boogerbrain
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Kleines altes Taschenmesser(chen) - mit Bildern
Nachdem ich es schon eine Weile habe, habe ich mir vorgenommen, das kleine Messer, das ich vor einiger Zeit quasi als Beifang bekommen habe und das mich sehr fasziniert, endlich zu photographieren und Euch mal um Rat zu fragen.
Das Messer ist geschlossen, wie es aussieht, 5,75 cm lang und läuft, wie Ihr auf den Bildern sehen könnt, konisch zu. Die Griffschalen sind aus Schildpatt, meiner Meinung nach. In der einen Griffschale ist eine Neusilbereinlage (Silber glaube ich nicht), ferner sind ein Zahnstocher (Schildpatt, unbenutzt) und eine Pinzette (Neusilber, mit "Löffelausprägung", leider defekt) integriert. Das Messer kam mit einer steifen Lederhülle (ähnlich wie eine Zigarrenhülle), von der, wie ich annehme, das dazugehörige Teil, das (vermutlich) übergeschoben wurde, fehlt. Die Verarbeitung von Hülle und Messer ist wirklich gut.
Ohne Zahnstocher und Pinzette hat das Messer 10 Werkzeuge.
- große Klinge, Slipjoint 4 cm
- kleine Klinge, leicht gerundet 1,9 cm
- kleine Klinge mit gerader Schneide, Rücken gerundet 2,1 cm
- kleine Klinge, gerade Schneide, gerader Rücken mit Öffnungshilfe und
"Tanto"-Spitze 2 cm
- Schere mit Schraube 4,2 cm
- Knopfhaken o.ä. 1,9 cm
- kleine Nagelfeile mit scharfer, einseitig gerundeter Spitze 1,9 cm
- Korkenzieher ohne Seele 1,5 cm
- Lochstecher 1,2 cm
- große Nagelfeile mit Nagelreiniger auf dem Messerrücken liegend 4,1 cm
Der Zustand ist gut bis sehr gut, wenn man die Patina abzieht - es sieht so aus, als wäre das Messerchen kaum benutzt worden. Die Federn sind stramm, die Werkzeuge haben so gut wie kein Spiel, bis auf die große Klinge, die ein wenig seitliches Spiel hat. Im Griffinneren glänzt alles noch (neben der Patina), genau so auf dem Messerrücken unter der Nagelfeile. Die Messingliner sind gerändelt, wie man vielleicht auf den Photos sehen kann. Die Paßgenauigkeit der einzelnen Bestandteile ist sehr gut.
Leider gibt es keine Herstellerangabe, auf dem Lochstecher und auf dem Knopfhaken ist jeweils eine "3" eingeprägt. Sonst keinerlei Kennzeichnung, soweit ich das sehen konnte.
Wie ich oben gesagt habe, ist die Verarbeitung wirklich gut und auch aufwändig: Die Rändelung der Liner, Aussparungen für die Fingernägel (zum Öffnen) bei der rückenseitigen Nagelfeile in der Feder und bei der kleinen Feile in der Schildpattschale, die Öffnungshilfe bei der "Tanto"-Klinge, die Verzierung am Lochstecher und der Nagelhau am Knopfhaken - das sind für mich alles Anzeichen eines sogfältigen und durchaus aufwändigen Herstellungsprozesses. Der Zahnstocher ist so exakt und genau eingepaßt, daß ich ihn zunächst gar nicht bemerkt habe - und ich könnte mir vorstellen, daß das auch bei den Vorbesitzern so war, denn der war absolut unbenutzt, so das noch der Schleifstaub darauf zu sehen ist.
Mir kommt das Messer ein wenig so vor, als hätte der Hersteller mal zeigen wollen, was er kann (wer braucht einen 1,5-cm-Korkenzieher? Wozu? Apothekenfläschchen?), und als ob es dieses Modell auch in anderen (einsatzwilligeren) Größen gegeben hätte. Ich habe zum direkten Größenvergleich mal das Deutsche Armeemesser daneben gelegt (das ja auch nicht gerade ein Riese ist); der Unterschied ist schon enorm.
Mit diesem kleinen Teilchen konnte man vielleicht gerade mal Zigarren anschneiden und Zwirnsfäden kappen, ansonsten sind die Werkzeuge zu filigran, würde ich sagen; bei der kleinen Klinge mit gerundetem Rücken ist die Spitze auch leicht verbogen.
Ich denke, das Messer ist von ca. 1910/1920, was meint Ihr?
So, nun schaut Euch die Bilder gut an; über Rückmeldungen - gerne ausführlich, was immer Euch in den Sinn kommt - würde ich mich sehr freuen.
Getreu dem Motto "Nicht verzagen, Abu fragen" habe ich mich an den Godfather of Vintage Knives gewandt; er konnte mir auch ein paar Angaben machen, die ich sehr interessant finde:
"(...) Das sollen regelmäßig Gesellenstücke von Messermachern jener Jahre sein. Höchste geforderte Präzision bei gleichzeitig minimalem Materialeinsatz und ggf Pfuschrisiko der Materialien. (...)" ... "Die „Tantoklinge“ findet man zb (auch) in Böhmen, auch diese Kombination, aber immer etwas abgewandelt oder mal mit Perlmutt. Könnte also sehr gut ein Böhmen sein, der Stil passt sowieso. Die Amerikaner haben zu diesem Stil sehr hübsche Bezeichnungen: Sleeve board für das konische und Lobster wegen der wehrhaften Bestückung an beiden Seiten: Sleeve Board Lobster "
Wer eventuell noch weitere Info hat, darf sie gerne hier posten ...! Ich würde mich sehr freuen - das Messer ist echt schnucklig, und ich wüßte gern mehr darüber.
Nachdem ich es schon eine Weile habe, habe ich mir vorgenommen, das kleine Messer, das ich vor einiger Zeit quasi als Beifang bekommen habe und das mich sehr fasziniert, endlich zu photographieren und Euch mal um Rat zu fragen.
Das Messer ist geschlossen, wie es aussieht, 5,75 cm lang und läuft, wie Ihr auf den Bildern sehen könnt, konisch zu. Die Griffschalen sind aus Schildpatt, meiner Meinung nach. In der einen Griffschale ist eine Neusilbereinlage (Silber glaube ich nicht), ferner sind ein Zahnstocher (Schildpatt, unbenutzt) und eine Pinzette (Neusilber, mit "Löffelausprägung", leider defekt) integriert. Das Messer kam mit einer steifen Lederhülle (ähnlich wie eine Zigarrenhülle), von der, wie ich annehme, das dazugehörige Teil, das (vermutlich) übergeschoben wurde, fehlt. Die Verarbeitung von Hülle und Messer ist wirklich gut.
Ohne Zahnstocher und Pinzette hat das Messer 10 Werkzeuge.
- große Klinge, Slipjoint 4 cm
- kleine Klinge, leicht gerundet 1,9 cm
- kleine Klinge mit gerader Schneide, Rücken gerundet 2,1 cm
- kleine Klinge, gerade Schneide, gerader Rücken mit Öffnungshilfe und
"Tanto"-Spitze 2 cm
- Schere mit Schraube 4,2 cm
- Knopfhaken o.ä. 1,9 cm
- kleine Nagelfeile mit scharfer, einseitig gerundeter Spitze 1,9 cm
- Korkenzieher ohne Seele 1,5 cm
- Lochstecher 1,2 cm
- große Nagelfeile mit Nagelreiniger auf dem Messerrücken liegend 4,1 cm
Der Zustand ist gut bis sehr gut, wenn man die Patina abzieht - es sieht so aus, als wäre das Messerchen kaum benutzt worden. Die Federn sind stramm, die Werkzeuge haben so gut wie kein Spiel, bis auf die große Klinge, die ein wenig seitliches Spiel hat. Im Griffinneren glänzt alles noch (neben der Patina), genau so auf dem Messerrücken unter der Nagelfeile. Die Messingliner sind gerändelt, wie man vielleicht auf den Photos sehen kann. Die Paßgenauigkeit der einzelnen Bestandteile ist sehr gut.
Leider gibt es keine Herstellerangabe, auf dem Lochstecher und auf dem Knopfhaken ist jeweils eine "3" eingeprägt. Sonst keinerlei Kennzeichnung, soweit ich das sehen konnte.
Wie ich oben gesagt habe, ist die Verarbeitung wirklich gut und auch aufwändig: Die Rändelung der Liner, Aussparungen für die Fingernägel (zum Öffnen) bei der rückenseitigen Nagelfeile in der Feder und bei der kleinen Feile in der Schildpattschale, die Öffnungshilfe bei der "Tanto"-Klinge, die Verzierung am Lochstecher und der Nagelhau am Knopfhaken - das sind für mich alles Anzeichen eines sogfältigen und durchaus aufwändigen Herstellungsprozesses. Der Zahnstocher ist so exakt und genau eingepaßt, daß ich ihn zunächst gar nicht bemerkt habe - und ich könnte mir vorstellen, daß das auch bei den Vorbesitzern so war, denn der war absolut unbenutzt, so das noch der Schleifstaub darauf zu sehen ist.
Mir kommt das Messer ein wenig so vor, als hätte der Hersteller mal zeigen wollen, was er kann (wer braucht einen 1,5-cm-Korkenzieher? Wozu? Apothekenfläschchen?), und als ob es dieses Modell auch in anderen (einsatzwilligeren) Größen gegeben hätte. Ich habe zum direkten Größenvergleich mal das Deutsche Armeemesser daneben gelegt (das ja auch nicht gerade ein Riese ist); der Unterschied ist schon enorm.
Mit diesem kleinen Teilchen konnte man vielleicht gerade mal Zigarren anschneiden und Zwirnsfäden kappen, ansonsten sind die Werkzeuge zu filigran, würde ich sagen; bei der kleinen Klinge mit gerundetem Rücken ist die Spitze auch leicht verbogen.
Ich denke, das Messer ist von ca. 1910/1920, was meint Ihr?
So, nun schaut Euch die Bilder gut an; über Rückmeldungen - gerne ausführlich, was immer Euch in den Sinn kommt - würde ich mich sehr freuen.
Getreu dem Motto "Nicht verzagen, Abu fragen" habe ich mich an den Godfather of Vintage Knives gewandt; er konnte mir auch ein paar Angaben machen, die ich sehr interessant finde:
"(...) Das sollen regelmäßig Gesellenstücke von Messermachern jener Jahre sein. Höchste geforderte Präzision bei gleichzeitig minimalem Materialeinsatz und ggf Pfuschrisiko der Materialien. (...)" ... "Die „Tantoklinge“ findet man zb (auch) in Böhmen, auch diese Kombination, aber immer etwas abgewandelt oder mal mit Perlmutt. Könnte also sehr gut ein Böhmen sein, der Stil passt sowieso. Die Amerikaner haben zu diesem Stil sehr hübsche Bezeichnungen: Sleeve board für das konische und Lobster wegen der wehrhaften Bestückung an beiden Seiten: Sleeve Board Lobster "
Wer eventuell noch weitere Info hat, darf sie gerne hier posten ...! Ich würde mich sehr freuen - das Messer ist echt schnucklig, und ich wüßte gern mehr darüber.
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