Marcello Serra - Dorgali - Resolza. Nicht nur Messerbildchen, aber auch ;)

pitter

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Aus meinem leider viel zu kurzem Urlaub bei der Verwandtschaft in Dorgali/Sardinien wollte ich natürlich auch ein regionaltypisches Messerchen mitbringen. Ich bin also erst mal durch die Touri Läden vor Ort getrappt. Was dort an traditionellen Messern herumlag, hat mich allerdings nicht umgehauen. Nicht dass die wirklich schlecht gemacht waren. Was in den Läden an Mitbringseln angeboten wird, also Schmuck, Keramik, Glas, Messer ist keine Importware für Touris; die Handarbeitssachen kommen schon aus der Gegend. Aber ein wenig zu lieblos waren mir die Messer schon gemacht.

Was allerdings auch daran liegt, dass die Messer eben zum Arbeiten verwendet werden und nicht zum Anschauen. Da wird eben gemacht, was gemacht werden muss. Und nicht mehr.

Jedenfalls war da nichts für mich dabei, also mal in der Verwandtschaft rumgefragt. Und wies halt so ist :), gabs dann tatsächlich einen Messermacher in der weiteren Verwandtschaft, der angeblich ein bisserl hübschere Sachen machen soll, als die Standardware. Da muss ich natürlich hin.

Damit ihr mal einen Eindruck von der Gegend bekommt - das gehört zu den Messern einfach dazu - gibts auch ein paar Urlaubsbilder :)

Das ist Dorgali. Liegt etwa in der Mitte an der Ostküste von Sardinien. Durch eine Hügelkette vom Meer getrennt.

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Von Dorgali aus zum Meer gehts ein paar Serpentinen hoch, durch nen Tunnel, und dann schaut man auf Cala Gonone. Das liegt, wie man sieht, recht nahe am Meer ;)

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Und wenn man nen hübschen Strand möchte, kann man zum Beispiel nach Cala Luna. Entweder mit dem Boot (Schlauchboot bis 250 PS, cool). Oder eineinhalb Stunden "Wandern". Wobei "Wandern" heißt, man springt von einem Stein zum anderen, Berg rauf, Berg runter. Wie eine Ziege. Zum Glück gibts nach der Hupferei am Strand ein kühles Bier. Der Bar mit Dieselgenerator und Kühlschrank sei Dank! :)

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Bekannt ist Dorgali für Handwerksarbeiten, hauptsächlich Schmuck und Keramik. Daneben gibt es ein wenig Industrie, Landwirtschaft (Wein, Oliven, Kork), vor allem aber nach wie vor viel Viehzucht, hauptsächlich Ziegen und Schafe. Anstelle von Weidezäunen werden aus den Steinen, die überall in der Gegend herumliegen, niedrige Mauern gebaut. Oder Hütten, wie die unten gezeigte. Muss man können. Durch das Holzdach geht auch nach zig Jahren kein Tropfen Wasser. Das ist eine typische "Weide" irgendwo in den Bergen. Das Viechzeugs läuft dort großflächig frei rum. Hütehunde beschützen die Schafherden und halten sie zusammen. Die Hunderl sind recht nett - wenn man sie kennt. Wenn man sie nicht kennt, sollte man von den Schafen fernbleiben ;)

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Das ist die Ecke, in der meine engere Verwandtschaft früher ihre Tiere hatten. Ziemlich ab vom Schuss, aber heute recht bequem über eine "Strasse" (Strasse = man kann fahren, ohne die Karre gleich kaputt zu machen) erreichbar. So siehts da überall aus. Viel Grün ist da nicht. Dafür gibts mal wieder massig Steine.

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Jeder, aber auch wirklich jeder den ich dort getroffen hab, hatte ein Messer - das typische Resolza oder ein ähnliches Messer - in der Hosentasche. Damit macht man, was man halt als Landwirt oder Tierzüchter so macht. Essen zum Beispiel :) Das robuste Kochmesser ;) im Hintergrund war sehr beeindruckend. Halbe Ziege und Spanferkel mundgerecht zerlegt in zwanzig Sekunden. Das Messer im Vordergrund ist eine größere Version des Messers, das ich mitgebracht habe. Gleicher Stil, gleiches Material, gleicher Messermacher.

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Jetzt zum Messermacher. Der Mann heisst Marcello Serra und hat seine Werkstatt etwas abseits der Hauptstraße von Dorgali. Marcello macht die Messermacherei als Nebenberuf; das aber schon recht lange und ist auch recht bekannt. Seine Messer entsprechen zwar den lokalen, traditionellen Formen, Marcello bringt aber ein paar eigene Details mit rein. Die meisten seiner Messer haben Klingen aus rostfreiem Stahl. Fragt mich nicht welcher, ich hab auch nicht gefragt, interessiert keinen. Schneidet. Und wenns stumpf ist, wirds geschliffen. Marcello schmiedet aber auch eigenen Damast für seine Klingen.

Eingang zur Werkstatt, Rohmaterial für die Griffe. Für die Griffe verwendet Marcello Serra unterschiedliches Horn; typisch und traditionell sind Griffe aus Mufflon Hörnern.

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Werkstatt. Wies bei Messermachern halt so ausschaut. Bohrmaschinen, nen Sack unterschiedlicher Schleifeinrichtungen, Bandschleifer mit selbstgebauter Planscheifvorrichtung, viele Handwerkzeuge.

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Hier baut Marcello Serra gerade an ein paar seiner Messer herum.

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Von jeder Messerlinie gibts eine Zeichnung, dann wird gebohrt, gesägt, geschliffen und gehämmert. Traditionell haben diese Messer keine Rückenfeder, sind also Friction Folder. Gehalten wird die Klinge nur durch Reibung zwischen den Griffschalen. Auf Wunsch baut Marcello auch Messer mit Lockback. Für mich ist das nichts, ist wie ein Laguiole mit Verriegelung. Passt einfach nicht dazu.

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Ich hab mich für ein mittelgroßes Modell entschieden, Klingenlänge etwa 85mm (der Preis richtet sich übrigens nach der Größe. Marcello hat ein breites Lineal, da stehen links die Zentimeter drauf, rechts der Preis :) ). Klinge aus rostfreiem Stahl, 3mm stark, durch geschliffen.

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In den Details ist das Messer deutlich besser gemacht, als die Messer, die ich in den Läden gesehen hatte. Die Nieten sind plan geschliffen und stehen nicht hervor. Das kann sich ändern, falls das Horn noch arbeitet, klar. Aber wenigstens im Neuzustand hätte ichs schon gerne bündig. Die kleine "Nase" hinter der Schleifkerbe verhindert, dass die Klinge beim geschlossenen Messer am Griffrücken anschlägt. Ich habs probiert, ein Stück Papier lässt sich durchziehen.

Ein schönes Detail ist auch, dass er Anschliff parallel zur Griffvorderseite verläuft. Und eben nicht "irgendwie".

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Die Klinge liegt sauber mittig im Rahmen. Alles ist sauber gefinisht, Klinge satiniert, Zwinge poliert. Und die Spitze wird von den Schalen komplett verdeckt. Auch da kamen viele andere Messer nicht mit, die ich mir vor Ort angesehen habe. Und die in der gleichen Preisliga oder höher spielten, BTW.

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Hier mal von vorne. Die Klinge schlägt nicht an Horn oder Messing an, sondern an der recht massiven Stahleinlage des Griffrückens. Auf der Rückseite ist der Übergang zwischen Klinge und Anschlag sehr sauber. Kein Spalt, alles plan, einwandfrei gemacht. Hab ich auch anderes gesehen.

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Nur 65 Gramm wiegt das Messer. Hat ja auch wenig Teile.

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Und geschlossen.

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Die Messer von Marcello Serra sind mit Liebe gemacht. Aber immer noch Gebrauchsmesser für seine Kunden, die bei ihm Messer zum Arbeiten kaufen. Weniger was zum Anschauen. Aber eben etwas hübschere Gebrauchswerkzeuge. Ich werde damit zwar weder Schafe oder Ziegen abhäuten, aber für ne Salami und gegrilltes Spanferkel braucht man ja auch ein Schneidewerkzeug :)

Die Preise bewegen sich auf vergleichsweise hohem Niveau. Vergleichsweise, wenn man sieht, dass man (vor Ort) einfacher verarbeitete, handgefertigte Messer für etwa 50 Euro aufwärts bekommt. Absolut gesehen sind die Messer von Marcello Serra "geschenkt".

Ich würde ja gerne eine Kontakt-Webseite oder Mailadresse angeben. Gibts nicht, hat Marcello nicht. Die Messer, die er baut, verkauft er direkt vor Ort. Wer Interesse hat (und Italienisch spricht), kann mich kontaktieren, ich gebe gerne seine Telefonnummer und Adresse weiter.

Pitter
 
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Danke für den Bericht! Schöne Fotos, schöne Gegend, schönes Messer. Mach doch den Deutschlandvertrieb für seine Messer!
 
Hallo Pitter,
Sehr schöner Urlaubsbericht mit den entsprechenden Bildern. :)
Wie Du schon geschrieben hast, ein wunderbarer Gebrauchsfolder,bei dem sofort das Griffmaterial positiv auffällt.Eigentlich für " Immer dabei und nicht zu schwer " genau das richtige Messer.
Nette Ansammlung von Widderschnecken hat der MM dort in der Rückstellung. :staun:
Deinem Bericht zu Folge hast Du Dich nicht für die 250 PS - Wumme entschieden,sondern hast Dich für die " Ziegenvariante " mit anschiessendem Bier entschieden.....Oder? :steirer:

Dizzy
 
Deinem Bericht zu Folge hast Du Dich nicht für die 250 PS - Wumme entschieden,sondern hast Dich für die " Ziegenvariante " mit anschiessendem Bier entschieden.....Oder? :steirer:

Für Boote ab 40PS brauchts nen Motorbootschein, habe ich nicht, also nix mit 250 PS selberfahren. Aber der Jung, der uns zum Strand gefahren hat, durfte die 250 PS ausreizen. Und hat das auch. Vor allem auf der Rückfahrt, weils da dann gepisst hat :D

Ansonsten habe ich mich grundsätzlich für Ziege *und* Spanferkel *und* Bier entschieden.

Außerdem habe ich aus meinem letzten Urlaub gelernt. Ich hatte nicht den hypertaktischen Assisted-Opener mit 4mm Klinge dabei. Sondern ein Paramilitary. Auch taktisch, schneidet aber wenigstens. Mit dem anderen Prügel hab ich mich das letzte mal schon zum Horst gemacht :D

Pitter
 
Sehr schön, ich danke Dir für den Bericht!

Wunderschöne Insel, und die Fotos, von dem Messermacher, ja, so kann ich es mir richtig vorstellen, mit gemütlicher Freitzeitkleidung, ein sicher sehr liebenswerter Mensch der mit Liebe ein paar kleine Schneidwerkzeuge herstellt :super:

So ein Messer kauft man gerne!

Vielen Dank und schönen Gruss
Roman
 
Ansonsten habe ich mich grundsätzlich für Ziege *und* Spanferkel *und* Bier entschieden.

Entschuldigung,aber verpflegungstechnisch bin ich selbstverständlich von nichts anderem ausgegangen...Mit der " Ziegenvariante " meinte ich die Antriebsart. " Per Pedes "...zwei Stunden über Stock und Stein, mit dem urwüchsigen Antrieb der eigenen Wade;-)....aber das hast Du ja jetzt in Deinem weiteren Post beantwortet. :super:

Dizzy
 
Entschuldigung,aber verpflegungstechnisch bin ich selbstverständlich von nichts anderem ausgegangen...Mit der " Ziegenvariante " meinte ich die Antriebsart.

Ahfo :D Nene, wir waren schon öfters in der Kneipe, ähhh an diesem Strand ;) Und einmal davon zu Fuß. Gehört dazu.

Pitter
 
Danke für schönen Bilder,
bei solchen Messermachern kommt man ins Träumen. Auf ner schönen Insel Wohnen,
Messer machen und dann noch das Essen und die Frauen:D.

Gruß Dirk
 
Pitter, das sind absolut erstklassige Bilder... ich war vor Jahren recht regelmäßig auf Sardinien und schwärme immer noch davon. Die Leute dort sind mir auch sehr sympatisch, weil sie genauso sind wie hier bei mir auf dem Lande: etwas skeptisch Fremden gegenüber, aber letztlich sehr herzlich... und das Messer ist natürlich herrlich! Schafhorn ist wirklich eines der schönsten Griffmaterialien, und die ganze Form des Messers hat Charakter.
Grüße
Hannes
 
Tolles Messer, tolle Gegend. Vor einigen Jahren war ich genau da. Da könnte ich mir in den Hintern beissen, dass ich d noch nichts von dem.Messermacher wusste.
 
Absolut genial, sowohl die Landschaft, das Ambiente, das Messer, Dein Bericht ;)

Schön zu sehen, wie vielschichtig Du bist, das Messer neben dem Steampunk bedeutet doch ein recht großer Horizont... (und ich hätte am liebsten ein Bild der Gesichter von den Herrschaften vor Ort, wenn Du mit einem Messer alá Steampunk das rustikale Mahl zu Dir nimmst ;) )
 
Schön zu sehen, wie vielschichtig Du bist, das Messer neben dem Steampunk bedeutet doch ein recht großer Horizont...

Ähmm, das Steampunk ist nicht meines, das habe ich fotografiert, damit hier sowas auch mal zu sehen ist.
Ansonsten: Ich habe Messer zum Benutzen. Und welche einfach so, weil sie mir gefallen. Die zum Benutzen müssen mir nicht besonders gefallen ;) So ein Resolza passt mir wunderbar im Urlaub vor Ort. Tut, was es soll und man fällt nicht auf.

Aber als Spielzeug hab ich dann doch lieber was anderes.

Pitter
 
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