Krusius - DAS VATERTAGSMESSER

Abu

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Vatertag naht, das Messer ist schon da. Satte 10 cm Klinge für das Grillgut, Kapselheber fürs Bierchen, Korkenzieher für den niveauvolleren Drink, mit dem Dorn ließen sich ggf Pommes spießen. Das alles in stattlich männlicher Größe und Gewicht, 23 cm GL, 160g.

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Im Ernst: Was war die Zielgruppe?

Auf den ersten Blick hatte ich das Messer nach Frankreich verortet. Im Zentrum dieser dominante, verstärkte Zapfenzieher, sogar mit Fingermulde für die intensive „schmerzfreie“ Nutzung.

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Ein 8 cm langer Dorn, wie man ihn an frz. Regionalmessern als Reminiszenz auf jene alten Tage noch findet, als Weinschläuche damit durchstoßen wurden.

Ich denke nicht, dass es ein Sommeliermesser sein sollte, zu gewichtig, zu groß, abgesehen vom fehlenden Champushaken.
Also doch ein Allround-Nutzmesser für „Vadder“ als anspruchsvollen Herrn? Denn das Messer ist von höchster Qualität, Griffmaterialien übrigens Horn und Neusilber. Besseres habe ich aus Solingen noch nicht in der Hand gehabt.

Wäre auch typisch Krusius, die für hohes Qualitätsniveau gestanden haben sollen. Klingenstempel vorn „Governor“, rückseitig „Krusius Bros.“, ein Verweis auf einen interessanten Aspekt der Firma. Bereits 1886 ging einer der Krusiusbrüder in die USA, gründete dort besagte Firma, um Solinger Messer zu vermarkten. Chapeau vor dem Unternehmergeist jener Jahre, „von Solingen in die Welt“!

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Eine Besonderheit weist das Messer noch auf. Auf der Klingenrückseite zeigen sich bei einem gewissen Lichteinfall fein säuberlich eingeritzte Ziffern: 4125. Vermutlich die Katalognummer eines Mustermessers?

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Hinweise sind wie immer sehr willkommen!
Abu
 
Servus Abu,
an den französischen Schäfermessern, wie dem Rouennais, Issoire, und manchen Laguiole, diente der
'Vorstecher' zum Perforieren des Pansens der Weidetiere, wenn sie die falschen Kräutlein
erwischt hatten.
Schönen Vatertag
Rudi
 
Diesen Piekser kanne ich als Marlspieker. Ursprünglich zum spleißen und öffnen von Knoten gedacht, wird er heutzutage auch zum öffnen von Schäkeln genutzt.
 
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Hm,

der vermeintliche Kapselheber sieht für mich eher wie ein alter Paketschnur-Durchtrenner aus?

grüsse, pebe
 
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Hm,

der vermeintliche Kapselheber sieht für mich eher wie ein alter Paketschnur-Durchtrenner aus?

grüsse, pebe

Hallo,

irgendwo habe ich noch einen Dosenöffner von meiner Oma, ein Griff mit so einer Klinge. Das hat funktioniert, allerdings etwas umständlich.

Viele Grüße
Thommy
 
Danke Euch für Eure Rückmeldungen und Hinweise, die auch alle einer möglichen Verwendung nahe kommen. Aber sie müssten der Zielgruppe des hochwertigen Messers entsprechen.

Den Pansenstecher der Laguiols kenne ich, das war im Ursprung ein Bauernmesser für die bäuerliche Bevölkerung der Auvergne. Den Bezug sehe ich bei dem Krusius nicht.

Auch nicht den Marlspieker, dessen Form etwas anders ist. Dazu ist das Krusius nicht „seetauglich“, zu glatt bei Feuchtigkeit.

Werkzeug für Paketschnur wäre mir neu, aber an so einem Messer?

An Dosenöffner hatte ich auch schon gedacht, da ich so eine Form aus alter Zeit auch in Erinnerung habe. Müsste ich mal probieren.

Schauen wir mal, was noch kommt….

Schönen Vatertag
Abu
 
An den Marlspieker glaube ich, ehrlich gesagt, auch nicht. Die sind normalerweise
zur stumpfen 'Spitze' hin etwas aufgebogen, damit man hebeln kann,
wenn man unter dem Knoten ist. Victorinox hat Mini - Ausgaben an den Skipper - Modellen,
richtige Marlspieker sehen so:
Marlspieker – Wikipedia
aus.
 
... Den Pansenstecher der Laguiols kenne ich, das war im Ursprung ein Bauernmesser für die bäuerliche Bevölkerung der Auvergne. Den Bezug sehe ich bei dem Krusius nicht.

Auch nicht den Marlspieker, dessen Form etwas anders ist. Dazu ist das Krusius nicht „seetauglich“, zu glatt bei Feuchtigkeit.

Werkzeug für Paketschnur wäre mir neu, aber an so einem Messer?

An Dosenöffner hatte ich auch schon gedacht, da ich so eine Form aus alter Zeit auch in Erinnerung habe. Müsste ich mal probieren.

Schauen wir mal, was noch kommt….

Schönen Vatertag
Abu

Der "Kapselheber" / "Werkzeug für Paketschnur" ist eindeutig ein Dosenöffner.

Der als "Pansenstecher" bzw. Marlspieker" beschriebene lange und spitz auslaufende Dorn wird in einschlägigen Versandhaus-Katalogen aus den frühen 1900er Jahren von Anbietern als "Räumer" bezeichnet:

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Darunter konnte ich mir lange nichts vorstellen, bis ich schließlich auf die ebenfalls verwendete Bezeichnung "Pfeifenreiniger" gestoßen bin:

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Dieser Verwendungszweck paßt sicherlich bestens zur Verwendung am "Vatertagsmesser".

Grüße
cut
 
@cut …..“Dieser Verwendungszweck paßt sicherlich bestens zur Verwendung am "Vatertagsmesser".

„Räumer und Pfeifenreiniger“ passen tatsächlich auch im übertragenen Sinn gut zum Vatertag. Was da für „Pfeifen“ unterwegs sind, die geräumt werden müssen. 😀😉

Spaß beiseite und danke, mal wieder!
Hab mal gemessen: Bei 7mm an der Basis dürfte der Krusius-Räumer jede Pfeife sprengen. Mit solchen Werkzeugen werden doch bei erlegten Tieren auch die Fersen (?) durchstoßen, zwecks Bindung und Transport? Aber Zielgruppe „Jagd“?, passt auch nicht, fehlen Patronenzieher etc.

Dosenöffner passt, nicht nur mit meiner Erinnerung, hab sowas auch im Netz gefunden. Aber auch mit einer Art Räumer.
alter Dosenöffner

Zwei Funktionen werden da erwähnt, aber leider nicht ausgeführt, was. Räumer/Dorn als haushaltsnahes Gerät? Zum Perforieren der Libbys oder Bärenmarke Milchdose wäre der am Krusius sicher mit Kanonen auf Spatzen. Ich neige aber immer mehr dazu, dass bei der Werkzeugbestückung an den sehr anspruchsvollen Hausherrn gedacht wurde. Dosenware hat heute sicher nicht mehr den besten Ruf gesunder Ernährung. Aber in den 50-60ern war das städtisch gehobenes Bürgertum, man wühlte nicht mehr in der Erde seiner Gartenecke zur Eigenversorgung, sondern konnte sich Dosenware leisten.
Bei den Werkzeugen von Vintagemessern spielen ja immer auch Zeitgeist und Technik eine Rolle, in die man sich zurückversetzen muss.

Abu
 
Bei 7mm an der Basis dürfte der Krusius-Räumer jede Pfeife sprengen.
Im deutschen Markt mit den gängigen 9mm-Bohrungen nicht unbedingt. Bei längeren und größeren Gesteckpfeifen, (hier gerne als "Reservistenpfeifen" bezeichnet und neu eigentlich nur noch im Souvenirbereich zu finden) mit langen Porzellanköpfen mit tiefen Kammern und tiefen Rauchkanälen sowie teilweise Metallrohrzwischenstücken hätte das aber bestimmt Sinn gemacht. Ich hab das mit einem ähnlichen Marlspieker grade mal getestet, erscheint mir sowohl als Reiniger, wie al Reamer sinnvoll. An einer verschmutzten konnte ich das leider nicht vollwertig testen, da ich die ererbten Dinger aus technischen Grünen normal nicht zum Rauchen benutze.
 
@Isuas: Stimmt, danke!

@polaris1977: Man(n) muss sich in die Zeit zurückversetzen, hatte ich grad selbst geschrieben - aber ebenfalls außer Acht gelassen. Als Nichtraucher hatte ich nur die kleinen Pfeifen vor dem inneren Auge, deren Kanäle vllt gar nicht so klein sind. Abgesehen von früheren, volumigen Schmauchern! Könnte doch der Räumer für Pfeifen sein, das würde in jedem Fall zum Charakter des ganzen Messers passen.
Danke für die Expertise!

Abu
 
Bei Porzellanköpfen an solchen Pfeifen war/ist die bei heutigen Bryère-Holzpfeifen erwünschte bis notwendige Bildung einer Kohleschicht nicht notwendig und oft sogar unerwünscht. Man muß dort also (und noch mehr bei Meerschaumpfeifen) häufig "räumen". Schon bei meinen größeren Meerschaumpfeifen "moderner" Bauart (Krallenform) mit einer Kammer von >5cm Tiefe kommen viele gängige Kombibestecke mit Schabern/Klingen dran an die Grenzen da die i.d.R. für weniger tiefe Kammern ausgelegt sind.
Das mit den 9mm-Filterbohrungne hätte ich noch genauer beschreiben sollen, weil die außerhalb des deutsch-dänischen Raumes (imo zum Glück) nicht ansatzweise so dominant sind.

Aber ich denke mal daß so ein "Pfeifenräumer" auch zu allem möglichen anderen benutzt wurde, vgl. viele SAK-Werkzeuge heute. Aber wie Du auch schon geschrieben hast würde dieser "originäre Hauptzweck" zum Gesamtbild passen.
 
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... Hab mal gemessen: Bei 7mm an der Basis dürfte der Krusius-Räumer jede Pfeife sprengen.
Mit solchen Werkzeugen werden doch bei erlegten Tieren auch die Fersen (?) durchstoßen, zwecks Bindung und Transport? ...

Abu
@ Abu

Ich vermute, dass Dich die Erläuterungen der vorherigen posts zu dem langen spitzen Werkzeug als "Pfeifenreiniger" / "Räumer" überzeugt haben.
Leider hatte ich Deinen Gedankengang zu aktuellen Pfeifen nicht vorausgesehen und deshalb aus dem identischen Versandkatalog mit der Bezeichnung "starker Räumer" nicht das umfangreiche bebilderte Angebot von Pfeifen gescant:

Räumobjekte.JPG


Für den von Dir für angedachten jagdlichen Verwendungszweck " ...zum Durchstoßen der Fersen ... zwecks Transport ... " reicht die Messerklinge.

Grüße
cut
 
@cut Danke! Ja, ich bin überzeugt, musste aber erst mit der Nase drauf gestoßen werden. Dabei habe ich meinen Urgroßvater noch mit so einem Schmaucher in Erinnerung.

Abu

PS: Das Gute ist ja bei diesem Ping-Pong von Zweifel und Erklärung, dass da immer wieder das breite Wissen dieses Forums angezapft wird.
 
@ cut:
Danke für den tollen Scan, das Schemabild in der Mitte illustriert den Räumungsbedarf besonders gut!

Breiter bekannt sind solche Dinger heute wohl noch am ehesten durch Lehrer Lempel ... mit so einem Dorn wie an dem Messer dran sollte man aber auch Schießpulver räumen können ...
 
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