Maresch Damast Walross Linerlock - Burg Edition

pebe

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Maresch Damast Walross Linerlock - Burg Edition


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Es ist passiert. Bei sommerlicher Hitze fand ich schliesslich doch noch den Weg in Mathias‘ Werkstatt. Ich war viel zu früh dran, die Eisdiele lag auf dem Weg und so schlenderte ich auf Verdacht, die übermäßig beladene Waffel jonglierend in die offen stehende Werkstatt. Der Meister war schon da.

Es dauerte ein paar Minuten bis das Gelatogebirge unter vielen Verrenkungen auf eine gefahrlose Größe reduziert war. Aber. Nix gekleckert. Weder Shirt noch Werkstattboden. 😜

Die ursprüngliche Idee war ja, mir von Mathias einen Klapper nach eigener Vorgabe machen zu lassen.

Jedoch. Ein echtes Meisterstück von Mathias war inzwischen auf Umwegen in die Burg eingezogen und weitere offene Baustellen bezüglich definierter und unerfüllter Messerträume, gab es so nicht mehr. Eigentlich.


Meisterstück Damast Giraffe

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Aber halt, da war doch was.

Einer meiner liebsten Linerlocks, besonders für Food, ist das Perceval L08 mit Sheepfootklinge. Ein Messer, das ich in mehrfacher Ausführung besitze , das aber leider nicht verschraubt, sondern vernietet und damit nicht zerlegbar ist.

Muss nicht stören, ist jedoch nicht die hohe Messermacherkunst.

Und. Wie oft erwähnt, ist die Klingenstärke von etwas unter 2.5 mm bei über 9 cm Klingenlänge ideal leicht schneidend für Food und auch ausreichend stabil für die angedachten Zwecke.

Aber. Im Zweifel doch etwas zuwenig für die Kategorie stabiler EDC Klapper allgemeiner Art.

Atelier Perceval L08

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Lange Rede, kurzer Sinn.

Mathias hatte dereinst für einen Kunden ein Muster nach Vorgabe entwickelt, das Designelemente von einem Perceval L08 in einigen Punkten zitiert, aber mit einer reduzierten Formensprache und der typischen Handschrift der Staufener Schmiede auch konstruktiv in einer anderen Liga spielt.


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Die Linienführung ist zwar ebenso weich geschwungen, aber deutlich weniger verspielt - Klinge und Griffschalen sind im Zusammenspiel erkennbar formschlüssiger ausgeführt.

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Klingt nach Tafelrunde.

Die Vorlage aus der Staufener Werkstatt hatte bereits einige Highlights.

Das erste Schmankerl ist das Fehlen eines Ausschnitts in der Schale zum einfacheren Lösen des Locks. Damit bleibt die Optik wunderbar sauber und clean wie bei einem Slipjoint. Am Zweihandklapper inzwischen meine erste Wahl.

Das Zweite, die verdeckte aber verschraubte Klingenachse, die nun ein Zerlegen der Messerkonstruktion in Gänze erlaubt. Endlich.

Der Dritte Punkt sorgt generell für mehr Stabilität. Mathias verwendet vorzugsweise Titanliner in 2 mm Stärke statt der 1,5 mm des Franzosen und die Klingestärke ist hier mit 2,7 mm ebenso etwas kräftiger ausgeführt.

Das Muster aus der Staufener Werkstatt schien mir damit der ideale Kandidat für ein stabiles EDC Messer, dem man eine französische Verwandschaft anmerken sollte.

Und nun.

Maresch Damast Walross Linerlock - Burg Edition.


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Die zusätzlichen technischen Änderungen sind schnell geklärt.

Die Klingenlänge auf echte 8,9 cm gekürzt, die Klinge im Rücken auf 2,9 mm verstärkt, den Fasenverlauf mit weniger bauchiger Kurve - klassisches Sheepfoot Format wie beim Franzosen.

Das Ganze unter 0,3 mm Fasenstärke ausgeschliffen. Kategorie maximal stabiler Schneidteufel.

Aber dann.

Noble Griffschalen. Mit Überstand. Und. Nobler Damast. Maresch Mastersteel.

Auf meiner Ewigen Liste stand schon immer ein Griff aus Walrosszahn. Vorzugsweise von einem alten Bullen, bei dem nach der Bearbeitung die markante Signatur der dunklen Linien noch erkennbar bleibt.

Ein imposantes Tier mit ebensolchen Stoßzähnen. Kategorie Fleischfresser.


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Mathias hat eine kleine Schatzkiste in seiner Werkstatt. Darin schlummern einige solche und andere erlesene Griffmaterialien.

Walrosszahn zum Aussuchen. Macht der Meister. Nach Strukur und geeigneter Stärke. Hauptsache rossig. 😄


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Soweit so gut. Nun fehlte nur noch das Herzstück - der passende Stahl.

Wenn man in der Werkstatt des Klingenmeisters stöbert und sich Gedanken um das geeignete Stahlwerk für ein Burgmesser macht, kann es am Ende nur ein händisch entstandener Damast sein.

Am besten einer der besonderen Art.

Mathias schmiedet am liebsten einen wilden Damast, d.h. es wird keine bestimmte Anordnung der Lagen angestrebt, sondern es ergibt sich einzufälliges Muster als Ergebnis des Faltens und Hämmerns. Kein Muster gleicht dem anderen. Jedes stets ein Unikat - unwiederholbar.

Das Stahlpaket besteht in der Regel aus 3 sorgfälltig gewählten Stahlsorten, die unter dem Hammer des Meisters einen Leistungsdamast ergeben. Idealerweise sowohl ausreichend feinkörnig als auch zäh, um eine feinausgeschliffene Klinge mit 61-64 HRc für dauerhafte Schärfe zu ermöglichen.

Viel mehr geht da nicht mehr. Oder doch?

Mathias hatte ein fertig geschweißtes Damastpaket auf der Werkbank liegen. Während wir überlegten, nahm er es in die Hand. Bedächtig drehte er den Stahl mit beiden Händen nach allen Richtungen, während er das Paket gedankenversunken schweigend betrachtete. Nach einer Weile hielt er inne.

Hm. Ich hab‘ da eine Idee.

Gut. Mir genügte diese Ansage - das war alles, was ich in diesem Moment über meinen Burg Damast wissen musste.

Denn. In dieser Werkstatt roch, schmeckte, klang alles nach Burgschmiede.

„„Meine Messer machen Leute glücklich, denn sie sind Messer mit Seele“, davon ist Messerschmied Mathias Maresch aus Staufen überzeugt. Schließlich gibt er seine ganze Leidenschaft in den Prozess des Messermachens und schmiedet das Messer seinen Kunden auf den Leib.“

So schreibt Autorin Gabriele Hennicke über Mathias in ihrem Buch über besondere „Tüftler, Pioniere und Originale aus dem Schwarzwald“.

Wir waren uns nun in allen Punkten einig - das Spiel mit Glut und Feuer konnte beginnen.


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Es war heiß jener Tage. Hochsommerliche 37 Grad am Fuße des Südschwarzwaldes. Da verspürt man wenig Lust, einen Hitzeofen anzuschmeißen.

Bald darauf folgten einige deutlich kühlere Tage und sodann kam die erste Nachricht mit Bild.

Das geschnürt und verschweißte Damastpaket für den Masterstahl war bereit. Sieht erstmal ziemlich mausgrau aus. Inhalt noch unbekannt. Immerhin. 80 Lagen als Ausgangspunkt ist eine Ansage.

Der Schmiedeofen ward dann schließlich in Betrieb. Das Stahlpaket, glühend erhitzt, wird eingespannt und mit Hilfe eines langen Eisens in sich verdreht. Er wehrt und windet sich und muss sich doch am Ende unter den Händen des Klingenmeisters biegen und beugen.

Tordieren ist weder was für Weicheier, noch für Grobmotoriker. Temperatur und Krafteinsatz müssen stimmen.


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Es sollte jedoch kein klassischer Torsionsdamast werden. Also wurde geschnitten, zusammengefügt, geschnitten, Seiten vertauscht, nochmals hinzugefügt.

Und vermutlich auch geflucht. Weiteres Bildmaterial aus der Stahlfolterkammer gab es leider nicht.

Hier sind wir schon deutlicherweiter fortgeschritten.

Titanliner und Klingenstahl in grobe Endform gebracht. Lose zusammengesteckt, kann man das werdende Messer schon gut erkennen.

Gestreckt fließende Linie, aber nicht zierlich. Griffschalenende und Klingenspitze in umgekehrt gespiegelter Form. Genau so, sollte es werden. 😋


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Der Klingenrücken verläuft im geschlossen Zustand, wie gewünscht, parallel zur Griffmittellinie. Beide Klingenenden schließen exakt und formbündig mit den Titanlinern ab.

Für Messerfreaks mit Auge für‘s Detail ist das die hohe Meisterschule aus dem Lehrbuch.

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Im nächsten Schritt werden die Griffschalen in die rohe Endform gebracht.

Die Griffschalen mit Überstand sind jetzt schon weitgehend ausgeformt, aber nur grob geschliffen. Die Klinge noch nackt und blassgrau wie ein Monostahl.

Zeit für eine erste Anprobe. Passt.

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Nach dem Schleifen der Klinge auf Endmaß, die erste Ätzung. Hier ein Screenshot aus dem Video hierzu, daher auch hier leider nur suboptimale Abbildung.

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Mathias hatte sich zu diesen Damast für ein Paket aus 1.2842, 75Ni8 und C105 Stahl entschieden.

Ein Damaststahl mit den Stahlsorten C105, 1.2842 und 75Ni8 ist eine bewährte Kombination für Messer mit feiner Schneide. Der 75Ni8 (1.5634) sorgt für einen hellen Kontrast, während der 1.2842 für eine gute Schnitthaltigkeit sorgt. Der C105, ein Kohlenstoffstahl, ermöglicht hohe Härte und und unterstützt ebenso schmale Schneiden.

Here we go.

Es ist vollbracht. Die fertigen Zutaten der Burg Edition liegen auf dem Tisch. Letzte Kontrolle vor dem Zusammenbau.


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Die Küchenwaage bescheinigt dem zusammengebauten Ensemble wohlgeratene 107g. Das ist etwas über dem VirgilWeight von 100g, aber immer noch leicht genug für ein stabiles Messer im Hosensack.

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Am Ende kann ein wirklich stabiles Messer auch haptisch verlieren, wenn das Gewicht zu leicht gerät. Das ist natürlich eine individuelle Gratwanderung und auch eine Frage der eigenen Statur als auch Wahrnehmung.

Jedenfalls. Selbst geschlossen eine aussergewöhnliche Schönheit.

Der Walrossbulle macht einen ordentlichen Strich durch die Rechnung. Und durch die Schrauben. Ein schnaubend und brüllender Koloss, der nur Orcas und Eisbären fürchten muss. Die typische Signatur wunderbar erwischt.

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Und dann. Der Damast des Meisters.

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Wild, dichte Linien, intensiv und ausdrucksstark trotz feiner Zeichnung. Als hätte ein um den Amboss tanzender Rapunzel immer wieder zwischendrein gehämmert.

Um 600 Lagen hat der Linienbombast, er wurde auf ca. 63 HRc gehärtet und deutlich unter 0,3mm hinter der Fase ausgeschliffen. Wilder Damast in Perfektion.

Wild at Heart Damascus by Mathias Maresch, werde ich in der Dokumentation notieren.

Und nun nochmal zur Erinnerung.

Es sollte ein zumindest entfernter Verwandter von Lanniers L08 werden. Mit konstruktiven Änderungen, die mir grundsätzlich besser gefallen, einer strengeren Linienführung im Sinne der Burg und mehr Stabilität nach Staufener Werkstatt Standard. Check.

Maximal stabiler Schneidteufel mit frankophiler Legende wäre eine passende Beschreibung. Check.

Die Griffschalen aus Walroßzahn waren ein unabdingbares Muß, ohne diese hätte es den Auftrag vermutlich nicht gegeben, hätte ich mir den Luxus dieser Burg Edition nicht gegönnt. Check.

Der Überstand der Griffschalen sieht nicht nur gut aus. Damit bekommt der Griff auch mehr Volumen, einen größeren Umfang, der bei festem Zupacken entsprechend besser in der Hand liegt, ohne das Gewicht nennenswert zu erhöhen. Check.

Das ist technisch und auch optisch nicht bei jedem Messer passend oder sinnvoll. Am Burgmesser ist es jedoch fast schon genial und macht die perfekte Umsetzung der Vorgaben erst möglich. Check.

Der Damast ist das Herzstück und die Seele dieses Burgmessers. Da Mathias generell nur hochwertigen Leistungsdamast schmiedet, stand keine ultimative Stahleigenschaft im Vordergrund.

Anders gesagt, der Damast musste nicht Schneiden wie Siegfrieds sagenumwobenes Schwert Balmung. Aber. Er sollte möglichst so ausdrucksstark wirken, als sei er aus den gefundenen Trümmern Balmungs geschmiedet und in Drachenblut gebadet. 😎 Check.

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Die Arbeiten von Mathias gehören mit zum Besten, was man aus einer Schmiedewerkstatt bekommen kann.

Meine beiden Messer sind nicht nur präzise und penibel gearbeitet, sondern auch edel und nobel - auf die reduzierte Art. Reduziert bedeutet hier Verzicht auf Zierrat, SchnickSchnack, PlingPling sowie unnötige Bauteile.

Ein Froberg hat vordergründig oft die technische Note des Werkzeugmachers. Ein Boll hat meistens eine erkennbar ethnische Note. Und bei Meister Maresch klingen die Noten schwer nach Burg.

Das Walross war übringens Ansporn und Belohnung für 3 Monate herausfordernder Anstrengung - und jeden Cent wert. Ich passe wieder in meine alte Rüstung. 😋

Ein sonniges Wochenende Euch allen

grüsse, pebe
 
Zuletzt bearbeitet:
Servus,

so geht Auftrag und Ausführung, es muss zu einem homogenen Gesamten werden, wie in diesem Fall. 👌 Es ist wunderbar, wenn man vor Ort die rohen Teile selbst aussuchen kann und der Meister bearbeitet das dann nach allen Regeln seiner Kunst. Fantastisch und inspirierend!

Exzellente Vorstellung, Danke für diesen Aufwand. 👍

Gruß, güNef
 
Wowwww 👍👍🙏 Großartig. Dein Bericht und das Werk von Mathias. Eismeer im Griff und den „coolen“ Wellen des Damasts, durchweg stimmig. Spürbare, sichtbare Leidenschaft!
Apropos Leidenschaft, die Leiden schafft: Beim begrenzten Platz an der Tafelrunde, welcher Ritter muss denn auf den ebenfalls gut besetzten Burghof ausweichen oder auf Minnesang gehen? 🫣😃

Abu
 
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