Lionsteel Thrill - Mitbringsel aus Maniago

HezRoz

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Letzte Woche hat mich mein Motorradurlaub an Maniago vorbei geführt. Einfach dran vorbei zu fahren, ging natürlich nicht.

Ich habe vorher bei Lionsteel angerufen und man kann dort auch direkt in der Fabrik ein Messer kaufen und auch einen Blick in die Produktion werfen. Unser Zeitplan ließ das aber leider nicht zu und Lionsteel gab mir für den Messerkauf den Hinweis das Geschäft des Consorzio Coltellinai Manigao an der Piazza Italia zu besuchen.
Es gibt dort auch noch einen weiteren Messerladen, der allerdings nur Maserin führt. Der Laden des Consorzio Coltellinai führt hingegen nur Messer der Marken Fox, Lionsteel, Mercury und Viper sowie natürlich MKM, was ja ein Zusammenschluss der 4 vorgenannten Hersteller ist.
Der Laden ist ein feuchter Traum für Liebhaber italienischer Messer. Nicht sonderlich groß, aber alles aus dem Portfolio ist verfügbar. Auch alle MKM Messer der Kollektionen der letzten 3 Jahre in allen Ausführungen. Ich hätte auch den ganzen Laden leer kaufen können, so viele schöne Messer lachten einen an o_O

Besonders wenn man nach Messern mit Holzgriff Ausschau hält, kaufe ich ungern im Internet, da finde ich solche Offline-Geschäfte einfach nur toll.
Die Preise liegen durch die Bank ca. 20% unter UVP, also ungefähr das was man in den günstigsten Shops im Netz bezahlt. Allerdings sind auch die ganz aktuellen Modelle günstiger. Ein Lionsteel T6 für 260€ kann man zumindest momentan schon als Schnapper bezeichnen.

Eigentlich hatte ich ein MKM Root, ein Lionsteel Jack in Olivenholz oder ein Lionsteel Myto mit Titan/Micarta auf dem Zettel. Geworden ist es aber was ganz Anderes. Das Thrill wäre mir im Traum nicht eingefallen, zumal es etliche kritische Reviews auf YT gibt und ich das gar nicht so schön fand. Aber bei Kleinigkeiten scheint Lionsteel die Produktion auch mal anzupassen, das weiß ich von meinen M4/M5, die sind im Detail etwas anders als die ersten Chargen aus den ersten 2 Jahren.


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Das knallige Rot hatte es mir angetan und die Handlage ist für meine Hände mit Handschuhgrösse 8,5/9 perfekt. Entgegen einigen Berichten im Netz war Verarbeitung der Eloxierung/Anodisierung bei allen Modellen, die ich in der Hand hatte, absolut perfekt gleichmäßig und makellos.
Bei 2 Modellen, ein grünes Alu und ein blaues Titan, fühlte sich der Mechanismus des Clips etwas hakelig an, bei allen anderen aber absolut smooth.

Das Alumodell ist es nicht nur geworden, weil es deutlich günstiger ist, sondern auch weil sehr deutlich fühlbar leichter ist. 68g sind für ein Messer mit 3,2mm breiter und 8cm langer Klinge nichts, die Titan-Version wiegt fast 25g mehr.
Die Klinge ist Lionsteel-typisch nicht mega-fein ausgeschliffen, hinter der Fase ist schon noch ordentlich Material, aber auch nicht übermäßig viel. Dürften vielleicht so 0,5-06mm sein, zur Spitze hin wird es aber fühlbar etwas mehr. Das Messer steht schon auf der robusteren Seite und auch der Schleifwinkel der Sekundärfase aus der Produktion ist mit 25° eher auf der konservativen Seite.

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Der Griff des Thrill ist ja wie einige andere Messer von Lionsteel (ROK, TRE) aus einem Stück gefräst. Bei einem Slipjoint habe ich das aber auch noch nicht gesehen.

Die Spannung der Rückenfeder, die Teil des Griffes ist, ist spürbar schwächer als z.B. bei meinem MKM Fara. Ich habe es zuhause gemessen: 480g auf der Klingenspitze sind nicht so viel. Einen Unterschied zwischen der Titan und der Aluminium konnte ich da aber auch nicht feststellen.
Das "Walk and Talk" wie man neudeutsch sagt, ist aber knackig. Das Messer fühlt sich insgesamt klasse an.

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Ob offen, im Halfstop oder geschlossen: Die Rückenfeder ist in allen drei Stellungen perfekt plan mit der Griffrückseite.

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Hier mal ein Größenvergleich zum MKM Clap. Dass das Klingendesign des Clap wohl nicht nur von Herrn Terzuola stammt und die Klinge bei Lionsteel hergestellt wird ist kaum zu übersehen:

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Wer jetzt bzgl. der etwas schwächeren Rückenfeder Angst hat: Das Jimping sitzt am Ende der Rückenfeder. Wenn man den Daumen da drauf hat, passiert da bei derberen Arbeiten gar nichts. Ich habe vorgestern mal ein altes 6x8cm Kantholz völlig sinnlos zu einem runden Pfahl zurecht geschnitzt (super entspannend nach Feierabend ;) ). Das Thrill hat sich wunderbar geschlagen, und die Handlage ist auch nach längerem Arbeiten immer noch gut. Da drückt nichts, und das nicht nur wegen des versenkten Clips.
Die Schneidfase habe ich aber vorher etwas spitzer geschliffen. Mit 22° Schlweifwinkel ist das Messer sehr schneidfreudig, aber immer noch robust genug, um auch durch Ast-Augen zu schnitzen. Und obwohl ich an der rechten Hand einen Edelstahlring trage, hat die Beschichtung nach 1 Stunde derbem Schnitzen nicht den leisesten Kratzer davon getragen. Scheint also einigermaßen haltbar zu sein.

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An den Clip muss man sich erstmal etwas gewöhnen. Wenn man es raus hat, aber ganz easy. Die Federspannung finde ich auch groß genug, so dass ich keine Angst hätte, das Messer zu verlieren. Auf Grund des geringen Gewichts bietet sich das Messer aber auch gut an, es in der Innentasche der Jacke zu tracken. Man hätte vielleicht noch am Ende des Clips eine etwas ausgeprägtere Nase anbringen können, so dass es am Taschensaum etwas mehr Halt gibt.

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Aber das ist Meckern auf hohem Niveau.


Das Thrill ist sicher nichts für den Liebhaber klassischer Formen und Materialien, mich hat aber genau das angesprochen. Was man heutzutage so Schönes aus einer CNC Fräse rausfallen lassen kann, ist schon beeindruckend. Die Verarbeitungsqualität würde ich als perfekt bezeichnen. Aber vielleicht gab's in dem Laden auch nur die handverlesenen Modelle...man weiß es nicht.
Eine neue Schneidfase muss man bei Lionsteel eh meistens aufbringen, zumindest mir kommen die alle zu derb um die Ecke.
Des Weiteren stehen die ausgewachsene Klinge im Zusammenspiel mit dem geringen Gewicht auf der Habenseite. Mich hat das Messer geflashed, als ich es in der Hand hatte. Das ist aber natürlich rein subjektiv. Der ein oder andere wird es pottenhässlich finden.
 
Eigentlich bin ich ja Liebhaber traditioneller französischer Messer, aber irgendwas hat bei mir
beim Lionsteel ROC den 'habenmuss' Reflex ausgelöst Soll ja vorkommen. 😊
Das ROC in Alu Orange ist es dann geworden.
Nebenher bin ich Freiwilliger im BRK, da geht es schon gerne mal etwas rustikaler zu, was Messer angeht,
wenn z.B. Zeltcamps bei Marathons oder Open Airs aufgebaut werden,
und den anschließenden Veranstaltungen.
Dabei ist das ROC zu meinem absoluten Favoriten avanciert, wenn mal eine solide Klinge benötigt wird.
Das Messer hatte ich bei einem Versender bestellt, es dürfte sich also nicht um ein selektiertes Exemplar
handeln. Wie an Deinem Thrill ist die Verarbeitung absolut makellos, und bisher bleibt sie auch so,
trotz einiger heftiger Einsätze ist an der Eloxierung kein Kratzer o.ä. zu finden, auch der Clip
flutscht einwandfrei..
Videos eines notorischen YT Messertesters, der einen ziemlichen Verriss über das ROC gepostet hat,
schaue ich mir inzwischen nicht mehr an.
 
Danke für den sehr schönen und umfassenden Bericht. Ich hatte es auch schon mal im Auge, schöner Kontrast zu meinen Klassikern. Vernunft und volle Schublade haben (vorerst) gesiegt. Die Lionsteel-Qualität finde ich auch in meinem Barlow wieder, klasse!
Viel Freude weiterhin daran.

Abu
 
Ich hab das Thrill in Schwarz....hätte auch besser Rot genommen, sieht einfach besser aus
 
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