke ich, dass wohl kaum ein Hersteller eines seiner Produkte in einem schlechten Licht bzw. dessen Nachteile präsentieren wird.
Beim normalen Messernutzer tritt eine weitere Problematik auf, die emotionale Bindung an ein Produkt. Davon bin ich selbst betroffen. Ich nutze schon seit vielen Jahren ein Jagdmesser aus D2 Stahl. Bis heute hat es mich im jagdlichen Einsatz nie enttäuscht. Ich hatte bis jetzt nicht das Bedürfnis, es durch ein „besseres“ Messer (Stahl) zu ersetzen. Erst meine Neugier, die im Zusammenhang mit meiner Leidenschaft Messer zu machen entstanden ist, hat dafür gesorgt, dass ich jetzt nach weiteren, möglicherweise besseren Alternativen suche. Hierzu passt ganz gut eine Aussage von Roman Landes, die er im Zusammenhang mit dem Thema Schartigkeit einer Schneide geschrieben hat: „Durch Beobachtung des praktischen Nutzerverhaltens zeigt sich immer wieder, dass die Art Schneidfähigkeit, die durch eine offene Schneide bereit gestellt wird (und die eine ziemlich schlechte Schnittgüte zur Folge hat), vom normalen Nutzer oft schon als ausreichend für seine Zwecke empfunden wird. Vermutlich wird aus Unkenntnis eine höhere Schneidfähigkeit, wie sie eine scharfe „geschlossene“ Schneide bereitstellt, gar nicht erst in Betracht gezogen.“ (Roman Landes, Messerklingen und Stahl, S. 39, 2. Auflage 2006) Dieser Aussage kann ich nur in vollem Umfang zustimmen.
Die Stähle:
K110 (D2): 1,55 % C, 11,3 % Cr, 1,3 % Si, 1,3 % Mn, 0,75 % Mo, 0,75 % V
Der D2 (1.2379) Stahl wurde in den USA entwickelt und existiert, in ähnlicher Zusammensetzung, schon seit den 1920er/1930er Jahren. Dieser Werkzeugstahl ist ein ledeburitischer, rostträger Kaltarbeitsstahl. Er ist schnitthaltig und bei angepasster Wärmebehandlung auch ausreichend zäh. Je nach Hersteller, variiert der D2 leicht in seiner Zusammensetzung, nach einigem Ausprobieren halte ich den K110 von Böhler für die beste Variante. In Messermacher Kreisen und auch bei den Nutzern wird über ihn oft sehr kontrovers diskutiert. Bei zu großer Härte (nach meiner Erfahrung ab ca. 62° HRC) wird er sehr spröde und zudem verfügt er über sehr große Karbide. Ist aber mMn für Jagdmesser gut einsetzbar. Darüber hinaus ist er im Bereich der industriell gefertigten Messer weit verbreitet.
1.2695: 1,2 % C, 11 % Cr, 1,4 % Mo, 1,5 % V, 2,4 % W
Über den 1.2695 Stahl habe ich leider nicht sehr viel gefunden. Er gehört zu den ledeburitischen, zähen Chromstählen und ist sehr hoch härtbar. Es fällt der, für einen nicht pulvermetallurgischen Stahl, hohe Anteil an Wolfram auf.
Rahmenbedingungen und Ziele des Tests:
Dieser Test erhebt keinerlei wissenschaftlichen Anspruch. Er dient allein mir zur Entscheidung der Eignung zweier Stähle für den Einsatz als Stahl für Jagdmesser. Sollten hierbei allgemein gültige Erkenntnisse entstehen, umso besser.
Die beiden Testmesser wurden von mir mit der Klingen- Schneidengeometrie ausgestattet, die ich als zweckmäßig erachte. Die Wärmebehandlung wurde nach meinen Wünschen durchgeführt. Die Messer wurden auf die von mir erreichbare, maximale Schärfe geschärft. Die technischen Daten der Messer können in den Beiträgen zu den Messern eingesehen werden (sind ganz oben im Beitrag verlinkt). Mir ging es nicht darum mit möglichst identischen Maßen beider Messer zu testen, sondern mit den Parametern, die ich für den jeweiligen Stahl als beste Wahl ansehe, hierbei kann ich natürlich auch falsch liegen.
Die Testverfahren:
Die Testverfahren sollen einen Teil der Anforderungen, die an ein Jagdmesser gestellt werden, widerspiegeln. Das Schneiden des Leders soll den Kontakt mit Haar, Haut, Sehnen und Wildbret berücksichtigen. Hier ein Ersatzmedium für die Originale zu finden, ist schwierig und teuer. Papier/Karton hielt ich für weniger geeignet, so dass ich Leder wählte. Das Schneiden/Hacken von Holz wird beim jagdlichen Einsatz auch immer mal wieder erforderlich (freischneiden des Sichtfelds beim Ansitz, Schneiden von Stöcken für die Treiber etc.). Das Schnitzen oder Hacken von Knochen sollte mit einem Jagdmesser nicht durchgeführt werden. Nichts desto Trotz kann ein Knochenkontakt nicht immer verhindert werden. Die Messer werden nach jedem Test wieder in ihre Ausgangsschärfe versetzt.
1. Test der Schnitthaltigkeit durch schneiden von 1,5 cm breiten und 4 mm dicken Lederstreifen aus Rindsleder. Das Schneiden erfolgt auf einer handelsüblichen, schnittfesten Unterlage überwiegend im Zugschnitt. Getestet wird solange bis ein Durchtrennen des Leders mit dem von mir üblichen Schneiddruck mit einem Schnitt nicht mehr möglich ist.
2. Schneiden und Hacken von Holz. Ein trockener 22 mm starker Haselnussstab wird einmal durch Schneiden und einmal durch Hacken durchtrennt. Danach erfolgt die Kontrolle der Schärfe der Klingen und Kontrolle der Schneiden auf Beschädigung.
3. Schnitzen von Knochen. Es wird versucht an einem Stück Rinderknochen 5 Späne abzuheben. Auf ein Hacken von Knochen wird verzichtet. Das sollte, wenn überhaupt, den zähen Kohlenstoffstählen überlassen werden. Danach erfolgt die Kontrolle der Schärfe der Klingen und Kontrolle der Schneiden auf Beschädigung.
Die Testergebnisse:
K110
Zu 1.
Die ersten Schnitte gingen flüssig und leicht von der Hand. Die Rasurschärfe ging ab ca. Schnitt 50 verloren. Das Schneiden wurde nach 300 Schnitten leicht schwerer, funktionierte aber immer noch sehr gut. Dies setzte sich bis ca. Schnitt 1000 so fort. Nach 1000 Schnitten war ein Schneiden von Druckerpapier 80 g immer noch, wenn auch leicht rupfend, möglich. Das Schneiden wurde jetzt zunehmend schwieriger. Der letzte nach den Vorgaben noch mögliche Schnitt war Schnitt 1227. Eine gewisse Grundschärfe, für einfache Aufgaben, war immer noch verfügbar. Für die Fortsetzung des Tests war sie allerdings, aus meiner Sicht, nicht mehr ausreichend. 4 mm starkes Leder schneidet sich halt auch nicht wie eine Butterstulle.
Die ersten 500 Schnitte
Die Schnittgüte nach 1000 Schnitten
Das Bild täuscht, der Schnitt geht durchs ganze Blatt, liegt nur übereinander
Zu 2.
Das Schneiden des getrockneten Haselnussstabs verursachte keinerlei Probleme und war in kurzer Zeit erledigt. Es waren keine Beschädigungen festzustellen. Die Klinge hatte danach ihre Rasurschärfe verloren war aber trotzdem noch sehr scharf. Nach dem Hacken, das gleiche Bild – keinerlei Schäden. Erstaunlicherweise war die Rasurschärfe noch erhalten.
Zu 3.
Das Schnitzen von Knochen war ohne Probleme möglich und verursachte keinerlei Schäden. Da hierbei nur ein kleiner Teil der Klinge gefordert war ist es nicht verwunderlich, dass die Rasurschärfe erhalten blieb.
1.2695
Zu 1.
Bei den ersten 50 Schnitten konnte ich keinen Unterschied zum K110 feststellen. Danach war alles anders! Die Leichtigkeit des Schneidens setzte sich bis ca. Schnitt 450 fort. Erst dann ging die Rasurschärfe verloren. Nach 1000 Schnitten war ein Schneiden von Druckerpapier 80 g immer noch, ohne rupfen, leicht möglich. Das Schneiden wurde jetzt sehr langsam schwieriger. Der letzte nach den Vorgaben noch mögliche Schnitt war Schnitt 1638. Eine gewisse Grundschärfe, für einfache Aufgaben, stand aber immer noch zur Verfügung. Für die Fortsetzung des Tests war sie allerdings, aus meiner Sicht, nicht mehr ausreichend.
Schnittgüte nach 1000 Schnitten
Das wars!
Zu 2.
Das Schneiden des getrockneten Haselnussstabs verursachte keinerlei Probleme und war in kurzer Zeit erledigt. Unterschiede zum K110 konnte ich nicht feststellen. Ebenso waren keine Beschädigungen festzustellen. Die Klinge hatte danach ihre Rasurschärfe erhalten. Nach dem Hacken, das gleiche Bild – keinerlei Schäden. Die Rasurschärfe war noch erhalten.
Zu 3.
Das Schnitzen von Knochen war ohne Probleme möglich und verursachte keinerlei Schäden.
Schlussfolgerung:
Der 1.2695 ist schnitthaltiger als K110. Mit ihm lässt sich eine bessere Schnittgüte und leichter eine höhere Schärfe realisieren. Somit ist der K110 dem 1.2695 im Rahmen einer Verwendung als Jagdmesser unterlegen. Aus meiner Sicht ist aber auch der K110 für ein Jagdmesser geeignet aber eben mit einem geringeren Leistungspotential als der 1.2695. Da die Kosten für beide Stähle auf etwa dem gleichen Niveau liegen, ist der 1.2695 aus meiner Sicht, die deutlich bessere Wahl. Beide Stähle lassen sich ohne großen Aufwand schärfen. Der 1.2695 nimmt schneller eine höhere Schärfe an. Was ich nicht betrachtet habe ist die Korrosionsbeständigkeit, die vordergründig aufgrund ähnlicher Cr Gehalte auf ungefähr gleichem Niveau sein sollte. Da der 1.2695 allerdings, um sein Potential auszuschöpfen, im sekundären Härtemaximum angelassen wird, könnte dies zur Verminderung seiner Korrosionsbeständigkeit führen. Das spielt aber für mich persönlich keine Rolle, da ich meine Messer pflege. Möglicherweise liege ich aber mit meiner Vermutung auch falsch. Da können die Stahlexperten bestimmt mehr dazu sagen. Abschließend möchte ich noch einmal Roman Landes zitieren, da ich diese Aussage von ihm für wegweisend halte:
„Das größte Potential für die Leistungsfähigkeit einer Handmesserklinge liegt bei der Spezialisierung und im respektvollen, sinngemäßen Umgang“. (Roman Landes, Messerklingen und Stahl, S. 85, 2. Auflage 2006)
Das bedeutet für mich, ein Messer alleine macht nicht glücklich!
Ich wünsche allen ein schönes und besinnliches Weihnachtsfest!
Grüße
Matthias
nachdem ich bereits meine beiden Hunter Messer aus den Stählen K110 und 1.2695 vorgestellt habe, möchte ich im heutigen Beitrag die Testergebnisse meines Vergleichstests vorstellen.
Grundsätzliches:
Ich mache nun schon seit einiger Zeit Messer und bin dabei mich immer tiefer in das Thema Stahl einzuarbeiten. Ich habe einiges an Literatur zu diesem Thema konsumiert und im Internet, u. a. im Messerforum, viel gelesen. Hierbei habe ich festgestellt, dass zur riesigen Anzahl verfügbarer Stahlqualitäten sehr viele unterschiedliche Meinungen, zu deren Eignung, für verschiedene Verwendungen, existieren. Insgesamt kann ich nur empfehlen nicht nur einem Fachmann (Wissenschaftler) zu folgen, sondern sich möglichst breit aufzustellen.
Ich bin der Auffassung, dass wissenschaftliche Untersuchungen zum Verständnis der sehr komplexen Zusammenhänge im Bereich der Stahl-Metallurgie eine wichtige Grundlage darstellen, um u. a. dem Messermacher eine Basis zu liefern, welchen Messerstahl er für festgelegte Aufgaben eines Messers auswählen könnte. Hierbei gibt es viele Aspekte zu berücksichtigen, um nur einige aufzuzählen: Wie ist das Nutzerverhalten (erfahrener, unerfahrener Nutzer)? Welche Schnittart wird überwiegend angewendet (Druck- oder Zugschnitt)? Welche Klingen- Schneidengeometrie wird benötigt? Etc….
Ich bin aber auch der Auffassung, dass theoretische, wissenschaftliche Untersuchungen, Phasendiagramme, metallografische Aufnahmen von Gefügestrukturen, etc… nicht den praktischen Test der Stähle ersetzen können. Das heißt nicht, dass jeder Stahl, der schon häufig getestet wurde, erneut getestet werden muss aber wer es machen möchte, um sich wohler zu fühlen, sollte es tun! Wirklich neutrale Tests sind nur sehr selten zu finden. Die Tests der großen Stahlhersteller sind sicherlich größtenteils seriös, allerdings denke ich, dass wohl kaum ein Hersteller eines seiner Produkte in einem schlechten Licht bzw. dessen Nachteile präsentieren wird.
Beim normalen Messernutzer tritt eine weitere Problematik auf, die emotionale Bindung an ein Produkt. Davon bin ich selbst betroffen. Ich nutze schon seit vielen Jahren ein Jagdmesser aus D2 Stahl. Bis heute hat es mich im jagdlichen Einsatz nie enttäuscht. Ich hatte bis jetzt nicht das Bedürfnis, es durch ein „besseres“ Messer (Stahl) zu ersetzen. Erst meine Neugier, die im Zusammenhang mit meiner Leidenschaft Messer zu machen entstanden ist, hat dafür gesorgt, dass ich jetzt nach weiteren, möglicherweise besseren Alternativen suche. Hierzu passt ganz gut eine Aussage von Roman Landes, die er im Zusammenhang mit dem Thema Schartigkeit einer Schneide geschrieben hat: „Durch Beobachtung des praktischen Nutzerverhaltens zeigt sich immer wieder, dass die Art Schneidfähigkeit, die durch eine offene Schneide bereit gestellt wird (und die eine ziemlich schlechte Schnittgüte zur Folge hat), vom normalen Nutzer oft schon als ausreichend für seine Zwecke empfunden wird. Vermutlich wird aus Unkenntnis eine höhere Schneidfähigkeit, wie sie eine scharfe „geschlossene“ Schneide bereitstellt, gar nicht erst in Betracht gezogen.“ (Roman Landes, Messerklingen und Stahl, S. 39, 2. Auflage 2006) Dieser Aussage kann ich nur in vollem Umfang zustimmen.
Die Stähle:
K110 (D2): 1,55 % C, 11,3 % Cr, 1,3 % Si, 1,3 % Mn, 0,75 % Mo, 0,75 % V
Der D2 (1.2379) Stahl wurde in den USA entwickelt und existiert, in ähnlicher Zusammensetzung, schon seit den 1920er/1930er Jahren. Dieser Werkzeugstahl ist ein ledeburitischer, rostträger Kaltarbeitsstahl. Er ist schnitthaltig und bei angepasster Wärmebehandlung auch ausreichend zäh. Je nach Hersteller, variiert der D2 leicht in seiner Zusammensetzung, nach einigem Ausprobieren halte ich den K110 von Böhler für die beste Variante. In Messermacher Kreisen und auch bei den Nutzern wird über ihn oft sehr kontrovers diskutiert. Bei zu großer Härte (nach meiner Erfahrung ab ca. 62° HRC) wird er sehr spröde und zudem verfügt er über sehr große Karbide. Ist aber mMn für Jagdmesser gut einsetzbar. Darüber hinaus ist er im Bereich der industriell gefertigten Messer weit verbreitet.
1.2695: 1,2 % C, 11 % Cr, 1,4 % Mo, 1,5 % V, 2,4 % W
Über den 1.2695 Stahl habe ich leider nicht sehr viel gefunden. Er gehört zu den ledeburitischen, zähen Chromstählen und ist sehr hoch härtbar. Es fällt der, für einen nicht pulvermetallurgischen Stahl, hohe Anteil an Wolfram auf.
Rahmenbedingungen und Ziele des Tests:
Dieser Test erhebt keinerlei wissenschaftlichen Anspruch. Er dient allein mir zur Entscheidung der Eignung zweier Stähle für den Einsatz als Stahl für Jagdmesser. Sollten hierbei allgemein gültige Erkenntnisse entstehen, umso besser.
Die beiden Testmesser wurden von mir mit der Klingen- Schneidengeometrie ausgestattet, die ich als zweckmäßig erachte. Die Wärmebehandlung wurde nach meinen Wünschen durchgeführt. Die Messer wurden auf die von mir erreichbare, maximale Schärfe geschärft. Die technischen Daten der Messer können in den Beiträgen zu den Messern eingesehen werden (sind ganz oben im Beitrag verlinkt). Mir ging es nicht darum mit möglichst identischen Maßen beider Messer zu testen, sondern mit den Parametern, die ich für den jeweiligen Stahl als beste Wahl ansehe, hierbei kann ich natürlich auch falsch liegen.
Die Testverfahren:
Die Testverfahren sollen einen Teil der Anforderungen, die an ein Jagdmesser gestellt werden, widerspiegeln. Das Schneiden des Leders soll den Kontakt mit Haar, Haut, Sehnen und Wildbret berücksichtigen. Hier ein Ersatzmedium für die Originale zu finden, ist schwierig und teuer. Papier/Karton hielt ich für weniger geeignet, so dass ich Leder wählte. Das Schneiden/Hacken von Holz wird beim jagdlichen Einsatz auch immer mal wieder erforderlich (freischneiden des Sichtfelds beim Ansitz, Schneiden von Stöcken für die Treiber etc.). Das Schnitzen oder Hacken von Knochen sollte mit einem Jagdmesser nicht durchgeführt werden. Nichts desto Trotz kann ein Knochenkontakt nicht immer verhindert werden. Die Messer werden nach jedem Test wieder in ihre Ausgangsschärfe versetzt.
1. Test der Schnitthaltigkeit durch schneiden von 1,5 cm breiten und 4 mm dicken Lederstreifen aus Rindsleder. Das Schneiden erfolgt auf einer handelsüblichen, schnittfesten Unterlage überwiegend im Zugschnitt. Getestet wird solange bis ein Durchtrennen des Leders mit dem von mir üblichen Schneiddruck mit einem Schnitt nicht mehr möglich ist.
2. Schneiden und Hacken von Holz. Ein trockener 22 mm starker Haselnussstab wird einmal durch Schneiden und einmal durch Hacken durchtrennt. Danach erfolgt die Kontrolle der Schärfe der Klingen und Kontrolle der Schneiden auf Beschädigung.
3. Schnitzen von Knochen. Es wird versucht an einem Stück Rinderknochen 5 Späne abzuheben. Auf ein Hacken von Knochen wird verzichtet. Das sollte, wenn überhaupt, den zähen Kohlenstoffstählen überlassen werden. Danach erfolgt die Kontrolle der Schärfe der Klingen und Kontrolle der Schneiden auf Beschädigung.
Die Testergebnisse:
K110
Zu 1.
Die ersten Schnitte gingen flüssig und leicht von der Hand. Die Rasurschärfe ging ab ca. Schnitt 50 verloren. Das Schneiden wurde nach 300 Schnitten leicht schwerer, funktionierte aber immer noch sehr gut. Dies setzte sich bis ca. Schnitt 1000 so fort. Nach 1000 Schnitten war ein Schneiden von Druckerpapier 80 g immer noch, wenn auch leicht rupfend, möglich. Das Schneiden wurde jetzt zunehmend schwieriger. Der letzte nach den Vorgaben noch mögliche Schnitt war Schnitt 1227. Eine gewisse Grundschärfe, für einfache Aufgaben, war immer noch verfügbar. Für die Fortsetzung des Tests war sie allerdings, aus meiner Sicht, nicht mehr ausreichend. 4 mm starkes Leder schneidet sich halt auch nicht wie eine Butterstulle.
Die ersten 500 Schnitte
Die Schnittgüte nach 1000 Schnitten
Das Bild täuscht, der Schnitt geht durchs ganze Blatt, liegt nur übereinander
Zu 2.
Das Schneiden des getrockneten Haselnussstabs verursachte keinerlei Probleme und war in kurzer Zeit erledigt. Es waren keine Beschädigungen festzustellen. Die Klinge hatte danach ihre Rasurschärfe verloren war aber trotzdem noch sehr scharf. Nach dem Hacken, das gleiche Bild – keinerlei Schäden. Erstaunlicherweise war die Rasurschärfe noch erhalten.
Zu 3.
Das Schnitzen von Knochen war ohne Probleme möglich und verursachte keinerlei Schäden. Da hierbei nur ein kleiner Teil der Klinge gefordert war ist es nicht verwunderlich, dass die Rasurschärfe erhalten blieb.
1.2695
Zu 1.
Bei den ersten 50 Schnitten konnte ich keinen Unterschied zum K110 feststellen. Danach war alles anders! Die Leichtigkeit des Schneidens setzte sich bis ca. Schnitt 450 fort. Erst dann ging die Rasurschärfe verloren. Nach 1000 Schnitten war ein Schneiden von Druckerpapier 80 g immer noch, ohne rupfen, leicht möglich. Das Schneiden wurde jetzt sehr langsam schwieriger. Der letzte nach den Vorgaben noch mögliche Schnitt war Schnitt 1638. Eine gewisse Grundschärfe, für einfache Aufgaben, stand aber immer noch zur Verfügung. Für die Fortsetzung des Tests war sie allerdings, aus meiner Sicht, nicht mehr ausreichend.
Schnittgüte nach 1000 Schnitten
Das wars!
Zu 2.
Das Schneiden des getrockneten Haselnussstabs verursachte keinerlei Probleme und war in kurzer Zeit erledigt. Unterschiede zum K110 konnte ich nicht feststellen. Ebenso waren keine Beschädigungen festzustellen. Die Klinge hatte danach ihre Rasurschärfe erhalten. Nach dem Hacken, das gleiche Bild – keinerlei Schäden. Die Rasurschärfe war noch erhalten.
Zu 3.
Das Schnitzen von Knochen war ohne Probleme möglich und verursachte keinerlei Schäden.
Schlussfolgerung:
Der 1.2695 ist schnitthaltiger als K110. Mit ihm lässt sich eine bessere Schnittgüte und leichter eine höhere Schärfe realisieren. Somit ist der K110 dem 1.2695 im Rahmen einer Verwendung als Jagdmesser unterlegen. Aus meiner Sicht ist aber auch der K110 für ein Jagdmesser geeignet aber eben mit einem geringeren Leistungspotential als der 1.2695. Da die Kosten für beide Stähle auf etwa dem gleichen Niveau liegen, ist der 1.2695 aus meiner Sicht, die deutlich bessere Wahl. Beide Stähle lassen sich ohne großen Aufwand schärfen. Der 1.2695 nimmt schneller eine höhere Schärfe an. Was ich nicht betrachtet habe ist die Korrosionsbeständigkeit, die vordergründig aufgrund ähnlicher Cr Gehalte auf ungefähr gleichem Niveau sein sollte. Da der 1.2695 allerdings, um sein Potential auszuschöpfen, im sekundären Härtemaximum angelassen wird, könnte dies zur Verminderung seiner Korrosionsbeständigkeit führen. Das spielt aber für mich persönlich keine Rolle, da ich meine Messer pflege. Möglicherweise liege ich aber mit meiner Vermutung auch falsch. Da können die Stahlexperten bestimmt mehr dazu sagen. Abschließend möchte ich noch einmal Roman Landes zitieren, da ich diese Aussage von ihm für wegweisend halte:
„Das größte Potential für die Leistungsfähigkeit einer Handmesserklinge liegt bei der Spezialisierung und im respektvollen, sinngemäßen Umgang“. (Roman Landes, Messerklingen und Stahl, S. 85, 2. Auflage 2006)
Das bedeutet für mich, ein Messer alleine macht nicht glücklich!
Ich wünsche allen ein schönes und besinnliches Weihnachtsfest!
Grüße
Matthias
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