Komischer Verzug beim Härten???

Xerxes

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Hi, ich hab eine große Schinkenmesserklinge aus drei tordierten Damastbändern aus ck75 und 75Ni8 und einer Schneidleiste aus 1.2519 geschmiedet.

Klingenlänge: 30cm

Dicke: 2,5mm

Höhe: 30mm am Ricasso

Schneidendicke beim Härten: ca. 0,5mm

Da die Klinge so lang und dünn ist, hab ich mir beim Härten extra Mühe gegeben und eine Vorrichtung gebaut, um sie hängend zu härten. Eigentlich dachte ich, dass sich der 1.2519 wegen des höheren C-Gehalts stärker ausdehnen würde als der Damast und sich die Klinge daher zum Rücken krümmen würde. Etwas Angst hatte ich, dass sich die Klinge in sich verdrehen würde. Vor dem Härten waren Klingenrücken und Schneide ganz gerade. Nach dem Härten hatte sich die Klinge glücklicherweise kein Stück verdreht oder zu den Seiten verbogen. Stattdessen hat sich die Klinge jedoch zur Schneide hin verzogen...

Aber seht selbst. Die Fotos sind leider nicht die beste Qualität (Handycamera).

http://img30.imageshack.us/gal.php?g=bild203b.jpg

Weshalb hat sich die Klinge also nicht zum Rücken verzogen? Ich hoffe ihr könnt mir da weiterhelfen...

Gruß Jannis
 
Zuletzt bearbeitet:
Du hast sicher in Öl gehärtet. Das ist mir auch schon passiert, scheint häufiger vor zu kommen wenn man selektiv in öl härtet. Hab das auch von Profis gehört dass das passieren kann.
Aber mir gefällt es wie es ist mach einfach was anderes draus :steirer:
 
Hallo Jannis,

also erstmal Hut ab, bei DER Klingenstärke, Länge und dann noch tordiert kannst du doch superzufrieden sein, dass sich das gute Stücke nicht wie ein Aal verwunden hat, oder?

Wenn du mal gescheite Fotos brauchst, komm vorbei, ich habe eine richtige Digicam. (Wolltest du doch sowieso mal machen, oder?)

Selektiv wurde hier doch wohl eher nicht gehärtet, oder? Xerxes schrieb doch, er habe hängend gehärtet...

PP
 
@ painless

Erstmal danke:p Hatte auch befürchtet, dass sich die Klinge verdreht. Daher bin ich auch sehr zufrieden mit dem Ergebnis... Ich frag mich eben nur, wie dieser Verzug zustande kommt...

Das Angebot mit deiner Cam ist super nett. Meine ist auch nicht so schlecht, sie war nur gerade in Oldenburg, und ich wollte schon anfangen fein zu schleifen... Aber ich komm gerne mal vorbei, dann bring ich das Schinkenschwert mit:irre:

@ Hamu

Auch dir Danke für die Antwort. Aber die Klinge ist nicht wirklich selektiv gehärtet. Es ist nur eben, dass der Damastkörper durchschnittlich 0,75% Kohlenstoff und die Schneidleiste 1,1% Kohlenstoff hat. Deshalb meine Verwirrung...

Gruß Jannis
 
Salut, und erstmal Glückwunsch, zu der schönen Klinge!

Ich traue mich mal meine Gedanken zu äußern:
Meine Vermutung ist eine recht einfache, auf Grund der Verhältnisse (dünne Schneide, dicker Rücken) bietet der dünnere Bereich schlichtweg weniger Widerstand gegen die auftretenden Kräfte, daher die Verformung zur Schneide hin. Vorrausgesetzt, es wurde nicht selektiv gehärtet!
Zudem dehnt sich der Bereich, an dem mehr Material vorhanden ist auch mehr aus, ich denke der Kohlenstoffunterschied ist da eher von geringerer Bedeutung.

War mein erster Gedanke, lasse mich gerne belehren.

Gruß
Christian.
 
@ Xian

Das hab ich auch schon gedacht. Mich wundert es aber sehr, dass sich die Schneide dann nicht gewellt hat. Quasi als Ausweichbewegung. Stattdessen sind Schneide und Rücken ganz gerade geblieben...
 
Xians Erklärung hat einiges für sich.
Es kommt noch eines hinzu: Der Ms-Punkt (Temperatur, bei der die Martensitbildung beginnt) sinkt mit steigendem C-Gehalt. D.h. die Martensitbildung bei Deinem ja schon eutektoidischen und voll härtbaren Klingenkörper eilte der in dem Schneidenteil voraus. Die Schneide wollte sich also etwas später ausdehnen, als der Klingenkörper schon hart und nicht mehr plastisch verformbar war.
Daß das keine Wellen in der Schneide gegeben hat-Respekt ! Sie muß absolut kerzengerade gewesen sein, sodaß sie nicht nach der Seite ausgewichen ist.
Freundliche Grüße
U. Gerfin
 
Ja, das klingt logisch:super:

Also hat beim Abschrecken in Öl der Rücken der Klinge zuerst Martensit gebildet und sich ausgedehnt. Die Schneide hat erst Martensit gebildet,als der Rücken schon hart war und sich nicht mehr verformen ließ...

Mittlerweile hab ich die Schneide fast auf null geschliffen. Interessanter Weise hat sich beim schleifen immer die gamte Klinge ganz leicht zu der Seite gebogen, wo ich nicht geschliffen habe. Wenn ich dann die andere Seite geschliffen habe, hat sich die Klinge automatisch wieder gerade gezogen... Auch dabei gab es kein Problem mit Verdrehen oder Wellen in der Schneide:steirer:

Danke für eure Antworten. Ihr könnt euch die Klinge bald in der Galerie angucken... Als Griff hab ich was mit Essigholz, Silber und Bubinga im Kopf.

Gruß Jannis
 
Hallo,

hmm, die Argumentation mit der verzögerten Martensitbildung der höher kohlenstoffhaltigen Schneide stimmt zweifellos. Was ich aber nicht ganz verstehe ist, warum biegt sich das Ganze nicht wieder zurück wenn dann der Martensit ca. 50-100 Grad später in der Schneide kommt. Die Prozesse laufen bei ca. 200°C und darunter ab. Ist hier der Unterschied in der "Deformierbarkeit" der Stahle noch so groß?
Einen zusätzlichen Beitrag zu der Krümmung wird wohl auch der höhere Restaustenit-Gehalt in der Schneide beitragen. Nach Verhoeven (S.28) beträgt dieser bei C-Stählen mit 0,75% ca. 5% und bei 1.1% kann es schon mal 20% sein (bei Abkühlung auf RT, Einfluß von W?). Der wird auch bei Anlassen auf 180°C (angenommen) nicht vollständig beseitigt werden. Dazu kommt noch, dass der W-Stahl ein feineres Korn aufweisen wird, was zusätzlich Restaustenit begnstigt.
Auf der anderen Seite zeigt Deine Beobachtung beim Schleifen, dass die Klinge unter Spannung steht, was man aber auch durch die Umwandlung des Restaustenit in Martensit durch die Wärmeentwicklung beim Schleifen erklären könnte.
Schleifst Du nass oder trocken?

Gruß

MythBuster
 
@ Myth

Ich schleife nass und ganz langsam, daran dürfte es nicht liegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Teile der Klinge auf Anlasstemperatur gekommen sind...

Gruß Jannis
 
o.k. dann liegt´s wohl wirklich daran, dass der geringere Volumenanteil der Schneidleiste, nicht mehr den Schub aufbringen kann, das Ganze zurückzubiegen.
Schön geschmiedete Klinge übrigens, bin mal gespannt was draus wird.

Gruß

MythBuster
 
Mal laienhaft gefragt:

Wäre es hier besser gewesen, die Klinge nicht senkrecht in ein hohes Gefäß mit Öl einzutauchen, sondernd in einem länglichen Ölbad mit der Schneide zuerst waagerecht zu härten?

Oder wäre dann Verzug zur Seite zu erwarten?

PP (der immer nur waagerecht eintaucht)
 
Das Problem bei so einer langen und dünnen Klinge ist das Eigengewicht. Auf Härtetemperatur gebracht, biegt sie sich alleine durch ihr eigenes Gewicht schon durch. Schlimmsten Falls zu den Seiten...

Gruß Jannis
 
Also für mich ist diese Krümmung nichts neues,selbst wenn ich meinen Volldamast mit der Schneide zuerst ins Öl getaucht habe,kam es bei Saxklingen zu solch einer Krümmung,wobei sich aber meistens der Rücken mit krümmt,deshalb erspare ich mir die Klingen an der Schneide dünn auszuschleifen und das empfohlene eintauchen mit dem Rücken voran.

Gruß Maik
 
hallo zusammen
Das Problem bei so einer langen und dünnen Klinge ist das Eigengewicht. Auf Härtetemperatur gebracht, biegt sie sich alleine durch ihr eigenes Gewicht schon durch. Schlimmsten Falls zu den Seiten...
dieses problem hatte ich noch nie:confused:
das sich die schneide nach unten gebogen hat allerdings auch schon.ich glaube roman hat hier im forum mal empfohlen mit dem dicken teil,also mit dem rücken voran,einzutauchen.um verzug besser zu vermeiden.ich habe das auch schon mit erfolg gemacht.
wobei ich nicht glaube,das das hier einen unterschied gemacht hätte.
ich habe normalerweise eigentlich selten probleme mit dem verziehen .ich härte eigentlich immer in einer wanne.mit gut temperiertem öl.
grüsse hano
 
dieses problem hatte ich noch nie

Hmm, diese Klinge ist die zweite der gleichen Machart und Größe. Die erste hab ich mir zerstört, weil sie sich beim waagerechten Härten durch das Eigengewicht verbogen hatte. Den Verzug hab ich nicht mehr rausbekommen. Beim Richten war ich dann auch noch unvorsichtig und hab sie zerbrochen:jammer: Das war ein echter Verlust, daher hab ich dieses Mal hängend gehärtet. Aber alle anderen Klingen hab ich sonst auch waagerecht gehärtet...
 
Die Ratschläge zur Lage des Stahls beim Erhitzen und beim Abkühlen sind geradezu unzählbar, obwohl man meinen sollte, es gebe doch nur eine mathematisch festlegbare Zahl von Varianten.
Allgemein gültige Regeln kann man da aber nur in ganz begrenztem Umfang aufstellen, weil die Reaktion der verschiedenen Stähle und Stahlkombinationen nicht wirklich vorhersehbar ist. Stahl X wandelt relativ früh zu Martensit um und wächst dabei wenig- Stahl Y wandelt schnell um und wächst viel- oder vielleicht ganz wenig oder..., oder.. oder.
Das hängt von der jeweiligen Legierung ab und kann grundsätzlich von der Tendenz her festgelegt werden, mit praxistauglicher Genauigkeit aber nicht wirklich.

Man hat daher früher, als man fast ausschließlich mit Kohlenstoffstählen arbeitete, dünne, flache Gegenstände- wie etwa Messerklingen- in sogenannten Quetten oder, wenn man es ganz gut machen wollte, mit Druck zwischen gekühlten Platten gehärtet.
Genutzt hat das wohl auch nicht viel, weil es die Umwandlungsspannungen nicht beseitigen konnte, und der Verzug, wenn auch verringert, nach dem Ausspannen doch kam.

Was man wirklich machen kann, ist nach Möglichkeit grobe Fehler zu vermeiden und umgekehrt eine optimale Voraussetzung für das Härten zu schaffen.
Dazu gehört die Einstellung eines guten, feinen und gleichmäßigen Gefüges ohne unnötige Spannungszustände- das ist Stand der Technik und vielfach erörtert worden.
Wichtig ist auch die Beachtung vernünftiger Dimensionen und Querschnittsübergänge. Die plötzliche Verringerung des Querschnitts von 25 auf 2 mm könnte durchaus Probleme bereiten.
Ausschleifen einer dünnen Klinge aus hochhärtbarem Stahl auf eine Schneidendicke von 0,1 mm o.ä. fordert das Schicksal- in Gestalt sehr dekorativer Wellen- geradezu heraus.
Die Lagerung im Feuer oder Ofen ist ziemlich gleichgültig, solange die Erwärmung im wesentlichen gleichmäßig verläuft. Auf die Idee, Klingen flach ins Feuer oder in den Ofen zu legen, kommt hoffentlich niemand.
Wenn man nicht bestimmte Härtungstricks anwenden will, ist es besser, den dickeren Teil-also den Rücken senkrecht nach unten- der Wärmequelle zuzuwenden, um ein Vorauseilen oder gar Verbrennen der Schneide zu vermeiden.
Eintauchen ins Abschreckmedium: Von mir aus, wie man will, halt nur nicht mit einer Flachseite voraus.

Bei richtigem Vorgehen ist ein etwa auftretender Verzug so gering, daß man ihn bei kurzen Klingen nicht bemerkt und bei langen ist er relativ leicht zu richten. Auch das ist vielfach erörtert.

Freundliche Grüße
U. Gerfin
 
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