Kurze Vorstellung eines schönen Taschenmessers

torel

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Das Taschenmesser ist gemarkt auf der einen Seite mit Gebr. Müller, Solingen, auf der anderen Seite mit Hahn und Henne und "Stainless". Es handelt sich vermutlich um ein von C. Bertram für die Gebr. Müller hergestelltes Taschenmesser.

Es scheint nicht oder nur wenig benutzt worden zu sein, es finden sich auf den Hornschalen nur wenige feine, kaum sichtbare Kratzer, der Rest wirkt jungfräulich. Wie auch auf den Bildern zu sehen, verfügt das Taschenmesser über große und kleine Klinge, Schere, Korkenzieher, Nagelfeile sowie Pinzette und Zahnstocher o.ä.

Was auffällt, ist, dass alle Teile hochglanzpoliert sind, die Klingen, die Schere, die Nagelfeile...einschließlich der Erle, die Federn innen und außen und auch die Pinzette. Es scheint sich bei diesem Exemplar um ein so genanntes ganzpoliertes Taschenmesser zu handeln. Wie ich einem Fachbuch aus den fünfziger Jahren entnehmen konnte, waren die Taschenmesser in verschiedene Qualitäten abgestuft, es wurde unterschieden in ganz-, dreiviertel-, einhalb-, einviertel- und einachtelpolierte Messer. Die beste Qualität, also ganzpolierte Messer, wurden folgendermaßen beschrieben: „Hierbei sind alle Teile an ihren sichtbaren und verdeckten Stellen aufs allerfeinste bearbeitet,
d.h. Klingen und Zubehörteile sind in höchster Qualität geschliffen und poliert, ihre Gänge im Rücken, in der Wate und vor dem Kopf (Tallung) auf genaues Maß feingepließtet und poliert, die Federn seitlich, innen und außen ebenso bearbeitet und selbst die Erle sind an ihren Innenflächen sauber poliert, ihre Ränder rundum gerädert.
Daneben wird nur bestes Zusatzmaterial, ausgesuchte Schalen und vor allen Dingen allerbester Stahl verarbeitet.“

Weiter bemerkenswert ist der weiche Klingengang, ohne dass sich nur ein Tropfen Öl am Messer befindet. Die Passungen müssen sehr genau gearbeitet sein.
 

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Hi,

eine seltene Schönheit hast du da - genau mein Geschmack:super:

Leider ist solch eine Qualität heute bei Serienmessern fast nicht
mehr zu finden, da unbezahlbar. Das geht ja schon in Richtung
handgemacht.

Danke fürs zeigen.

Nestor
 
Hallo Torel,

das ist wirklich ein sehr schönes Stück mit ganz tollen Details. Meinen Glückwunsch zu deiner Errungenschaft und vielen Dank für´s Zeigen. Interessant wäre auch noch ein Bild vom Rücken im geschlossenen Zustand und von den Zusatzteilen Zahnstocher und Pinzette.
 
Mal auf die Schnelle photographiert.

Der Zahnstocher scheint auch aus Horn zu sein.

Die Pinzette ist anders konstruiert als bei Victorinox oder Wenger, wie der Vergleich auf der letzten Abbildung zeigt. Von oben nach unten: Bertram, Wenger, Vic
 

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Dieser Taschenmessertypus (u.a. charakteristische Form: vorne schmal und hinten breit, mit nicht seitlicher, sondern flach anliegender Nagelfeile usw.) kam öfters vor.

Bild 1 u. 2 Anzeigen aus den 20er Jahren. Der Rest zeigt ein wesentlich schlechter erhaltenes, aber auch wohl viel älteres Taschenmesser von J.A. Henckels. Aufgrund der Korrosionsspuren lässt sich nicht mehr sagen, ob es sich auch einmal um ein ganzpoliertes Messer gehandelt hat.

Bermerkenswert an dem Zwilling ist der verzierte Rücken der Nagelfeile. Schalenmaterial ist ein dunkles Schildpatt.
 

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Vielen Dank für die Vorstellung. Ein echter Genuß... Wo hast du denn die Schätzchen aufgestöbert?

Grüße von der Flensburger Förde
Sven Hedin
 
Mein Neid und Glückwunsch sind Dir gewiss! :D :super:

An diesen ( sehr gut erhaltenen) Schätzchen hat man wirklich Freude! Geht mir mit meinen alten Brückmann-Messerchen aus den 30ern genau so. :cool:
 
... Es handelt sich vermutlich um ein von C. Bertram für die Gebr. Müller hergestelltes Taschenmesser.
...


@ torel,

Kompliment zu diesem wunderschönen alten Messer!
Die Einschränkung "vermutlich" ist nicht nötig, es handelt sich eindeutig um ein von C. Bertram Reinh. Sohn hergestelltes Messer.
Dieses Modell gab es in zwei Größen (Grifflänge 8 cm und 9cm), in Luxusausführungen an Stelle der Bundhornschalen mit Griffschalen aus Schildpatt oder Perlmutt und natürlich trifft auch bei Deinem Messer die verlinkte Werbeaussage von C. Bertram zu:
"anerkannt feinste Spitzenqualität" .

Hinter "Gebr. Müller" verbirgt sich sicherlich der noch heute in Stuttgart ansässige Stahlwaren-/ Messerhändler.

...
Es scheint sich bei diesem Exemplar um ein so genanntes ganzpoliertes Taschenmesser zu handeln. Wie ich einem Fachbuch aus den fünfziger Jahren entnehmen konnte, waren die Taschenmesser in verschiedene Qualitäten abgestuft, ...

Diese Qualitätsausführung war bei "Hahn & Henne" die vorrangig hergestellte Ausführung: Zur Abgrenzung von anderen Solinger Stahlwarenhersteller benutzte Carl Bertram bis zuletzt den Zusatz Fabrik FEINSTER (nicht: feiner !) Stahlwaren:
CBertramReinhSohn.jpg

(Abbildung aus: „The Sword and Knifmakers of Germany 1850-2000" - Anthony Carter" siehe hier:
http://www.messerforum.net/showthread.php?t=64352

Nicht ohne Grund wurde (und wird) diese Messermarke in den USA zumindest für die alten vor 1977 in Solingen gefertigten Messer als "Rolls Royce" der Taschenmessermarken eingestuft.

Dieser Taschenmessertypus (u.a. charakteristische Form: vorne schmal und hinten breit,...

Leider hat es bei den Solinger Herstellern nie eine prägnante Bezeichnung für die unterschiedlichen Taschenmessertypen (Griffformen) gegeben, die amerikanischen Hersteller kennen eine derartige "Normung" und erleichtern den Sammlern damit die Beschreibung.

In vereinfachter Form gab es dieses Messer bei Carl Bertram Reinh. Sohn auch mit weniger Funktionen, z.B. ohne Korkenzieher.

Grüße
cut
 
Da soll doch nicht jemand sagen, dass früher nicht alles besser gewesen sei. Und nen Flaschenöffner brauchte man dank des guten alten Bügelverschlusses auch noch nicht.

o.k die beiden Schweizer Firmen bekommen das mit der "Trommelpolitur" aller funktionsmäßig relevanten Teile auch ganz gut hin, aber nicht so schön.


Gruß Michael
 
Leider hat es bei den Solinger Herstellern nie eine prägnante Bezeichnung für die unterschiedlichen Taschenmessertypen (Griffformen) gegeben, die amerikanischen Hersteller kennen eine derartige "Normung" und erleichtern den Sammlern damit die Beschreibung.
Grüße
cut

Bei den Amerikanern hieß der gezeigte Typus "Sleeveboard Lobster". Sleeveboard weger der sich zur Klinge hin verjüngenden Form des Griffes, der einem speziellen spitz zulaufendem Bügelbrett für Ärmel ähnelt; und Lobster wegen der an beiden Seiten des Taschenmessers sich öffnenden Klingen (auf einer gespaltenen Feder beruhend), was der Anordnung der Klauen bei einem Hummer ähnelt.

Aus einem Katalog von Schrade 1930:

8546353ufz.jpg


Und noch ein paar Bilder von weiteren Sleeveboard Lobster, alle in Perlmutt, passend zu dem eher feinen (und meiner Meinung nach immer noch schönsten) mulitfunktionalen Muster:

Das geöffnete Exemplar ist quasi identisch bis auf die Beschalung mit dem ganz oben gezeigten Bertram. Gemarkt ist es mit Richard Allan Co, Germany. Wahrscheinlich handelt es sich um einen amerikanischen Importeur oder Importmarke mit Herstellung in Deutschland, vermutlich Solingen.

8546408hxr.jpg


Das geschlossene Exemplar ist von J. A. Henckels, Zwillingswerk. Es weicht etwas vom geradlinigen Sleeveboard ab. Um in der amerikanischen Terminologie zu bleiben, könnte man es ein Swellcenter Sleeveboard Lobster nennen.

8546507xee.jpg


Die Qualität des Henckels ist ganz herausragend, die Klingen sind bspw. nagelgehend dünngeschliffen, selbst die kleine Klinge (oben rechts), die nur ca. 2,5 cm lang ist. Es wurde auch nicht die Mühe gescheut, auf den Winzling an der Klingenbasis das Zwillingslogo zu prägen. Eine echte Liebe zum Detail. Die Lupe ist auch mal was anderes.

8546508yxv.jpg


Das nächste Exemplar ist wieder vergleichbar bis auf die Perlmutt-Beschalung mit dem Bertram, auch von der Qualität her. Gemarkt ist es mit Hoffritz N.Y., Made in Germany. Hoffritz war eine in New York ansässige Einzelhandelskette, die hochwertige Schneidwaren und Haushaltsartikel vertrieben hat. Der Hersteller des Taschenmessers muss wohl wieder in Solingen gesucht werden.

8546626oah.jpg


8546627zhh.jpg


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