pebe
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Laurent Gaillard Custom Yatagan - Klassisches Taschenmesser der Extraklasse
Laurent ist Franzose. Natürlich. Und sitzt im Südwesten Frankreichs, in der Dordogne. Genauer gesagt, in Saint-Sulpice-de-Roumagnac, einem Dorf mit 283 Einwohnern.
Seit 1993 macht er Messer und nach den Anfangsjahren ist diese Leidenschaft auch sein Beruf geworden.
Beschäftigte er sich in den Anfängen mit allen Messerarten von Taschenmesser über feststehende Outdoormesser und auch Kochmesser, konzentriert er sich in der Folgezeit weitgehend auf Klappmesser. Vorzugsweise solche mit Cran Forcé Verschluss.
Auch übernimmt er keine Auftragsarbeiten von Privatpersonen mehr, nur noch ein handvoll Händler werden bestellmäßig bedient. Die übrige Zeit fertigt er für Messen, Ausstellungen und seinen Insta Kanal - eine Homepage hat er nicht.
Es kam mal wieder unverhofft. Eine günstige Gelegenheit hier im Messermarkt bot die Gelegenheit zum Einstieg in die Nobelwelt klassischer Taschenmesser.
Die Größenangaben nebst Form und Materialien machten den Klapper sozusagen unwiderstehlich. Und ich wurde nicht enttäuscht. 😋
Mein Exemplar ist ein Yatagan. Yatagan, eigentlich ein Säbelklingenformat ist hier im Grunde eine Hechtklinge mit eher geradem Rücken und deutlich längerer Nase. Gibt es auch öfter an einem Laguiole, dort sogar in Pinocchio Länge. 😋
Die Klinge ist feinst satiniert, in den meisten Betrachtungswinkeln wirkt sie aber fast poliert.
Der 10,7cm lange Griff entspricht der typischen Form eines sehr schlichten Bauernmessers - hinten etwas breiter und mit einer ordentlichen Rundung versehen, die sich stets angenehm in die Handfläche schmiegt.
Auch größere Hände können damit problemlos das Messer in einem Vierfingergriff halten. Und. Ob Absicht oder nicht, die kleine Rampe vom kurzen Ricasso ist ein wirksamer Minimalstopper, um nicht in die Schneide zu rutschen.
Genau. Die Klinge. Die ist aus Sandvik 14C28N. Feinkörniger, nicht rostender Klingenstahl mit 8,7cm Länge und 2,45mm Breite, von denen auch das Meiste, dank kleinem Ricasso, nutzbar ist. Das geht schon als EDC Gardemaß durch.
Trotz Edelstahlbacken und -liner wiegt der Franzose nur erfreulich leichte 84g. Meine Hartkopfs & Co. genehmigen sich in dieser Bauklasse schon eher 100g.
Ein Highlight sind auch die bearbeiteten Backen. Orangepeel oder auch Orangenhaut genannt.
Das sieht nicht nur schick aus, sonder kaschiert auch besser jegliche Spuren der Handhabung. Wer reichlich Solinger Klassiker mit polierten Messingbacken besitzt, weiß, was ich meine.
Natürlich zusätzlich mit Kannelierung, also einem stylischen @porcupine Kanal sowie sauberen, kreisrunden Nieten mit Wölbung. Zusammen mit etwas Schmiedehaut an der Klingenwurzel - ein Bild für Genießer.
Die Backen sind nicht aufgesetzt oder verlötet. Backen und Liner sind aus einem Stück. Integralbauweise.
Und dann. Der Rücken mit Feder. Das ist nicht nur Moki Qualität, sondern Moki Plus. Kein Spalt und ein fast unsichtbarer Übergang der Feder zur Klinge.
Der Verschluß ist Slipjoint. Aber die verschärfte Variante. Cran Forcé. Vereinfacht gesagt, gibt es zur „Rutschfunktion“ noch eine Verhakung, die für mehr Widerstand sorgt. @Virgil4 hat dies irgendwo ausführlich beschrieben.
Jedenfalls. Mein aufgelegter Daumen drückt die Klinge nur mit allergrößter Kraft aus der Verriegelung. Mit Abstand die stärkste Slipjointverriegelung, die ich je in Händen hatte. Die neue Meßlatte der Burg an einem Gentleman Taschenmesser, das auch als Arbeitsmesser taugt.
Das Öffnen geht entsprechend stramm, aber weniger als die enorme Haltekraft befürchten ließe. Der Nagelhau liegt günstig weit vom Drehpunkt entfernt, um die Hebelwirkung erträglich zu nutzen.
Nächstes Highlight. Das Messer hat nur zwei klassische Nieten. Die Heckvernietung besteht aus der Laynardöffnung, sodaß nur eine Bolster- und zwei Griffschalenhaltepunkte vorhanden sind. Eine schöne und elegante Lösung, die sauberst umgesetzt wurde.
Das Griffmaterial selbst ist Hirschhorn, das derart bearbeitet elegant wie Zahn oder Knochen wirkt, jedoch eben mit den Hirschfarbtonresten.
Wobei ich letztlich nur raten kann, ob die Zeichnung generell derart unverwechselbar ist, oder ob es andere Gründe gab, nicht gleich Knochen oder Zahn zu verwenden. Mehr Arbeit den Hirsch derart stark runter zu schleifen, würde ich jedenfalls vermuten.
Für mich in jedem Fall ein willkommener weiterer „Weißling“ der anderen Art in der Sammlung.
Das Yatagan ist zunächst ein typisches Taschenmesser im Hartkopf oder anderer Solinger Format.
Dabei die Schneide merklich einen ordentlichen Ticken länger, die Klinge etwas dünner und auch feiner ausgeschliffen. In dieser Hinsicht, ganz typisch Franzose, ab Werk eine Klasse schärfer. Und ebenso leichter.
Die Verarbeitung ist in jeder Hinsicht außerordentlich, die feinen Details raffiniert und derart gestaltet eigentlich nur an einem Custom zu finden. Und auf diesem Niveau auch nur, wenn ein Könner Hand anlegt.
Dieses Gaillard demonstriert eindrucksvoll den Unterschied zwischen handwerklicher Meisterschaft und kalter CNC Präzision.
Es sind genau solche Messer, die einem Messerverrückten dieses wollige Gefühl vollkommener Zufriedenheit verschaffen. Trotz eher schlichten Materialien überstrahlen Handwerk und Gestaltung jede Überlegung, ob es anders ginge. Ritter ab Werkstatt.
Wer in einem Messer nur ein Schneidwerkzeug sieht, wird solche Begeisterung nie verstehen. Es braucht einen Nerv, besser einen entwickelten Sinn, um manchen Unterschied zu erfassen.
Man kann Wein mit sprudelten Wasser gemischt als Durstlöscher oder sorgsam ausgewählt als unauffälligen aber harmonierenden Essensbegleiter trinken. Und manche Weine genießt man pur, nur um des Genießens willen. Aber es bleibt am Ende dennoch immer nur ein Rebensaft aus Trauben.
Dieses Gaillard ist so ein französischer Grand Cru der besonderen Art.
Man kann damit problemlos Zuhause Kartons öffnen, es als hochtaugliches EDC in den Hosensack stecken oder genussvoll Obst und Wurst schneiden, statt abzubeißen. Nur um diese Messerkunst zu zelebrieren.
Zugegeben. Es ist kein günstiges Vergnügen, aber immer noch günstiger als ein aktuelles Sebenza und im Gegensatz zu Selbigen auch legal zu tragen.
Was jedoch beiden gemeinsam ist. Wer sich ein solches Messer gönnt, hat Platz genommen an der Tafel der edelsten und bewährten Ritter. Ein potentielles Mehr wäre immer nur ein Tausch der Bannerfarben.
Keine Frage. Auf der Burg ist dieser Franzose ein willkommener Mitstreiter.
Euch allen ein sonniges Herbstwochenende.
grüsse, pebe
Laurent ist Franzose. Natürlich. Und sitzt im Südwesten Frankreichs, in der Dordogne. Genauer gesagt, in Saint-Sulpice-de-Roumagnac, einem Dorf mit 283 Einwohnern.
Seit 1993 macht er Messer und nach den Anfangsjahren ist diese Leidenschaft auch sein Beruf geworden.
Beschäftigte er sich in den Anfängen mit allen Messerarten von Taschenmesser über feststehende Outdoormesser und auch Kochmesser, konzentriert er sich in der Folgezeit weitgehend auf Klappmesser. Vorzugsweise solche mit Cran Forcé Verschluss.
Auch übernimmt er keine Auftragsarbeiten von Privatpersonen mehr, nur noch ein handvoll Händler werden bestellmäßig bedient. Die übrige Zeit fertigt er für Messen, Ausstellungen und seinen Insta Kanal - eine Homepage hat er nicht.
Es kam mal wieder unverhofft. Eine günstige Gelegenheit hier im Messermarkt bot die Gelegenheit zum Einstieg in die Nobelwelt klassischer Taschenmesser.
Die Größenangaben nebst Form und Materialien machten den Klapper sozusagen unwiderstehlich. Und ich wurde nicht enttäuscht. 😋
Mein Exemplar ist ein Yatagan. Yatagan, eigentlich ein Säbelklingenformat ist hier im Grunde eine Hechtklinge mit eher geradem Rücken und deutlich längerer Nase. Gibt es auch öfter an einem Laguiole, dort sogar in Pinocchio Länge. 😋
Die Klinge ist feinst satiniert, in den meisten Betrachtungswinkeln wirkt sie aber fast poliert.
Der 10,7cm lange Griff entspricht der typischen Form eines sehr schlichten Bauernmessers - hinten etwas breiter und mit einer ordentlichen Rundung versehen, die sich stets angenehm in die Handfläche schmiegt.
Auch größere Hände können damit problemlos das Messer in einem Vierfingergriff halten. Und. Ob Absicht oder nicht, die kleine Rampe vom kurzen Ricasso ist ein wirksamer Minimalstopper, um nicht in die Schneide zu rutschen.
Genau. Die Klinge. Die ist aus Sandvik 14C28N. Feinkörniger, nicht rostender Klingenstahl mit 8,7cm Länge und 2,45mm Breite, von denen auch das Meiste, dank kleinem Ricasso, nutzbar ist. Das geht schon als EDC Gardemaß durch.
Trotz Edelstahlbacken und -liner wiegt der Franzose nur erfreulich leichte 84g. Meine Hartkopfs & Co. genehmigen sich in dieser Bauklasse schon eher 100g.
Ein Highlight sind auch die bearbeiteten Backen. Orangepeel oder auch Orangenhaut genannt.
Das sieht nicht nur schick aus, sonder kaschiert auch besser jegliche Spuren der Handhabung. Wer reichlich Solinger Klassiker mit polierten Messingbacken besitzt, weiß, was ich meine.
Natürlich zusätzlich mit Kannelierung, also einem stylischen @porcupine Kanal sowie sauberen, kreisrunden Nieten mit Wölbung. Zusammen mit etwas Schmiedehaut an der Klingenwurzel - ein Bild für Genießer.
Die Backen sind nicht aufgesetzt oder verlötet. Backen und Liner sind aus einem Stück. Integralbauweise.
Und dann. Der Rücken mit Feder. Das ist nicht nur Moki Qualität, sondern Moki Plus. Kein Spalt und ein fast unsichtbarer Übergang der Feder zur Klinge.
Der Verschluß ist Slipjoint. Aber die verschärfte Variante. Cran Forcé. Vereinfacht gesagt, gibt es zur „Rutschfunktion“ noch eine Verhakung, die für mehr Widerstand sorgt. @Virgil4 hat dies irgendwo ausführlich beschrieben.
Jedenfalls. Mein aufgelegter Daumen drückt die Klinge nur mit allergrößter Kraft aus der Verriegelung. Mit Abstand die stärkste Slipjointverriegelung, die ich je in Händen hatte. Die neue Meßlatte der Burg an einem Gentleman Taschenmesser, das auch als Arbeitsmesser taugt.
Das Öffnen geht entsprechend stramm, aber weniger als die enorme Haltekraft befürchten ließe. Der Nagelhau liegt günstig weit vom Drehpunkt entfernt, um die Hebelwirkung erträglich zu nutzen.
Nächstes Highlight. Das Messer hat nur zwei klassische Nieten. Die Heckvernietung besteht aus der Laynardöffnung, sodaß nur eine Bolster- und zwei Griffschalenhaltepunkte vorhanden sind. Eine schöne und elegante Lösung, die sauberst umgesetzt wurde.
Das Griffmaterial selbst ist Hirschhorn, das derart bearbeitet elegant wie Zahn oder Knochen wirkt, jedoch eben mit den Hirschfarbtonresten.
Wobei ich letztlich nur raten kann, ob die Zeichnung generell derart unverwechselbar ist, oder ob es andere Gründe gab, nicht gleich Knochen oder Zahn zu verwenden. Mehr Arbeit den Hirsch derart stark runter zu schleifen, würde ich jedenfalls vermuten.
Für mich in jedem Fall ein willkommener weiterer „Weißling“ der anderen Art in der Sammlung.
Das Yatagan ist zunächst ein typisches Taschenmesser im Hartkopf oder anderer Solinger Format.
Dabei die Schneide merklich einen ordentlichen Ticken länger, die Klinge etwas dünner und auch feiner ausgeschliffen. In dieser Hinsicht, ganz typisch Franzose, ab Werk eine Klasse schärfer. Und ebenso leichter.
Die Verarbeitung ist in jeder Hinsicht außerordentlich, die feinen Details raffiniert und derart gestaltet eigentlich nur an einem Custom zu finden. Und auf diesem Niveau auch nur, wenn ein Könner Hand anlegt.
Dieses Gaillard demonstriert eindrucksvoll den Unterschied zwischen handwerklicher Meisterschaft und kalter CNC Präzision.
Es sind genau solche Messer, die einem Messerverrückten dieses wollige Gefühl vollkommener Zufriedenheit verschaffen. Trotz eher schlichten Materialien überstrahlen Handwerk und Gestaltung jede Überlegung, ob es anders ginge. Ritter ab Werkstatt.
Wer in einem Messer nur ein Schneidwerkzeug sieht, wird solche Begeisterung nie verstehen. Es braucht einen Nerv, besser einen entwickelten Sinn, um manchen Unterschied zu erfassen.
Man kann Wein mit sprudelten Wasser gemischt als Durstlöscher oder sorgsam ausgewählt als unauffälligen aber harmonierenden Essensbegleiter trinken. Und manche Weine genießt man pur, nur um des Genießens willen. Aber es bleibt am Ende dennoch immer nur ein Rebensaft aus Trauben.
Dieses Gaillard ist so ein französischer Grand Cru der besonderen Art.
Man kann damit problemlos Zuhause Kartons öffnen, es als hochtaugliches EDC in den Hosensack stecken oder genussvoll Obst und Wurst schneiden, statt abzubeißen. Nur um diese Messerkunst zu zelebrieren.
Zugegeben. Es ist kein günstiges Vergnügen, aber immer noch günstiger als ein aktuelles Sebenza und im Gegensatz zu Selbigen auch legal zu tragen.
Was jedoch beiden gemeinsam ist. Wer sich ein solches Messer gönnt, hat Platz genommen an der Tafel der edelsten und bewährten Ritter. Ein potentielles Mehr wäre immer nur ein Tausch der Bannerfarben.
Keine Frage. Auf der Burg ist dieser Franzose ein willkommener Mitstreiter.
Euch allen ein sonniges Herbstwochenende.
grüsse, pebe
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