Kohlenstoffverlust

Paul Siggi

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Servus die Herren der Messerkunst,
schon öfter behandelt dieses Thema. Ich komme aber von einer ganz anderen Seite.
Ich arbeite als Schmied in einem Museum das bis 1947 Puddelstahl verarbeitet hat..
Hier wurden Halbzeuge für die Scheren und Messerindustrie hergestellt.
In einer mir zur Verfügung gestellten Dokumentation taucht folgende Stelle auf:
a(Bild einer Luppe) – Rohluppe, wie sie nach dem Puddelprozess aus dem Ofen kommt (stark kohlenstoffhaltiger Roheisenklumpen);
dieser wurde erhitzt und glühend unter einem Luppenhammer, d.H. einem oben und unten flachen Gesenkhammer,
zusammen gepreßt, um den Kohlenstoffgehalti zu extrahieren.

Ich komme so gar nicht damit klar. Auf dieser Seite (MesserForum) ist mehrfach die Rede vom Kohlenstoffverlust. Allerdings immer im Zusammenhang mit dem Feuer.
Das durch das Schmieden ein Kohlenstoffverlust auftritt, der dann die Wirkung eines Frischvorgangs hat, halte ich nicht für möglich.
Bevor ich mich aber in die Nesseln setzte, möchte ich mich gerne absichern.
Ich freue mich auf Antworten und Anregungen, die diesen Sachverhalt klären.
Gerne mit mehr Infos wenn sie gewüscht sind.
 
Vorab: bin kein Schmied und daher kann ich zur Sache aus dieser Richtung nix sagen.

Was mich aber irritiert, ist die Formulierung "Kohlenstoffgehalt extrahieren". Man kann entweder den Gehalt erhöhen/ senken oder den Kohlenstoff (ohne -gehalt) extrahieren (was keinen Sinn ergibt; das Material soll ja welchen Enthalten).
Das legt die Vermutung nahe, dass sich da entweder jemand einen abgebrochen hat, die passenden Worte zu finden oder aber jemand die Sache nicht so richtig verstanden hat.
Auf jeden Fall passt da was nicht von der Formulierung, denke ich.

Viele Grüße,
Torsten
 
Der Diffusionskoeffizient von Kohlenstoff steigt rasant mit der Temperatur. Längeres heisses Schmieden führt zu Entkohlung zumindest in Randbereichen, und über die Zeit/Temperatur zu einer C-Abnahme im Schmiedestück. Austreiben kann man auch Schlackenstücke (Gärbstahl), und Frischen trifft es nur bedingt, da man hier üblicherweise in der Schmelze mit Sauerstoff arbeitet.
 
Es gibt dazu eine interessante Arbeit von Verhoeven, in der gezeigt wird, dass sich in einem Damast bei ser thermomechanischen Behandlung der C-Gehalt der Komponenten egalisiert.
 
Das Material von dem wir hier reden war, ein Puddeleisen mit einem Querschnitt von ca. 60x60. Es hatte den Handelsnamen "Janusstahl". Dei Entkohlung im Randbereich ist für mich vernachlässigbar. Ich vermute auch den Fehler in der "Übersetzng". Ein Fachmann erzählt einem Schreiber etwas über sein Fachgebiet. Wie bei der stillen Post kommt nicht alles an und etwas mehr wird weitergegeben.
Sicher möchte ich sein, ob durch das Schmieden der Kohlenstoffgehalt relevant verändert wird. Bei einem dünnen Messerstahl durchaus vorstellbar und wie schon an anderer Stelle geschrieben mit großem Einfluß durch die Feuerführung des Steinkohlefeuers. Aber durchs Schmieden?, also dem schlagen auf Metall den Kohlenstoffgehalt verringern? Durch das Glühen/Erwärmen ok.
Wir werden es herausfinden.
 
Luppen aus Rennöfen sind porös und enthalten Verunreinigungen. Frisch aus dem Ofen wird verdichtet, die Luft ausgetrieben. Dabei verschweißt der Stahl und ein Teil der Schlacke wird ausgetrieben. Der gewonnene Stahl soll möglichst vollständig genutzt werden. Wichtig ist das sich wenig Stahl von der Luppe löst.

Wenn die Luppe kompakt genug zum Schmieden ist, wird mehrfach ausgereckt und im Feuer verschweißt. Dabei sollen Verunreinigungen ausgetrieben und der Stahl homogenisiert werden. Bei dieser Arbeit kann man ein wenig beeinflussen wie viel Kohlenstoff man verliert. Aber dabei denke ich an Feuerführung und Schweißtemperatur. Das Hämmern ändert nichts am Kohlenstoffgehalt.

Google meint Janusstahl sei der erste verfügbare raffinerte Stahl in gleichmäßig guter Qualität von Doerrenberg. Viermal gerckt und geschweißt oder so.

So langsam frage ich mich was an dieser "Dokumentation" interessant ist? Geht es um automatische Übersetzung? Ist das Original verfügbar?
 
Interessant ist das schon, Janusstahl war raffiniertes Puddeleisen, kein Renneisen. Also enthielt Puddeleisen so viel Verunreinigungen das es raffiniert werden musste.

Hochöfen liefern nicht schmiedbares Gusseisen mit über 2% Kohlenstoff. Deshalb wurde mit den ersten Hochöfen das Puddeln eingeführt. Dabei wird die Schmelze (mit Stangen von Hand?) bewegt. Luftsauerstoff verbrennt an der Oberfläche Kohlenstoff und andere unerwünschte Begleiter. Generell spricht man bei solchen Verfahren von frischen.

Puddeleisen wird in der Doku als Luppe bezeichnet. Da bin ich in die falsche Spur geraten. Rennöfen waren ja gar nicht gerfragt.

Edit:
Aber der Lufthammer kommt erst nach dem Frischen beim Raffinieren zum Einsatz. Da ergibt die Dokumentation keinen Sinn. Der Kohlenstoffgehalt wird beim frischen reduziert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Klar ist, dass das Hämmern beim Schmieden keinen Kohlenstoff „extrahiert“. Es braucht Temperatur und Zeit, da Diffusionsgesteuert. Indirekt hält man beim Schmieden durch die Umformung die Temperatur hoch.
Das alles ist im vernünftigen Rahmen vei den hier diskutierten doch recht großen Schmiedestücken kein Thema. Bei dünnen Geometrien schon.
Ich glaube, @natto ist auf der richtigen Spur. Nicht alle Berichterstatter sind auch kundig.

Fazit: bei diesem Einsatz Null Problemo
 
Das Original ist verfügbar; hat 7 MB. Hier der Link zur Dropbox.
Fotodokumentation.pdf (https://www.dropbox.com/s/bqyojubdbdytj2x/Fotodokumentation.pdf?dl=0)
Ich weiß noch nicht genau wann (vermutlich zwischen 1980-1995) und von wem sie niedergeschrieben wurde.
Daran arbeit ich noch.

Als Luppe wurde das frisch aus dem Puddelofen entnommene "Paket" bezeichnet. Sieht einer Rennofenluppe sehr ähnlich.
Es war auf jeden Fall sehr porös und schlackenhaltig.
Frisch aus dem Ofen sollten die "Luppen" geschmiedet und gewalzt werden, so jedenfalls die Patentschrift des "Erfinders".
(Aus Akos Paulinyi, "Das Puddeln", Ein Kapitel aus der Geschichte des Eisens in der Industriellen Revolution.)

Nach diesem ersten Schmieden wurden die "Rippen" gebrochen und anhand der Bruchstellen von einem erfahren Mann zu einem Rippenpaket zusammengestellt.
Ich denke, dass man Anhand der Bruchstellen einschätzen kann, wie der Kohlenstoffgehalt in etwas vorliegt.
Durch das mehrmalige falten und verschweißen wurde der Werkstoff homogenisiert (Raffiniert).
Die Reduktion des Kohlenstoffs fand aber meiner Ansicht nach im Puddelofen statt.
Das anschließende Raffinieren diente nur der Einstellung und dem homogenisieren.

Ihr gebt mir das Gefühl, dass ich auf der richtigen Spur bin.
Danke dafür.
 
@Paul Siggi Du bist auf der richtigen Spur! So ist alles ok.
Vielen Dank für das Bereitstellen der Dokumentation, ich sammele solche Sachen und ich werde das mal in Ruhe durchlesen.
Gruß
Herbert
 
Paul Siggi: genau so ergibt das Sinn, wie Du es zuletzt zusammen gefasst hast!
Ziele des Schmiedens sind Beseitigung von Lufteinschlüssen, Schlackeresten, Fehlstellen sowie die Homogenisierung (auch Kohlenstoffgehalt an verschiedenen Stellen) und Formgebung für die weitere Verarbeitung.
Einstellung des C-Gehaltes beim Puddeln.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Original ist verfügbar; hat 7 MB. Hier der Link zur Dropbox.
Fotodokumentation.pdf (https://www.dropbox.com/s/bqyojubdbdytj2x/Fotodokumentation.pdf?dl=0)
Ich weiß noch nicht genau wann (vermutlich zwischen 1980-1995) und von wem sie niedergeschrieben wurde.
Daran arbeit ich noch.
So verkehrt ist der Text gar nicht. Wenn man "extrahieren" durch "weiter reduzieren" ersetzt, macht das mehr Sinn. Puddeln war aufwändig. Die Verringerung des Kohlensoffgehaltes beim raffinieren wird ein wesentlicher Bestandteil des Prozesses gewesen sein. Diese Annahme basiert auf der Aussage das Rippen minderer Qualität (mit zu viel Kohlenstoff?) zurück zum Puddelofen gingen.

Raffinieren bei höheren Temperaturen verbrennt mehr Kohlenstoff. Und dünner ausrecken verbrennt mehr Kohlenstoff. Beides verursacht stärkeren Abbrand. Wenn bekannt wäre wie sich die Kosten auf Reduktion des Erzes, puddeln und raffinieren verteilen, ließe sich folgern ob beim raffinieren gezielt Kohlenstoff verbrannt wurde. Vielleicht hat der Autor in diese Richtunng gedacht? Wir reden hier ja über das modernste Verfahren der Zeit zur Gewinnung von Stahl.

Dann wäre noch interessant was man damals unter extrahieren verstand. Der Sprachgebrauch ist vermutlich auch einen Blick wert. Selbst heute ist nicht unbedingt eine vollständige Extraktion gemeint ,zB bei alkoholfreiem Bier.
 
Neue Ideen salzen das Leben.
Ich war fleißig und habe neues Futter bekommen.
Dokumentation Leben und Arbeiten in einem Hammerwerk
Dokumentation_leben und Arbeiten im Hammerwerk.pdf (https://www.dropbox.com/s/qr29wuhghzzh6sn/Dokumentation_leben%20und%20Arbeiten%20im%20Hammerwerk.pdf?dl=0)

Der Text ist nicht so verkehrt, denke ich auch. Was ich weiß: der Schreiber war kein Metallfachmann, vermutlich ein wissenschaftlicher Referent an einem Museum.
Der Informant war Heinz Jäger (*1918), der letzte, der an diesem Hammer gearbeitet hat.
Mehr in obiger Dokumentation von Frank Remmel (der auch die Fotodokumentation erstellt haben könne. Ist aber noch nicht sicher)
Heinz Jäger zog 1978 in das Wohnhaus des Oelchenhammers.
Die Schweißhämmer waren zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr intakt.
Der Oelchenhammer wurde 1787 fertiggestellt. Noch unter Zapp wurde ab 1852 ein Material gleichbleibender Güte unter dem alten Raffinierhammer hergestellt.
Das Hammerwerk wurde 1857 an die Brüder Dörrenberg verkauft, die die Erfolgsgeschichte weiter führten. Sie schufen den Makennamen "Janusstahl".
58 Jahre vor der Geburt von Heinz Jäger.
Spektralanalyse oder Mengenspektographen ware noch nicht erfunden.
Unsere Schmiedebrüder schafften es aber einen Stahl von hervorragender Qualität zu liefern.
Entscheidend war wohl das Corth´sche Frischverfahren aus England. Hier konnte mit erfahrenen "Puddlern" eine sinnvolle und gesteuerte Reduzierung des Kohlenstoffs stattfinden, die als Ergebnis ein schmiedbares und auch härtbares "Eisen" hatte. Zu einer Zeit als es den Begriff „Stahl“ noch gar nicht gab.

Ich stelle mir ein Rippenpaket vor. Besteht aus Flachstücken etwa 60 breit und 3-5 mm dick.
Nach dem ersten Schweißdurchgang hat das Paket einen Querschnitt von etwas 60x60.
Der durchschnittliche Kohlenstoffgehalt liegt bei 0,9 % , plus minus 0,4 % im Einzelstück.
Wo wird der durchschnittliche Gehalt an Kohlenstoff am Ende des Schweißvorgangs sein?
Wie kann ich den Kohlenstoffgehalt auf gezielt 0,6 % senken wenn ich eine vorgegebenen Anzahl von Schweißvorgängen habe.
Die Anzahl der Veredelungsdurchgänge wird in verschiedenen Quellen mit 3 angegeben.
Es wäre ja erlaubt sich auszudenken, dass je Schweißvorgang 0,1 % Kohlenstoff verloren geht.
Dann würde man bei zu viel Kohlenstoff einfach noch ein oder zwei Durchgänge dranhängen.

Wenn es aber so einfach wäre, hätte man das „Puddeln“ nicht erfunden denke ich. Denn das Problem war ja ein schmiedbares "Eisen" zu bekommen und geschmiedet haben unsere Brüder sei mehr als 2000 Jahren.
Um 1800 gab es zig Tonnen "Pig Iron" (nicht schmiedbares Eisen) als Ballast in den Schiffen die auf den Weltmeeren unterwegs waren.
Der Bedarf an schmiedbarem Eisen für Mastringe und anderem marinem Bedarf war groß. Wenn es so einfach gewesen wäre durch Schmieden den Kohlenstoffgehalt zu senken, hätte man viele junge Männer an den Amboss gestellt. Die Geschichte zeigt aber, dass verschiedene Frischverfahren entwickelt wurden, um zu diesem schmiedbaren Eisen zu kommen. Sagt mir, das Schmieden nicht sinnvoll den Kohlenstoffgehalt senkt.
Der Schweißvorgang, das Raffinieren unter dem Hammer hat nach meiner Vorstellung nur den Zweck, eine homogene Masse zu erzeugen. Eine sinnvolle und zielgerichtete Kohlenstoffreduzierung war meines Erachtens damit nicht möglich. Ich finde auch keine Hinweise dazu.
Erklärlich ist aber für mich, dass Schmiede, die nicht immer auch Hüttenfachleute waren, sich den Vorgang so erklärt haben und dadurch dieser „Irrglaube“ in die Welt gekommen ist.
Noch mal der zeitliche Ablauf.
Um 1860 Beginn der Herstellung eines qualitativ hochwertigen Raffinierstahls.
1918 Geburt von Heinz Jäger, Hammerschmied (der er nicht sein wollte)
Um 1980 Niederschrift der Dokumentation durch einen Nichtmetaller.

Und noch was gefunden
Die (http://www.doerrenberg.net/stahl.htm)
 
Schöne Darstellung - inwiefern den Leuten klar war, dass bei jedem Schweißvorgang Kohlenstoff verbrennt, sei mal dahigengestellt. Dass mit jedem Mal schweißen etwas passiert und in welche Richtung das Material sich verändert (Richtung sinkende Harte, sprich Zunahme von 'Zähigkeit'), das ist nicht unwahrscheinlich.

Habe mir den strittigen Satz noch einmal angeschaut. In Verbindung mit extrahieren ergibt das so Sinn, dass aus der Luppe Stahl gewünschter Güte (mit gewünschtem Kohlenstoffgehalt - nämlich niedrig genug zum weiteren Verarbeiten, dem Raffinieren durch Brechen in Rippen und Verschweißen der selbigen) extrahiert wurde.

Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Roheisenklumpen neben erheblichen Mengen an Schlackeresten auch einige Lufteinschlüsse hatte. Könnte bedeuten, dass die Temperaturführung für das erste Ausrecken der Luppe bei Schweißhitze (und da eher im oberen Bereich) stattfand, um da nicht nur Luft und Schlacke nach außen zu treiben sondern die Fehlstellen zu verschweißen. Durch die hohe Temperatur kann damit dann auch nennenswert C verbrannt werden, sprich der C-Gehalt weiter gesenkt werden. Alles in einem Durchgang.

Ich kann mir weiter gut vorstellen, dass man in der Temperaturführung mit jedem weiteren Durchgang schonender vorgehen konnte und so von Mal zu Mal weniger Abbrand stattfand - und beim ersten Mal richtig was passiert ist im Bezug auf weitere Absenkung des C-Gehaltes und das auch bekannt war und mit ein Ziel der Übung. So ergibt das Extrahieren und Kohlenstoffgehalt einen Sinn - aber trotzdem fehlt mir in dem Satz dann 'Material mit entsprechendem/ gewünschten/ erforderlichen' (Kohlenstoffgehalt).

Viele Grüße,
Torsten
 
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