Klingenhärte Steigerung?

less

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Hallo Messerfreunde,
ich beschäftige mich gerade (mal wieder) mit dem "optimalen" Stahl und der entsprechenden WB für mein nächstes Messer.
Dabei bin ich auf eine Frage gestoßen, die ich trotz Recherche und Suchfunktion nicht klären konnte:
Also an die Experten/Wissenden:
Ist es möglich, dass sich eine wärmebehandelte Klinge im Lauf der Zeit "selbstständig" weiter verhärtet?
Ich habe dazu trotz intensiver Suche nur diesen Hinweis gefunden :http://cutleryscience.com/reviews/blade_materials.html#T_A2
Ich kann das aber überhaupt nicht beurteilen, da ich bislang nur einfache, niedriglegierte Stähle selbst härte.
Wurde ein solcher Effekt schon einmal beobachtet und wenn: In welchem Zeitraum spielt sich so etwas ab?

Danke für eure Antworten im voraus!
less
 
Was da steht ist weitgehend nicht richtig. Sicher nicht für eine Klinge, die Jahre in Gebrauch war. Der Autor schreibt, er denke, dass sich der Restaustenit nach und nach in unangelassenen (tetragonalen) Martensit umwandelt.

Das ist wohl kaum der Fall, denn der Restaustenit wird nach einer gewissen Zeit nach dem Härten stabil und wandelt sich ohne Gewalt (neu Härten) nicht mehr weiter um.

Sein Problem ist wahrscheinlich vielmehr der Restaustenit selbst, der die Klinge zwar nicht härter aber bruchempfindlicher macht.
 
Danke für die Antwort!
Ausgangspunkt meiner Frage war auch war eine Klinge, die ich mit verblüffender Leichtigkeit abgebrochen habe.Ich hatte diese Klinge bis dahin als extrem belastbar in Erinnerung, ich kann mich erinnern die Klinge früher einigemale (federnd) gebogen zu haben.
Anbei ein Bild:
cimg0014tl.jpg

Brach dann aber wie gesagt plötzlich sehr spröde.
Wäre eine starke Verhärtung nur durch Gebrauch (Biegen, Hacken etc)
vorstellbar?Wäre das "Gewalt" genug um eine solche Veränderung zu erreichen?


less

Nachtrag:
Ich habe jetzt einfach mal bei wiki nachgeschaut: darauf bin ich noch gar nicht gekommen!
da steht:

Bei Stählen mit mehr als 0,5 Massen-% Kohlenstoff und hinreichenden Anteilen an Legie*rungselementen wird die Martensitfinishtemperatur Mf kleiner als 20 °C. Beim Ab*schrecken dieser Werkstoffe aus dem austenitischen Zustand auf Raumtem*peratur bleibt ein Teil der austeniti*schen Aus*gangs*phase im Gefüge erhalten. Dieser Austenit wird als Rest*austenit bezeichnet. Er stellt einen relativ weichen, metastabilen Gefügebestandteil dar, der durch weitere Abkühlung oder mechanische Be*anspruchung in Martensit umwandeln kann.
http://de.wikipedia.org/wiki/Restaustenit

stimmt das?

less
 
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Also was bei der Klinge auf dem Foto faul ist, das sieht man auf den ersten Blick: die Korngröße ist grottenschlecht und dadurch ist der Stahl sehr spröde. Wundert mich nicht, dass diese Klinge gebrochen ist, die ist wirklich schlecht. Das hat aber nichts mit Restaustenit zu tun.

Was nennst Du denn "extrem belastbar"?

Die Umwandlung durch weitere Abkühlung und/oder mechanische Belastung ist richtig, wird aber mit zunehmender Zeitdauer nach dem Härten immer schwieriger. Den erstgenannten Effekt macht man sich ja beim oft so genannten "Eishärten", also dem nach dem Härten erfolgenden Abkühlen in tiefkalten Medien (meist flüssiger Stickstoff) zunutze.
 
Danke für die Analyse des Bruchs!

Ich habe die Klinge eingespannt und gebogen (zugegebermaßen vorsichtig), sie federte danach wieder zurück.Deshalb hatte ich Sie als gut abgespeichert.Aber ich wollte die Klinge damals nicht kaputtmachen und hatte auch Respekt vor der Arbeit des Messerschmiedes.Außerdem war das Messer teuer!

Offensichtlich war meine Einschätzung völlig falsch!
Man kann eben nicht in die Klinge hineinsehen.

Allerdings bestärkt mich das wieder in meinem Misstrauen:
Am Besten alles selbst machen und danach testen!


less
 
Hallo Less,

anbei ein Foto, wie das Gefüge beim Bruch aussehen sollte.

Und dem Messerschmied würde ich die Bilder auf jeden Fall zeigen. Solche Fehler bei der Kornfeinheit lassen sich ganz leicht vermeiden, sollte bei ihm in der Hinsicht was schieflaufen kann ihm deine Rückmeldung helfen das zu ändern.

Aus was für einem Stahl besteht eigentlich die Klinge?

mfg
Ulrik
 

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Hallo Ulrik,
danke für die Grafik!
Ich schicke dem Mann das Messer wieder zurück, ohne schlechte Gefühle dabei.Ich kann es so eh nicht mehr brauchen ;) .

Ich konnte wieder etwas lernen und wurde im besten Sinne ent-täuscht.Das ist deutlich mehr wert als ich damals gezahlt habe...

Mein Selbermachenbedürfnis wurde erneut bestärkt.
Natürlich mit kornfeinen. ;)

Aber abgesehen von diesem Messer:
Ist eine "Ver" härtung eines Messers mit Restaustenit durch starken Gebrauch (Hacken etc ) denkbar?
Der Schneidenbereich wird doch dabei ziemlich "hart rangenommen".

Wenn das Messer mehrfach federnd gebogen wird sind das schon enorme Belastungen.
Reicht das für eine weitere Umwandlung von Restaustenit in Martensit?

less
ps Klingen stahl weiß ich nicht mehr, nur noch: Werkzeugstahl
 
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Zur Frage der Härtesteigerung im Gebrauch oder durch Zeitablauf habe ich im thread "Schärfen eines neuen Messers" ausführlich Stellung genommen.
Ich denke, es ist hinreichend deutlich geworden, daß ich das in der Praxis für Unsinn halte.
Natürlich gibt es die Erscheinung der weiteren Kaltverfestigung- etwa bei Blechstanzen aus Chrom-Schnittstählen.
Das ist aber kein Vorgang, den man technisch sinnvoll nutzen kann, jedenfalls nicht bei voll gehärteten Stählen mit der üblichen Portion Restaustenit.
Anders sieht es bei austenitischen Stählen, etwa dem hier auch schon angesprochenen Manganhartstahl oder Varianten von V 2 A aus. Die können kaltverfestigt werden, allerdings nicht bis in die Region guter Werkzeugstähle nach dem Härten und Anlassen.

Bei der von Less angeführten Seite über Messerstähle ist mir aufgefallen, daß viele Urteile auf unbewiesenen Behauptungen beruhen. Es werden Vergleiche herangezogen, deren Bedingungen man nicht kennt.
Als Beispiel: Beim Hacken in Beton hat sich D 2 besser bewährt als ... ???-
Bei welchen Bedingungen , waren die verglichenen Klingen gleich dimensioniert, wie war die Härte, wie war die Wärmebehandlung insgesamt ?.
Ich habe mit einer meiner D2 Klingen den Deckel eines 200 Liter Ölfasses abgeschnitten. Mein Rasiermesser hätte das nicht überstanden. Die Folgerung, D 2 sei stabiler als 1.4034 kann man so aber nicht wirklich begründen.
Man sollte bei solchen Darstellungen nie vergessen, daß das für die meisten Menschen wichtigste Urteil das Vorurteil ist.

Qualitativ um etliche Größenordnungen besser ist die Arbeit von Dr. Verhoeven, da sie nicht Behauptungen aufstellt, wie sich Stähle verhalten, sondern begründet, warum Stahl X sich so verhält.

Wenn man eine so ausgezeichnete Quelle hat, sollte man sie auch nutzen.

Freundliche Grüße
U. Gerfin
 
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