Klingenhärte und Gebrauchstüchtigkeit

Gregorios

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Ein herzliches Hallo an alle Forumiten!

Ich habe mich in den letzten Jahren mit Archäometallurgie beschäftigt, und mich für wissenschaftliche Untersuchungen der antiken Klingen interessiert. Dabei habe ich manches Analysenpapier und Literatur dazu gefunden. Hier sind ein Paar Quellen:

http://gladius.revistas.csic.es/index.php/gladius/article/download/146/146
http://gladius.revistas.csic.es/index.php/gladius/article/viewFile/218/222
http://gladius.revistas.csic.es/index.php/gladius/article/download/50/51
http://gladius.revistas.csic.es/index.php/gladius/article/download/141/141
http://gladius.revistas.csic.es/index.php/gladius/article/download/88/89
http://gladius.revistas.csic.es/index.php/gladius/article/view/239/245
http://www.jstage.jst.go.jp/article/isijinternational/47/7/1050/_pdf
https://www.jstage.jst.go.jp/article/isijinternational/45/9/45_9_1358/_pdf
http://www.oakeshott.org/metal.html
http://www.myarmoury.com/feature_bladehardness.html

Literatur:
Alan Williams: The Knight and the Blast Furnace. Brill © 2003
Janet Lang: Study of the Metallography of some Roman Swords © 1988
J. Lang u. B. Ager, Swords of the Anglo-Saxon and Viking Periods in the the British Museum. A Radiographic Study © 1989
Radomir Pleiner: The Celtic Sword © 1993
Herbert Westphal: Untersuchungen an Langsaxen aus niederländischen Sammlungen. Bd. 42 (© 1996/97)
R.F. Tylecote u. B.J.J. Gilmour: The Metallography of Early Ferrous Edge Tools and Edged Weapons. British Archaeological Reports, British Series 155 © 1986
A. Pothman (Hrg.): Das Zeremonialschwert der Essener Domschatzkammer. Quellen und Studien. Veröffentlichungen des Instituts für kirchengeschichtliche Forschung des Bistums Essen, Band 4 © 1995
Anstee, J. W. & Biek, L.:A Study in Pattern Welding, Medieval Archaeology © 1961



Diese Untersuchungen haben Schwerter vom 10 bis 18Jh als Gegenstand, vor allem die sog. Wikingerschwerter sind da zahlreich vertreten. Und was einem auffällt; es gibt immer wieder etliche Klingen die mit ihren Kohlenstoffgehalt um 0,6-0,8% und Schneidenhärte um 500HV aus metallurgischer Sicht sehr gute Klingen sind. Es gibt auch Klingen die 650HV erreichen.

Ein Teil von untersuchten Klingen, vor allem Wikingerschwerter, haben jedoch mit 0,2-0,4% realtiv moderate C-Gehalte und Härten die sich zwischen 200 und 300HV bewegen. Beobachtet man bei spätmittelalterlichen und renaissancezeitlichen Klingen fast durchgehend 400-500HV sind die frühmittelalterlichen Klingen bis ins 11jh. in ihrer Gesamtmasse relativ weich. Aus den o.g. Dokumenten geht hervor dass die typische Konstruktion der damaligen Zeit (Hoch-und Spätmittelalter) das Drei-Schicht-Laminat gewesen sein soll, ein weicher Eisenkern der mit Stahl umwickelt/"belegt" und einer unvollständigen Härtung (slack quenching) unterzogen wäre.

Meine Frage an Praktiker: Schneidenstahl um 0,4%C und Schneidenhärte um 250HV - ist eine solche Härte überhaupt ausreichend um die Klinge als Waffe zu gebrauchen? Zur Kriegsführung der damaligen Zeit (10-12Jh) gehörten Klingenkontakte zu Helmen, Ringpanzern und anderen Klingen, was bei 250HV wohl zu enormen Klingenverschleiß führen sollte...

Grüße

Gregorios
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Gregorios,
ich kann leider zu deiner Frage keine Antwort geben, jedoch verwirrt mich die Fragestellung etwas.
Mir kommt es so vor als würdest du Gesamtkohlenstoffgehalt/Härte der Klinge und Kohlenstoffgehalt/Härte der Schneide vermischen, da du sehr häufig von Klingen und nicht von den Schneiden sprichst.

Gerade weil du ja die ganzen Klingen aus der Zeit vor dem 11. Jahrhundert mit Härten zwischen 200 und 300 HV beschreibst, aber in deiner Praxisfrage nach denselben Schneidenhärten fragst.

Ich habe mir aus Übungswecken ein kleines Küchenmesser aus Eisen/C-75 Laminat erstellt, welches damit noch unter den 0,4% Gesamtkohlenstoff in der Klinge liegen sollte und im Schnitt auch nicht sehr hart ist.
Der Kohlenstoffgehalt der Schneide bleibt aber weiterhin bei 0,75 und ist damit relativ hart und auch verschleißfest (gegenüber einem Stahl mit 0,35%C)

Wäre schön wenn du das ganze etwas konkretisieren würdest, ich finde das Thema sehr interressant.

Grüße,
Eisenbrenner
 
Mir kommt es so vor als würdest du Gesamtkohlenstoffgehalt/Härte der Klinge und Kohlenstoffgehalt/Härte der Schneide vermischen, da du sehr häufig von Klingen und nicht von den Schneiden sprichst.

Wäre schön wenn du das ganze etwas konkretisieren würdest, ich finde das Thema sehr interressant.
Hallo Eisenbrenner!
Die Sache ist in der Tat etwas komplizierter. Der Unterschied zwischen Klingenkorpus und Schneide wird dadurch erschwert da diese Schwerter keine homogene Härteverteilung aufweisen. Hier ein Beispiel: http://gladius.revistas.csic.es/index.php/gladius/article/download/50/51 - S.193 Deswegen geben die Verfasser der o.g. Untersuchungen normalerweise die Durchschnittshärte der Oberfläche und es Kerns an, da diese mitunter stark schwankt.

Wenn wir wieder auf die S. 193 schauen, dann sieht man z.B. dass die Schneidenpartie im Bereich des Perkussionspunktes einen Durchschittswert von 200HV besitzt. Die Klinge ist in sehr gutem Zustand, die Schneide scheint noch intakt zu sein. Die Frage hier ist - wenn man sich ein Messer aus demselben Material macht, es exakt genauso auf 200HV härtet (Schneide UND den gesamten Klingenkörper) - wie hoch dürfte der Gebrauchswert sein, ausgehend von Aufgaben eines modernen Allzweckmessers? Die verwendung als Schwert lassen wir erstmal.
 
Ich hab jetzt mal im "'Atlas für Wärmebehandlung der Stähle Bd 2" nachgeschaut, weil ich mit den 200Hv nichts anfangen konnte.
Ist zwar nichts praktisches aber:
Dort ist der Stahl CK 15 abgebildet, ähnlich wie Baustahl nur noch weniger legiert.
Ich denke den Gebrauchswert kannst du ganz gut selbst "erleben", nimm ein Stück geglühten Baustahl (oder besser noch den CK15), schleife ihn an, härte ihn mit Druckluft (bei 900°C) und du bist nahe dran. (Oder sogar nur bewegter Luft, der Baustahl hat noch einen haufen Mangan zusätzlich)
Der CK 15 mit 0,15% C geht von 375 HV10 (~38 HRC) im voll "gehärteten" unangelassenen Zustand (bis 500° in unter 1 s) bis etwa 100 HV 10 bei einer Abkühlungszeit von 10^5 sec.
Würdest du ihn im bereich von etwa 5 - 10 sekunden abkühlen hättest du genau die 200 HV10.

Aufgekohlt auf 0,46%C ist er gehärtet bereits bei 700 HV10 (60HRC) und unterschreitet die 200 HV erst bei einer Abkühlungszeit von 10^3 s bis 500°C.

Edit: Hier ist nochmal ein Datenblatt für Baustahl:
http://www.quickmet.de/Werkstoffdatenblatt-1.0122.aspx
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage hier ist - wenn man sich ein Messer aus demselben Material macht, es exakt genauso auf 200HV härtet (Schneide UND den gesamten Klingenkörper) - wie hoch dürfte der Gebrauchswert sein, ausgehend von Aufgaben eines modernen Allzweckmessers? Die verwendung als Schwert lassen wir erstmal.

Die Härte von Messern wird ja meistens in HRC angegeben und liegt bei den vielen Gebrauchsmessern im Bereich zwischen 57 und 61 HRC (Es gibt auch welche die drunter oder drüber liegen.)

Hier

http://www.saarstahl.com/haertevergleichstabelle.html

siehst du eine Härtevergleichstabelle, in welcher HRC und HV angegeben sind. Wie du siehst sind 200HV in HRC schon gar nicht mehr angegeben, deutlich unter 20 HRC. 250 HV entsprechen demnach 22,2 HRC.
Ein Gebrauchsmesser mit unter 20 HRC ist völlig sinnfrei. Dies bekommt man zwar sicherlich auch scharf, die Schneide legt sich aber sofort wieder um, wenn sie mit z.B. dem Schneidbrett in Kontakt kommt.
Die heutigen Gebrauchsmesser haben nach der obigen Tabelle HV Werte von 630 - 720.
 
Ganz sicher das einige dieser Schwerter nicht zermoniell verbrannt wurden?
Bzw. das dies vor dem 11ten gebräuchlicher war als danach?
Bei einem Ck45 müsstest du mit über 600° Anlassen um diese Werte zu erreichen.

Selbst der gehärtete Baustahl (der ja eigentlich "nicht härtbar" ist) gibt mit 38 HRC noch keine sinnvolle Schneide.

Lies dir evtl doch mal in den Blankwaffenthreads durch, was vernünftige Härtewerte für Schwerter sind. Das sollte damals ähnlich richtig gewesen sein.
 
Hallo Gregorios -
wie Eisenbrenner bereits erwähnt hat: das rituelle Zerstören einer Klinge war wohl in Europa weit verbreitet - neben weichglühen noch verbiegen, zerhacken der Schneide ...
Da sind natürlich keine brauchbaren Werte zu messen.
Dann gibt es ein weiteren Problem: die Korrosion verbunden mit geringer Einhärtetiefe der alten Stähle -Stichwort: Aufkohlen ... (ist bei einer Hiebwaffe kein Fehler wegen der besseren Bruchfestigkeit) und dem Materialabtrag beim Nachschärfen. Auf Seite 197 des von Dir erwähnten Dokuments siehst Du Härtewerte einer Klinge im Querschnitt.
Man erkennt, dass die Härte im 1/10mm Abstand rasch abnimmt. (Die Verteilung des Kohlenstoffs im Klingenquerschnitt wäre auch interessant!)
Die Frage ist nun: wie viel 1/10mm fehlen vom Orginalzustand? Dass einiges fehlt ist bereits am Querschnitt unschwer zu sehen. Der Bereich, der für den Gebrauch am interessantesten wäre - die Schneide - wird formbedingt am schnellsten weggefressen. Ein höherer Kohlenstoffgehalt trägt leider auch nicht zu einer Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit bei- und da haben wir das Problem.
Aussagekräftige Ergebnisse können eigentlich nur Vergleichsmessungen mit experimentell nachgeschmiedeten Klingen liefern, die den Dimensionen und dem Material einer alten Klinge entsprechen. Sollten die Härtewerte und -verläufe, die an beiden Stücken messbar sind ähnlich sein, könnte man an der alten Klinge im fehlenden Schneidenbereich vergleichbare Härtewerte wie an der Replik vermuten.
Ich würde an Deiner Stelle mal im Württembergischen Landesmuseum bei Herrn Moritz Paysan nachfragen, ob es solche vergleichenden Messungen gibt.
Er hat 2001 seine Diplomarbeit an der Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart zum Thema "... technologische Untersuchung und Rekonstruktion der Herstellungstechnik keltischer Knollenknaufschwerter ..." geschrieben.
Interessantes Thema jedenfalls!
Herzliche Grüße aus Stuttgart,
Jost
 
Danke für die Antworten!

Aus jenen geht eindeutig hervor dass 250HV wohl jenseits der Gebrauchstüchtigkeit liegen.
Ob die weichen Klingen rituell "weichgeglüht" wurden geht aus den Papieren nicht explizit hervor. Der Erhaltungswert vor den Stücken ist allerdings nicht der beste, und es ist mehr als wahrscheinlich dass die obersten und härtesten Metallschichten in den meisten Fällen einfach wegkorrodiert sind.
 
Hallo, ich meine mal gelesen zu haben das der Martensiet sich so langsam wieder zurückbildet, dann verschwindet natürlich die Härte.
 
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