Karlsbad-Souvenirs: Messer - Kunst oder Kitsch

Abu

Premium Mitglied
Beiträge
3.468
Zeitgeist und Geschmack mögen über „Kitsch“ entscheiden, ich musste das bunte Dekor auch erst lieben lernen. In jedem Fall sind es qualitativ hochwertige Taschenmesser, überwiegend aus Böhmen, seltener Solingen. Und es ist zweifellos filigrane Handwerkskunst, sogar im doppelten Sinn: Messer plus Mosaik. Überzeugende Qualität, kein billiger Touristenschund. Warum auch, die kurende Klientel im ehemaligen „Kaiserbad“ Karlsbad war zahlungskräftig.

IMG_1941.jpeg


IMG_1940.jpeg


Rückseiten Horn oder Schildpatt
IMG_1934.jpeg


IMG_1935.jpeg


Den Anfang meiner kleinen Sammlung machte das winzige Messerchen vom Kollegen @heiddr !!!
Auffällig der weiße Schriftzug - und: die Fassung des Mosaiks ist nahtlos!?

IMG_1939.jpeg


Mit der Anzahl der Messer stieg meine Neugier des „Wie“ und „Was“. Fündig wurde ich überwiegend online in einer Publikation des Egerland Museums Marktredwitz, zum Thema „Sprudelstein“. Meine kurze Zusammenfassung:

GESTEIN und Werkstoff
Das Gestein ist Aragonit, gebildet aus Ablagerungen der heißen, minaralstoffreichen Quellen.

Die Steinschichten können mehrere Meter dick sein. Meist bräunliche Töne, gelb, rötlich, bläulich, violett, weiß aus tieferen Schichten. Dazu sog. Erbsensteine (Pisolithen).

Prozess Werkstoff
- brechen der Steine
- schneiden in kleinere Einheiten von 5-6 cm
- schleifen zu Stäbchen unterschiedlicher Querschnitte

Prozess Mosaik
- Grundplatte Schiefertafel
- auftragen Klebstoffschicht, Kopallack oder ähnliche Naturharzmischung
- Abkneifen per Zange der benötigten Mosaiksteinchen vom Stäbchen
- setzen des Mosaiks
- Füllstoff zäher, heißer Schellack
- trocknen, schleifen des Mosaiks

Weiterverarbeitung des fertigen Mosaiks als Schmuck, auf Holzschatullen, Messerplatinen, Lederetuis etc. Als Kleber hab ich an anderer Stelle „Holzleim“ gelesen. Vielleicht in Verbindung mit dem Mosaikkleber eine Art 2-K-Haftbarkeit? Immerhin musste das Mosaik auch auf flexiblem Leder dauerhaft halten.

Schnittstelle zum Messer: Wer hat die Fassungen der Mosaiken gefertigt?
Nach dem Eindruck meiner Messer würde ich sie zum Arbeitsprozess der Messermanufakturen zählen. Die Ränder der Fassungen laufen teilweise bis unter die Backen.

IMG_1936.jpeg


IMG_1938.jpeg


IMG_1937.jpeg


Geschichte der Souvenirs
Zunächst wurden die Steine selbst als Souvenir verkauft, ab 1830 entwickelte sich der Boom mit Mosaiken. Im Jahr 1888 verzeichnete man insgesamt 10 Handwerker und Gewerbetreibende in diesem Metier.

Gegen Ende des 19. Jhdt. verfeinerten sich Mosaike, Formen, Materialien. Perlmutt kam hinzu und für zarte florale Motive wurden Eierschalen als weiß eingesetzt. Eingelegten Silberdraht hab ich in meinen Messern nicht, aber in der Box.

Das Ende
Mit dem Ende des 2. WK war auch Schluss mit den Karlsbader Mosaiken. Bei meinem Besuch in Karlstadt vor wenigen Jahren war die „Erinnerung“ an dieses Kunsthandwerk bereits verloren. In den Antikshops des Ortes konnte niemand mehr mit meinen Fragen etwas anfangen.

Alles auf Karlsbad! Eine Box für die Messer rundet meine Karlsbader Sammlung ab. Vorerst, wer weiß….

IMG_1932.jpeg


IMG_1933.jpeg


Abu
 
Great collection of very interesting knives. And very unique that they created special metal liners to accept the mosaic material.
 
  • Like
Reaktionen: Abu
Zurück