Wie oben schon geschrieben:
Es gibt ja die abenteurelichsten Theorien, wozu so eine Kerbe dienen soll, vom Klingenfänger zum Schaber für die Verarbeitung von Tiersehen, für mich ist es einfach eine aufgehübschte Schleifkerbe. Daher das stufenförmig abgesetze Design.
Aber vielleicht noch einmal ausführlicher zu den mir bekannten Theorien bzgl. spanische Kerbe oder auch zur
Cho beim
Khukuri:
Klingenfänger
Die Mehrzahl der spanischen Kerben, die ich gesehen habe, sind bestimmt nicht als Klingenfänger geeignet. Die spanischen Kerben sind meist weder groß genug, um die andere Klinge zuverlässig zu fangen noch tief genug, um ein Herausrutschen zu verhindern, sollte es mit dem Fangen geklappt haben. Zudem sind die meisten spanischen Kerben am Beginn der Schneide bzw. am Übergang von Ricasso zu Schneide, also im dünn ausgeschliffenen Bereich der Klinge, was der Funktion als Klingenfänger nicht entgegenkommt; je nach Hebelverhältnis könnte man die Kerbe aufbiegen oder ein Teil der Klinge könnte ausbrechen. Zieht man zum Vergleich historisch belegte Degenbrecher heran, die sehr viel robuster gebaut waren, um relativ dünne Degen und Rapiere zu fangen/brechen wird offensichtlich, dass diese Verwendung sehr unwahrscheinlich ist.
Ich habe zwar auch schon spanische Kerben im Ricasso gesehen, die theoretisch stabil genug wären, aber die wirkten immer irgendwie plump und wenig authentisch.
Werkzeug zur Reparatur von Seilen/Netzen
Mit Knoten und Spleißen kenn ich mich ein bisschen aus und ich wüßte nicht, wie mir eine spanische Kerbe da helfen sollte. Auch in den zahlreichen Knotenbüchern, die ich bisher in der Hand hatte, gab es kein Werkzeug, was auch nur annähernd ähnlich aussieht. Im Gegenteil, wenn man Seile schneidet, will man eigentlich keine Kerben o.ä. haben, woran die Fasern hängen bleiben könnten.
Schaber für Tiersehnen
Die Kerbe soll wohl zum Entfleischen bzw. Verarbeiten von Tiersehnen gedient haben. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob das sinnvoll wäre, erscheint mir jedoch ebenfalls nicht sehr realistisch.
Spannungsabbau
Hier müssen die Ingenieure zur Bestätigung ran. Die Kerbe soll helfen, Spannungen im Material abzubauen. Klingt nicht unrealistisch, zumal die Kerbe ja meist am Übergang zwischen Schneide und Ricasso ist, welcher u.U. ein Spannungserhöher ist, insb. bei scharfen Kanten, engen Kurven etc. Durch die Kerbe wird vielleicht ein Spannungsriss/-bruch in vorweggenommen, d.h. man macht eine Kerbe in die Klinge, wo sie am wahrscheinlichsten unkontrolliert reißen/brechen könnte und macht die Kerbe durch die Kreisform so stabil/spannungsresistent wie möglich. Die erhöhte Stabilität ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die Kerbe an ihrem Scheitelpunkt wesentlich dicker ist als die dünne Schneide.
Abtropfpunkt
Das halte ich schon für recht realistisch. Die Idee hier ist, dass Flüssigkeiten, die die Schneide entlanglaufen an der Kerbe gestoppt werden und abtropfen, praktisch bspw. für Jäger beim Abfangen/Versorgen des Stücks oder wenn ein Cowboy sich stilecht einen Apfel schält.
Schleifkerbe
Wie schon erwähnt, denke ich, dass die spanische Kerbe hauptsächlich eine aufgehübschte Schleifkerbe ist. Die Vor- und Nachteile von Schleifkerben wurden ja anderweitig schon diskutiert.
Dekoration
Bei einer spanischen Kerbe kann sich der Messermacher ein wenig künstlerisch austoben. Denkbar ist auch, dass manche Messermacher einen eigenen Stil für die Kerbe hatten und diese vllt. als Markenzeichen nutzten. Es ist auch durchaus möglich, dass es noch symbolische Bedeutungen gab, wie sie bspw. für die
Cho bei
Khukuris vermutet werden; u.a.: Hufabdruck einer heiligen Kuh, Klitoris von Kali, Penis von Shiva, Sonne und Mond des Nationalwappens... Es gab auch Khukuris ohne
Cho bzw. mit alternativen Designs.
Ookami